Was versteht man unter “Recht”?
es gibt nicht die Antwort auf die Frage was Recht und Unrecht ist
Rechtstheorie, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie bieten hierzu unterschiedliche antworten
Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung zeigen hierbei das Recht in seinen Erscheinungsformen und als Gegenstand eines Entwicklungsprozesses
Das Recht ist die für alle verbindliche, nach Gerechtigkeit strebende Ordnung des menschlichen Zusammenlebens in einem konkreten Gemeinwesen.
Erläutere die staatliche Rechtsordnung
Das Gemeinwesen in welchem das Recht gilt ist in erster Linie der (nationale) Staat, so dass wenn man sich mit dem Recht beschäftigt sehr schnell der Blick auf die nationale Rechtsordnung gelenkt wird
Rechtsquellen
geschriebenes Recht —> staatliche Gesetze und Verordnungen
Rechtsprechung
Gewohnheitsrecht (Gewohnheitsrecht erfordert eine ständige tatsächliche Übung und die Überzeugung, dass es sich dabei um die Befolgung von Recht handelt. Es kann nur als Rechtsquelle allgemeiner Art, nicht beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis entstehen)
Aufbau der Rechtsordnung
Europäisches Recht (Unionsrecht)
Primäres Gemeinschaftsrecht
Vertrag über die Europäische Union
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Sekundäres Gemeinschaftsrecht
Europäische Verordnungen
Europäische Richtlinien
Deutsches Recht
Bundesrecht
Grundgesetz
Bundesgesetze
Rechtsverordnungen des Bundes
Landesrecht
Landesverfassungen
Landesgesetze
Rechtsverordnungen des Landes
Erläuter das Verhältnis von Grundrechten und Bürgerlichem Recht
Ausgangspunkt:
Das GG ist höherrangig als BGB
Gesetzgeber und Rechtsprechung haben Vorgaben der Verfassung zu beachten
Verfassungsrecht kommt heute größere Bedeutung für die Fortentwicklung des Bürgerlichen Rechtes zu, weil GR nicht mehr nur als Abwehrrechte gegen den Staat begriffen werden, sondern auch im Privatrechtsverkehr eine Rolle spielen (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte)
Zwischen welchen zwei Rechtsgebieten unterscheidet man?
Privatrecht
Kennzeichen: Gleichordnung der Handelnden
Wichtigste Handlungsform: Vertrag
Öffentliches Recht
Kennzeichen: Über- und Unterordnung
Wichtigste Handlungsform: Verwaltungsakt
In welche Teile unterteilt man das Öff. Recht und welche Formen staatlichen Handelns gibt es?
Verfassungsrecht
Verwaltungsrecht
Strafrecht
Formen staatlichen Handelns
hoheitlich:
Polizeirecht: Abschleppen eines Autos, Räumung eines besetzten Hauses
Baurecht: Abrissverfügung
fiskalisch: Teilnahme am Rechtsverkehr wie ein Privater, ohne hoheitliche Machtmittel
fürsorgend: Verteilung staatlicher Leistungen, z.B. Hartz IV, Sozialhilfe, Wohnkostenzuschuss
Warum ist die Unterscheidung der Rechtsgebiete bedeutsam?
Rechtsweg zu den Gerichten, § 13 GVG, § 40 VwGO
unterschiedliche Grundprinzipien
öffentliches Recht: Bindung an die Verfassung, insbesondere Grundrecht (Gleichbehandlung); Gesetzmäßigkeit der Verwaltung: Vorbehalt des Gesetzes, Vorrang des Gesetzes; grundsätzliche Begründungspflicht
Privatrecht: Grundsatz der Privatautonomie: Vertragsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Testierfreiheit, private Organisation der Familie, Vereinigungsfreiheit; grds. kein Begründungszwang (keine Motivationskontrolle)
Welche Theorien zur Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht gibt es?
Interessenstheorie (Ulpian)
sind öffentliche oder private Interessen betroffen?
P! Straßenbau? Institutionen von Ehe und Wettbwerb?
Subordinationstheorie
besteht ein Über- / Unterordnungsverhältnis?
P! Eltern-Kind Beziehung? Arbeitgeber-Arbeitnehmer Beziehung?
Subjektstheorie
handelt der Staat?
P! fiskalisches Handeln?
modifizierte Subjektstheorie
öffentliches Recht sind Rechtsnormen, die einseitig Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten
Öffentliches Recht liegt dann vor, wenn an einem Rechtsverhältnis ein Träger hoheitlicher Gewalt als solcher beteiligt ist"
Erläutere das Bürgerliche Recht als Teil des Privatrechts?
