Recht als Wirklichkeit
Hauptwerk und Struktur: Hegels „Rechtsphilosophie“ repräsentiert seine gesamte praktische Philosophie. Hegel hat keine separate „Ethik“, „Moral“ oder „Sittenlehre“ verfasst. Stattdessen gliedert sich die Rechtsphilosophie in drei Hauptteile:
Abstraktes Recht
Moralität (im Werk Teil des Abstrakten Rechts)
Sittlichkeit (dieser Teil umfasst Familie, Gesellschaft und Staat).
Vergleich mit Kant und Fichte: Im Gegensatz zu Kant und Fichte, die großen Wert auf Moral legten, betont Hegel die Bedeutung des Rechts. Hegel sieht die Reichweite der subjektiven praktischen Vernunft (also der Moral) als begrenzt an und stellt die objektiven Institutionen (wie das Recht) in den Vordergrund.
Institutionen und historische Dimension: Hegel hebt die Bedeutung von Institutionen und der historischen Dimension der menschlichen Praxis hervor. Im Gegensatz zur Moral betont er, dass das Recht besser geeignet ist, diese Aspekte zu verdeutlichen.
Aristotelisches Modell der Sittlichkeit: Hegel orientiert sich an einem fast aristotelischen Modell der substantiellen Sittlichkeit, in dem der Staat eine zentrale Rolle spielt.
Kritik und Missverständnisse: Kritiker haben Hegel oft vorgeworfen, er wolle sich dem preußischen Staat anbiedern und als „preußischer Staatsphilosoph“ agieren. Besonders kontrovers ist der berühmte „Doppelsatz“ aus der Vorrede der Rechtsphilosophie: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“
Rationale Wirklichkeit: Hegels „Doppelsatz“ bedeutet, dass Recht nicht nur als abstraktes Sollen (ein äußerer Maßstab) betrachtet werden soll, sondern als etwas, das tatsächlich existiert und in der Realität verwirklicht ist.
Substantielle Idee und Macht: In seiner Vorlesung von 1819/20 erklärt Hegel, dass die „wahrhafte Idee“ substantiell und mächtig ist. Das Göttliche oder Wahre müsse sich in der Existenz manifestieren und nicht nur im subjektiven Denken oder in einer jenseitigen Vorstellung existieren.
Erkenntnis des objektiven Geistes: Die Aufgabe der Rechtsphilosophie ist es, den „objektiven Geist“ zu erkennen, das heißt die bereits daseiende Vernunft in der Lebenswelt. Dies ist schwieriger als idealisierte Vorstellungen davon zu entwickeln, wie die Welt sein sollte (wie es etwa Platon und Fichte tun).
Objektive Evidenz: Im Gegensatz zu subjektiven Vorstellungen zielt das Recht auf objektive Evidenz ab. Das bedeutet, dass das Recht als Reich des objektiven Geistes auch dem subjektiven Geist vorausliegt und ihn anleitet.
Der Ansatz der Hegelschen Rechtsphilosophie
Gegenstand der Rechtsphilosophie:
Hegels Rechtsphilosophie untersucht die „Idee des Rechts“, den „Begriff des Rechts“ und dessen „Verwirklichung“. Das bedeutet, dass sie sich nicht nur auf bestehende rechtliche Systeme beschränkt, sondern die grundlegenden Prinzipien und die Natur des Rechts an sich thematisiert.
Recht als mehr als Sekundärreflexion:
Die Rechtsphilosophie ist nicht nur eine Metawissenschaft, die über bereits bestehende Gesetze nachdenkt. Sie befasst sich mit der „Natur der Sache“ selbst, also mit der Essenz und dem inneren Wesen des Rechts.
Der Begriff des Rechts und seine Verwirklichung:
Für Hegel ist der Begriff eine Einheit von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem und besitzt eine „energetische“ Kraft, die sich selbst verwirklicht.
