Spracherwerb ist (laut Weinert/Ebert, 2013)
“eines der großen Geheimnisse der Psychlogie”
Spracherwerb vs Fremdsprachenlernen
Spracherwerb:
natürlich, unbewusster Prozess, der ungesteuert abläuft
bereits im Mutterleib werden rezeptive Strukturen aufgebaut
beläufiger Erwerb, deswegen häufig als einfach angesehen, obwohl objektive Kosten (ca. 10 000 h Lernzeit) hoch
intrinsisch motiviert, da funktional notwendig als Bestandteil der Sozialisierung
Sprachenlernen:
bewusster Prozess -> Bildungsprozess
zunehemend kognitiv, meist mit L1 koordiniert
Motivation abhängig von kontextuellen Faktoren: oftmals Schulfremdsprache die nicht das eigene Bildungsvorhaben widerspiegelt
Zweitsprache vs Fremdsprache
Zweitsprache tendenziell ungesteuerter Lernprozess
Fremdsprache tendenziell gesteuert
Unterschiede schulisches FS-Lernen und natürlichem Erwerb
extern:
Gruppe: institutioneller Rahmen (Schule) vs Familie
Zeit: reduzierte Lernzeit -> 3-4 Stunden pro Woche vs ab Geburt
weniger authentische Lernumgebung, Input
Feedback: Bedeutung von Korrektheit (gramm. Fehler wichtig)
intern:
Alter
bewusstes Lernen
keine natürliche Hilfe von Bezugspersonen
L2 wird auf Basis der L1 gelernt
Behaviorismus
Vertreter: Pawlow, Skinner
Lerntheorie aus den 1940/50er
Lernen als nachamendes Verhalten, Lernen durch WIederholung
Menschen verfügen über einen allgemeinen Lernmechanismus, der es ihnen erlaubt, das Verhalten ihrer Umgebung nachahmend zu erwerben
Spracherwerb als trial-and-error-Prinzip; Konditionierung: Erfolg als Lernverstärkung -> Automatisierung
Spracherwerb wird nur durch Umwelt ausgelöst
im Unterricht: pattern drill, keine Fachtermini oder grammatikalische Begrifflichkeiten, Vorsprechen/Nachsprechen, Austausch von einzelnen Satzelemnten wie Personen, Fokus auf Wiederholung und Konditionierung, keine Bewusstmachung
Kritik: Komplexität des Sprachsystems wird nicht berücksichtigt, Sprachkompetenz des Menschen auch nicht, Unzulässigkeit der Übertragung von Tierexperimenten auf Sprachverhalten der Menschen
Nativismus
Lerntheorie aus den 1960ern
genaue Gegenteil von Behaviorismus
Vertreter: Chomsky
angeborene Sprachfähigkeit des Menschen: Universalgrammatik, mithilfe das Kind Hypothesen über sprachliche Regeln und kann Sätze kreativ erzeugen und verstehen
Kritik:
Universalgrammatik nicht empirisch nachgewiesen
es gibt kein spezielles Sprachgen
Kinder nutzen keine sprachspezifischen Denkweisen
Kognitivismus
Vertreter: Piaget -> Lernen als Assimilation und Akkomodation
Lernen als Informationsverarbeitung, Fokus auf mentale Prozesse
Spracherwerb analog zur allgemeinen kognitiven Entwicklung eines Menschen
Lernen als aktiver Prozess der Auseinandersetzung mit der Welt
Fehler sind natürlicher Bestandteil des Lernens und Anlass für Lernprozesse/ Sprachenlernen,
im Unterricht: Fokus auf Eigenstänigkeit, Induktion (SuS entdecken Grammatikregeln selbst), explizite Nennung der Zeitform, Bewusstmachung der Regel, offene Aufgabenstellung, die eigenständiges Lernen anregt, mögliche Fehler inkludiert und Anlass für Lernprozesse bietet
Konstruktivismus
Weiterentwicklung des Kognitivismus
gemäßigter Konstruktivismus
Lernen als selbstgesteuerter, autonomer, selbstverantwortlicher Konstruktionsprozess,
