Justizmonopol und Justizgewährungsanspruch
Deutschland nimmt Justizmonopol in Anspruch
= Private Rechte sollen (außer in wenigen Ausnahmen, z.B. § 229 BGB, § 859 BGB) nicht im Wege der Selbstjustiz durchgesetzt werden
-> Bürger sind deshalb darauf angewiesen, dass der Staat ihnen einen effektiven Rechtsschutz gewährt, indem er Gerichte und Organe der Rechtspflege schafft und Verfahren zur Rechtsdurchsetzung vorsieht
-> Ihnen steht gegen den Staat ein Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 I iVm Art. 20 III GG zu, welcher umfasst, dass
das Gericht eine rechtliche und tatsächliche Prüfung vornimmt und verbindlich entscheidet
Verfahren in einer angemessenen Zeit bearbeitet werden
der Zugang zu vorhandenen Rechtsmitteln nicht unzumutbar beschränkt wird
Funktionen des Zivilprozesses
Durchsetzung subjektiver privater Rechte des Einzelnen
Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden
Bewahrung der Rechtsordnung
Verfahren im Zivilprozess
Erkenntnisverfahren
Vollstreckungsverfahren
= Das Gericht prüft, ob das vom Kläger geltend gemachte Recht tatsächlich existiert und diesem zusteht
-> Ergebnis dieser Prüfung:
Gerichtliche Entscheidung, idR in Form eines Urteils
Beispiel: Verurteilung des Beklagten zur Leistung an den Kläger
= Wenn im Erkenntnisverfahren festgestelt wurde, dass dem Kläger das von ihm geltend gemachte Recht existiert und auch zusteht, kann dieses im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens mit Hilfe staatlicher Vollstreckungsorgane zwangsweise durchgesetzt werden, wenn der Beklagte nicht leistet
Merke:
Die gerichtliche Entscheidung (bzw. Urteil) allein verhilft dem Kläger noch nicht zu seinem Recht
-> Beklagter muss auch leisten (ansonsten Verwirklichung des Rechts im Rahmen der Zwangsvollstreckung)
Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilprozess
Formen:
Einstweilige Verfügung
Arrest
Voraussetzungen:
I. Arrest- oder Verfügungsanspruch
= Bestehender geltend gemachter materiell-rechtlicher Anspruch des Antragstellers
II. Arrest- oder Verfügungsgrund
= (+), wenn die Entscheidung besonders eilbedürftig ist, weil das Abwarten des Hauptprozesses die Durchsetzung des Rechts vereiteln oder wesentlich erschweren würde
Instanzenzug im Zivilprozess
In einem zivilprozessualen Verfahren sind maximal drei Instanzen möglich:
Der Instanzenzug ist verfassungsrechtlich nicht gewährleistet, so dass für bestimmte gerichtliche Entscheidungen auch keine Rechtsmittel vorgesehen sind (z.B. § 707 II 2 ZPO)
Spruchkörper an den Zivilgerichten
Verfassungsprinzip des gesetzlichen Richters, Art. 101 I 2 GG
= Der für einen Rechtsstreit zuständige Richter darf nicht erst bestimmt werden, wenn das Verfahren schon bei Gericht anhängig ist, sondern muss bereits vorher anhand abstrakt-genereller Regeln feststehen
-> Daraus folgt:
Der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts muss bereits im Vorhinein für das Geschäftsjahr anhand bestimmter Kriterien abstrakt regeln, welcher Spruchkörper des Gerichts einen konkreten Fall zugewiesen bekommt (§§ 21a ff. GVG)
-> Diese Kriterien müssen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit des gesetzlichen Richters genügen
Eine nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans ist nur sehr eingeschränkt (§ 21e III GVG), eine willkürliche Abweichung überhaupt nicht zulässig
Ziel: Verhinderung von Manipulation der Zuständigkeit und damit sachfremdem Einfluss auf die Rechtssprechung
Ausschluss und Ablehung eines Richters
=> Der Richter muss neutral sein, dh er darf keine der Parteien bevorzugen und muss zu beiden Seiten dieselbe Distanz (persönlich und sachlich) wahren
-> Sicherung dieser Neutralität durch §§ 41-49 ZPO (regeln, wann der Richter von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen oder abgelehnt werden kann)
=> Wirkt ein ausgeschlossener Richter an der Entscheidung mit oder wird ein Ablehnungsgesuch durch eine willkürliche oder offensichtlich unhaltbare Entscheidung zurückgewiesen, verstößt dies gegen Art. 101 I 2 GG
Überblick Verhandlungsgrundsätze
Dispositionsgrundsatz
Verhandlungsgrundsatz
Mündlichkeitsgrundsatz
Unmittelbarkeitsgrundsatz
Konzentrationsgrundsatz
Öffentlichkeitsgrundsatz
Anspruch auf rechtliches Gehör
Anspruch auf ein faires Verfahren
= Die Parteien sind “Herren des Verfahrens”
-> Allein sie entscheiden über Einleitung, Streitgegenstand und Beendigung des Verfahrens
Ausprägungen:
Einleitung des Verfahrens durch die Parteien
= Durch Erhebung einer Klage gem. § 253 I ZPO
-> Auch für Rechtsbehelfe gilt: Allein die unterlegene Partei bestimmt, ob eine gerichtliche Entscheidung in der nächsten Instanz überprüft wird (§§ 528, 557 ZPO)
Das Gericht ist nicht von sich aus befugt, ein Verfahren einzuleiten!
