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LE 3.2

AG
by Adele G.

Einleitung: Schwerpunkte Raum und Revolution

Der Text beschreibt, wie die Betrachtung historischer Vorgänge durch spezifische Leitthemen zu differenzierten Darstellungen und Interpretationen führen kann. Hier sind die Hauptpunkte zusammengefasst und erklärt:

  1. Leitthemen in der historischen Forschung:

    • Anhand von Leitthemen (z.B. Raum und Revolution) können Historiker unterschiedliche Perspektiven und Interpretationen entwickeln. Dies bedeutet nicht, dass die Forschung beliebig ist; historische Tatsachen bleiben unveränderlich.

    • Historische Prozesse können jedoch nicht in ihrer Gesamtheit dargestellt werden, da es nicht die eine, einzige Geschichte gibt. Die Vielzahl an verfügbaren Quellen zwingt Historiker zur Auswahl, was wiederum den Blickwinkel beeinflusst und Zusammenhänge herstellt, die den damaligen Akteuren vielleicht nicht bewusst waren.

  2. Reflexion über Methoden und Perspektiven:

    • Es ist wichtig, über die gewählten Leitthemen, die Auswahl der Quellen und die Methoden zu reflektieren, um die Perspektiven und deren Wechsel in der historischen Arbeit nachvollziehbar zu machen.

  3. Beispiele für Leitthemen:

    • Der Text verwendet die Leitthemen "Raum" und "Revolution", um zu zeigen, wie diese zur Identifikation von Bedeutungshorizonten in historischen Fragestellungen genutzt werden können. Diese Themen sind nicht die einzigen möglichen Zugänge; es gibt viele andere, wie Sprachwissenschaften, Bildgeschichte, postkoloniale Studien oder Umweltgeschichte.

  4. Veränderungen von Raum und Zeit:

    • Die Beziehung von Raum und Zeit hat sich im Laufe der Geschichte verändert. Im 19. Jahrhundert war die Verkürzung von Reise- oder Nachrichtenübermittlungszeiten eng mit einer wahrgenommenen Reduktion des Raumes verbunden. Heute, im Zeitalter des Internets, spricht man vom „Schrumpfen“ der Welt, obwohl dies auch politische Ängste und Maßnahmen hervorrufen kann (z.B. Mauern und Barrieren).

  5. Revolution als Leitthema:

    • Die Bedeutung und Wahrnehmung von Revolutionen haben sich über die Zeit ebenfalls gewandelt. Während frühere Revolutionen wie die Glorious Revolution in England oder die Französische Revolution oft als notwendige Regierungswechsel verstanden wurden, haben spätere Darstellungen sie häufig mit Mythen und Schrecken verbunden.

    • Eine genauere Analyse zeigt, dass Revolutionen oft in Metropolen stattfinden und von einer kleinen Gruppe von Akteuren angeführt werden, nicht von der gesamten Bevölkerung.

  6. Ziel der Kurseinheit:

    • Diese Kurseinheit soll zeigen, dass historische Forschung viele Perspektiven bietet und dass die Geschichte eine endlose Debatte ist, in der verschiedene Ansichten und Interpretationen nebeneinander bestehen können.

    • Die Studierenden sollen lernen, verschiedene Perspektiven und Methoden der historischen Forschung kennenzulernen und zu verstehen.

  7. Zitat von Abraham Ascher:

    • Die Geschichte ist keine abgeschlossene Disziplin, sondern eine endlose Debatte über die Vergangenheit, was die Vielfalt und Dynamik der historischen Forschung unterstreicht.

Insgesamt betont der Text, dass historische Forschung durch die Auswahl von Leitthemen und die Reflexion über Methoden vielfältige Perspektiven und Interpretationen ermöglicht, was zu einem tieferen Verständnis der Vergangenheit führt.

Wann beginnt die Neuere und Neueste Zeitgeschichte?

Der Text gibt einen Überblick über die Einteilung und Interpretation der Neueren und Neuesten Geschichte, basierend auf den Ansichten von Historikern wie Eric Hobsbawm und Jürgen Osterhammel. Hier ist eine detaillierte Erklärung der wichtigsten Punkte:

Beginn der Neueren Geschichte

  1. Französische Revolution (1789):

    • Traditionell beginnt die Neuere Geschichte mit der Französischen Revolution, einem Wendepunkt, der tiefgreifende politische und gesellschaftliche Veränderungen in Europa einleitete.

  2. Industrielle Revolution (ab ca. 1780):

    • Eric Hobsbawm argumentiert, dass nicht nur die politische, sondern auch die Industrielle Revolution in England den Beginn des neuen Zeitalters markiert. Diese Doppelrevolution (politisch und industriell) führte zu grundlegenden Veränderungen in der Welt.

Hobsbawms Konzept des "Langen 19. Jahrhunderts"

  1. Das "Lange 19. Jahrhundert":

    • Hobsbawm bezeichnet die Periode von 1789 bis 1914 als das "Lange 19. Jahrhundert", eine Epoche, die mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs endete. Diese Periode umfasst wichtige politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen.

Übergang zur Zeitgeschichte

  1. Zeit der Weltkriege (1914-1945):

    • Nach dem Ende des "Langen 19. Jahrhunderts" folgt die Zeit der Weltkriege, die bis 1945 reicht. Diese Periode markiert den Übergang zur modernen Zeitgeschichte.

  2. Oktoberrevolution und der Erste Weltkrieg:

    • Die Russische Oktoberrevolution 1917 und der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg sind bedeutende Ereignisse, die das Ende der "bürgerlichen" Epoche und den Beginn des "kurzen 20. Jahrhunderts" markieren, das bis 1989 reicht.

Veränderungen und Perspektivenwechsel

  1. Veränderungen durch die Doppelrevolution:

    • Hobsbawm spricht von einer „Wandlung der Welt“, während Osterhammel von einer „Verwandlung der Welt“ spricht, um die tiefgreifenden Veränderungen zu beschreiben, die durch die Doppelrevolution eingeleitet wurden.

  2. Faszination der technischen Zivilisation (1913):

    • 1913 wird oft als Jahr großer technischer und kultureller Fortschritte betrachtet. Die Begeisterung für die technischen Errungenschaften dieser Zeit spiegelt sich in der Kunst und Literatur wider, wie zum Beispiel in Apollinaires Gedicht "Zone".

Epochengrenzen und ihre Deutungen

  1. 1917 als Epochenjahr:

    • Das Jahr 1917 wird in der Geschichte als Epochenjahr betrachtet, besonders aufgrund der Oktoberrevolution in Russland. Allerdings gibt es seit dem Zusammenbruch der UdSSR Diskussionen darüber, ob das Jahr 1913, das letzte Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, nicht wichtiger sei.

  2. Neue Perspektiven in Russland:

    • In Russland wird zunehmend 1913 als bedeutendes Jahr hervorgehoben, da es das Ende des Zarenreichs und die Blütezeit der russischen Kultur vor der Revolution markiert. Diese Veränderung in der Geschichtsschreibung spiegelt den Wechsel der nationalen und kulturellen Referenzpunkte nach dem Ende der Sowjetunion wider.

Schlussfolgerungen

  1. Wandel der Bedeutung epochaler Ereignisse:

    • Die Bedeutung historischer Ereignisse kann sich im Laufe der Zeit ändern, was nicht auf frühere Fehlinterpretationen zurückzuführen ist, sondern auf veränderte kollektive Erfahrungen und neue Deutungshorizonte.

Der Text zeigt, wie historische Epochen definiert und umgedeutet werden können und betont die Bedeutung der Doppelrevolution am Beginn der Neueren Geschichte. Zudem wird darauf hingewiesen, wie historische Ereignisse im kollektiven Gedächtnis anders bewertet werden können, abhängig von den aktuellen politischen und kulturellen Kontexten.

Die Französische Revolution eröffnet ein Zeitalter

  1. Populäre und wissenschaftliche Sichtweisen auf den 14. Juli 1789:

    • In populären Darstellungen wird der Ausbruch der Französischen Revolution oft auf den 14. Juli 1789 datiert, den Tag des Sturms auf die Bastille. Wissenschaftliche Untersuchungen sehen diesen Tag jedoch nicht mehr als das entscheidende Datum des revolutionären Umbruchs an.

  2. Immanuel Kants Sichtweise:

    • Für den Philosophen Immanuel Kant war der entscheidende revolutionäre Akt die Bildung der Verfassunggebenden Nationalversammlung. In seinem Werk von 1797 erwähnt er weder den Sturm auf die Bastille noch den Terror des Wohlfahrtsausschusses (1793/94).

    • Kant bezog sich auf die Einberufung der Generalstände am 5. Mai 1789, um einen neuen Staatskredit zu sichern. Diese Versammlung führte zur Erklärung des Dritten Standes zur Nationalversammlung am 17. Juni 1789 und zum Ballhausschwur am 20. Juni, mit dem sie sich zur Verfassunggebenden Nationalversammlung erklärten.

  3. Reinhard Kosellecks Unterscheidung:

    • Historiker Reinhard Koselleck unterschied zwischen gewalttätigen und friedlichen Revolutionen, während die Zeitgenossen zwischen unrechtmäßigen Tumulten auf der Straße und nützlichen Revolutionen im Interesse einer guten Staatsverwaltung unterschieden.

  4. Revolution und Kant:

    • Kant behielt trotz des Terrors des Wohlfahrtsausschusses eine positive Einstellung gegenüber der Revolution. Die Glorious Revolution von 1688 in England war ebenfalls in guter Erinnerung und der Begriff "Revolution" war positiv besetzt.

  5. Ereignisse am 14. Juli 1789:

    • Eine Volksmenge versammelte sich vor der Bastille, wo sechs oder sieben Gefangene und große Munitionsvorräte gelagert waren. Der Kommandant ließ schießen und tötete 90 Menschen, bevor er die Festung gegen das Versprechen des freien Abzugs übergab.

    • Der Tag hatte eine große Bedeutung, weil ein Angriff auf ein Symbol der Monarchie erfolgreich war. Die Nationalversammlung sah den Aufruhr jedoch als Störung der bürgerlichen Ordnung, nicht als Unterstützung der Revolution.

  6. Anekdote des Herzogs de La Rochefoucauld-Liancourt:

    • Eine oft zitierte Anekdote besagt, dass König Ludwig XVI. nach dem Sturm auf die Bastille meinte, es sei eine Revolte, worauf der Herzog de La Rochefoucauld-Liancourt antwortete: "Non, Sire, c'est une révolution." Koselleck bezeichnete dies als Anekdote und gab Mignets Revolutionsgeschichte von 1824 als Quelle an. Adolphe Thiers zitierte eine andere Version 1823.

  7. Etymologie und Bedeutung der Begriffe:

    • Die Begriffe révolte, émeute und révolution wurden unterschiedlich verwendet. Dreißig Jahre später konnte ein Tumult als "Revolution" bezeichnet werden. Die Verwendung der Begriffe ist wichtig für das Verständnis historischer Prozesse.


Begriffsentstehung “Revolution”

  1. Enzyklopädien als Forschungswerkzeuge:

    • Übersichtlichkeit und Gelehrsamkeit: Enzyklopädien bieten einen strukturierten und detaillierten Einstieg in verschiedene Themenbereiche und sind von großer Gelehrsamkeit.

    • Bedeutungswandel verfolgen: Sie ermöglichen es, den Wandel von Begriffen und deren historische Semantik nachzuvollziehen.