Nachzuvollziehen am Doppelsatz. Der Satz „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“ bedeutet, dass der Begriff des Rechts nicht nur eine abstrakte Idee ist, sondern sich in der Realität manifestiert.
Rechtswirklichkeit und Rationalität:
Die Rechtswirklichkeit ist für Hegel nicht irrational. Das Recht ist nicht nur ein Produkt historisch zufälliger Dezision (gesetzliche Entscheidung einer einzelen strittigen Frage), sondern hat eine innere Logik und Rationalität, die es dem menschlichen Verstand zugänglich macht.
Das Recht und die Freiheit:
Das Recht hat den Zweck, Freiheit zu verwirklichen. Es ist die materielle Darstellung der Freiheit in der Welt.
Die Rechtsidee bringt das überempirische Sollen der Freiheit mit der unmittelbaren Welt zusammen.
Rechtsinstitutionen haben die Funktion, existierende Freiheit zu manifestieren.
Kritik an der historischen Betrachtung des Rechts:
Dementsprechend kritisiert Hegel Ansätze, die das Recht nur historisch erklären und in theoretischer Distanz zur aktuellen Wirklichkeit stehen. Er betont, dass das Recht im Hier und Jetzt vernünftig und relevant sein muss.
Das Recht als geistige Welt:
Die rechtlich verfasste Welt ist eine zweite, über die natürliche Umwelt hinausgehende Welt (wie bei Kant und Fichte). Diese Welt ist durch geistige und rationale Strukturen geprägt.
Diese zweite Welt ist eine freiheitlich umgewendete empirische Welt. Der Naturgegenstand ist in ihr nicht nur eine äußere Existenz, sondern das Mittel einer geistig-zweckgerichteten Existenz. Bzw. der Andere ist in dieser Welt Person, also ein anerkannter freier Wille.
Subjektivität und Objektivität im Recht:
Das Ich oder der freie Wille ist die Grundlage des Rechts und der Rechtswirklichkeit.
Das Ich ist einerseits eine anarchische Macht der "absoluten Abstraktion", die alles Fremde negiert. Andererseits ist es auch ein endliches oder besonderes Ich, das sich in einer konkreten Selbstbestimmung ausdrückt.
Der konkrete freie Wille ist nicht nur negative Freiheit (die Fähigkeit, sich von allem Fremden zu distanzieren), sondern auch positives Dasein (die Fähigkeit, sich in der Welt zu verwirklichen).
Diese positive Freiheit ist das Dasein als freier Wille, die "Substantialität" und "Schwere" des Subjekts.
Der konkrete freie Wille vermittelt zwischen Subjektivität und Objektivität. Er ist weder eine reine Negation des Objektiven noch nur ein Objektives. Stattdessen steht er der objektiven Welt gegenüber und strebt danach, diese mit sich selbst zu vermitteln.
Der freie Wille beansprucht, die äußere Welt den eigenen Zwecken unterzuordnen. Dadurch wird der freie Wille selbst objektiv und zwecksetzend.
Der freie Wille setzt sich selbst Zwecke, in denen sich das Subjektive (der Wille) als Objektives (der Zweck) darstellt. Diese Zwecke sind Ausdruck des freien Willens, der sich im Zweck selbst will und somit selbstbewusster freier Wille ist.
Entschließen und Handeln:
Der freie Wille manifestiert sich durch das „Sich-Entschließen“ zu konkreten Handlungen. Dieses Handeln ist eine Verbindung von Innerem und Äußerem und ermöglicht es dem Individuum, seine Freiheit in der Welt zu realisieren.
Ein Wille, der nichts beschließt, ist kein wirklicher Wille. Die konkrete Bestimmung und Handlung zeigen die wahre Freiheit des Willens.
Hegel unterscheidet zwischen formeller Unendlichkeit (Möglichkeit) und aktualer Unendlichkeit (reale Verwirklichung). Die wahre Freiheit zeigt sich in der Überwindung des Gegensatzes zwischen Innen und Außen, Subjektivem und Objektivem.
