Soziale Ungelichheit
= Unterschiede/Ähnlichkeiten in Eigenschaften (aller Art) zwischen sozialen Kategorien von Akteuren
Abbildung:
Klassifikationsmerkmale („nominal parameters“), z.B. Alter, Geschlecht: Heterogenität
—> horizontale Ungleichheit
Ungleichheitsmerkmale („graduated parameters“), z.B. Bildung, Einkommen (Rangordnungen, Hierarchie)
—> vertikale Ungleichheit
Vertikale soziale Ungleichheit
„Soziale Ungleichheit liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den ‚wertvollen Gütern‘ (Einkommen, Ansehen) einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten.“ (Hradil, 2006)
Die Verteilung von Ressourcen (Opportunitäten & Restriktionen) erfolgt nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern entlang klar bestimmbarer sozialer Dimensionen Rössel, 2009
Beispiele:
Geschlechterungleichheit in Arbeitseinkommen (z.B. gender pay gap)
Ungleiche Bildungschancen je nach sozio- ökonomischer Herkunft
Systemischer Rassismus
Bsp: Systemischer Rassismus
Systemic racism refers to societies where social, political, economic, cultural, and even psychological rewards are partially allocated by „race.“(Eduardo Bonilla-Silva)
“The Bullingdon Club
Konzepte sozialer Ungleichheit
Grundkonzepte:
Soziale Klassen
Stände
Kasten
soziale Schichten
Klassenanalyse:
Annahme: Relevanz für Handeln, Chancen und Struktur und Wandeln von Gesellschaften
z.B. Konflikte und Spaltungen, Integration, innere Dynamik
Ungleichheit und Gesellschaft
Soziale Ungleichheitsstruktur von Agrar-, Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften
1. Ständegesellschaft
2. Klassengesellschaft
3. Schichtungsgesellschaft
4. Soziale Lage, Lebensstil, Milieu
• Je nachdem, was für einen Ungleichheitstypus es in einer Gesellschaft gibt, hat die Gesellschaft einen bestimmten Typus.
Abbildung (Tabelle)
Ständegesellschaft
(Vorindustrielle Gesellschaften 1 Punkt)
• Soziale Gruppierungen mit spezifischen Rechten (Privilegien) und Pflichten
• Ihr ungleicher Status ist rechtlich abgesichert
• Entscheidend für die Standeszugehörigkeit und damit für die Lebenschancen ist die soziale Herkunft (von Geburt an)
„Als ‚Stände‘ bezeichnet man Gruppierungen innerhalb einer Struktur sozialer Ungleichheit, denen Menschen in der Regel durch ‚Geburt‘ angehören, deren ungleiche Existenzbedingungen und Lebensweisen weitgehend geregelt und in ihren Abgrenzungen von anderen Ständen genau festgelegt sind.“
Symbolische Darstellung der Stände um 1795 als Beispiel für die Sozialstruktur von Ständegesellschaften
Abbildung
Übergang zur Klassengesellschaft
Industrielle Revolution (vor allem: 19. Jh.)