  2. Wichtige Enzyklopädien für die Geschichtsforschung:

    • Geschichtliche Grundbegriffe: Ein siebenbändiges Werk, das ausführliche Beschreibungen zur historischen Semantik politisch-sozialer Begriffe bietet.

    • Begriffsgeschichte und historische Semantik: Ein kritisches Kompendium, das Institutionen, Zeitschriften und große Lexika zum Thema darstellt.

  3. Ältere Enzyklopädien und ihre Bedeutung:

    • Verfassernamen fehlen: Ein Nachteil älterer Enzyklopädien ist, dass die Verfassernamen oft fehlen, weshalb nicht klar ist, wer die Einträge verfasst hat.

    • Beispiele für bedeutende Enzyklopädien:

      • Encyclopédie von Diderot und d'Alembert: Bedeutend für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, insbesondere im Kontext der Aufklärung und der Französischen Revolution.

      • Universal-Lexicon von Zedler: Ein umfassendes Werk aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

      • Oekonomische Encyklopädie von Krünitz: Ein umfangreiches Werk, das über mehrere Jahrzehnte hinweg erschien und wirtschaftliche Themen abdeckte.


  4. Encyclopédie (1765)

    • Intellektuelle Wegbereiter: Diderot und d'Alembert, die Herausgeber der "Encyclopédie", werden als intellektuelle Vorläufer der Französischen Revolution angesehen. Ihre Arbeit trug wesentlich zur Verbreitung revolutionärer Ideen bei.

    • Mitgliedschaft in Akademien: Trotz ihrer Rolle als Vordenker der Revolution wurden beide in die königlichen Akademien in Paris und Berlin aufgenommen. Dies zeigt die Anerkennung ihrer Gelehrsamkeit und ihres Einflusses.

    • Politischer Ausdruck: Der Eintrag zur Revolution in der "Encyclopédie" von 1765 beschreibt sie als eine bedeutende Veränderung in der Regierung eines Staates. Dies ist eine knappe, aber präzise Definition.

    • Glorious Revolution: Der Eintrag erklärt, dass in Großbritannien der Begriff "Revolution" hauptsächlich auf die Glorious Revolution von 1688 angewendet wird. Diese Revolution führte zur Absetzung von König Jakob II. und war durch seine schlechte Verwaltung und die frühere Usurpation durch Oliver Cromwell notwendig geworden.

    • Oliver Cromwell und die englische Republik: Cromwell war nach dem englischen Bürgerkrieg (1642-1649) und der Hinrichtung von König Karl I. zum Staatsoberhaupt einer kurzen englischen Republik geworden. Nach seinem Tod wurde Karl II., der Sohn von Karl I., wieder als König eingesetzt.

      • Unterschiedliche Konnotationen: Während Cromwells Herrschaft als Rebellion und Usurpation gesehen wurde, wird die Glorious Revolution von 1688 positiv bewertet.

    • Verschiedene Kontexte: Die "Encyclopédie" behandelt den Begriff der Revolution auch in anderen Bereichen, wie der Geometrie (Rotationskörper), der Astronomie (Planetenumlauf) und der Erdrotation.

    • Uhrmacherei: Der ausführlichste Eintrag bezieht sich auf die Uhrmacherei, wobei die Übertragung von Bewegungen im Uhrwerk erklärt wird.


  5. Zedlers Universal-Lexicon (1742)

    • Definition von "Revolution" in Zedlers Universal-Lexicon:

      • Knappheit der Definition: Ähnlich wie in der Encyclopédie von Diderot und d'Alembert wird auch in Zedlers Universal-Lexicon eine knappe Definition von "Revolution" gegeben.

      • Änderung im Regiment und Policey-Wesen: Revolution wird definiert als eine besondere Änderung in der Regierungs- und Polizeiverwaltung eines Landes. Der lateinische Ausdruck "Rerum commutatio" bedeutet "Veränderung der Dinge".

    • Definition von "Rebellion" in Zedlers Universal-Lexicon:

      • Verbrechen widersetzlicher Untertanen: Rebellion wird als ein Verbrechen beschrieben, das von Untertanen begangen wird, die sich gegen ihre Herrscher auflehnen.

      • Majestäts-Schändung: Rebellion wird als Majestätsbeleidigung betrachtet, da sie gegen die Autorität des Monarchen gerichtet ist.

    • Unterschied zwischen Revolution und Rebellion:

      • Revolution im Rahmen der Ordnung: Revolution wird als eine Änderung innerhalb des bestehenden Ordnungsrahmens gesehen. Auch wenn sich die Stände oder Räte gegen den Monarchen wenden, bleibt die Revolution eine Veränderung, die innerhalb der gesellschaftlichen und politischen Ordnung stattfindet.

      • Rebellion als Verbrechen: Rebellion hingegen wird als ein Verbrechen betrachtet, da sie von den Untertanen ausgeht und gegen die bestehende Ordnung und Autorität gerichtet ist.

    • Zeitlicher Kontext:

      • Unterschiedliche Epochen: Zedlers Universal-Lexicon stammt aus dem Jahr 1742, während die Encyclopédie von Diderot und d'Alembert etwa zwanzig Jahre später veröffentlicht wurde. Beide Werke spiegeln die zeitgenössischen Auffassungen über politische Veränderungen wider.


  6. Krünitz' Oekonomische Encyklopädie (1813)

    • Modifikation der Definition nach der Französischen Revolution:

      • Nach der Französischen Revolution musste die Definition von "Revolution" angepasst werden, da diese Ereignisse die Art und Weise, wie Revolutionen verstanden wurden, grundlegend verändert hatten.

    • Krünitz' Oeconomische Encyklopädie:

      • Diese Enzyklopädie, die zwischen 1773 und 1858 veröffentlicht wurde, ist repräsentativ für die deutsche bürgerliche Öffentlichkeit jener Zeit.

      • Besonders relevant sind die Einträge, die nach dem Tod von Johann Georg Krünitz im Jahr 1796 erschienen sind.

    • Band 123 (1813) und Band 121 (1812):

      • Der Band 123 aus dem Jahr 1813 wurde vom Theologen Heinrich Gustav Flörke betreut. Dieser Band definiert "Revolution" hauptsächlich als den Umlauf der Planeten und verweist für politische Revolutionen auf den Artikel "Regierungsform" im Band 121.

      • Der Artikel "Regierungsform" im Band 121, ebenfalls von Flörke betreut, behandelt detailliert politische Revolutionen und Regierungsformen.

    • Autorschaft und Einfluss:

      • Es wäre interessant zu wissen, wer den Eintrag "Regierungsform" tatsächlich geschrieben hat, da dieser auch die Staatsform Preußens berührt.

      • Heinrich Gustav Flörke, der Betreuer der Bände, hat wahrscheinlich nicht alle Beiträge selbst verfasst, insbesondere nicht zu heiklen Themen wie Staatsrecht, für das ihm die Kompetenz fehlte.

      • Louise Christiane Jacobine Pauli, die Verlegerin ab 1812, und der Freiherr Heinrich Friedrich Karl vom Stein, ein Reformer, hatten Einfluss auf die Enzyklopädie. Vom Stein setzte sich für landständische Repräsentation nach englischem Vorbild ein, aber auch für die Bewahrung adliger Privilegien.

      • Kritische Bemerkungen über den Adel im Artikel weisen auf einen Autor aus dem Umfeld von Karl August von Hardenberg hin, der adlige Privilegien kritisch sah.

    • Inhalt des Artikels "Regierungsform":

      • Der Artikel argumentiert, dass die höchste Gewalt im Staat durch eine legislative Repräsentation gezügelt werden muss.

      • Nur die weisesten, verständigsten und der Freiheit würdigsten Staatsbürger sollten zur Wahl dieser Legislative zugelassen werden, hauptsächlich Gebildete und Staatsbeamte.

      • Eine schädliche Verwaltung könne nicht ausgeschlossen werden, da Adel und Könige sich gegen Reformen sperrten.

      • Der Artikel schlägt vor, dass das Übel des Reformstaus nur durch eine Revolution behoben werden könne, wenn der allgemeine Wille (volonté général der Französischen Revolution) die Macht des Fürsten (höchster Wille) suspendiert.

      • Dies deutet auf eine positive Bewertung der Revolution hin, wenn sie notwendig ist, um Reformen durchzusetzen.

  7. Positive und negative Konnotationen der Revolution:

    • Positive Bewertung: Revolutionen werden oft positiv bewertet, wenn sie dazu dienen, Missstände zu beheben und Reformen durchzusetzen.

    • Negative Bewertung: Rebellion wird als ein Verbrechen gegen die bestehende Ordnung angesehen.

  8. Transnationale Verflechtungen und deren Einfluss:

    • Begriffliche Übernahmen: Die Diskussionen und Definitionen in den Enzyklopädien zeigen, wie Begriffe und Ideen über nationale Grenzen hinweg beeinflusst und übernommen wurden.


Die Revolution in Frankreichs Erinnerungspolitik

Sturm auf die Bastille in Frankreichs Erinnerungspolitik

  1. Sturm auf die Bastille und die Nationalgarde:

    • Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 wurde von den Revolutionären der Nationalversammlung als Störung der Revolution betrachtet. Dies führte zur Gründung der Nationalgarde unter der Leitung des Marquis de La Fayette, um die bürgerliche Ordnung zu schützen. Die Rolle der Nationalgarde und La Fayettes wird später im Zusammenhang mit der Revolution von 1830 wieder thematisiert.

  2. Warum der 14. Juli zum Feiertag wurde:

    • Der Tumult vor der Bastille wurde ernst genommen, aber das Föderationsfest am 14. Juli 1790 war nicht als Feier des Sturms, sondern als Demonstration der Einheit des Volkes und seiner Versöhnung mit dem König gedacht. König Ludwig XVI. schwor auf die Nation und das Gesetz, was den Jahrestag des Sturms zu einem symbolischen Akt der Konstitutionalisierung der Monarchie machte.

    • Weitere Versöhnungsfeste 1792 und 1815 fanden wenig Beachtung. Erst im Juli 1880 wurde der 14. Juli als Festtag zum 70. Jahrestag des Föderationsfestes 1790 und nicht des Sturms auf die Bastille 1789 wieder eingeführt.

  3. Erinnerungskultur und symbolische Bedeutung:

    • Der Sturm auf die Bastille bleibt in Frankreich und Europa ein bedeutender „Erinnerungsort“, der den revolutionären Umbruch symbolisiert. Die Nationalversammlung wollte jedoch am Jahrestag 1790 ein stärkeres Bild der Versöhnung und Einheit schaffen und das Bild der Unruhe tilgen. Die Wiedereinführung des Versöhnungsfestes zum 90. Jahrestag 1880 folgte derselben Absicht.

  4. Gedenkmünzen und historische Feierlichkeiten:

    • Die Staatsverwaltung Frankreichs betont am 14. Juli die Versöhnung und nicht den Volkssturm, was auch die Ausgabe einer 2-Euro-Gedenkmünze im Jahr 2015 zum 225. Jahrestag des Föderationsfestes und nicht des Sturms auf die Bastille zeigt. Zum 225. Jahrestag der Französischen Revolution 2014 gab es keine Münze, stattdessen eine zum 70. Jahrestag des D-Day.

  5. Pierre Nora und die Zweihundertjahrfeier der Revolution:

    • Historiker Pierre Nora bezeichnete die Zweihundertjahrfeier 1989 als das bedeutendste Gedenken in Frankreich. Kein anderes Datum hat eine solche Bedeutung für die französische Identität. Jean-Noël Jeanneney, ein führender Historiker, wurde Präsident der Mission Bicentenaire und leitete zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu den sozialen, gesellschaftlichen, ökonomischen, kulturellen und wissenschaftlichen Voraussetzungen und Folgen der Revolution.

