Mischen & Homogenisieren im Gesamtkontext der Extrusion
Strömungsarten in der Kunststoffverarbeitung
• Unterteilung von Strömungsverhalten grundsätzlich in laminar und turbulent
• Aufgrund hoher Viskositäten ist die Reynoldszahl in der Kunststoffverarbeitung sehr klein (10−3)
→ daher gehören Kunststoffschmelzen zu den laminaren Strömungen
Mischmechanismen - Physikalische Sichtweise -Grundlegende physikalische Mischmechanismen
Vorgänge in Mischelementen vergleich Distributives und dispersives Mischen
Distributives Mischen
Verteilen der einzumischenden Komponenten (Feststoffpartikel, Schmelzetröpfchen) in der Schmelze
Ziel: Möglichst bzw. ausreichend gleichmäßige Verteilung
Dispersives Mischen
Zerteilen der einzumischenden Komponenten (Feststoffagglomerate, Schmelzeinseln) in kleinere Bestandteile (Aggregate/ Partikel, Tröpfchen)
Ziel: Möglichst kleine bzw. ausreichend kleine Teilchen
Vorgänge in Mischelementen: Dispersives Mischen - Definition und Aufgabe
Definition
Vorgang, der die Agglomeratgröße des Nebenbestandteils auf die kleinstmögliche Partikelgröße reduziert
Aufgabe
• Zerteilen / verkleinern von Feststoffagglomeraten oder Schmelzetropfen
• Mischen untereinander nicht verträglicher Stoffe
• Einmischen von Feststoff-Additiven (geschieht häufig in Form von feinen Pulvern)
→ Problematik: bei Partikelgröße <100 μm besteht erhöhte Neigung zur Agglomeratbildung
Vorgänge in Mischelementen: Dispersives Mischen - Wirkprinzip
• Aufbrechen von Agglomeraten mittels hoher Scher- und Dehnkräfte
→ Zerfall in kleinere Partikel
• Hydrodynamische Kräfte, die auf ein Agglomerat wirken, müssen die Adhäsionskräfte übersteigen
• Dispersionsgrad abhängig von Höhe der Spannungen, Einwirkzeit und Bindungsneigung der Partikel
• Mischgrad bei Dehnströmung höher als bei Scherströmung
a) Scherströmung mit Rotation
b) reine Dehnströmung
Vorgänge in Mischelementen: Distributives Mischen - Definition und Aufgabe
Vorgang, der die Zufälligkeit der räumlichen Verteilung des Nebenbestandteils innerhalb der Polymermatrix erhöht, ohne dass sich die Partikelgröße des Nebenbestandteils ändert
• Herstellung stofflicher und thermischer Homogenität
• Mischen unterschiedlicher Polymere mit ähnlicher Viskosität
Vorgänge in Mischelementen: Distributives Mischen - Wirkprinzip
• wiederholtes Teilen, Neuorientieren und Zusammenführen des Schmelzestroms
• Störung des Geschwindigkeitsprofils im Fließfeld verursacht Durchmischung
• Verteilung des Nebenbestandteils in der Polymermatrix
• geringere Scher- und Dehnkräfte als bei dispersivem Mischen
a) Strecken und Falten
b) Strecken, Aufteilen und Zusammenführen
Vorgänge in Mischelementen: Distributives Mischen - Vergleich Quermischen und Längsmischen
Quermischen
Längsmischen
Ausgleich von Unterschieden im Strömungsquerschnitt
Ausgleich von Unterschieden in der Längsrichtung bzw. von zeitlichen Schwankungen
effektive Quermischung durch wiederholte Dehnungs- und Faltungsvorgänge
Längsmischwirkung und Verweilzeitverteilung korrelieren
Längsmischwirkung eines Einschneckenextruders prinzipiell gering
→ gleichmäßige Vormischung / Dosierung notwendig
Quer
Längs
Vorgänge in Mischelementen: Distributives Mischen verscheidenen Mischungen
Vorgänge in Mischelementen: Wärmeaustausch mit dem Zylinder Problematik
Problematik:
• Wärmeaustausch zwischen Schmelze und Zylinder nur durch Wärmeleitung wegen laminarer Strömung
• Geringe Wärmeleitfähigkeit der Kunststoffschmelze bremst hierbei zusätzlich (typ. 0,1 − 0,3 𝑊Τ𝑚 ∙ 𝐾)
Vorgänge in Mischelementen: Wärmeaustausch mit dem Zylinder Problematik -Gegenmaßnahmen
• Abstreifen der Schmelzerandschicht von der Zylinderwand durch Mischelemente oder Schneckenstege
• Einmischen der Randschicht in die Schmelze
→ Abkühlen oder Aufheizen der Schmelze im Ganzen (Homogenisierung)
• distributives Mischen (dispersives Mischen erhöht Wärmeeintrag durch starke Scherung)
Vorgänge in Mischelementen: Wärmeaustausch mit dem Zylinder
Dissipation begrenzt häufig die Durchsatzleistung
→ bei schlechter thermischer Mischleistung Wärmestau an Zylinderwand