Das abstrakte Recht
Allgemeine Freiheitslehre:
Hegels Rechtsphilosophie wird als eine allgemeine Freiheitslehre verstanden (weil Recht als Dasein des freien Willens), die die Entwicklung der Idee der Freiheit betrachtet. Diese Entwicklung durchläuft verschiedene Stufen (RPh § 30).
Umfassendes Inventar der Rechtsphilosophie:
Hegels Rechtsphilosophie umfasst eine Vielzahl von Themen, die auf den ersten Blick nicht direkt mit dem Recht in Verbindung stehen, wie z.B. Moralität, Familie und Weltgeschichte. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, dass es darum geht, die Formen zu untersuchen, in denen der freie Wille tatsächlich und äußerlich existiert.
Abstraktes oder formelles Recht:
Dies bezieht sich auf die dingliche Beziehung des Willens zu einer unmittelbaren äußeren Sache. Hier wird das Eigentum thematisiert, das den Begriff der äußeren Realität als eine Sphäre der Freiheit der Person darstellt. Das Eigentum entsteht durch die Besitzergreifung und ist notwendig, weil die Person sich in ihm als individuelles Ich manifestiert.
Moralität:
Diese Stufe behandelt die unmittelbare Selbstbeziehung des Willens und damit das Recht des subjektiven Willens. Es geht um die moralische Existenz im Gegensatz zur äußeren Welt.
Sittlichkeit:
Hier geht es um die Einheit und Wahrheit der beiden abstrakten Momente (abstraktes Recht und Moralität). In der sittlichen Welt kann der Wille sich als mit sich eins wissen. Dies umfasst die Existenz als Familienmitglied oder Staatsbürger und schließt die substanziellen sozialen Institutionen wie die Familie und den Staat ein.
Unter dem Titel des abstrakten Rechts behandelt Hegel Themen wie Eigentum, Vertrag, Unrecht und den darauf folgenden Zwang.
Das Eigentum als Sphäre der Freiheit:
Eigentum ist für Hegel eine äußere Realität, die zur „Sphäre der Freiheit“ der Person gehört. Es ist der Bereich, in dem sich der Wille als objektiv freier Wille ausdrückt und manifestiert.
Eine Sache wird zum Eigentum, wenn der Wille einer Person auf sie gerichtet ist. Die Sache erhält dadurch ihre Bedeutung und Existenz im rechtlichen Sinne.
Das absolute Zueignungsrecht:
Hegel spricht von einem „absoluten Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen“. Dies bedeutet, dass die Sache kein Recht gegen den Menschen hat. Der Mensch kann sich jede Sache aneignen, da sie ohne ihn keine rechtliche Bedeutung hat.
Eigentum als Individualisierung:
Das Eigentum ist notwendig, weil es die Person individuieren lässt. Durch Eigentum wird die Person zu einem einzelnen, erkennbaren „Ich“.
Deswegen auch die Kritik an Platons Staat, in welchem die Person nicht Privateigentum fähig sein soll.
Besitzergreifung und Zeichen:
Eigentum entsteht durch die Besitzergreifung einer Sache. Diese muss nicht nur körperlich ergriffen, sondern auch als besessen bezeichnet werden. Dieses Zeichen repräsentiert den Willen der Person.
Der Vertrag als Willensbeziehung:
Ein Vertrag setzt voraus, dass die beteiligten Personen sich als Eigentümer und Personen anerkennen. Im Vertrag wird die Beziehung eines Willens zu einer Sache durch die Beziehung zweier Willen zueinander ersetzt.
Dies bedeutet, dass Personalität als Anerkanntsein verstanden wird.
Hegels Sicht auf Sklaverei:
Hegel kritisiert die Sklaverei, da sie den Menschen als bloßen Naturgegenstand betrachtet, was Vernünftigkeit und Recht ausschließt.
Andererseits ist auch die These, dass der Mensch „von Natur frei“ sei, für Hegel zu abstrakt. Der freie Geist erlangt seine Freiheit durch die Überwindung der Naturbestimmtheit seines Bewusstseins.