  6. Feierlichkeiten 1989:

    • Trotz wissenschaftlicher Bemühungen behielt das Bild des Sturms auf die Bastille seine symbolische Macht. Die Versuche, Einzelaspekte der Revolution in die Feiern aufzunehmen, endeten in einer unzusammenhängenden Reihe symbolischer Inszenierungen (z.B. Freiheitsbäume pflanzen, Nachstellen der Generalstände-Prozession). Die historischen Umwälzungen 1989, wie die friedlichen Revolutionen in Osteuropa und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, lenkten die Aufmerksamkeit von den Feierlichkeiten in Frankreich ab.

  7. Die Parade am 14. Juli 1989:

    • Die einzige große Veranstaltung war die von Jean-Paul Goude inszenierte Parade zum Sturm auf die Bastille, die von Millionen im Fernsehen verfolgt wurde.

  8. Dokumentation und Geschichtsbewusstsein:

    • Ein Team von Wissenschaftlern dokumentierte das Frankreich der 1980er Jahre im Spiegel der Gedächtnisfeiern, was auf ein Geschichtsbewusstsein in der Bevölkerung hinwies, dem das Bicentenaire selbst nicht gerecht wurde. Es zeigte auch die Unterschiede im kulturellen Gedächtnis zwischen den Provinzen und der Metropole Paris.

  9. Blutiger Bürgerkrieg und die Vendée:

    • In Westfrankreich fand 1793-1796 ein blutiger Bürgerkrieg statt, in dem die Bevölkerung gegen die Revolutionäre in Paris kämpfte und etwa 200.000 Menschenleben verlor. Victor Hugo widmete diesen Kämpfen den Roman „Das Jahr 1793“.

Erinnerungsorte und Identität einer Gesellschaft

  1. Erinnerungsorte (lieux de mémoire):

    • Definition: Erinnerungsorte sind symbolische Repräsentationen historischer Vorgänge, die in der Erinnerungskultur und Identität einer Gruppe von Menschen bewahrt werden. Diese Orte müssen nicht immer geografische Orte sein; sie können auch Personen, Mythen, Ereignisse oder Gegenstände sein.

    • Topografische Orte: Wenn es sich um geografische Orte handelt, geht es weniger um den physischen Platz, sondern mehr um das, was dieser Platz symbolisiert.

    • Beispiel in Deutschland: Der 9. November ist ein Erinnerungsort, der verschiedene bedeutende historische Ereignisse symbolisiert: die Revolution von 1918, die Pogromnacht von 1938 und die Öffnung der Berliner Mauer 1989. Je nach Ereignis repräsentiert dieser Tag unterschiedliche historische Inhalte und Emotionen.

  2. Versöhnung und revolutionäre Unruhen:

    • Staatliche Versuche zur Versöhnung: Staaten versuchen oft, revolutionäre Unruhen durch die Betonung von Versöhnung und Einheit zu überlagern.

    • Beispiel Sowjetunion: Der Staatsstreich vom 25. Oktober (7. November nach dem Gregorianischen Kalender) wurde zum offiziellen Gedenktag. Nach dem Ende der Sowjetunion richtete sich das Interesse mehr auf den gesamten Bürgerkrieg (1916-1926), der viele Opfer forderte. 2017 wurde die Feier auf den 4. November vorverlegt, um an die Befreiung Moskaus von den Polen 1612 zu erinnern und die Einheit des Volkes zu betonen.

  3. Weimarer Republik:

    • Nationalfeiertage: In der Weimarer Republik gab es Diskussionen darüber, welcher Tag als Nationalfeiertag dienen sollte. Die Reichsregierung wählte den 11. August, den Tag der Unterzeichnung der Verfassung durch Friedrich Ebert, als offiziellen Feiertag. Dieser Tag konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da ihm die bildhafte Repräsentation fehlte.

    • 9. November und 18. Januar: Der 9. November wurde hauptsächlich von den Kommunisten gefeiert, während das konservative Bürgertum den 18. Januar, den Tag der Kaiserproklamation 1871, als ihren Nationalfeiertag ansah. Dies zeigt die Schwierigkeiten, einen gemeinsamen Erinnerungstag zu finden, der von allen akzeptiert wird.


Der Export der Französischen Revolution

Der Text behandelt verschiedene Aspekte der Auswirkungen der Französischen Revolution auf Europa und die Karibik, insbesondere auf Haiti. Hier sind die zentralen Punkte zusammengefasst:

  1. Bedingungen für den Revolutionsexport in Europa:

    • Europa war durch die Französische Revolution stark beeinflusst. Viele Länder sympathisierten mit revolutionären Ideen, die in den Enzyklopädien definiert wurden. Die europäischen Monarchien haben durch Krieg gegen Frankreich revolutionäre Bedingungen gefördert, was zu verheerenden Niederlagen der Kriegsgegner führte und die europäische Ordnung in kurzer Zeit grundlegend veränderte.

  2. Französische Politik in der Karibik (Haiti):

    • Haiti war eine wichtige französische Kolonie, bekannt als Saint-Domingue, die für ihren Zucker-, Kaffee- und Indigohandel berühmt war. Die Kolonie war durch afrikanische Sklaven und freie Afroeuropäer bevölkert. Die Sklaven auf Haiti begannen ab 1791 für ihre Freiheit zu kämpfen, inspiriert von den Idealen der französischen Revolution, insbesondere der Erklärung der Menschenrechte von 1789.

    • Toussaint Louverture, ein Schlüsselführer der haitianischen Revolutionäre, führte die Bewegung erfolgreich an und erklärte 1794 die Abschaffung der Sklaverei auf Haiti. Dies war ein bedeutender Erfolg, der trotz späterer französischer Interventionen zur Wiederherstellung der Sklaverei (1802) und weiterer politischer Unruhen zur endgültigen Unabhängigkeit Haitis im Jahr 1804 führte.

    • Napoleon Bonaparte, der zu dieser Zeit die Macht in Frankreich innehatte, betrachtete den Kolonialhandel als wichtiger als die Prinzipien der Menschenrechte, was zu Konflikten und letztlich zum Scheitern seiner Pläne in Haiti führte.

  3. Fazit zur Exportierung der Revolution:

    • Trotz des Wunsches einiger revolutionärer Ideologen in Frankreich, die Ideen der Revolution in andere Länder zu exportieren, konzentrierte sich die offizielle Politik eher auf die Schaffung von Satellitenstaaten zur wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung Frankreichs.

    • Die Versuche, Republiken in besetzten Ländern wie Mainz, Italien, den Niederlanden und der Schweiz zu etablieren, waren kurzlebig und zeigten, dass Frankreich weniger an einer tatsächlichen Ausbreitung republikanischer Prinzipien interessiert war, als an der Sicherung seiner eigenen Interessen durch politische Bündnisse und wirtschaftliche Ausbeutung.

Zusammenfassend zeigt der Text, dass die Französische Revolution sowohl in Europa als auch in Übersee tiefe und weitreichende Veränderungen auslöste, aber die tatsächliche Ausbreitung ihrer revolutionären Ideale durch politische und wirtschaftliche Realitäten begrenzt blieb.

Jahrhunderte der Revolution

Der vorliegende Text reflektiert die unterschiedlichen sozialen Bedingungen vor und nach der Industriellen Revolution sowie die Auswirkungen auf revolutionäre Bewegungen im 19. und 20. Jahrhundert. Hier sind die Hauptpunkte zusammengefasst:

  1. Vorindustrielle Stabilität und Ordnung:

    • Vor der Industriellen Revolution wurden die gesellschaftlichen Verhältnisse als relativ stabil und geordnet beschrieben. Engels beschreibt die Lebensverhältnisse der Weberfamilien als idyllisch und friedlich. Die Arbeiter hatten genug Zeit für ihre Arbeit, ihre Familien und Freizeitaktivitäten wie Gärtnern und Spiele, die zur Gesundheit und zum Wohlbefinden beitrugen. Sie verdienten ausreichend, um ihre Bedürfnisse zu decken, ohne sich übermäßig zu überarbeiten.

  2. Schockierende Zustände nach der Industriellen Revolution:

    • Engels schildert jedoch die dramatischen Veränderungen nach der Industriellen Revolution, insbesondere in den Städten Englands. Er beschreibt einen "sozialen Krieg", eine Zeit des Konflikts und der extremen sozialen Ungerechtigkeit. Die Arbeitsbedingungen waren erbärmlich, geprägt von Ausbeutung, Elend und sozialer Isolation. Die soziale Ordnung war gestört, und die gesellschaftliche Solidarität wich einer egoistischen Härte.

  3. Revolutionäre Unruhen im 19. und 20. Jahrhundert:

    • In den folgenden Jahrhunderten erlebten viele europäische Länder revolutionäre Unruhen und tiefgreifende Veränderungen. Diese Revolutionen wurden von verschiedenen sozialen Schichten in Metropolen, kleineren Städten und auf dem Land getragen. Der Text schlägt vor, dass es wichtig ist, die Voraussetzungen und den Verlauf dieser Revolutionen differenziert zu betrachten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren.

Zusammenfassend verdeutlicht der Text die radikalen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen, die die Industrielle Revolution mit sich brachte und wie diese zu neuen Formen der sozialen Ungerechtigkeit und schließlich zu revolutionären Bewegungen führten, die die politische und gesellschaftliche Landschaft Europas im 19. und 20. Jahrhundert prägten.

Die Juli Revolution in Frankreich

Der Text beschreibt die Revolution in Frankreich im Jahr 1830, die als "Julirevolution" bekannt ist, und deren Auswirkungen bis zur Etablierung von Louis-Philippe als König von Frankreich führte. Hier sind die Hauptpunkte zusammengefasst:

  1. Hintergrund der Julirevolution:

    • Die Julirevolution von 1830 unterschied sich stark von der Französischen Revolution von 1789. Sie war nicht von einem Staatsbankrott getrieben, sondern entsprang einem politischen Konflikt zwischen König Karl X. und den liberalen Kräften im Parlament. Karl X. versuchte, seine Macht zu konsolidieren, indem er die Kammern auflöste und die Verfassung suspendierte, was zu starken liberalen Oppositionen führte.

  2. Verlauf der Julirevolution:

    • Die Revolution begann als Straßenkampf in Paris, unterstützt von einer liberalen Opposition und Veteranen der Napoleonischen Kriege. Die Nationalgarde, die ursprünglich zur Aufrechterhaltung der Ordnung geschaffen wurde, war unter Karl X. aufgelöst worden. Die militärische Reaktion des Königs war ineffektiv, und Truppenteile liefen zu den Aufständischen über.

  3. Ergebnisse der Julirevolution:

    • Nach dem Scheitern von Karl X. wurde Louis-Philippe, Herzog von Orléans, als König eingesetzt. Er wurde als "Bürgerkönig" bekannt und genoss zunächst breite Unterstützung der liberalen Kräfte und der Pariser Stadtverwaltung. Die Revolution führte zur Abschaffung der Erbmonarchie und stärkte die Rolle des Parlaments. Es kam zu einer Verfassungsänderung, die mehr Rechte an die Kammern vergab und die Zensur abschaffte.

  4. Nachwirkungen und Instabilität:

    • Trotz der anfänglichen Reformen und der Versuche, sich als Bürgerkönig zu etablieren, blieb die Herrschaft von Louis-Philippe instabil. In den folgenden Jahren gab es zahlreiche Regierungsumbildungen und soziale Unruhen, besonders unter den Arbeitern und Handwerkern. Dies zeigte, dass das Modell des "Bürgerkönigs" nicht in der Lage war, die tieferen sozialen und wirtschaftlichen Probleme Frankreichs zu lösen.