Gute thermische Mischleistung erhöht thermische Homogenität in der Schmelze
→ kein Wärmestau
→ höherer Durchsatz möglich
Mischteilausführungen
Mischteilausführungen: Lücken und Schneckenspitze
• Lücken in der Schneckengeometrie und Scheckenspitze bilden Ringkanäle
→ Schmelze wird spiralförmig ausgestrichen und überlagert (Couette-Strömung)
• Geringe Mischwirkung bei schmalen Lücken und kurzen Spitzen
• Zylinderoberfläche wird nicht abgestreift
→ Nachteil bei Farb- & Materialwechsel
Mischteilausführungen: Schneckengang in Metering-Zone
• Spiralförmige Schmelzeströmung
• Verbesserung der distributiven Mischwirkung durch geschlitzte Flanken und / oder Einbauten (z.B. Stifte)
• Einfach und kostengünstig
• begrenzte Mischwirkung
→ Mischwirkung abhängig von Drehzahl und Druckprofil
Dispersiv wirkende Mischelemente: Anforderungen
1. Einsetzen eines Hochbeanspruchungsbereiches (engl. high stress region (HSR))
→ Material wird hohen (vorzugsweise (Dehnungs-) Spannungen ausgesetzt
→ hydrodynamische Kräfte, die außen auf ein Agglomerat wirken, müssen die Adhäsions- bzw. Kohäsionskräfte, die es zusammenhalten, übersteigen
→ Aufbrechen von Agglomeraten und Tröpfchen
2. Spannungsinduktion möglichst kurzweilig
→ Vermeidung übermäßigen Energieverbrauchs und Temperaturanstiegs → Materialschädigung
3. Homogene Schmelzebeanspruchung
Alle Fluidelemente sollten die gleiche Beanspruchung erfahren
→ Erzielen einer homogenen und effizienten Mischung
Dispersiv wirkende Mischelemente -Scherring (Blisterring / Stauring)
• Ringförmiges, simples Mischelement
• Verengung des Fließkanals zu engem radialem Spalt
→ relativ hoher Druckverlust, Anstieg der Schmelzetemperatur
• Druckströmung überlagert Schleppströmung, dadruch keine gleichmäßige Scherung
• keine Schmelzeumlagerung, kaum distributive Mischwirkung
• Verwendung heute selten, Einsatz häufig nur als Stauring vor Entgasungszonen
Dispersiv wirkende Mischelemente - Maddock-Scherteil
• 2 bis n axiale Gangpaare
• abwechselnd geöffnete Nuten in Einlass- und Auslassrichtung
• gute dispersive Mischung durch intensive Schmelzescherung im Scherspalt
• Schmelzewirbel in Kanälen mischen zusätzlich distributiv, erhöhen aber auch Temperatur
• keine Förderwirkung, Druckverlust
• Sperrstege streifen Zylinder vollständig ab
→ geringe Spülzeit, guter
• Wärmeaustausch mit Zylinder
Dispersiv wirkende Mischelemente -Wendelscherelement
• 2 bis n wendelförmige Gangpaare
• Förderwirkung besser als Maddock-Scherteil, in den meisten Fällen Druckverlust
→ geringe Spülzeit, guter Wärmeaustausch mit Zylinder
Dispersiv wirkende Mischelemente - Weitere Mischelemente mit intensiver dispersiver Mischwirkung
Distributiv wirkende Mischelemente: Anforderungen
1. Dehn- und Scherbeanspruchung sind hilfreich, aber nicht so dominant wie beim dispersiven
Mischen
2. Wiederholte Aufteilung der Schmelze und Reorientierung der Fluidelemente
Distributiv wirkende Mischelemente - Stifte-Mischer
• Anordnung der Stifte nach der Schnecke oder bereits in Metering-Zone
• Störung des Geschwindigkeitsprofils
→ hohe distributive Verteilwirkung
• sehr geringe Erhöhung des Druckverbrauchs
• einzelne Feststofffragmente können jedoch nicht aufgefangen und aufgeschmolzen werden
• weit verbreitet wegen Effektivität, geringer Kosten, einfacher Nachrüstbarkeit
Distributiv wirkende Mischelemente - Dulmage-Mischteil
• über den Umfang eingebrachte Aussparungen in den Flanken
• Aufteilung der Schmelze in enge Kanäle,wiederholte Zusammenführung und Teilung
• Förderwirkung durch wendelförmige Gängeund Stege
• Nachteil: Zylinderwand wird nicht komplett abgestreift
Distributiv wirkende Mischelemente - Saxton-Mischteil
• spiralförmig eingebrachte Aussparungen in den Flanken
• geringe Stagnationswahrscheinlichkeit von Material
• verbesserter Wärmeübergang zwischen Schmelze und Zylinder
Distributiv wirkende Mischelemente - Pineapple-Mischer (Rautenmischteil)
• Abgewandelte Form des Saxton- Mischers
→ Diamantform durch weitere Aussparungen
