Das Prinzip der Modularität
Kognition wird in Module mit funktionaler Spezialisierung unterteilt.
• Modul: funktionelle Einheit definiert durch Input, Output, und die Transformation dazwischen.
• funktionale Spezialisierung: Module sind auf die Verarbeitung bestimmter Inhalte (z.B. Reizeigenschaften) spezialisiert
Module sind funktional und nicht phyiologisch definiert, haben aber natürlich eine neuronale Spezifikation (Implementation)
Modularität visueller Wahrnehmung
Visuelle Wahrnehmung ist ein Modul, das wiederum in kleinere Module unterteilt ist.
Modulindividuation: Verarbeitung von Reizeigenschaften, die prinzipiell unabhängig sein können
—> Zusammenarbeit der Module visueller Wahrnehmung ermöglichen ein integriertes Perzept der Außenwelt
Motivation: Unabhängigkeit von Eigenschaften
Einige Eigenschaften visueller Reize lassen sich (prinzipiell) beliebig miteinander kombinieren und gleichzeitig unterscheiden
—> Annahme: Diese Eigenschaften werden unabhängig verarbeitet
Wozu Farbwahrnehmung?
-Farbe erleichtert Segmentierung im visuellen Feld.
-Farbe erleichtert Erkennen von Objekten.
Merkmale farbiger Reize
Farbton: bis zu 200 verschiedene Farben
Sättigung: bis zu 20 Sättigungsstufen
Helligkeit: bis zu 500 Helligkeitsabstufungen
ca. 2 Mio. Farben
Farbwahrnehmung
Farbwahrnehmung hängt mit der Wellenlänge des Lichtsignals zusammen, die das Auge erreicht.
natürliches (weißes) Licht entsteht durch die Überlagerung vieler Wellen mit unterschiedlichen Wellenlängen.
Reflektanz & Beleuchtungsquelle
Die Farbe von Objekten wird durch zwei Faktoren bestimmt:
Spektrale Zusammensetzung der Beleuchtungsquelle: mit Licht welcher Wellenlänge wird ein Objekt beschienen
Reflektanz des Objekts: welcher Anteil des einfallendes Lichts (d.h. welche Wellenlängen) werden reflektiert
Farbmischung: subtraktiv
• Beschreibt Änderung der Farbe beim Durchgang von Licht (meist weiß) durch Farbstoff oder Pigmentschichten
• Pigmente funktionieren als Filter, die einige spektrale Anteile absorbieren
• Resultierende Farbe = Eingangslicht minus absorbierte Anteile
Farbmischung: additiv
Resultierende Farbe = Addition (Mischen) von Lichtquellen unterschiedlicher Wellenlänge
Farbtheorien: Motivation
Dreifarbentheorie
Thomas Young (1802): Farbwahrnehmung beruht auf drei Farben
Hermann von Helmholtz (1860): behaviorale Farbmischexperimente:
Aufgabe: Manipuliere mehrere Lichtquellen um ein Vergleichslicht herzustellen
Befund: mindestens drei Lichtquellen unterschiedlicher Wellenlängen notwendig
Schlussfolgerungen:
—>Farbensehen basiert auf drei Rezeptortypen mit unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeit
—> Licht einer Wellenlänge stimuliert die drei Rezeptorsysteme in unterschiedlichem Ausmaß
—> unterschiedliche Wellenlängen werden durch Aktivitätsmuster in den drei Rezeptorsystemen kodiert
Univarianzprinzip
Univarianzprinzip: Eine unendliche Anzahl an WellenlängenIntensitätskombination kann exakt dieselbe Antwort in einem Photorezeptor erzeugen
—>Ein Photorezeptortyp allein kann Farbe nicht kodieren
Leistungen der Dreifarbentheorie
Kann Farbfehlsichtigkeiten erklären, die auf Fehlen von ein oder zwei Rezeptorsystemen basieren
Dichromat (zwei Rezeptorarten): braucht zwei Lichtquellen, um Farbübereinstimmung mit allen anderen Wellenlängen herzustellen
Monochromat: (nur eine Rezeptorenart): keine Farbunterscheidung möglich
Neurophysiologische Grundlagen
Rezeptormechanismen: Drei Zapfentypen mit unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeit
—> Vorhersagen der kognitiven Psychologie durch Helmholtz erst 70 Jahre später physiologisch bestätigt
Grenzen der Dreifarbentheorie
1) Muster der Farbblindheit: Warum die Kombination Rot & Grün, und Blau & Gelb?
1) Warum gibt es Farbkombinationen wie bläuliches Grün, aber nicht rötliches Grün?