Abkehr vom Instruktivismus, konstruktivistische Lerngestaltung, Lernumgebung mit komplexen Unterrichtsinhalten, Authentizität, Metakognition/Lernstrategien
radikaler Konstruktivismus
prinzipielle Unvereinbarkeit von Realität und der durch Menschen erkennbaren Wirklichkeit
Lernen: Konstruktion und Viabilisierung von Hypothesen, Handlungsorientierung, Lernerorientierung, prozessbezogene Bewusstmachung, ganzheitliches Lernen
Fokus auf Individualität, individuelle Vorgänge
gleicher Input <> gleicher Output
Sprache entsteht durch soziale Interaktion
autonomes Lernen
Interaktionalismus
mentale Pozesse gelten als das Ergebnis sozialer Prozesse (Itnteraktion im sozialen Miteinander)
Lernen durch Problemlösen unter Betreuung von Exptern möglich
Kombination der anderen Theorien
4 Hypothesen zum FS-Lernen
Kontrastivhypothese (Behaviorismus: Fries, Lado: 1957, 1964)
Identitätshypothese (Nativismus: basiert auf Chomsky)
Natural Approach (Nativismus: Krashen & Terrell 1983)
Interlanguage-Hypothese (Kognitivismus: Selinker 1972)
Kontrastivhypothese
Vertreter: Fries, Lado 1957 + 1964
Kontrastiv bedeutet die Gegenüberstellung von zwei Sprachen um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ermitteln
Lerntheorien: Konditionierung und Imitation -> lernen als vorrangig Imitativer Prozess
Strukturen der Erstsprache determinieren Aneignung einer zweiten Sprache
Gemeinsamkeiten zwischen L1 und L2 werden als positiver Transfer leicht übernommen -> Inferenzen
Fehler passieren durch negativen Transfer zwischen L1 und L2 -> Interferenzen
Fehler als zu vermeidendes Lernhindernis
-> viel Feedback
-> Imitation wichtig
-> Abweichungen zwischen L1 und L2 müssen im Mittelpunkt des Lehrens stehen
!!! Die Theorie ist heute widerlegt: Kritik, Schülerinnen und Schüler haben kein beziehungsweise sehr wenig metasprachliches Wissen
Identitätshypothese
Nativismus (angeboren)
Chomsky
Keine Unterscheidung zwischen Erstspracherwerb und Erwerb weiterer Sprachen
Implizites, unbewusstes Fremdsprachenlernen
Jede Sprache ist zu jedem Zeitpunkt erlernbar -> Kinder machen bei L1 die gleichen Fehler wie Erwachsene bei L2
Für den Spracherwerb spielt es keine Rolle, ob bereits eine Sprache gelernt wurde oder nicht den allen natürlichen Sprachen folgenden gleichen Universalprinzipien -> Fehler beim FS-Lernen sind nicht auf L1 Transfer zurückzuführen
Die psycholinguistischen Prozesse seien ähnlich, daher kommt der Begriff Identitätshypothese
Aber: im Normalfall resultiert der L2 Erwerb nicht in einer muttersprachlichen Kompetenz
-> keine Grammatik erklären
->Viel Input
->Feedback nicht wichtig
Natural Approach
Teil des Nativismus
Krashen & Terrell
Hypothesenmodell (5 Hypothesen) ANIML
Learning-Acquisition-Hypothese (Grammatikerwerb erfolgt nicht durch explizit Grammatik lernen, sondern intuitiv, unbewusst beim Sprachgebrauch)
Monitor Hypothese (Sätze werden vorher überlegt und zurechtgelegt, abstraktes Grammatik Wissen dient also nur der Überprüfung der Richtigkeit)
Natural-Order Hypothese (Natur gibt für das Lernen günstigste Reihenfolge des Grammatikerwerbs, vor jene Abfolge in der sprachliche Strukturen der Muttersprache erworben werden ist auch beim erlernen einer Fremdsprache die günstigste)
Input-Hypothese (verschiebbarer Input nötig, leicht über dem Niveau der Schüler sprechen)