  5. Aufstieg von Louis-Napoleon Bonaparte:

    • Die Zeit nach der Julirevolution bereitete den Boden für den Aufstieg von Louis-Napoleon Bonaparte, dem Neffen Napoleons I., der später als Napoleon III. bekannt wurde. Er nutzte plebiszitäre Elemente und populäre Unterstützung, um politische Macht zu gewinnen und schließlich zum Präsidenten der Zweiten Republik gewählt zu werden.

Zusammengefasst verdeutlicht der Text die komplexen politischen Dynamiken, die zur Julirevolution führten, sowie deren langfristige Auswirkungen auf die französische Gesellschaft und Politik bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

Revolution 1848 in Bayern

Der Abschnitt beleuchtet die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Bayern während der Revolution von 1848/49. Hier sind die zentralen Punkte zusammengefasst:

  1. Situation in Nürnberg und Augsburg:

    • In den Industriestädten Nürnberg und Augsburg gab es im Revolutionsjahr 1848 keine Unruhen. Dies wird als Ausdruck der Stärke des Bürgertums in diesen Städten interpretiert. Das Bürgertum war in der Lage, seine Interessen friedlich durchzusetzen, und es bestand keine Notwendigkeit mehr, eine Verfassung und Repräsentation auf Landesebene zu fordern, da Bayern bereits seit 1818 eine Verfassung und eine ständische Vertretung hatte.

  2. Unruhen in München und der Fall Ludwig I.:

    • Im Gegensatz zu Nürnberg und Augsburg kam es in München zu Unruhen, die durch den Einfluss der irischen Tänzerin Lola Montez auf König Ludwig I. ausgelöst wurden. Die katholische Kirche und konservative Elemente in der Gesellschaft protestierten gegen diese Verbindung. Als Reaktion auf studentische Proteste und die Unterstützung durch Beamte und den Klerus schloss Ludwig I. die Universität und wurde schließlich am 20. März 1848 gezwungen, abzudanken und die Regierung seinem Sohn Maximilian Joseph zu übertragen. Dies war der einzige Fall, in dem ein deutscher Fürst im Revolutionsjahr 1848 zum Rücktritt gezwungen wurde.

  3. Veränderungen unter Maximilian II. Joseph:

    • Unter dem neuen König Maximilian II. Joseph wurden lang geplante Vereinheitlichungen in Bayern durchgesetzt. Die Adelsgerichte wurden aufgelöst und in die staatliche Justizverwaltung integriert. Ähnlich wie in anderen deutschen Staaten wurden auch in Bayern grundherrschaftliche Verhältnisse reguliert, was zu Widerstand und Unruhen unter der ländlichen Bevölkerung führte, besonders wegen der Einschränkungen bei der Waldnutzung und anderen traditionellen Rechten.

  4. Ambivalenz der Proteste von 1848/49:

    • Die Revolution in Bayern zeigt eine ambivalente Haltung gegenüber gewaltsamen Protesten während der Revolution von 1848/49. Während es in einigen Regionen zu Unruhen kam, trugen friedliche Mittel oft effektiver zu den politischen Veränderungen bei. Die Reformen, die in dieser Zeit durchgeführt wurden, wie die Abschaffung der Adelsprivilegien und die Stärkung der bürgerlichen Rechtsordnung, wurden durch politischen Druck und öffentliche Meinung unterstützt.

Zusammenfassend verdeutlicht der Abschnitt die unterschiedlichen Reaktionen und Entwicklungen in Bayern während der Revolution von 1848/49, die sowohl gewaltsame Proteste als auch friedliche politische Mittel einschlossen.

Beginn und Ende der Novemberrevolution in Deutschland

  1. Definition und Datierung einer Revolution:

    • Die Datierung einer Revolution hängt stark von der Definition des Revolutionsbegriffs ab. Carl Schmitt, ein bedeutender Staatsrechtler, verbindet die Revolution von 1918/1919 nicht primär mit den Schießereien in Kiel, Berlin oder München. Für Schmitt sind entscheidende Ereignisse die Ausrufung der Republik am 9. November 1918, die Abdankungen der Monarchen und die Wahl der Verfassunggebenden Versammlung am 19. Januar 1919. Er markiert das Ende der Revolution mit der Auflösung der Konstituante am 21. Mai 1920.

  2. Interpretation durch Stefan Breuer:

    • Stefan Breuer betont, dass die Beendigung einer Revolution schwer zu bestimmen ist und stark von der Definition der Revolution abhängt. Nach den Vorgaben von Schmitt endet die Revolution mit dem Abtreten des pouvoir constituant (verfassunggebende Gewalt) und der Übergabe der politischen Macht an die konstituierten Gewalten.

  3. Tradition des Revolutionsbegriffs:

    • Carl Schmitts Auffassung steht in einer Tradition eines Revolutionsbegriffs, der schon in der Oekonomischen Encyklopädie von Johann Georg Krünitz vom 18. ins 19. Jahrhundert überliefert wurde. Diese Tradition sieht die Revolution weniger in den Straßenkämpfen und mehr in der formalen Umgestaltung der politischen Strukturen.

  4. Bild der Revolution und Straßenkämpfe:

    • Das populäre Bild und der Ort der Revolution werden oft in den Straßenkämpfen der Metropolen gesucht, anstatt in den formalen politischen Prozessen wie der Versammlung in Weimar. Die Unterdrückung der Straßenkämpfe wird dann oft als „Verrat der Revolution“ wahrgenommen.

  5. Macht der Bilder:

    • Das Bild der revolutionären Massen auf den Straßen überlagert den tatsächlichen revolutionären Umsturz der Staatsordnung, der mit der Ausrufung der Republik begann und mit der Unterzeichnung der Verfassung abgeschlossen war. Roland Barthes’ Erkenntnis zur Macht der Bilder wird hier zitiert, um zu verdeutlichen, dass Bilder eine stärkere und unmittelbarere Bedeutung vermitteln als schriftliche Berichte: „Das Bild ist gewiss gebieterischer als die Schrift, es zwingt uns dessen Bedeutung unmittelbar auf, ohne es zu analysieren, ohne es zu zerlegen.“

Zusammenfassend zeigt der Abschnitt die Vielschichtigkeit der Revolution von 1918/1919 auf, indem er die formalen politischen Ereignisse und die populären Bilder der Revolution gegenüberstellt und die Schwierigkeiten bei der Datierung und Definition von Revolutionen betont.

Räume und Vorstellungen vom Raum

  1. Naturgegebene Räume und nationale Grenzen:

    • Frankreich konnte im nationalen Mythos natürliche Grenzen wie die Meere und den Rhein als territoriale Identität darstellen. Dies wurde durch die ideale geometrische Form Frankreichs als Hexagon unterstützt, eine Form, die zwischen 1871 und 1918 durch die deutsche Annexion von Elsass und Lothringen gestört war.

    • Im Gegensatz dazu hatte der deutsche Nationalismus Schwierigkeiten, vergleichbare naturräumliche Gestalten zu finden. Während der Rhein im Westen besungen wurde, lagen die tatsächlichen Grenzen oft weit darüber hinaus. Als Ersatz wurden im Deutschland-Lied wenig repräsentative Gewässer als „natürliche“ Grenzen aufgezählt: Maas, Memel, Etsch, Belt.

    • Der Raum der deutschen Nation orientierte sich eher an der Ausdehnung des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Diese Ausdehnung schloss Österreich ein, aber nicht die Regionen östlich der Oder-Neiße-Grenze. Im Dritten Reich versuchte Himmler, die Expansion nach Osten historisch durch die Berufung auf Heinrich I. zu legitimieren.

  2. Historische Legitimation und Kartenskizzen:

    • Die Ausschließung Österreichs wurde im 19. Jahrhundert durch dessen mutwillige Beteiligung an der Zerstörung des Alten Reichs begründet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dies mit Sprache, Kultur und Geometrie rückgängig gemacht: Österreich fehlte in den Volksdeutschen Kartenskizzen als viertes Viertel eines vollständigen Quadrats, während die Tschechoslowakei als „slawische Faust“ den deutschen Osten störte.

  3. Deutsche Nationsbildung und Naturräume:

    • Der historische Raum der deutschen Nationsbildung wird in verschiedenen Themen angesprochen: die deutschen Naturräume, die Raumbildungen in den Gräben des Ersten Weltkriegs und die rassistisch geprägte Ordnung des „Lebensraumes“ im Osten, der bis an die „natürliche“ Grenze des Urals reichen sollte.

  4. Methodenstreit der deutschen Geschichtswissenschaft:

    • Der Methodenstreit konzentrierte sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf Debatten zwischen der traditionellen, an Leopold von Ranke orientierten Geschichtsschreibung (Ereignis- und Personengeschichte) und der neuen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte aus Leipzig.

    • Der Leipziger Historiker Karl Lamprecht präsentierte eine Deutsche Geschichte, die langfristige Strukturen der Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur über Epochengrenzen hinweg darstellte. Dies stand im Gegensatz zur Historischen Schule, die die innersten bewegenden Kräfte der Geschichte in Seele und Geist der Menschen sah.

    • Die Auflösung des typischen Epochenbegriffs des 19. Jahrhunderts führte zu der Vorstellung, dass verschiedene Stile und Strukturen gleichzeitig existieren und konkurrieren konnten, anstatt in klar abgegrenzten Epochen zu verlaufen.

  5. Spatial Turn:

    • Der Spatial Turn, beeinflusst durch Geographen, Philosophen und Historiker wie Edward Soja, Michel Foucault und Henri Lefebvre, kritisierte die Reduktion der Geschichte auf eine Abfolge von Ereignissen und Biographien. Stattdessen wurde betont, dass die räumlichen Dimensionen ebenso wichtig sind wie die zeitlichen Dimensionen.

    • Diese Theorie widersetzte sich der „longitudinal totalization“, also der Vereinfachung der Geschichte auf eine lineare Abfolge, und förderte das Verständnis der Geschichte als komplexe Interaktion von Zeit und Raum.

Der Abschnitt beleuchtet die unterschiedlichen Ansätze zur Definition und Darstellung nationaler Räume sowie die methodischen Entwicklungen und Debatten in der deutschen Geschichtswissenschaft.

Räume und Zeiten in der Geschichte

Räumliche Dimensionen in der Geschichtsschreibung

  1. Relevanz in der Regional- und Landesgeschichte:

    • Räumliche Dimensionen spielen in der Regional- und Landesgeschichte eine bedeutende Rolle, da Kartografie hier eine besondere Bedeutung hat.

    • Bereits im 19. Jahrhundert wurden Großprojekte in Deutschland, der Schweiz und Österreich initiiert, um die historischen Amts- und Gerichtsbezirke kartografisch zu erfassen. Ziel war es, die historischen Herrschaftsverhältnisse bis ins Frühmittelalter zurückzuverfolgen.

    • Die Erkenntnis am Ende dieser Bemühungen war, dass moderne Raumordnungen oft nicht weit in die Vergangenheit reichen. Raum hat seine konstante Bedeutung verloren und ist vielmehr das Produkt sozialer Prozesse.

Geopolitik und „Raum“ in der deutschen Geschichte

  1. Zwischen den Weltkriegen:

    • Nach dem Verlust der deutschen Kolonien richtete sich der Blick auf den „Lebensraum“ im Osten. Diese geopolitische Ausrichtung zeigte sich in deutschen kartografischen Darstellungen, die oft eine „Bedrohung aus dem Osten“ propagierten.