1) Natur farbiger Nachbilder (nächste Folie)
Gegenfarbentheorie
Ewald Hering (1834-1918)
Phänomenologischen Beobachtungen ergeben die Idee von drei antagonistisch wirkenden Farbenpaaren
Integration: Dual process theory
Hurvich & Jameson (1957): psychophysikalische Experimente zur Bestimmung der spektralen Empfindlichkeit der Gegenfarbensysteme
Aufgabe: Bestimme für vorgegebenes Licht (z.B. rot), wie viel grünes Licht addiert werden muss, damit der Farbeindruck schwindet
Postulieren zwei Stufen der Verarbeitung:
Erste Stufe: drei Rezeptortypen (Dreifarbentheorie)
Zweite Stufe: antagonistischen Zellen auf Basis der Rezeptorzellen (Gegenfarbentheorie)
Neurophysiologische Implementierung - R-G Kanal
mittelwellige Zapfen (grün) senden erregende und langwellige Zapfen (rot) hemmende Signale (oder umgekehrt)
Neurophysiologische Implementierung - B-G Kanal
kurzwellige Zapfen (blau) senden erregendes Signal, Signale aus mittelund langwelligen Zapfen werden gebündelt, senden hemmendes Signal (oder umgekehrt)
Neurophysiologische Implementierung - Achromatischer Kanal
erhält erregende Signale von allen Zapfen → keine differenzierte Verarbeitung der Informationen aus den drei Zapfenarten
Farbe ist ein Konstrukt & kontextabhängig
Farbige Objekte sind mehr als die Summe der sensorischen Farbsignale farbiger Flächen in Isolation
Beispiel Assimilationseffekt: Der Kreis hat in jeder Abbildung dasselbe sensorische Farbsignal. Wahrnehmungsunterschiede hängen davon ab, ob die gelben oder die blauen Linien den Vordergrund bilden.
Farbkonstanz
Fähigkeit, Farben von Objekten trotz Änderungen der Lichtverhältnisse als unveränderlich (konstant) wahrzunehmen
• Sensorisches Farbsignal (Zapfenerregung) ist für die Trauben links und die Orange rechts identisch.
• Trotzdem nehmen wir die Trauben in beiden Fällen als grün, und die Orangen als orange wahr.
Helligkeitskonstanz: Beispiel und Mechanismus
Fähigkeit, Helligkeit von Objekten trotz Änderungen der Lichtverhältnisse als unveränderlich (konstant) wahrzunehmen
Möglicher Mechanismus: Prinzip des konstanten Verhältnisses Trotz Illuminationsunterschieden bleibt das Verhältnis des reflektierten Lichts der Farben (hier: 10:1) konstant
Farbadaptation erwirkt Farbkonstanz
Uchikawa et al. (1989): Farbeindrücke in Abhängigkeit von Adaptation für Beleuchtungsverhältnisse
Relevanz: direkt
Sowohl wir als auch die Objekte in der Welt bewegen sich.
—> Für adaptives Verhalten müssen wir wissen, was/wer sich wohin und wie schnell bewegt.
—> Ausfall der Wahrnehmung von Bewegung (Akinematopsie) hat gravierende Folgen
Beispiel: Patientin LM (Zihl, Crammon & Mai, 1983)
• Welt erscheint wie gefroren
• Probleme, Flüssigkeiten einzugießen (Gefäße laufen über)
• Menschen tauchen plötzlich woanders auf, als sie gerade waren
• Verunsicherung beim Überqueren der Straße
Relevanz: indirekt
Bewegung hilft…
• bei der Abschätzung von Räumlichkeit
• bei der Objekterkennung
• durch Trennung von Figur und Hintergrund
• 3D Struktur aus 2D Informationen
Bewegungswahrnehmung
Bewegungsnacheffekt: Wahrnehmung einer Bewegung in Gegenrichtung nach Adaptation
—>Nachweis spezieller Mechanismen für Bewegungswahrnehmung
Scheinbewegungen
Nacheinander aufleuchtende Lichter erzeugen die Wahrnehmung einer kontinuierlichen Bewegung
Beispiel: Kino, Monitore, …
Mechanismen: Reichardt-Detektoren
• Implementieren zeitlich verzögerte Reizweiterleitung
• Erklären warum nur die zeitliche verzögerte aber nicht die gleichzeitige Darbietung zweier Reize die Wahrnehmung einer Scheinbewegung auslöst
Neuronale Implementation
• Es gibt bewegungssensitive Neurone bereits in V1.
• Besonders häufig vertreten sind bewegungs- und richtungsempfindlichen Neurone in „Modul“ Area MT“
—> Läsionen von MT können zu Akinematopsie führen (siehe Patientin LM)
Eigen- vs. Fremdbewegung
Bewegung auf der Retina kann durch Eigen- oder Fremdbewegung hervorgerufen werden.
Mögliche Unterscheidungskriterium: optische Flussmuster
Eigenbewegung: globaler optischer Fluss Veränderung im gesamten Gesichtsfeld
Objektbewegung: lokaler optischer Fluss Veränderung nur im Teil des Gesichtsfeldes
Relevanz: Kann nicht einfach zwischen lokalem und globalem Fluss unterschieden werden → Trugschluss der Eigenbewegung Demonstration: Gefühl der Eigenbewegung, wenn ein Zug auf dem Nachbargleis losfährt
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