Kampf des Anerkennens:
Hegel verweist auf den Kampf des Anerkennens, wie er ihn in der „Phänomenologie des Geistes“ im Kapitel „Herr und Knecht“ beschrieben hat. Personalität entsteht durch Anerkennung, und es ist die Aufgabe des Staates, dieses Anerkanntsein zu sichern.
Aufgabe des Staates:
Der Staat muss sicherstellen, dass das Niveau des Anerkanntseins nicht unterboten wird. Jederzeit besteht die Gefahr, dass Bewusstsein sich und andere nach Naturbegriffen versteht und die wahre Freiheit verfehlt.
Freiheit ist zunächst nur ein Ziel, das subjektiv erreicht werden muss, während der Staat sie objektiv garantiert, beispielsweise unter dem Begriff der Menschenwürde.
Anerkennung durch den Staat:
Durch den Staat kann ein Individuum als Person anerkannt werden, selbst wenn es diese Anerkennung als selbstständiges Selbstbewusstsein nicht erreicht hat. Der Staat übernimmt die Rolle, die Wahrheit des Anerkanntseins zu garantieren.
Anerkanntsein durch den Vertrag:
Ein Vertrag setzt das prinzipielle Anerkanntsein der Rechtsgenossen fest. Das bedeutet, dass sich die Vertragsparteien gegenseitig als rechtmäßige Subjekte anerkennen.
Dadurch wird festgelegt, was im zwischenmenschlichen Kontext als Recht gelten soll.
Unrecht im Naturzustand:
Im Naturzustand, wie schon Hobbes lehrte, kann niemand Unrecht tun, da es keine festgelegten Gesetze gibt.
Unrecht entsteht erst, wenn es eine Diskrepanz zwischen gesetztem Recht und erscheinendem Willen gibt.
Unbefangenes Unrecht:
Hegel beschreibt zunächst das „unbefangene Unrecht“. Das ist ein Unrecht, das aus gutem Glauben begangen wird und nur für einen anderen als Unrecht erscheint.
Ein typisches Beispiel ist ein bürgerlicher Rechtsstreit, bei dem beide Parteien glauben, im Recht zu sein und einen Dritten als Schiedsrichter anrufen, um den Streit zu entscheiden.
Der Grund für unbefangenes Unrecht liegt oft in der Mehrdeutigkeit des Rechts, wie etwa bei einem Vertragstext, der unterschiedlich interpretiert wird.
Bewusst gesetztes Verbrechen:
Ein bewusst gesetztes Verbrechen leugnet aktiv die Gültigkeit des Rechts.
Hegel betont, dass das Verbrechen, weil es die Anerkennungssphäre verlässt, in sich nichtig und leer ist. Es ist ein Nihilismus, nichts Lebendiges oder Wahres.
Hannah Arendt sprach von der “Banalität des Bösen”
Nichtigkeit des Verbrechens und Strafe:
Die Strafe ist die objektive Darstellung der Nichtigkeit des Verbrechens.
Durch die Strafe setzt sich der Gemeinwille des Rechts gegen den Einzelwillen durch, der das Recht leugnet.
Funktion der Strafe:
Die Strafe zeigt durch den Richter die Nichtigkeit des Verbrechens auf und durch den Strafvollzug die überlegene Macht des Rechts.
Hegel argumentiert bereits in seinen Jugendschriften, dass der Verbrecher sich aus der sittlichen Totalität, dem Leben, ausschließt, und die Strafe diese Ausschließung bewahrheitet.
Strafe als Bewährung des objektiven Geistes:
Die Strafe dient weder der Abschreckung noch der Besserung des Verbrechers. Sie ist die Bewährung des objektiven Geistes durch die Negation seiner Negation.
Nachdem ein Verbrecher seine Strafe verbüßt hat, soll er uneingeschränkt wieder als Anerkannter gelten und mit dem objektiven Geist versöhnt sein.