Einsatz von Maschinen (z.B. Dampfmaschine, Eisenbahn)
Verzahnung von Forschung und Produktion
Groß- und Massenproduktion (Fabrik)
führt zu bzw. begünstigt:
großbetriebliche Produktionsweise mit
entsprechender Arbeitsorganisation
hoher Arbeitsteilung (z.B. Fließband) und
Bürokratisierung
Übhergang zur Klassengesellschaft
Der Prozess der Industrialisierung stand in enger Wechselwirkung zu elementaren gesellschaftlichen Veränderungen:
Aufhebung der feudalen Abhängigkeiten
(„Bauernbefreiung“)
Berufs- und Niederlassungsfreiheit / erhöhte Mobilität
Trennung von Arbeits- und Wohnort
Bevölkerungswachstum
Nationalstaatsbildung
u.a
—> Sozioökonomische Modernisierung
Klassengesellschaft
(Frühe Industriegesellschaften, 2 Punkt)
„Klassen“ sind Gruppierungen innerhalb der Struktur sozialer Ungleichheit, „die auf Grund ihrer Stellung innerhalb des Wirtschaftsprozesses anderen Gruppierungen über- oder unterlegen sind (z.B. wegen ihres Besitzes oder Nichtbesitzes an Produktionsmitteln oder wegen ihrer Machtposition auf dem Arbeitsmarkt), woraus ihnen bessere oder schlechtere Lebensbedingungen erwachsen.“
(Hradil 2006: 199)
Klassenkonzept von Karl Marx
„Es sind drei große gesellschaftliche Gruppen, deren Komponenten [Individuen] [...] von Arbeitslohn, Profit und Grundrente, von der Verwertung ihrer Arbeitskraft, ihres Kapitals und ihres Grundeigentums leben.“
• Letztlich aber (immer) nur zwei „Klassen“: Eigentum an Produktionsmitteln oder nicht
Sklaven & Sklavenhalter
Knechte und Feudalherren
Proletarier & Kapitalisten
• Objektive Lebensbedingungen bestimmen subjektive Wahrnehmungen („Das Sein bestimmt das Bewusstsein“) à folgt aus den ökonomischen Verhältnissen
Klassenanalyse nach Karl Marx
Grundlogik: Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen
Abbildung (MAkro, Mikro, Makro):
Klassenkonzept von Marx
Grundlogik: Die Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen
• Klasse an sich —> Objektiv gleiche Lebensbedingungen /gleiche Situation
• Klasse an und für sich —> Menschen mit gleichen Lebensbedingungen bilden das Bewusstsein heraus,
dass sie eine Klasse sind
• Objektive Lebensbedingungen bestimmen subjektive Wahrnehmungen („Das Sein bestimmt das Bewusstsein“)
Grundlogik: Die Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen
Von Marx zu Weber
Abschwächung des Marx’schen Klassenbegriffs und der Vorstellung von „Gesellschaftsgesetzen“
• Es gibt auch andere Optionen und Interessen (Nation, Geschlecht, Ökologie, Aufstieg -> Bsp. Wächter)
• Vor allem: das Kollektivgutproblem
Je größer eine Gruppe, desto schwieriger ist es ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Trittbrettfahrerproblem (andere können Revolution machen, ich profitiere trotzdem)
Unübersichtlichkeit: in großen Gruppen ist es schwieriger zu sanktionieren
Marginalität des einzelnen Beitrags
—> Daher Verwendung des Begriffs der Klassenlage
Klassenkonzept nach Max Weber
Klassenlage
die typische Chance von Akteure
1. Güterversorgung
2. Äußeren Lebensstellung,
3. Inneren Lebensschicksals ... .“
... aus Maß und Art der Verfügungsgewalt (oder des Fehlens solcher) über Güter oder Leistungsqualifika- tionen und aus der gegebenen Art ihrer Verwertbarkeit für die Erzielung von Einkommen oder Einkünften innerhalb einer gegebenen Wirtschaftsordnung ...“
= SPF (soziale Produkltionsfunktion)
Es ergeben sich somit zwei Klassen:
• Besitzklasse: Besitzunterschiede primär für Klassenlage
• Erwerbsklasse: Chancen der Marktverwertung von Gütern /Leistungen primär für Klassenlage
• Da es aber in diesen Klassen Variationen hinsichtlich der Religionszugehörigkeit, Prioritäten, Verhältnisse, ... gibt, wird sich nicht zwingend ein Klassenbewusstsein entwickeln.