• Besonders geeignet zur Eliminierung von Streifen bei Farbzugabe
• Mischwirkung durch wiederholtes Aufteilen und Zusammenführen der Schmelze
• kaum Austausch zwischen Strömung am Kanalgrund und am Zylinder, dadurch Temperaturausgleich schwach
Distributiv wirkende Mischelemente - Pulsar Mixing Section
• Mischelemente mit variabler Gangtiefe
• spiralförmig eingefräste Nuten
• Nutwinkel > Flankenwinkel
• gesteigerte relative Scherung
Insgesamt wenig Aufteilung und Reorientierung der Schmelze → Limitierte Mischleistung
Distributiv wirkende Mischelemente -
• Nutwinkel = Flankenwinkel
• nicht-durchgängige Nuten
→ Material wird von einer Nut zur nächsten verdrängt
Distributiv wirkende Mischelemente - Cavity Transfer Mixer (CTM)
• Überlappende Kavitäten (Kalotten) in Schnecke und Zylinder
• intensive Scherung und Reorientierung der Schmelze
→ effektiver Mischvorgang
• Zylinderwand wird nicht vollständig abgestreift
→ lange Spülzeit
Distributiv wirkende Mischelemente - Twente Mixing Ring (TMR)
• Frei rotierendes Mischelement
• Verlagerung der Zylinderkavitäten in rotierende Hülse
• verbesserte Spülbarkeit, erhöhte Mischleistung
• erhöhter Wartungsaufwand, erhöhte Fertigungskosten und Verschleißneigung
Distributiv wirkende Mischelemente - Mischteilausführungen
Statikmischer
• zusätzliche Mischung nach dem Extruder
• auch Lochscheiben und Siebe haben eine begrenzte statische Mischwirkung
• hauptsächlich distributiv wirkend, mehrere Stufen notwendig
• gute thermische Homogenisierung über Fließkanalquerschnitt
• niedrige Schergeschwindigkeiten
• zusätzlicher Druckverlust
• zusätzliche Verweilzeit
Mischwirkung eines 4-stufigen Statikmischers
Kombination von Mischelementen
Verbesserung der Mischwirkung durch
a) mehrstufige Ausführung gleicher Mischelemente (exponentielle Zunahme der Mischwirkung)
b) aufgabenspezifische Kombination verschiedener Mischelemente (in der richtigen Reihenfolge
Beispiel:
1. Dispersives Mischen (Zerteilen) (2-stufiges Wendelscherteil)
2. Distributives Mischen (Verteilen) (Rautenmischteil
Richtlinien für die Auslegung von Mischelementen
1. Minimaler Druckverlust
Druckverlust kleinstmöglich anstreben, Mischelement mit Förderwirkung ist zu bevorzugen
2. Vermeidung von Totzonen
Gestaltung des Fließweges, sodass Totzonen vermieden werden
→ stagnierendes Material kann degradieren
→ Beeinträchtigung der Produktqualität
3. Vollständiges Abstreifen der Zylinderwand, Vermeiden von Zylindernuten
Mischelemente sorgen nicht nur für stoffliche Durchmischung, sondern auch für thermische Homogenität
→ Zylinderwand sollte vollständig über den gesamten Umfang und Mischlänge durch das Mischelement abgestreift werden
→ Vermeidung von Nuten im Zylinder
4. Bedienerfreundlichkeit
Mischelemente sollten einfach in der Handhabung sein in Bezug auf:
• Montage → kurze Rüstzeiten
• Betrieb → Vergrößerung des Betriebsfensters des Extruders
• Demontage & Reinigung → kurze Rüstzeiten
5. Simple Fertigung & Wirtschaftlichkeit
• Das Mischteil sollte nicht zu aufwendig in der Fertigung und auch nicht kostenintensiv sein
→ Kostenreduktion des Mischteils
• Die Kosten eines Mischteils korrelieren nicht zwangsläufig mit der Mischleistung
Gestaltungsregeln
• mehrstufige Ausführung vorteilhaft (exponentieller Mischeffekt)
• Kombination verschiedener Mischelemente in der richtigen „Reihenfolge“ (erst dispersiv, dann distributiv)
• möglichst vollständiges Abstreifen der Zylinderwand (Sperrstege, kurze Lücken zwischen Mischelementen)
→ Verbesserung im Farb- und Materialwechsel
→ geringerer (Wärme-)Leistungseintrag im Restschmelzefilm zwischen Steg und Zylinder
• Tiefe Kanäle
→ geringere Dissipation, geringerer Temperaturanstieg
→ geringerer Druckverlust
• Gut gerundete Fußradien an Stegen, Flanken und Rauten
• Vermeidung von Ablagerungen → Verbesserung Farb- und Materialwechsel
• Höhere mechanische Stabilität
Methoden zur Mischgütebewertung: Experimentell
Methoden zur Mischgütebewertung: Virtuell
Mischergebnisse - Extrudatproben
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