    • Ein Beispiel ist die Darstellung der Tschechoslowakei als „gebalte slawische Faust“ zwischen deutschen und österreichischen Gebieten.

    • Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel argumentiert, dass der Raumbegriff des NS-Regimes vor allem völkisch und rassisch definiert war, obwohl er auch geografische, wirtschaftliche und militärische Interessen umfasste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

  1. Rückzug der Geopolitik-Forschung:

    • Wegen der NS-Vergangenheit wurden Arbeiten zur Geopolitik und Raumordnung lange Zeit als unattraktiv angesehen. Dies führte zu einem Defizit in der Forschung, auf das Karl Schlögel hinwies.

    • Dennoch wurde die Forschung an Universitäten fortgesetzt, obwohl die Publikationen häufig ins rechtsgerichtete und völkische Verlagswesen abwanderten.

Schlussfolgerungen

  • Die Vermutung, dass räumliche oder geopolitische Dimensionen in der Geschichtsschreibung vernachlässigt wurden, trifft nur bedingt zu. In bestimmten Bereichen, insbesondere in der Regional- und Landesgeschichte, waren räumliche Dimensionen immer relevant.

  • Der Begriff „Raum“ in der Geschichtsschreibung hat sich über die Zeit verändert und ist heute stark von sozialen Prozessen geprägt.

  • Geopolitik spielte insbesondere im Kontext der deutschen Geschichte zwischen den Weltkriegen und während des NS-Regimes eine zentrale Rolle, oft verbunden mit rassischen, demografischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen.

Der Text verdeutlicht, dass räumliche Aspekte immer eine Rolle in der Geschichtsschreibung spielten, wenn auch auf unterschiedliche Weise und mit wechselnden Schwerpunkten über die Zeit.

Das Ende des Reichs, Reichsmythos und Konzept der Nation

Nationenbildung und Legitimation

  1. Zeitalter der Nationenbildung:

    • Nach dem Wiener Kongress begann das 19. Jahrhundert als Zeitalter der Nationenbildung, wobei Konzepte zur Legitimation dieser Nationen entwickelt wurden.

    • Die räumliche Ausdehnung der Nationen ließ sich weder historisch noch geografisch hinreichend erklären.

  2. Ernest Renans Kritik:

    • Der französische Religionswissenschaftler Ernest Renan kritisierte gängige Begründungen für nationale Einheiten und hielt 1882 einen Vortrag über die Definition einer Nation.

    • Er argumentierte, dass ethnische Homogenität in Europa nicht existiert und sprachliche, religiöse oder geografische Kriterien unzureichend sind.

    • Renan definierte eine Nation als „eine Seele, ein geistiges Prinzip“, basierend auf gemeinsamen Erinnerungen und dem Wunsch, zusammenzuleben.

Deutsche Nationenbildung und das Preußisch-Deutsche Kaiserreich

  1. Tradition des Alten Reiches:

    • Nach dem Zusammenbruch des Alten Reiches durch Napoleon 1806 wurden die Traditionen dieses Reiches nicht direkt übernommen. Viele deutsche Fürsten waren an der Zerstörung beteiligt, was zu einer negativen Überlieferung über das Alte Reich führte. Es wurde als überlebter Lehnsstaat und anachronistisches Gehäuse betrachtet.

  2. Verschiedene Interpretationen des Endes des Alten Reiches:

    • Historiker wie Thomas Nipperdey beschreiben das Ende des Alten Reiches als „sang- und klanglos“, was bedeutet, dass es ohne großes Aufsehen unterging. Diese Darstellung wird von Wolfgang Burgdorf jedoch als Klischee entlarvt. Tatsächlich löste das Ereignis weit verbreitete Empfindungen von Scham und Schande aus, insbesondere in Preußen.

  3. Auswirkungen in Deutschland:

    • Das Ende des Alten Reiches wurde nicht gleichgültig hingenommen. Es löste eine Art Schock aus, da die alte Verfassung zerstört wurde, ohne dass eine neue klar erkennbar war. Dies wird als Beginn der ersten Revolution der Neuzeit in Deutschland betrachtet.

  4. Treitschkes Interpretation:

    • Heinrich von Treitschke, ein bedeutender Historiker des 19. Jahrhunderts, interpretierte das Ende des Reiches aus der Perspektive der preußischen Führung und der späteren deutschen Einigung unter preußischer Führung. Er sah einen direkten Zusammenhang zwischen dem Jahr 1806 und der späteren Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871. Für Treitschke war die Zeit nach 1806 eine Phase des nationalen Erwachens und der Erneuerung der deutschen Idee.

Verfassung des Deutschen Reichs und Symbolpolitik

  1. Historischer Kontext und politische Strategie: Otto von Bismarck und seine Unterstützer, darunter Heinrich von Treitschke, strebten die Schaffung eines deutschen Nationalstaates an, jedoch in Form eines Bundesstaates, nicht eines zentralisierten Einheitsstaates. Die deutsche Einigung erfolgte nicht auf Grundlage einer revolutionären Bewegung, sondern durch diplomatische und militärische Machtpolitik.

  2. Reichsgründung und Verfassung: Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 etablierte einen Staatenbund, in dem einzelne deutsche Staaten wie Preußen, Bayern, Sachsen, etc. Mitglieder waren. Es gab eine starke betonte Kontinuität zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, jedoch ohne die Errichtung eines zentralisierten Nationalstaates.

  3. Symbolische Bedeutung: Die Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles, nach dem Sieg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg, diente dazu, historische Kontinuität zu vermitteln und eine nationale Identität zu stärken. Der Titel "Deutscher Kaiser" wurde geschaffen, um ein Gefühl der nationalen Einheit zu fördern, obwohl das Reich in seiner Verfassung ein Staatenbund blieb.

  4. Politische Gegensätze und Kontroversen: Es gab Widerstände und unterschiedliche Vorstellungen darüber, ob Deutschland als Einheitsstaat oder als Bund organisiert sein sollte. Die liberale Bewegung und Kronprinz Friedrich III. bevorzugten eine konstitutionelle Monarchie mit stärker zentralisierter Macht.

  5. Kulturelle und historische Interpretation: Die Reichsgründung wurde zu einem zentralen Ereignis in der deutschen Erinnerungskultur, das als Wendepunkt in der Geschichte angesehen wurde. Die Symbolik um die Kaiserproklamation und die Wahl von Versailles als Ort dieser Zeremonie sollten sowohl historische Kontinuität betonen als auch politische Macht demonstrieren.

Erinnerung und Symbolik

  1. Symbolische Repräsentation in Paris: Nach der Niederlage Frankreichs und der Annexion der Gebiete Elsass und Lothringen wurden symbolische Akte gesetzt, um diese Verluste zu betrauern und zu erinnern. Auf der Place de la Concorde in Paris, die Frankreichs Einheit allegorisch darstellte, wurde die Statue von Strasbourg mit einem schwarzen Schleier verhüllt. Diese Geste sollte den Verlust und die Trauer über das verlorene Gebiet symbolisieren.

  2. Langfristige Auswirkungen auf die deutsch-französischen Beziehungen: Frankreich thematisierte nach der Wiedervereinigung im Jahr 1918 den Verlust von Elsass-Lothringen zunehmend weniger. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Annexion nicht mehr stark belastend für die deutsch-französischen Beziehungen war. Jedoch könnte auch die Politik des "immer daran denken, nie darüber reden" von Léon Gambetta hier eine Rolle gespielt haben.

  3. Kulturelle Erinnerungsrituale: Trotz der politischen Zurückhaltung in Bezug auf Elsass-Lothringen war die Tour de France ein bedeutendes kulturelles Ereignis, das zu den Ritualen der Erinnerung an die Einheit Frankreichs und die verlorenen Gebiete gehörte. Die Tour sollte symbolisch Frankreich als "Erfahrungsraum" mit natürlichen Grenzen, einschließlich des Rheins, verbinden und damit auch die historische Erinnerung an die verlorenen Gebiete wachhalten.

  4. Bedeutung des Hexagons: Das "Hexagon" als idealisierte Form Frankreichs wird erwähnt, das Land visuell und kulturell vereinte. Diese Darstellung verdeutlichte die unvollständige, das ideale Gesamtbild des Landes störende Okkupation von Elsass und Lothringen durch das Deutsche Reich.

Der Text zeigt, dass Nationenbildung ein komplexer Prozess war, der nicht nur geografische und ethnische Aspekte, sondern auch symbolische und erinnerungspolitische Dimensionen umfasste.

Naturräume in Stadt und Land

Der Text untersucht die tiefgreifenden Veränderungen im Verhältnis der Menschen zu den Räumen, in denen sie lebten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Wald, und bezeichnet diese Entwicklungen als "revolutionär". Hier sind die Hauptpunkte des Textes zusammengefasst und erläutert:

  1. Revolutionäre Veränderungen im Raumverständnis:

    • Neben politischen und sozialen Revolutionen können auch Veränderungen in der Beziehung der Menschen zu ihren physischen Umgebungen, wie dem Wald, als revolutionär betrachtet werden.

  2. Der Wald im Alten Reich:

    • Im Alten Reich war der Wald für die Fürsten von großer materieller und symbolischer Bedeutung. Der "Wildbann" erlaubte ihnen die Jagd auf Großwild, was ihre Rechte und Privilegien bestätigte.

    • Der niedere Adel durfte nur kleinere Tiere jagen (Niederjagd”), während die Dorfgemeinschaften den Wald für Holz und Viehweide nutzen durften, von der Jagd jedoch ausgeschlossen waren.

  3. Forstwirtschaft im 18. Jahrhundert:

    • Im 18. Jahrhundert begann die systematische Forstwirtschaft. Der Wald wurde zur Quelle für Bau- und Brennholz und es entstanden neue Forstgesetze und -praktiken.

    • Besitz- und Nutzungsrechte im Wald waren oft unklar, was zu Konflikten zwischen Forstbeamten und Bauern führte.

      • alle Wälder gehörten zum herrschaftlichen Wildbann; Herrschaften standen Holz zu

      • Bauern liefert Holz als Fronleistungen und trieben Vieh in Wälder

  4. Kultivierung und Regulierungen:

    • Die Wälder wurden intensiver kultiviert, was zu Veränderungen in der Landschaft führte.

    • Diese Maßnahmen zielten darauf ab, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen und die Wirtschaftlichkeit der Holzwirtschaft zu verbessern.

    • Kompensation des Verlustes an Natürlichkeit durch den Mythos des deutschen Waldes.

  5. Veränderungen in der Tierwelt:

    • Einige Tierarten verschwanden oder passten sich an die neuen Bedingungen an. Die Amsel zog zum Beispiel in die Städte, weil in den Wäldern der Unterholz weniger wurde. (Beginn 19. Jh.)

    • In den Städten fanden die Vögel neue Lebensräume und passten sich den städtischen Bedingungen an.

  6. Verstädterung der Vögel:

    • Die Amseln lernten in den Städten neue Geräusche und Melodien, was zu interessanten Phänomenen führte, wie dem Nachahmen von Militärmärschen oder Eisenbahnpfiffen.

  7. Technologische Veränderungen und Raumerfahrung:

    • Technologische Fortschritte wie Eisenbahnen veränderten das Raumverständnis der Menschen. Der Lehrer Philipp Wirth sprach vom "Schrumpfen" der Erde durch schnellere Transportmittel.

    • Victor Hugo beschrieb 1837, wie sich die Wahrnehmung der Landschaft durch die Geschwindigkeit der Züge veränderte.