Klassenkonzepte Im Vergleich
Gemeinsamkeit/Unterschied zu Marx
Gemeinsamkeit: Eine Klasse wird durch äußere Ökonomische Faktoren und deren Interessen an der Existenz des Marktes begründet
Karl Marx:
- dichotome Spaltungen
- zwingende gesellschaftliche Folgen
- Klasse als ausschließlich relevante Kategorie
- Wechsel kaum möglich
Konzept: Determination und Gesellschaftsgesetz
Max Weber:
- verschiedene Arten von Klassenlagen
- keine zwingenden Folgen
- Klasse als nicht ausschließlich relevante Kategorie - Wechsel möglich
Konzept: nur „Chance“, kein Gesellschaftsgesetz
Schichtungsgesellschaft
3 Punkt = Fortgeschrittene Industriegesellschaften
„Gruppierungen von Menschen mit ähnlich vorteilhafter oder unvorteilhafter beruflicher Stellung (hinsichtlich Qualifikation, Macht, Einkommen oder Prestige) werden als ‚Schichten‘ bezeichnet.“
- Hradil, 2006
• Differenzierung & Hierarchisierung von Personen (-gruppen) nach mehreren sozialen Merkmalen (Beruf, Einkommen, Bildung)
• Möglichkeit, durch eigene Leistung (z.B. Aufstieg durch Bildung) den sozialen Rang mitzubestimmen (vs. Klassenantagonismus)
• Schichtungsmodelle: Weiterhin Annahme einer vertikalen Anordnung
Mehrdemensionalität sozialer Ungleichheit
Postindustrielle Gesellschaften
Kritik an Klassen- und Schichtmodellen:
Konzentration auf traditionelle vertikale Dimensionen sozialer Ungleichheit
Unzureichende Erfassung der Vielfalt der Mentalitäten, Lebensstile etc. innerhalb der Schichten
—> Modelle sozialer Lagen & sozialer Milieus seit den 1980er Jahren
„Unter Lebensstil wird ein relativ stabiles, regelmäßig wiederkehrendes Muster der alltäglichen Lebensführung verstanden – ein ‚Ensemble‘ von Wertorientierungen, Einstellungen, Deutungen, Geschmackspräferenzen, Handlungen und Interaktionen, die aufeinander bezogen sind“.
Zwei moderne Klassiker
Lebensstile und soziale Ungleichheit in modernen Gesellschaften
Ulrich Becks Entkopplungs- und Individualisierungsthese
Pierre Bourdieus Klassen- und Feldtheorie
Die Individualisierungsthese von Ulrich Beck
Wohlstandssteigerung in westlichen Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg:
Wachsender Möglichkeitsspielraum des Individuums
Abnahme der Prägekraft gesellschaftlicher Verhältnisse: Soziale Klasse nicht mehr determinierend für Lebensführung des Einzelnen
„Fahrstuhleffekt“: Relative Ungleichheiten bleiben, aber mehr Gestaltungsfreiheit
—> alle befinden sich auf höherem sozialen Niveau —> jeder hat mehr Freiheiten
Folgen:
Prozesse der Diversifizierung und Individualisierung von Lebenslagen unterlaufen hierarchische Klassenmodelle der Soziologie
Klasse spielt subjektiv/subkulturell eine geringere Rolle: Erosion traditioneller Sozialmilieus
Achtung: Inszenierung des eigenen Lebensstils
»Individualisierung« meint [...] nicht Atomisierung, Vereinzelung, nicht Beziehungslosigkeit des freischwebenden Individuums, auch nicht Individuation, Emanzipation, Autonomie [...]
Vielmehr: Auflösung und Ablösung industriegesell- schaftlicher Lebensformen (Klasse, Schicht, Geschlechterrolle, Familie) durch solche, in denen die Individuen ihre Biographie selbst herstellen, inszenieren, zusammenschustern müssen.
Individualisierung als Zumutung: Der Einzelne als „Planungsbüro“ des eigenen Lebens = großes Hinterfragen
Wachsende Ansprüche der Rationalisierung und Optimierung der Lebensführung, Zeit, Selbstverwirklichung etc.
Die Klassentheorie von Pierre Bourdieu
Differenziertere Klassentheorie als Antwort auf vielfältigere Lebensstile und Sozialstruktur
Klassenlage definiert durch Kontrolle über Ressourcen:
Ökonomisches Kapital:Einkommen,Grundbesitz,u.ä.
Kulturelles Kapital: Bildung, Wissen und Umgang mit legitimer Kultur, Kulturgüter, u.ä. (Bedeutung der Herkunftsfamilie)
• Soziales Kapital: Beziehungsnetze, „Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit einer Gruppe beruhen“
• Symbolisches Kapital: z.B. in Form von Bildungsabschlüssen, Kleidung, Stil, Verhalten, ...
Bourdieus Sozialer Raum
Vertikal: Kapitalvolumen // Horizontal: Verhältnis von ökonomischem zu kulturellem Kapital
Position prägt nicht nur Lebenschancen, sondern auch Lebensstil (Bildungs vs. Besitzbürgertum)
Abbildungen
„Habitus“ (= weitgehend unbewusste Wahrnehmungs- und Handlungsschemata) als Verbindungsglied zwischen Stellung im sozialen Raum und dafür typischem Lebensstil
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