Lernziele
• Sie sind mit den Besonderheiten der psychodynamischen Diagnostik vertraut (z.B. hinsichtlich Schwerpunkten, Informationsquellen, Therapeutenverhalten)
• Sie sind mit den Grundzügen des psychoanalytischen Erstinterviews nach Argelander vertraut.
• Sie kennen die Merkmale und Bestandteile der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik, insbesondere die Achsen:
○ Beziehungserleben
○ Konflikt
○ Struktur
-> Grundlagen
• Begriff „psychodynamische Verfahren“ wird für alle psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren verwendet
• In aktueller Psychotherapie-Richtlinie werden Analytische und Tiefenpsychologisch-fundierte Therapie unterschieden
• Psychotherapie-Richtlinienbezeichnung: „psychoanalytisch begründete Verfahren“ (Versorgungskontext)
• In Forschungskontexten: „psychodynamische Psychotherapie“
„Die Psychodynamische Psychotherapie gründet auf der Psychoanalyse und ihren Weiterentwicklungen. Die Behandlungsprinzipien der Psychodynamischen Psychotherapie bestehen in der Bearbeitung lebensgeschichtlich begründeter, unbewusster Konflikte und krankheitswertiger psychischer Störungen in einer therapeutischen Beziehung unter Berücksichtigung von Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand. Dabei wird je nach Verfahren stärker im Hier und Jetzt oder im Dort und Damals gearbeitet, die Stundeninhalte sind je nach Verfahren strukturierter (Technik: Fokussierung) oder unstrukturierter (Technik: freie Assoziation) und der Therapeut greift jeweils auf eine starke aktive oder eher zurückhaltende Interventionstechnik zurück“
• Psychodynamisch orientierte Psychotherapie klassifiziert psychische Phänomene meist auf dem Hintergrund (meta)psychologischer Konstrukte der psychoanalytischen Theorie
• psychodynamische Diskussion fokussiert auf lebensgeschichtliche Herleitung und aktuelles Verständnis der Störung, d.h. auf Verknüpfung jener Dispositionen, welche sich in Persönlichkeitsentwicklung aufgebaut haben und aktuellen äußeren Ereignissen, welche dieses Konfliktpotential aktivieren und Symptombildung auslösen
• Das in diagnostischer und therapeutischer Situation vom Patienten berichtete Material und Beobachtungen/ Wahrnehmungen der Psychotherapeuten innerhalb Therapeut-Patienten-Interaktion werden in psychodynamischer Diagnose zusammengefasst
-> psychodynamisches Modell (wie entstehen Störungen, Struktur der Psyche, Abwehrmechanismen)
• Störungen (Neurosen) entstehen aus spezifischer intrapsychischer Dynamik, die primär unbewusst und nur der psychoanalytischen Methode zugänglich ist
• Axiomatische Annahmen zur Struktur der Psyche
○ Über-Ich: Normen, Werte; nicht bewusst, aber dem Bewusstsein zugänglich
○ Ich: Wahrnehmungen, Gedanken, Erinnerungen, Urteile, bewusst; handelt nach Realitätsprinzip
○ Es: Urtriebe, Forderungen, Wünsche, unbewusst; handelt nach Lustprinzip
• Nach psychodynamischen Verständnis 3 Wege der Symptomentstehung:
○ missglückte Konfliktlösungen
○ strukturelle Entwicklungsdefizite
○ Folge von Trauma
• Konflikttheorie: ungelöste Konflikte zwischen Wünschen u. Verboten/Werten → Verdrängung; diese gelingt nicht perfekt → weitere Abwehrmechanismen → Symptombildung als Kompromiss
• Diverse Abwehrmechanismen:
○ Verdrängung (Ausschluss von Gedanken, Gefühlen)
○ Verleugnung (Wahrnehmungen werden verneint)
○ Verschiebung (sexuelle o. aggressive Impulse werden auf anderes Objekt verlagert)
-> Fokus der Diagnostik
• Die Diagnostik fokussiert stärker auf:
○ Biographische Anamnese
○ „Szenisches Verstehen“ der Interaktion in der Therapiesituation (z.B. Übertragung und Gegenübertragung)