Bürgerliches Recht
historisch das ius civile des römischen Rechts
im Mittelalter: Abgrenzung zum ius canonicum
seit der Französischen Revolution: das Recht des Bürgers (citoyen)
Bürgerliches Recht als das für alle geltende Recht einer ständelosen Gesellschaft
Bürgerliches Recht ist das “Allgemeine Privatrecht”
“Sonderprivatrechte”
Handelsrecht: Sonderprivatrecht der Kaufleute
Wirtschaftsrecht: Sonderprivatrecht der gewerblichen Wirtschaft
Arbeitsrecht: Sonderprivatrecht der abhängig Beschäftigten
Immaterialgüterrecht: Sonderprivatrecht des “Geistigen Eigentums”
Verbraucherprivatrecht
kein Sonderprivatrecht, “Jedermannsrecht”, aber rollenbezogen, §§ 13, 14 BGB
Welche Rechtsgebiete sind Teil des Privatrechts
Bürgerliches Recht i.e.S. (BGB, Nebengesetze)
Handelsrecht (HGB)
Gesellschaftsrecht (z.B. §§ 705 ff. BGB, §§ 105 ff. HGB, AktG, GmbhHG, GenG)
Immaterialgüterrecht (UrhG, PatG, GeschmG, GebrmG, MarkenG)
Wirtschaftsrecht (UWG, GWB)
Privatversicherungsrecht (VVG)
Erläutere die historische Entwicklung des Bürgerlichen Rechts und des BGB
Bürgerliches Recht entwockelt aus dem römischen Recht; Rezeption im Mittelalter
Kodifikation in Deutschland
“Gemeines Recht” und Partikularrecht
Kodifikationsstreit zwischen Thibaut und v. Savigny 1814
historische Schule, Pandektenwissenschaft
Reichsgründung 1871
Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht wird dem Bund übertragen: lex Miquel / Lasker 1873
Ausarbeitung des BGB
1. Kommission (u.a. Bernhard Windscheid; Gottlieb Planck); Materialien: Motive
Kritik u.a. von Otto von Gierke (“Tropfen sozialistischen Öls”)
2. Kommission; Materialien: Protokolle
Verabschiedung 1896, Inkrafttreten am 1.1.1900
Erläutere die Systematik des BGB!
Buch, §§ 1 - 240, Allgemeiner Teil
Buch, §§ 241 - 853, Schuldrecht
Buch, §§ 854 - 1296, Sachenrecht
Buch, §§ 1297 - 1921, Familienrecht
Buch, §§ 1922 - 2385 Erbrecht
Erläutere die hinter dem BGB stehenden Prinzipien!
Prinzipien des BGB (“innere System”)
Geist des Liberalismus des 19. Jahrhunderts
Ausdruck der Privatrechtsgesellschaft (Franz Böhm)
Privatautonomie als fundamentales Prinzip
“ Privatautonomie nennt man das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen” (Flume)
“Unter Privatautonomie versteht man die Freiheit, Privatrechtsverhältnisse nach eigenem Willen konstitutieren und ausgestalten zu können, ohne Präferenzen begründen zu müssen.” (Neuner)
Vertragsfreiheit, Eigentumsfreiheit, private Organisation der Familie, Testierfreiheit
Erläutere den Inhalt des Allgemeinen Teil des BGB!
Rechtssubjekte, §§ 1 - 89
Personenrecht, aber Familienrecht gesondert in Buch 4
Definitionen von Unternehmer und Verbraucher
Rechtsobjekte, §§ 90 - 103: Sachen und Rechte
Rechte: “Geschöpfe der Rechtsordnung selbst” (Medicus)
Sachen: körperliche Gegenstände, §§ 90 ff.
Rechtsgeschäfte, §§ 104 - 185
das Mittel zur Ausübung der Privatautonomie
hoher Abstraktionsgrad des Begriffs
weitere Vorschriften
Fristen und Termine, §§ 186 - 193
Verjährung, §§ 194 - 218
Rechtsausübung und Rechtsdurchsetzung, §§ 226 - 231
Sicherheitsleistung, §§ 232 - 240
Welche Rechtsquellen des AT gibt es?