Die Moralität
Subjektivität im Betrug und Verbrechen:
Betrug und Verbrechen sind Beispiele für die Subjektivität und den besonderen Willen, der sich gegen die objektive Vernunft des Rechts durchsetzt. Hier wird der individuelle Wille hervorgehoben, der im Widerspruch zum objektiven Recht steht.
Moralität als subjektiver Geist:
In der Moralität manifestiert sich der Geist als subjektiv, der sich gegen die äußere Welt profiliert. Dies geschieht durch die Reflexion des Subjekts, etwa in der Bestimmung und im „Recht“ des Gewissens. Die Moralität unterscheidet sich vom abstrakten Recht, indem sie die Freiheit als subjektive Aufgabe sieht, die erst gewonnen werden muss, anstatt als im Rechtssystem bereits vorhanden.
Kant und der Wille zu einer geistigen Welt:
Wie bei Kant strebt der Wille in der Moralität nach einer geistigen Welt, die nun jedoch als subjektiv gesetzte, nicht als unmittelbar vorhandene bestimmt ist.
Freiheit als subjektiv zu gewinnende Aufgabe:
Während das abstrakte Recht die Freiheit als im Rechtssystem existierend betrachtet, sieht die Moralität die Freiheit als etwas, das subjektiv erst erlangt werden muss. Dies führt dazu, dass das Rechtssystem als eine entfremdete Form der Freiheit angesehen wird.
Der Geist in der moralischen Forderung:
In der moralischen Forderung zieht sich der Geist in sich selbst zurück und wird sowohl sein eigener Richter als auch der Richter der Welt. Diese Position führt zu einer Dialektik, in der das Gewissen und das Böse ineinander übergehen.
Gewissen und Eitelkeit:
Hegel beschreibt das Gewissen als eine Form der Subjektivität, die sich das Recht vorbehält, andere Subjektivitäten nach ihren eigenen Maßstäben zu anerkennen oder abzulehnen. Diese Haltung kann zu extremen Konsequenzen führen, wie in der Französischen Revolution zu sehen ist, wo Tugend und Terror Hand in Hand gingen.
Probleme der reinen Subjektivität:
Hegel kritisiert, dass die reine Subjektivität, selbst wenn sie gut gemeint ist, keine tragfähige Basis für das Zusammenleben von Menschen bietet. Die Subjektivität des Gewissens erkennt das Recht anderer Subjektivitäten nicht an, was zu Konflikten führt.
Ideologien und das Recht:
Ideologien fordern oft eine gesinnungsmäßige Homogenität und haben Schwierigkeiten mit dem Begriff des Rechts, der die Koexistenz in Pluralität ermöglicht.
Sittlichkeit als Thema des dritten Teils der Rechtsphilosophie:
Der dritte Teil von Hegels Rechtsphilosophie behandelt die Sittlichkeit, die das Thema der Koexistenz verschiedener Subjekte aufgreift. Diese Koexistenz basiert nicht auf einer bewussten Übereinstimmung in Grundsätzen, sondern auf der Anerkennung der Pluralität.
Familie, Gesellschaft und Staat
Erstaunen über Hegels Sittlichkeit:
Hegels Konzept der Sittlichkeit hat oft Verwunderung ausgelöst, da er, obwohl ein moderner Denker, in seinem Verständnis der Sittlichkeit an antike Vorstellungen anknüpft. Sein Begriff der „substanziellen Sittlichkeit“ erinnert an das antike Polis-Ethos und das Naturrecht, wie es in der Geschichte von Antigone dargestellt wird.
Subjektivität und Interpersonalität:
Hegel untersucht den Rahmen, in dem freie Willen zusammen existieren können. Er fragt nach der Struktur einer Totalität, die den subjektiven Willen integriert und mit anderen Willen vermittelt. Es geht um die Einheit von Subjektivität und Interpersonalität, die beide einander ermöglichen.