  8. Philosophische Reflexionen:

    • Der Text verweist auf Immanuel Kants Konzept des Raums als eine subjektive Empfindung, die sozial geformt und individuell veränderlich ist.

  9. Heutiges Verständnis:

    • Heute haben wir unsere individuelle Raumerfahrung an das Wissen um Geschwindigkeit angepasst. Comics zeigen jedoch noch die frühere Wahrnehmung von Geschwindigkeit.

Zusammenfassend beschreibt der Text, wie sich das Verständnis und die Nutzung des Raumes, insbesondere des Waldes, über die Jahrhunderte verändert haben. Diese Veränderungen hatten weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt, die Tierwelt und die menschliche Wahrnehmung und sind daher als revolutionär zu betrachten.

Raumerfahrungen im Ersten Weltkrieg

Verlauf und Verluste im Krieg

Bis Ende August 1914 hatte die französische Seite bereits 75.000 Soldaten verloren, davon 27.000 allein am 22. August. Angesichts der Überlegenheit der deutschen Truppen zogen sich die französischen Armeen und das britische Expeditionskorps auf eine Linie von der Marne bis nach Verdun zurück. Hier wurde der deutsche Vormarsch gestoppt und die Kriegsparteien gruben sich ein, was zu einem zermürbenden Grabenkrieg führte.

Einführung des Begriffs "totaler Krieg"

  • 1916 bezeichnete der französische Journalist Léon Daudet den Krieg als „guerre totale“ (totaler Krieg), um zu verdeutlichen, dass dieser Krieg alle Lebensbereiche bestimmte und fast die gesamte Industrieproduktion beanspruchte. Der totale Krieg umfasste auch Maßnahmen gegen Verräter und Kritiker an der Heimatfront.

Kriegsverbrechen und ihre Folgen

  • Von deutscher Seite gab es Kriegsverbrechen in Belgien, einschließlich der Zerstörung von Siedlungen, dem Einsatz von Zwangsarbeitern und anderen brutalen Maßnahmen. Diese trugen zur Erbitterung und zu den strengen Friedensbedingungen im Vertrag von Versailles bei.

Grabenkrieg und seine Auswirkungen

  • Der Grabenkrieg, der durch die neuen Vernichtungspotenziale der Waffensysteme (insbesondere Maschinengewehre) erzwungen wurde, war der Lebensraum für Millionen Soldaten. Ein württembergischer Soldat beschrieb, wie die Soldaten den ganzen Tag gekrümmt in den Gräben lagen.

  • Beginn anderthalb Monate nach Beginn und dreieinhalb Jahre später. Untebrechungen gab es, sie wurden als Massensterben erlebt.

Strategische Fehleinschätzungen und Realität des Krieges

  • Die Militärs glaubten zunächst, dass der Krieg schnell entschieden werden könnte, was sich als falsch herausstellte. Die französische Bevölkerung stellte Hunderttausende Soldaten und zwangen die deutschen Angreifer in die Gräben.

  • Der Einsatz von Maschinengewehren machte traditionelle Attacken zu Selbstmordkommandos. Auch die Erfahrungen aus dem Balkankrieg und dem russisch-japanischen Krieg hatten gezeigt, dass moderne Waffen die Kriegsführung grundlegend veränderten.

Anpassungen und Taktiken

  • Folgen der neuen Kriegsführung: Grabenkrieg und das Ausmaß und Schnelligkeit bei der Heranschaffung von neuem Material und Soldaten war entscheidend.

    • Diese zweite Folge erkannte 1914 das deutsche Heer. In den “Grundzügen der oberen Truppenführung” wurde auf die Notwendigkeit von Schnelligkeit beim Treffen von Entscheidungen hingewiesen.

  • General Philippe Pétain: Zum Kriegshelden wurde in Frankreich General Philippe Pétain, nicht weil er Schlachten gewonnen, sondern weil er Niederlagen vor Verdun verhindert hat. Die Voraussetzungen dafür wurden im Hinterland und an der „Heimatfront“ geschaffen.

  • Der Grabenkrieg führte zu neuen Taktiken, wie den Einsatz von Sturmtruppen. Diese wurden 1917 von der deutschen Armee übernommen, basierend auf dem Erfolg des russischen Generals Aleksei Brusilov.

Warnungen vor dem Krieg

  • Warnungen vor Maschinengewehren: Bereits vor dem Krieg hatten verschiedene Persönlichkeiten vor den Folgen des Einsatzes von Maschinengewehren und Mörsern gewarnt.

    • Helmuth von Moltke: Der Generalstabschef des deutschen Heeres, Helmuth von Moltke, hatte sowohl 1905 als auch 1914 vor den Folgen eines solchen Krieges gewarnt, ähnlich wie sein Onkel Helmuth von Moltke 1890.

    • Andere Warnungen: Friedrich Engels 1887, August Bebel 1911 und Winston Churchill hatten ebenfalls vor den katastrophalen Folgen eines europäischen Krieges gewarnt. Churchill hatte betont, dass ein solcher Krieg sowohl für die Besiegten als auch für die Sieger ruinös sein würde.

Kriegsstrategien und - erwartungen vor dem Ersten Weltkrieg

Allgemeine Annahmen der Militärs:

  • Militärs dachten sie lernen aus den Balkankriegen, Burenkrieg und russisch-japanischem Krieg.

  • Glaube an schnelle Siege durch moderne Kommunikations- und Transportmittel.

  • Vermeidung von Versorgungsproblemen durch raschen Sieg.

Versorgungsprobleme und Heimatfront:

  • Bei ausbleibendem schnellen Sieg wurde die Heimatfront kriegsentscheidend.

  • Militärs kümmerten sich wenig um Versorgung und Nachschub.

Strategische Fehleinschätzungen:

  • Frankreich und Deutsches Reich:

    • Annahme eines kurzen Krieges mit schnellem Sieg innerhalb weniger Wochen.

  • Großbritannien:

    • Realistischere Einschätzung durch Politiker:

      • Erwartung von Massenverlusten, schweren Versorgungsproblemen und einem langwierigen Existenzkampf.

    • Konzept des totalen Krieges wurde angedacht.

Unterschiedliche Herangehensweisen:

  • Britische höhere Offiziere:

    • Glaubten, Gefahren durch Mut und Entschlossenheit bannen zu können. Resultierte in hohen Verlusten und Schande statt Ruhm.

  • Britische Politiker:

    • Verstanden die Warnungen und konzentrierten sich auf den Aufbau einer Kriegswirtschaft.

    • Ziel: Bevölkerung gegen äußere und innere Feinde bis zur Hysterie zusammenschließen.

Erkenntnisse aus dem Burrenkrieg und dem russisch-japanischen Krieg

Bewertung des Burenkrieges (1899-1902):

  • Begrenzte Anregungen: Der Burenkrieg bot nur wenige Hinweise für die Anforderungen, die auf einem europäischen Kriegsschauplatz zu erwarten waren.

  • Waffeneinsatz: Artillerie, Maschinengewehre und Kavallerie spielten auf Seiten der Buren kaum eine Rolle, sodass die britischen Militärs die neuen Waffen einseitig zu ihrem Vorteil nutzen konnten.

Vergleich mit dem fernöstlichen Kriegsschauplatz:

  • Russland und Japan (1904-1905): Im Krieg zwischen Russland und Japan, besonders vor dem russischen Hafen Port Arthur, gingen die Kämpfe schnell in einen Stellungskrieg über.

  • Taktik der Japaner: Die Japaner gruben sich nachts näher an die russischen Stellungen heran und griffen immer wieder unter hohen Verlusten an.

  • Eindruck des Sieges: Der japanische Sieg vermittelte den Beobachtern und Kriegsberichterstattern den Eindruck, dass auch aus dem Stellungskrieg heraus die Erstürmung gegnerischer Befestigungen möglich sei.

Schlussfolgerungen europäischer Militärstrategen:

  • Angriffsmethoden: Die Militärstrategen schlussfolgerten, dass moderne Angriffe nicht in Linien, sondern durch Sturmangriffe kleinerer Gruppen durchgeführt werden sollten.

  • Koordination: Diese Angriffe sollten koordiniert mit modernen Kommunikationsmitteln (drahtgebunden und drahtlos) und angepasst an Gelände, Wetter und Tageszeit erfolgen.

  • Disziplin und Moral: Eine wesentliche Voraussetzung war die Verbesserung der „moralischen Qualität“ der Soldaten, die ohne den Zusammenhalt in der Angriffslinie Disziplin brauchten.


Neue Kampftaktiken im Ersten Weltkrieg

Einführung neuer Taktiken:

  • Aleksei Brusilov und Stoßtrupps (1916): Der russische General Aleksei Brusilov setzte 1916 erfolgreich kleine, spezialisierte Einheiten (Stoßtrupps) gegen die österreichischen Stellungen ein.

  • Deutsche Nachahmung (1917): Die Deutschen ahmten diese Taktik 1917 nach und stellten Sturmkompanien aus Freiwilligen zusammen.

Herausforderungen bei der Umsetzung:

  • Abneigung gegen „Lustsoldaten“: Die Offiziere mussten ihre Vorbehalte gegenüber den sogenannten „Lustsoldaten“ überwinden. Diese Soldaten waren Freiwillige und unterstanden nicht der ständigen Kontrolle und Aufsicht wie die regulären Pflichtsoldaten.

Rolle der Sozialdemokraten:

  • Ermunterung zum Einsatz: Interessanterweise ermutigten die Sozialdemokraten den Einsatz dieser Einzelkämpfer. Sie betonten in der Frankfurter Volkszeitung vom 18. August 1914 die Bedeutung von Disziplin und Überzeugung in ihren eigenen Reihen.

  • Vergleich mit Gewerkschaften: Die Sozialdemokraten zogen Parallelen zu den Gewerkschaften, die in schwierigen Zeiten diszipliniert und organisiert agieren konnten. Sie betonten, dass diese Eigenschaften auch im Krieg von Vorteil seien.

Skepsis der Heeresleitung:

  • Bedenken gegen Massenheere: Die Heeresleitung betrachtete die modernen Massenheere ohne die traditionelle Disziplin als ein erhebliches Risiko. Sie befürchteten, dass ein Mangel an Disziplin in großen Einheiten nicht nur die Effektivität im Kampf beeinträchtigen würde, sondern auch die Kontrolle der Heeresleitung über die Truppen.

  • Gefahren der Unbotmäßigkeit: Es wurde befürchtet, dass unkontrollierte Truppen den Gang der Operationen stören und somit die Führung vor unlösbare Aufgaben stellen könnten.

  • Notwendigkeit schneller Kriegsbeendigung: Unter diesen Umständen wurden Anordnungen getroffen, um den Krieg, sobald er ausbricht, schnell zu beenden und die Spannungen, die sich aus der Mobilisierung ganzer Nationen ergaben, rasch zu lösen.


Der Graben: Vom Höhlen- zum Kulturmenschen

Erfahrungen und Wahrnehmungen von Soldaten im Ersten Weltkrieg

Einzigartigkeit des Grabenkriegs im Ersten Weltkrieg:

  • Historischer Kontext: Der Grabenkrieg des Ersten Weltkriegs war eine einzigartige und kurze historische Epoche. Andere Kriege wie der amerikanische Bürgerkrieg, der russisch-japanische Krieg (1904-1905) oder die Balkankriege hatten Gräben, aber nicht in der fundamentalen Bedeutung wie im Ersten Weltkrieg, insbesondere an der Somme und in Flandern.