Gesetz
der Allgemeine Teil des BGB
einzelne Regeln in anderen Büchern
§ 305 Einbeziehung von AGB in den Vertrag
§§ 312 ff. Widerruf bestimmter Verbrauchergeschäfte
einzelne Sondergesetze
AGG
Beurkundungsgesetz (ergänzt § 128)
Ergänzung durch öffentliches Recht
Namensrecht, § 12
Einwirkung des Verfassungsrechts
Einwirkung des Europarechts
Gewohnheitsrecht
culpa in contrahendo (s. jetzt § 311 II, 241 II)
Störung der Geschäftsgrundlage (s. jetzt § 313)
Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (vgl. § 328, 311 III)
Was ist ein Anspruch und wie können diese entstehen?
"Anspruch” ist "das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen", § 194 I BGB
Ansprüche können entstehen
aus Vertrag (z.B. aus Kaufvertrag, § 433 BGB)
aus Gesetz (z.B. wegen eines Delikts, § 823 I BGB)
Wer einen Anspruch (gerichtlich) geltend macht, muss diesen auf eine Anspruchsgrundlage stützen z.B.:
Anspruch auf Lieferung einer gekauften Sache folgt aus § 433 I 1 BGB
Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Sachbeschädigung aus § 823 I BGB
Die Voraussetzungen (sog. Tatbestand) der jeweiligen Anspruchsgrundlage müssen erfüllt sein
Wie kommt ein Vertrag zustande?
Ein Vertrag kommt durch Angebot (“Antrag”) und Annahme zustande, §§ 145 ff. BGB
Gibt es einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrags (sog. Kontrahierungszwang)?
Nein, nur in Sonderfällen
Erläutere die Vertragsfreiheit und ihre Unterprinzipien!
Unterprinzipen der Privatautonomie
Vertragsfreiheit
Abschlussfreiheit
Formfreiheit
Inhaltsfreiheit
Typenfreiheit
Testierfreiheit
Die Vertragsfreiheit kommt ansatzweise zum Ausdruck in § 311 I BGB
“Nur das acceprierte Versprechen, d.h. der Vertrag, kann die Verpflichtung zur Erfüllung erzeugen.”, Motive zum BGB s. 96
Erläutere die Abschlussfreiheit!
Abschlussfreiheit ist die Freiheit, Verträge zu schließen oder nicht und mit wem man will - ohne dafür Rechenschaft zu geben
Nur höchst ausnahmsweise gibt es einen Kontrahierungszwang
speziell: z.B. für Rechtsanwälte oder Taxifahrer
allgemein: abgeleitet aus § 826 BGB, vor allem in Fällen einer Monopolstellung (Sonderregelung im Kartellrecht, § 20 GWB)
Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) von 2006
Verbot der Diskriminierung wegen Geschlecht, Rasse, ethnischer Herkunft, Glaube oder Weltanschauung, Behinderung
aber nur für “Massengeschäfte”
aber kein Kontrahierungszwang normiert, nur Ansprüche auf Unterlassen und Schadensersatz
Erläutere die Inhaltsfreiheit!
Inhaltsfreiheit ist die Freiheit, einen Vertrag mit dem Inhalt zu schließen, den man will (und auf den man sich mit dem Vertragspartner einigt)
Typenfreiheit als Bestandteil der Inhaltsfreiheit
Im BGB und in anderen Gesetzen sind verschiedene Vertragstypen schon gesetzlich geregelt, z.B. Kauf, Schenkung, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag, Reisevertrag u.a.m. (s. den 8. Abschnitt des 2. Buchs!)
Das ist nur ein Angebot des Gesetzgebers, aber keine Beschränkung. Die Parteien sind nicht an die vorgeformten Typen gebunden, sie können ihre Verträge nach eigenem Willen ausgestalten.
Was ist dispositives Recht und welche Zwecke verfolgt es?
über das dispositive Recht können die Parteien disponieren, sie können es “abbedingen”, Bsp.: § 448 BGB - Kosten der Übergabe beim Kauf
Zwecke:
Erleichterungsfunktion: das dispositive Recht ist ein Regelungsangebot, von dem die Parteien Gebrauch machen können. Sie brauchen sich um diese Frage nicht zu kümmern, wenn sie davon Gebrauch machen wollen, es findet mangels abweichender Vereinbarung ohne weiteres Anwendung.
Interessensausgleichsfunktion: das dispositive Recht soll einen fairen Ausgleich der betroffenen Interessen erreichen, es beruht meist auch auf Gerechtigkeitserwägungen
Steuerungsfunktion: mitunter soll das dispositive Recht auch (sanft) steuern. Macht es auch keine zwingenden (unabdingbaren) Vorgaben, so lenkt es die Parteien doch dadurch, dass sie aktiv werden müssen, wenn sie Abweichendes vereinbaren wollen
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