Objektiver Geist und Allgemeinheit:
Die Sittlichkeit steht im Zeichen des objektiven Geistes, wo das Allgemeine gegenüber dem Einzelnen überwiegt. Der Einzelne sollte sich mit dem Allgemeinen identifizieren können und in ihm seine Freiheit erkennen.
Das Konzept der Sittlichkeit
Substantielle und unmittelbar gelebte Ethos: Sittlichkeit zunächst als eine tief verwurzelte und selbstverständlich gelebte moralische Ordnung existiert. Es ist nicht nur eine theoretische oder abstrakte Vorstellung, sondern ein konkretes, alltägliches Verhalten und Denken, das tief in der Gemeinschaft verankert ist.
Erfülltes Dasein der Freiheit: Die Sittlichkeit repräsentiert die vollkommene Verwirklichung der Freiheit. In diesem Zustand leben die Menschen im Einklang mit moralischen Prinzipien und gesellschaftlichen Normen, ohne dass es Konflikte oder Widersprüche gibt. Es ist ein Zustand, in dem individuelle Freiheit und gesellschaftliche Ordnung harmonisch zusammenpassen.
Zyklischer Ablauf: zunächst unreflektierter Einklang mit dem substantiellen Ethos, dann Entfremdung, dann reflektierter Einklang mit dem Ethos
Die drei Bestimmungen der Sittlichkeit:
Hegel beschreibt die Entwicklung der Sittlichkeit in drei Phasen: Familie, Gesellschaft und Staat.
Familie: Die Familie ist der Ursprung der individuellen Existenz und vermittelt eine unmittelbare, substantielle Freiheit.
In diesem Zustand gibt es eine nahtlose Harmonie zwischen den inneren moralischen Überzeugungen der Menschen (der geistigen Welt) und der äußeren sozialen Realität. Die Menschen fühlen sich als Teil einer größeren moralischen Ordnung und handeln im Einklang mit ihr.
Gesellschaft: In der Gesellschaft erfährt das Individuum eine Entfremdung von der Familie und entwickelt sein Selbstbewusstsein als individuelles Subjekt.
Phase der Störung der Harmonie. Es kommt zu einer Phase der Entfremdung, in der die Menschen sich von dieser ursprünglichen, unmittelbar gelebten moralischen Ordnung entfernen. Dies kann durch innere Konflikte, soziale Umbrüche oder andere Herausforderungen verursacht werden.
Staat: Der Staat vereint die Prinzipien der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft und ermöglicht eine bewusste Übereinstimmung mit der äußeren Welt.
Nach der Phase der Entfremdung kann eine Rückkehr zu einem Zustand der Harmonie erfolgen, aber nun auf einer höheren Bewusstseinsstufe. Die Menschen finden zurück zu einem Einklang mit der äußeren Welt, aber nun auf eine bewusste und reflektierte Weise. Sie erkennen und verstehen die moralischen Prinzipien und die gesellschaftliche Ordnung bewusst und handeln im Einklang mit ihnen.
Bildung und Individualisierung:
Die Bildung, oft in der Schule, markiert den Übergang des Individuums von der familiären Geborgenheit zur gesellschaftlichen Existenz. Hegel kritisiert pädagogische Ansätze, die versuchen, die Schule nach dem Modell der Familie zu gestalten, da diese den Bruch mit dem Ethos verhindern.
Gefahren der bürgerlichen Gesellschaft:
Hegel erkennt die Gefahren der Atomisierung und Entwurzelung in der bürgerlichen Gesellschaft. Er weist auf die Verelendung der Armen hin, die sich durch das gesellschaftliche System ausgeschlossen fühlen. (z. B. sehen Reichtum, der ihnen nicht gehört)
Führt zum “Zwiespalt des Gemüts gegen die Gesellschaft”. Es entsteht ein Bewusstsein, dass weil es keine Rechte als seine erkennt, auch keine Pflichten anerkennt. Hegel spricht von der Entstehung des “Pöbels”.