  • Versorgungslinien und Stoßtruppunternehmen: Trotz einiger erfolgreicher Stoßtruppunternehmen konnten die tief gestaffelten Gräben bis 1918 nur an wenigen Stellen und nicht dauerhaft überwunden werden. Oft entfernten sich erfolgreiche Truppen zu weit von ihren Versorgungseinheiten, wodurch ihnen Munition und Nahrung ausgingen.

Kriegslandschaft und Wahrnehmung:

  • Untersuchung von Kurt Lewin (1915): Der Berliner Psychologe Kurt Lewin führte eine kleine, heute oft zitierte Untersuchung durch. Als Feldartillerist erlebte er die Kriegslandschaft anders als die Infanteristen im Graben.

  • Grenzzone und "Nichts": Lewin beschrieb die Erfahrung, dass die Landschaft im Westen an der Frontlinie abrupt endete und ein „Nichts“ begann. Diese Wahrnehmung war auf den Stellungskrieg im Westen beschränkt, während im galizischen Bewegungskrieg keine solche Grenze wahrgenommen wurde.

Unterschiedliche Wahrnehmungen:

  • Artillerist vs. Infanterist: Im Stellungskrieg waren für Lewin keine Dörfer, Wälder oder Wiesen sichtbar, sondern nur „reine Gefechtsdinge“ wie Schussfeld, Deckung und Bewegungsraum. Er identifizierte eine Grenzzone, die am vordersten Graben an das feindliche „Nichts“ stieß und eine rückwärtige Grenze, wo die beschossene Zone aufhörte. 300 Meter hinter dem ersten Graben konnte man bereits eine Blume pflücken, während dies im vordersten Graben undenkbar war. Die Wohnunterstände lagen noch weiter hinten, wo gelegentlich sogar Gärten angelegt wurden.

  • Wechsel zum Bewegungskrieg: Wenn der Stellungskrieg wieder zum Bewegungskrieg wurde, wie Lewin es an der Front im Osten erlebte, verschwanden die Gefechtsdinge plötzlich und machten Platz für normale Landschaftselemente wie Äcker und Wiesen. Dies empfand Lewin als überraschend.

Britische Soldaten in den Gräben:

  • Lied über die Gräben: Die britischen Soldaten in den Gräben von Flandern sangen ein Lied nach der Melodie von "My Little Grey Home in the West". Das Lied beschreibt humorvoll und sarkastisch die harten Lebensbedingungen in den Gräben:

    • Sie hatten ein kleines, nasses Zuhause im Graben, das ständig von Regenstürmen durchnässt wurde.

    • Eine tote Kuh in der Nähe verströmte einen schrecklichen Gestank.

    • Der Boden war eine Masse aus nassem Schlamm und Stroh.

    • Trotz der ständigen Granatenexplosionen fanden sie keinen vergleichbaren Ort zu ihrem „kleinen nassen Zuhause im Graben“.

Militärische Ereignisse und Strategien im Jahr 1916

Große Offensiven im Jahr 1916:

  • Deutsche Offensive gegen Verdun: Im dritten Kriegsjahr planten beide Kriegsparteien, den Stellungskrieg zu beenden. Die Deutschen griffen die Festung Verdun an. Nach anfänglichen Erfolgen kam der Angriff zum Stehen.

  • General Philippe Pétain und die "Noria": Der französische General Philippe Pétain schaffte es, eine kontinuierliche Versorgung der Front und die Bergung der Verwundeten sicherzustellen. Seine Versorgungsroute nach Verdun, genannt "Noria" (vergleichbar mit einem Paternoster), wurde legendär und machte Pétain zum Kriegshelden. Diese Leistung steht in der Tradition der Taxifahrten von Paris zur Marne im August 1914, beides bedeutende Erinnerungsorte des Großen Krieges in Frankreich.

Koordinierte Angriffe und Materialschlachten:

  • Dezember 1915 Vereinbarungen: Im Dezember 1915 hatten Italiener, Briten und Franzosen koordinierte Angriffe vereinbart, um den Stellungskrieg zu durchbrechen.

  • Materi-alschlachten und Massensterben: 1916 wurde das Jahr der Materialschlachten und des massiven Sterbens. Im März begannen die Italiener am Isonzo und die Russen am Naratschsee ihre Offensiven. Diese zeigten, dass konventionelle Angriffe der Infanterie und Kavallerie gegen Steilfeuergeschütze und Maschinengewehre nicht erfolgreich sein konnten.

Erfolg und Scheitern des russischen Generals Aleksei Brusilov:

  • Erfolgreiche Offensive: Der russische General Aleksei Brusilov war im Süden an der galizischen Front erfolgreich. Ähnlich wie die Japaner 1905, ließ er Gräben zu den gegnerischen Stellungen vortreiben und nutzte Stoßtrupps, um die österreichischen Gräben zu besetzen und Hunderttausende Soldaten gefangenzunehmen.

  • Scheitern an der Versorgung: Brusilov scheiterte letztendlich daran, dass die Versorgungseinheiten in den verwüsteten Landschaften den vorrückenden Soldaten nicht folgen konnten. Dieses Problem trat später auch bei den deutschen Angreifern auf.

Schlacht an der Somme 1916

Vorbereitung der deutschen Stellungen

  • Deutsche Grabenanlagen: Die Deutschen hatten in fast zweijährigem Stellungskrieg ein komplexes System aus Gräben und Befestigungen aufgebaut, die mehrere Meter tief waren und sich über sieben Kilometer erstreckten. Diese Gräben waren mit Brettern und Faschinen verkleidet, um Stabilität zu gewährleisten und Wasser abzuleiten.

  • Hygiene und Struktur: Die Gräben waren gut organisiert, mit Latrinen und Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung. Die Soldaten mussten nicht nur die Umgebung, sondern auch sich selbst kontrollieren.

Beginn der Offensive

  • Artilleriebeschuss: Am 24. Juni 1916 begannen die Briten und Franzosen mit einem intensiven Artilleriebeschuss auf die deutschen Stellungen, der sieben Tage dauerte und mehr als 1,6 Millionen Granaten umfasste.

  • Unterirdische Sprengungen: Durch unterirdische Gänge wurden große Mengen Sprengstoff unter die deutschen Gräben gebracht, die bei der Detonation riesige Krater hinterließen.

Der Angriff am 1. Juli 1916

  • Britische Offensive: Am 1. Juli verließen 100.000 britische Soldaten ihre Stellungen. Captain Wilfred Neville brachte von einem Fronturlaub vier Fußbälle mit, die die Soldaten als Symbol der Rückkehr ins Friedensleben nach vorne spielen sollten.

  • Verluste und Scheitern: Der Angriff war extrem verlustreich. Am ersten Tag starben mehr als 19.000 britische Soldaten, darunter auch Captain Neville und seine Kompanie. Trotz der Zerstörungen waren die deutschen Stellungen so stark, dass sie nur teilweise eingenommen werden konnten.

Nachwirkungen und Symbolik

  • Deutsche Gegenoffensive und Pause: Am 5. Juli starteten die Deutschen eine Gegenoffensive, ebenfalls mit großen Verlusten. Danach folgte eine Pause, in der sich beide Seiten erholten und die Toten begruben.

  • Bedeutung der Schlacht: Die Schlacht an der Somme wurde zu einem wichtigen Erinnerungsort für die beteiligten Nationen. Verschiedene Frontabschnitte sind heute Gedenkstätten, die von den Nationalitäten betreut werden, die dort gekämpft haben, wie z.B. der Wald von Delville (Südafrika), Thiépval (Ulster), Beaumont-Hamel (Kanada und Schottland) und Pozières (Australien).

Ende der Schlacht an der Somme

  1. Erster Einsatz von Panzern: Im September 1916 setzten die Briten erstmals Panzer ein. Diese gepanzerten Fahrzeuge waren mit Kanonen und Maschinengewehren ausgestattet und wirkten monströs und Furcht erregend.

  2. Erfolge und deutsche Gegenmaßnahmen: Mit Hilfe dieser Panzer eroberten die Alliierten die vordersten drei deutschen Linien. Trotz dieser Erfolge bauten die Deutschen ihre Befestigungen weiter hinten aus.

  3. Fortschritt der britischen Truppen: In den letzten Oktobertagen erreichten die britischen Truppen den Höhenzug von Thiépval, wo heute ein massives Denkmal steht, das die Namen von 73.367 an der Somme gefallenen britischen Soldaten trägt.

  4. Einzelerfolge und erneuter Stillstand: Ein schottisches Regiment nahm Beaumont-Hamel ein, wo am ersten Tag der Offensive das Royal Newfoundland Regiment fast vollständig gefallen war. Dennoch standen sich die feindlichen Einheiten nach vier Monaten wieder in ihren Gräben gegenüber.

  5. Deutsche Sicht auf den Krieg: Zitat eines deutschen Kriegsgefangenen gegenüber dem Kriegskorrespondenten Philip Gibbs. Der Gefangene beschreibt den Krieg als einen Krieg gegen Religion und Zivilisation und drückt seine Hoffnungslosigkeit über ein Ende des Krieges aus.

Die Reaktion der Deutschen auf die Schlacht an der Somme

  1. Reaktion auf die Schlacht an der Somme:

    • Statt den Krieg zu beenden, entschieden sich die Deutschen, die Frontlinie zu verkürzen und die Befestigungen noch stärker auszubauen. Dies wurde der Heimatfront als notwendige Maßnahme erklärt.

  2. Kulturelle Entwicklung der Befestigungen:

    • Der katholische Divisionspfarrer Otto Müller und der Kunsthistoriker Heribert Reiners verglichen die Entwicklung der Befestigungen mit der Kulturgeschichte der Menschheit: von primitiven Unterständen ("Maulwurfslöchern") zu soliden unterirdischen Bauten aus Stein und Beton, die sogar an das Bahnnetz angeschlossen waren.

    • Diese Bauten symbolisierten einen Fortschritt vom "Höhlenbewohner" zum "Kulturmenschen", der nun "eins mit dem Land" geworden sei.

  3. Die Siegfriedstellung:

    • Diese Stellung entstand durch die Rückverlagerung und Begradigung der Frontlinie an der Somme. Die Bauarbeiten begannen im Oktober 1916 und umfassten riesige Mengen an Baumaterialien und Arbeitskräften.

    • Insgesamt wurden 70.000 Arbeiter eingesetzt, darunter 26.000 Kriegsgefangene und 9.000 zivile Zwangsarbeiter aus Belgien und Frankreich. Diese Arbeiter wurden oft wie Zwangsarbeiter behandelt und versuchten zu fliehen, sobald sie konnten.

  4. Ludendorffs Sichtweise:

    • General Ludendorff glaubte, dass bei strikterer Durchsetzung von Zwangsarbeit ein uneinnehmbares Verteidigungssystem hätte entstehen können. Er hatte sich so sehr an diese Festungsbauten gewöhnt, dass das eigentliche Kriegsziel, die Kapitulation des Gegners, aus seinem Blickfeld geriet.

  5. Zwangsarbeit und Kriegsverbrechen:

    • Der Einsatz von Kriegsgefangenen und Zivilisten als Zwangsarbeiter für militärische Bauarbeiten war ein Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung und somit völkerrechtswidrig. Dennoch sah die Oberste Heeresleitung (OHL) diese Zwangsarbeit als unverzichtbar für die Kriegsführung an.

    • Die Erkenntnis der OHL war, dass ohne Kriegsverbrechen eine erfolgreiche, moderne Kriegführung nicht möglich sei.