Bestimmung des Streitgegenstand durch die Parteien
= Durch
Stellung eines Klageantrags nach § 253 II Nr. 2 ZPO (z.B. Verurteilung des Beklagten auf Zahlung von 1.000 Euro)
Nennung eines Klagegrunds (z.B. Kaufvertrag vom 22.12.2023 über Christbaumkugeln)
-> Gericht darf den Streitgegenstand nicht verändern
-> Der Kläger kann seinen ursprünglichen Klageantrag gem. § 263 ZPO auch während des Verfahrens noch ändern, wenn der Beklagte zustimmt oder das Gericht diese Änderung für sachdienlich erachtet
Ausnahmen davon:
> In sozialpolitischen relevanten Bereichen (z.B. § 308a ZPO, § 721 ZPO) kann das Gericht unabhängig von den Anträgen der Parteien entscheiden
> Nebenentscheidungen (Kostenentscheidung, §§ 308 II, 91. ff. ZPO und Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, §§ 708 ff. ZPO) ergehen nur von Amts wegen
Beendigung des Verfahrens durch die Parteien
= Die Parteien können das Verfahren auch ohne streitige Entscheidigung des Gerichts beenden, durch:
Klagerücknahme des Klägers, § 269 ZPO
Verzicht des Klägers auf den geltend gemachten Anspruch, § 306 ZPO
Erledigungserklärung des Klägers
Anerkennung des geltend gemachten Anspruchs duch den Beklagten, § 307 ZPO
Gemeinsame Erledigungserklärung von Kläger und Beklagtem, § 91a I ZPO
Schließung eines Prozessvergleiche
=> Erfolgt danach dennoch eine Entscheidung durch das Gericht ist diese als Verstoß gegen den Dispositionsgrundsatz automatisch unwirksam
Gem. § 308 I ZPO darf das Gericht einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als das was sie nicht beantragt hat
-> Verstößt das Gericht gegen § 308 I ZPO und den Dispositionsgrundsatz, ist die Entscheidung zwar wirksam, kann aber mit Rechtsmitteln angefochten werden
-> Aber Beachte:
Kläger, dem mehr zugesprochen wurde als er beantragt hat, kann die Erweiterung des Klagebegehrens auch noch in der Berufungsinstanz zulässig genehmigen (= Klageerweiterung gem. § 264 Nr. 2 ZPO)
= Nur das was in der Verhandlung mündlich vorgetragen wurde, darf Grundlage der Entscheidung des Gerichts sein, § 128 I ZPO
-> Verpflichtung des Gerichts, die Verhandlung mündlich zu führen und seine Urteile mündlich zu verkünden, § 311 II 1,III ZPO
-> Mündliche Verhandlung wird durch Schriftsätze vorbereitet (§§ 129 ff. ZPO), dieser schriftliche Vortrag muss auch mündlich vorgetragen werden (§ 137 II ZPO), kann aber durch Bezugnahme auf Dokumente ersetzt werden, § 137 III ZPO
Ausnahmen vom Mündlichkeitsgrundsatz:
§ 128 II ZPO: Eivernehmlicher Verzicht der Parteien auf mündliche Verhandlung
§ 128 III ZPO: Entscheidungen über Kosten und Nebenforderungen
§ 128 IV ZPO: Gerichtliche Entscheidung ist Verfügung oder Beschluss (und kein Urteil)
§ 495a 1 ZPO: Amtsgerichtliche Verfahren mit Streitwert bis 600 Euro (= Bagatellverfahren)
-> Aber Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung durch Antrag, § 495a 2 ZPO
§§ 307 2, 331 III ZPO: Erlass eines Anerkenntnis- oder Versäumnisurteils ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung
§ 128a ZPO: Einsatz von Videokonferenztechnik
Tatsachen, die nicht mündlich vorgetragen wurden, darf das Gericht seiner Entscheidung nicht zugrundelegen, wenn keine der oben genannten Ausnahmen vorliegt
-> Verstößt das Gericht gegen den Mündlichkeitsgrundsatz ist die Entscheidung zwar wirksam, kann aber mit Rechtsmitteln angefochten werden
= Die Verhandlung des gesamten Rechtsstreits muss vor dem Gericht stattfinden, das die spätere Entscheidung trifft
-> § 128 I ZPO: Parteien müssen ihren Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht verhandeln
-> § 309 ZPO: Ein Richter darf nur dann an dem Urteil mitwirken, wenn er der zugrundeliegenden Verhandlung beigewohnt hat
-> § 355 I 1 ZPO: Die Beweisaufnahme muss vor dem Prozessgericht, dh vor dem gesamten Spruchkörper stattfinden
Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsgrundsatz:
Klageerhebung
1. Schritt: Einreichung der Klageschrift bei Gericht durch den Kläger, § 253 V ZPO
=> Durch die Einreichung der Klageschrift bei Gericht wird die Klage anhängig
2. Schritt: Prüfung durch das Gericht, ob
die Klage den vorgeschriebenen Inhalt aufweist, § 253 II-IV ZPO
der Gerichtskostenvorschuss (§ 12 I 1 GKG) entrichtet oder Prozesskostenhilfe bewilligt wurde (§ 122 I ZPO)
im Wege des frühen ersten Termins (§ 275 ZPO) oder des schriftlichen Vorverfahrens (§ 276 ZPO) verfahren wird
3. Schritt: Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, §§ 253 I, 271 I ZPO
= Klage wird dem Beklagten in der dafür vorgesehenen Form bekannt gemacht (vgl. §§ 170 ff. ZPO)
=> Durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten ist die Klage erhoben (§ 253 I ZPO) und wird dadurch rechtshängig (§ 261 I ZPO)
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