Logik der Gesellschaft führt zum Not- und Verstandesstaates, dessen einzige Aufgabe bei der unüberschaubaren Anzahl an Willen Kollisionen zu vermeiden. Das Individuum kann sich jedoch noch nicht mit dieser Art des Staates identifzieren.
Der Staat als höchste Form der Sittlichkeit:
Der Staat im eigentlichen Sinne ist mehr als eine bloße Assoziation von Personen; er ist eine Totalität, in der sich die Individuen als Gemeinschaft erkennen. Er basiert nicht auf einem Vertrag oder äußerem Zwang, sondern auf dem Vertrauen der Bürger in eine gemeinsame Sphäre. Mit dem Staat bilden die Individuen eine “Gesamtperson”.
Staat stützt sich auf das Volk (> Gesellschaft). Dieses ist der überindividueller, objektiver, nichtpartikularer Wille der Individuen.
Hegel beschreibt den Staat als eine selbstbewusste moralische Einheit, die die Prinzipien der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft vereint. Diese Einheit basiert auf einem Gefühl der Liebe (wie in der Familie) und einem bewussten, wissenden Wollen (wie in der Gesellschaft). Der Staat lebt vom Vertrauen seiner Bürger in ihn. Somit ist die größte Gefahr des Staates auch der Verlust der Bürger in ihn.
Funktion des Staates:
Hegel zufolge hat der Staat die Aufgabe, die Welt als meine Welt aufzuschließen und mich als Weltwesen freizusetzen. Das bedeutet, der Staat ermöglicht den Individuen, ihre Freiheit und Identität innerhalb der Welt zu erkennen und zu verwirklichen.
Der Staat erfüllt diese Aufgabe innerhalb bestimmter räumlicher und zeitlicher Grenzen. Das heißt, die Verwirklichung der Freiheit und die Erschaffung einer Identität finden immer in einem spezifischen historischen und kulturellen Kontext statt.
Hegel bezieht sich auf den "Volksgeist", ein Konzept, das von Philosophen wie Montesquieu und Herder beeinflusst wurde. Der Volksgeist ist der kollektive Geist oder die kollektive Identität eines Volkes, die den Charakter und die Kultur eines Staates prägt.
Vökerrecht und historische Grenzen:
Das Recht kann nur innerhalb einese Staates existieren und gilt auch nur für diesen Staat. Jedes Rechtssystem hat also eigene Grenzen und ist nicht universal gültig.
Dies führt in der Geschichte zum Aufeinanderprallen von verschiedenen Rechtssytemen. Gleichzeitig sind sie der Motor der Geschichte, da es keine übergreifende Instanz gibt, die diese Konflikt lösen könnte.
Das Völkerrecht versucht diese Konflikte zu schlichten, ist hierbei jedoch auf den Willen der Staaten angewiesen. Einige Staaten sind nicht fähig dieses sicherzustellen, andere Staaten verfolgen ihre eigenen Interessen.
Hegel sagt, dass die Geschichte auch das Weltgericht ist. Staaten erkennen vor diesem die Endlichkeit des eigenen Rechtssystems.
Die Prüfung führt zu einer Weiterentwicklung des Bewusstseins für Freiheit. Dieser Fortschritt hat als Ziel der Geschichte den maximalen freien Geist.
Der Geist in seiner maximalen freien Wirklichkeit ist der absolute Geist.
Staat und absoluter Geist:
Der gerechte Staat steht seiner Ideen nach im Einklang mit dem absoluten Geist. Dieser ist die maximale Freiheit eines Geistes. In diesem Einklang ermöglicht der Staat die Entfaltung des Geistes in Kunst, Religion und Wissenschaft.
Existenzberechtigung des Staates: Wenn der Staat jedoch feindlich gegenüber dem absoluten Geist ist (d.h. gegenüber den höchsten menschlichen Bestrebungen), verliert er seine Existenzberechtigung und wird von der Weltgeschichte gerichtet.
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