Unternehmen Alberich

  1. Unternehmen Alberich (9. Februar 1917):

    • Geheimer Rückzug: Die deutschen Truppen zogen sich unbemerkt von den Alliierten zurück.

    • Verletzung der Haager Landkriegsordnung: Die deutschen Truppen missachteten internationale Abkommen.

  2. Zerstörung des Territoriums:

    • Plünderung und Zerstörung: Das Gebiet zwischen den alten Stellungen und der Siegfriedstellung wurde systematisch geplündert und zerstört. Ca. 200 Orte, Burgen, Straßen und die gesamte Vegetation wurden abgebrannt und gesprengt.

    • Deportation der Bevölkerung: Etwa 140.000 Menschen wurden in mehr als 7.500 Waggons deportiert.

    • Befehl von Ludendorff: Alles, was dem Feind nützen könnte (Straßen, Brücken, Vorräte usw.), sollte zerstört werden. Für den Materialabtransport wurden über 29.000 Waggons eingesetzt.

  3. Ernst Jüngers Beschreibung:

    • Verwüstetes Land: Jünger beschreibt das Gebiet als vollständig zerstört: Dörfer in Trümmern, Bäume gefällt, Straßen vermint, Brunnen verseucht, Flussläufe abgedämmt, Keller gesprengt, Schienen abgeschraubt und Telefondrähte abgerollt.

  4. Unbewohnbares Niemandsland:

    • Ziel der Zerstörung: Die Oberste Heeresleitung wollte das Gebiet zwischen der neuen Siegfriedstellung und den alten Stellungen in eine unpassierbare Wüste verwandeln.

    • Symbolik der Siegfriedstellung: Die Festungen sollten die Unbesiegbarkeit des Reiches symbolisieren.

  5. Durchbruch der Alliierten (September 1918):

    • Panik bei Ludendorff: Als amerikanische und britische Einheiten die Siegfriedstellung durchbrachen, erklärte Ludendorff den Krieg für verloren und forderte Waffenstillstandsverhandlungen.

  6. Symbolische Bedeutung:

    • Materialmengen und Symbolik: Die gigantischen Mengen an Baumaterialien, die für die Siegfriedstellung verwendet wurden, symbolisierten die Unbesiegbarkeit unter Hindenburgs und Ludendorffs Führung.

    • Gewissheit der Niederlage: Die Eroberung der Siegfriedstellung durch die Alliierten verstärkte das Gefühl der Niederlage.

Rückgewinnung der Mobilität auf dem Schlachtfeld

  1. Wechsel von Stellungskrieg zu Bewegungskrieg (1918):

    • Sturmangriffe ersetzen das Ausharren: Anfang 1918 verließen die deutschen Armeen ihre Stellungen und starteten Angriffe.

    • Misserfolg der deutschen Offensive: Diese Angriffe wurden nach wenigen Wochen gestoppt und die Deutschen zurückgedrängt.

  2. Beteiligung der amerikanischen Truppen:

    • Verstärkung der Entente: Die Entente übernahm die Initiative, unterstützt von amerikanischen Soldaten.

    • Scheitern der deutschen Offensive: Erich Ludendorff gab den deutschen Soldaten die Schuld am Scheitern, da sie angeblich die Disziplin verloren und sich auf die erbeuteten Vorräte gestürzt hätten.

  3. Die Siegfriedstellung:

    • Symbolik der Siegfriedstellung: Diese war mit Millionen Tonnen Baumaterial verstärkt und symbolisierte die Unbesiegbarkeit des Deutschen Reiches.

    • Durchbruch der Alliierten: Im September 1918 durchbrachen amerikanische und britische Einheiten die Siegfriedstellung, was Ludendorff dazu veranlasste, den Krieg als verloren zu erklären und Waffenstillstandsverhandlungen zu fordern.

  4. Fortschritt in der Kriegstechnik:

    • Moderne Kriegsführung: Der französische Renault-Panzer, ein Prototyp des modernen Panzers, spielte eine entscheidende Rolle bei den Siegen der Alliierten im Juli 1918 bei Soisson und im August bei Amiens.

  5. Rolle der amerikanischen Soldaten:

    • Beitrag zur Wende im Krieg: Amerikanische Soldaten, die ab Januar 1918 in Frankreich ankamen, spielten eine entscheidende Rolle bei der Wende im Krieg.

    • Ausrüstung der Amerikaner: Trotz anfänglicher Mängel an Ausrüstung wurden die amerikanischen Truppen von der produktiven französischen Industrie mit modernen Waffen versorgt.

  6. Bedeutung des Jahres 1917:

    • Kriegseintritt der USA und russische Revolution: Der Eintritt der USA in den Krieg und die russischen Revolutionen des Jahres 1917 gelten als entscheidende Wendepunkte im Weltkrieg.

    • Internationale Bedeutung: Das Jahr 1917 brachte die USA und die UdSSR auf die internationale Bühne, die später im Kalten Krieg gegeneinander stehen sollten.

  7. Historischer Kontext der USA:

    • Amerikanische Perspektive: Aus europäischer Sicht traten die USA 1917 auf die weltpolitische Bühne, doch im 19. Jahrhundert waren sie mit inneren Konflikten wie dem Sezessionskrieg und den Indianerkriegen beschäftigt.

    • Krieg mit Spanien: Der Krieg mit Spanien markierte den Beginn der amerikanischen Expansion im südlichen Pazifik, auf den Philippinen und Kuba.


Die Raumordnung des Generalplans Ost

Der Text beschreibt die extremen und brutal geplanten Siedlungspolitiken der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere den sogenannten "Generalplan Ost" und den darauf basierenden "Generalsiedlungsplan". Hier sind die Hauptpunkte zusammengefasst:

  1. Definition von „Volksdeutschen“: Die Nationalsozialisten betrachteten nicht nur die Bürger des Deutschen Reiches als Teil der deutschen Nation, sondern auch alle „Volksdeutschen“, die in verschiedenen Siedlungen und Sprachinseln in ganz Europa lebten. Diese mussten ermittelt oder großzügig definiert werden, was Aufgabe der Ostforschung war.

  2. Ostforschung und Historiker: Die Ostforschung, die von angesehenen Historikern wie Theodor Schieder und Werner Conze betrieben wurde, spielte eine zentrale Rolle bei der Identifikation und Planung der Ansiedlung von „Volksdeutschen“. Diese Historiker genossen nach dem Krieg hohes Ansehen und hatten bedeutende Positionen inne.

  3. Generalplan Ost und Generalsiedlungsplan: Diese Pläne sahen die massive Umsiedlung von Millionen Menschen und die Erweiterung der „deutschen Volksgrenzen“ um ca. 1000 Kilometer nach Osten vor. Das Ziel war die vollständige „Eindeutschung“ des eroberten Raums, wobei nur „Volksdeutsche“ und „eindeutschungsfähige“ Personen verbleiben sollten.

  4. „Eindeutschungsfähige“ Personen: Als „eindeutschungsfähig“ galten bestimmte Anteile der Bevölkerung aus Polen, Litauen, Lettland, Estland, Slowenien, Tschechien und Frankreich, die von der SS und dem Rasse- und Siedlungshauptamt als germanisch eingestuft wurden.

  5. Umsiedlungen und Vernichtungspläne: Die Pläne berücksichtigten, dass viele der umzusiedelnden Menschen die Umsiedlungen nicht überleben würden. Für die jüdische Bevölkerung war im Rahmen dieser Pläne kein Platz vorgesehen – sie sollten ermordet werden, wie im Protokoll der Wannseekonferenz festgehalten.

  6. Logistik und Infrastruktur: Es wurden massive Infrastrukturprojekte geplant, um die riesigen Gebiete zu erschließen und zu verbinden, darunter vier mehrspurige Autobahnen (Ost -> West; Nord -> Süd) und breitspurige Eisenbahnstrecken. Diese sollten die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete ermöglichen und die Einheit des „deutschen Volksraums“ herstellen.

  7. Ideologische Basis: Die Nationalsozialisten sahen diese Maßnahmen als eine historische Notwendigkeit, um eine vermeintlich 2000-jährige Geschichte der Germanenstämme nachzuholen und das Gebiet als „deutschen Volksraum“ zu etablieren.

    • Neue Städte nach den Grundrissen von bspw. Regensburg und Weimar


Zusammenfassung der Kurseinheit

Der Text fasst eine Kurseinheit zusammen und klärt darüber auf, was die zentralen Themen und Ziele dieser Einheit waren und was nicht behandelt wurde. Hier ist eine ausführliche Erklärung:

  1. Nicht behandelte Themen:

    • Es wurde keine Theorie der Revolution, Theorie des Raums oder des “Spatial Turn” (Raumwende) präsentiert.

    • Diese Themen können jedoch später im Studium angegangen werden, besonders wenn man sich auf Theorie und Theorienbildung in der Geschichtswissenschaft konzentrieren möchte.

  2. Behandelte Themen:

    • Die Einheit beschäftigte sich mit Perspektivenwechseln anhand konkreter historischer Vorgänge.

    • Ein Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie Revolutionen in verschiedenen Zeiträumen dargestellt und interpretiert wurden.

    • Die Französische Revolution wurde ursprünglich vor allem staatsrechtlich definiert, aber bereits ein Vierteljahrhundert später begannen Bilder und Mythen (wie die Pariser Bastille) die konventionellen Darstellungen zu überlagern.

    • Diese unterschiedlichen Perspektiven bleiben bis heute relevant und beeinflussen, wie Revolutionen betrachtet und dargestellt werden.

  3. Erinnerungskultur und historische Räume:

    • Unterschiedliche historische Erfahrungsräume prägen weiterhin das Verständnis von Geschichte.

    • Beispiele sind die „lieux de mémoire“ (Erinnerungsorte) und regionale sowie soziale Erinnerungskulturen, die sich manchmal gegen national geprägte Erinnerungspolitiken stellen.

    • Historisch und sozial produzierte Räume beeinflussen die Erinnerungskultur, selbst bei universellen Themen wie Revolutionen.

  4. Anwendung des Raumkonzepts:

    • Die Bedeutung von historisch entstandenen und geschichtlichen Räumen wird in der Architektur- und Stadtgeschichte anerkannt.

    • Aber diese geschichtlichen Schichten sind auch in anderen Bereichen erkennbar, wie der Umweltgeschichte (z.B. Wald und Tierartenanpassung), der Ausdehnung von Nationalstaaten, Kriegen unter industriellen Bedingungen und dem rassenpolitisch und demographisch begründeten Vernichtungskrieg.

  5. Ziele der Kurseinheit:

    • Die Einheit zeigte die Chancen auf, die durch Perspektivenwechsel in zeitlicher und topographischer Dimension entstehen können.

    • Ein wichtiges Ziel ist es, die Studierenden zum kritischen Umgang mit dem Text zu ermuntern.

    • Es wird keine Deutungshoheit (einzig richtige Interpretation) vorgegeben.

    • Die Studierenden sollen vielmehr angeregt werden, die Tauglichkeit der vorgestellten Deutungs- und Darstellungsansätze zu prüfen, zu bestätigen oder zu verwerfen und durch geeignetere Forschungswege zu ersetzen.

Zusammengefasst geht es in dieser Kurseinheit darum, wie historische Ereignisse und Prozesse aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und dargestellt werden können und wie solche Perspektivenwechsel das Verständnis und die Darstellung der Geschichte beeinflussen. Die Einheit fordert die Studierenden dazu auf, kritisch mit den präsentierten Ansätzen umzugehen und eigene Wege der Forschung zu entwickeln.

Author

Adele G.

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