• Identifizierung zugrunde liegender Konflikte
• Identifizierung von Abwehrmechanismen
• Identifizierung von Strukturdefiziten
• Gegenüber der KVT geringerer Stellenwert der störungsspezifischen Diagnostik
-> Grundlagen (Struktur, Aufgabe Therapeut:in, …)
Das psychoanalytische Erstinterview nach Hermann Argelander „Der Klassiker“
• Psychoanalytisch orientierte Diagnostik basiert auf teilstrukturiertem Abklärungsgespräch, dem sogenannten „Erstinterview“
• einerseits strukturiert → erhebt anamnestische Befunde zu Beschwerden, Symptomverläufe und Erklärungsmodelle der Patient*In sowie aktuelle Belastungen und prägende Lebenserfahrungen
• andererseits wenig bis gar nicht strukturiert → lässt Pat. genügend Raum für freie Selbstdarstellung und damit einhergehender Inszenierung unbewusster Vorstellungen und Beziehungsmuster
• Aufgabe der Therapeut*In: einfühlendes Zuhören
• Psychoanalytische Krankheitstheorie geht von struktureller und/ oder konflikthafter Genese seelischer Erkrankungen aus
• Erstinterview → über beide Dimensionen Auskunft erhalten → Indikationsprüfung Behandlung zugrundeliegender struktureller Störungen und/oder unbewussten Konflikten
• knüpft an zentrale Elemente der Entwicklungs- und Entstehungstheorie der Psychoanalyse an → Beziehungsvorstellungen bzw. repräsentanzen
-> szenisches Verstehen und gleichschwebende Aufmerksamkeit
• Erstkontakt: Fokus auf Aktualisierung
• Therapeut*In versucht zu verstehen, in welche Beziehungsszene sie durch die Patient*In unbewusst involviert wird = Szenisches Verstehen
• Unstrukturiertes Mittel der Beziehungsdiagnostik: gleichschwebenden Aufmerksamkeit:
○ Abwartend-zuhörende Haltung der analytischen Therapeut*In: Patient*In kann sich mit ihrer Beziehungsbiographie bewusst und unbewusst in therapeutische Beziehung einbringen
○ Aspekte der inneren Welt (Vorstellung von Selbst, Anderem und Beziehungen), die nicht verbalisiert werden können, das Handeln aber umso stärker leiten
-> Informationsquellen
Objektive Informationen
▪ Fakten, Daten (z.B. zur Biografie)
▪ Nachprüfbares
▪ lassen sich auch aus schriftlich festgehaltenen biographischen Daten schließen
Subjektive Informationen
▪ Hier ist die Bedeutung entscheidend, die der Patient selbst den Informationen verleiht
▪ Diese Informationen sind nur durch die gemeinsame Arbeit mit dem Patienten erfahrbar, der Therapeut/Diagnostiker kann sie nicht alleine erschließen
Szenische Informationen
▪ Das Erlebnis der Situation im „Hier und Jetzt“
▪ Diese Information ist nicht durch Wiederholung nachprüfbar und wird deshalb oft verworfen
▪ Instrument: Persönlichkeit des Interviewers, die abgestimmt ist auf das unbewusste Beziehungsfeld mit dem Patienten
• Sie kennen die Merkmale und Bestandteile der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik
Operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD-2)
• Multiaxiales System
• Leitgedanke: auf Grundlage einer konsequenten Operationalisierung und Manualisierung, psychodynamische Konstrukte auf einer (vgl.weise) beobachtungsnahen Ebene erfassbar machen
• Ziel: reliablere Daten für differenzielle Therapieindikationen und die Betrachtung des psychotherapeutischen Prozesses
Achse II Beziehung (repetitive dysfunktionale Beziehungsmuster, Patienten- bzw. Untersuchererleben)
Achse III Konflikt (intrapsychische und interpersonelle repetitive Konfliktmuster, passive und aktive Modi)
Achse IV Struktur (Persönlichkeitsstrukturelle Merkmale und jeweilige Integrationsniveaus)
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