Affective-Filter-Hypothese (je unsicherer oder ängstliche die Schüler sind, desto weniger lernen sie. Motivationen, Bedürfnisse, Haltungen und Emotionen beeinflussen, das Lernen können es behindern oder fördern. Sie wirken als affektiver Filter)
Kognitivistische Lerntheorien
L2-Erwerb als kreativer Informationsverarbeitungsprozess
Lernende erschließen sich ihre L2 über den Einsatz von bewussten und unbewussten Strategien
Lerner erarbeitet Regeln selbst durch Neuorganisation von Wissen
Lerntheorien des Interaktionismus
viel Kommunikation im Unterricht
Sprache an nIveua des Lerners anpassen
Output-Hypothese von Merrill Swain:
Produktive Sprachkompetenz nicht automatisch durch Input
Freie Sprachproduktion wichtig
Interlanguage-Hypothese
Annahmen: der Lerner bildet ein spezifisches Sprachsystem heraus, dass sowohl Elemente der Erstsprache und anderer bereits erlernter Fremdsprachen als auch der neuen Sprache enthält -> Interimsprache
Fehler werden als normale Begleiterscheinungen des Sprachenlernprozesses gesehen -> positive Rolle des Fehlers; führt zu Revision und Reorganisation
interlinguale Interferenzen: Beeinflussung der Zweitsprache durch die Erstsprache (Satzstellung z.B.)
intralinguale Interferenz: Beeinflussung der Zweitsprache durch die Zweitsprache (falscher Plural z.B.)
Gefahr: backsliding (Sprachniveau rutscht zurück) und Fossilisierung (Sprachniveau verbessert sich nicht)
Variablen beim Sprachlernprozess
Alter (Angst vor Fehlern, Merken von neuen Vokabeln; Weltwissen, Lernstrategien)
Geschlecht: Stereotype Bilder Frauen gut in Sprachen: falsch, von der Lehrkraft differenziert zu betrachten und alle SuS ansprechen
Persönlichkeit (self-confidence, risk-taking, extrovertierte Kontaktfreude)
Intelligenz
Sprachbegabung/Sprachlerneignung
Biographischer Hintergrund
Motivation (intrinsisch vs extrinsisch)
Vorkenntnisse in anderen Sprachen (Transfer und Kontrast)
Lernerfahrungen, Strategien
Arten von Motivation
integrativ: Interesse an der anderen Kultur
instrumental: Nutzen durch Sprache
extrinsisch: Belohnugen / gute Noten
intrinsisch: Freude und Stolz wegen Kommunikationsfähigkeit
10 Gebote beim Sprachenlernen für die Lehrkraft
Sei als Lehrkraft gutes Vorbild (Zeige Interesse am Thema, keine monotone Stimmlage, motivierende Einstiege)
Schaffe eine angenehme Arbeitsatmosphäre (Classroom Management, positive Fehler- und Feedbackkultur)
Präsentiere die Aufgaben angemessen (klare und verständliche Instruktionen)
Entwickle eine gute Beziehung zu deinen Lernenden
Erhöhe das sprachliche Selbstbewusstsein deiner Lernenden (Content over Form, Erfolgserlebnisse, individuelle und kriteriale Bezugsnorm)
Mache deinen Sprachunterricht interessant (Alltags- oder Interessenbezug des Unterrichts, abwechselnde Unterrichtsformen)
Fördere die Autonomie deiner Lernenden
Personalisiere den Lernprozess („Scaffolding“, Enrichment, große Aufgabenauswahl für alle Lernvoraussetzungen und „learn types“)
Erhöhe die Zielorientierung der Lernenden (S(pezifisch)M(essbar)A(nspruchsvoll)R(ealisitisch)T(erminiert)-Ziele, Transparenz über Lernziele)
Mache die Lernenden mit der Zielkultur vertraut (Vorstellen der verschiedenen Kulturen, wenn möglich so authentisch wie es geht)
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