Grundproblem der Tiefenwahrnehmung
Okulomotorische Tiefenreize
—> Propriozeptive Wahrnehmung von Augenstellung und Linsenkrümmung wird zur Distanzbestimmung genutzt.
Beschränkungen
• Nur für geringe Entfernungen
• Nur für ein Objekt pro Fixation / Zeitpunkt
Monokulare Tiefenreize
Können beim Sehen mit nur einem Auge benutzt werden.
Werden auch als bildbezogene Tiefenreize bezeichnet.
− Verdeckung
− Relative Höhe
− Relative Größe
− Gewohnte Größe
− Luftperspektive
− Lineare Perspektive
− Texturgradient
Verdeckung
—> Das verdeckende Objekt ist näher als das verdeckte
Schatten
—> Schattenwurf läßt Inferenz von Position im Raum (und damit Tiefe) zu
Relative Höhe und Größe
—> Objekte näher am Horizont werden als weiter entfernt interpretiert.
—> Kleiner erscheinende Objekte werden als weiter entfernt wahrgenommen.
Gewohnte Größe
Experimenteller Versuch: Epstein (1963)
Aufgabe: Monokular die Entfernung von Münzen einschätzen. Manipulation: Physikalische Größe der Münzen wurde manipuliert, Distanz war gleich
Ergebnis: Einschätzung durch gewohnte Größe beeinflusst
Perspektive
Texturgradienten
—> Gleichabständige Strukturen erscheinen weiter entfernt, je dichter sie werden.
Bewegungsinduzierte Reize: Bewegungsparallaxe
Die Bewegung des Beobachters (parallel zum Horizont) von Position 1 zu Position 2 verschiebt das Netzhautbild eines nahen Punktes (A) stärker als das Netzhautbild eines entfernten Punktes (B).
—> Objekte in der Nähe des Auges scheinen sich schneller zu bewegen als weiter entfernte Objekte.
Bewegungsinduzierte Reize: Optische Flussmuster
—> Bei Parallelbewegung des Beobachters zum Horizont nach links bewegen sich Objekte vor dem fixierten Objekt nach rechts, dahinter nach links
Bewegungsinduzierte Reize: Zu- und Aufdecken von Flächen
—> Wenn sich zwei Flächen in unterschiedlichen Entfernungen (hier: weiß: nah, kariert: fern) befinden, dann führt eine Bewegung zu einem fortschreitenden Verdecken und Aufdecken der Flächen relativ zueinander.
Wirksamkeit
—> Unterschiedliche Tiefenreize sind bei unterschiedlichen Entfernungen wirksam.
Binokulare Tiefenkriterien
Grundlage
- Augen stellen sich so ein, dass fixierte Objekte auf der Fovea landen
- Augen liegen etwa 6 cm auseinander.
—> Abbilder auf den beiden Netzhäuten unterscheiden sich
—>Abweichungen können zum binokularen Abschätzen relativer Entfernungen von Objekten genutzt werden (Stereopsis)
Horopter & Korrespondierende Netzhautpunkte
Horopter (Vieth-Müller-Kreis): Alle Punkte im Raum, die durch Fixationspunkt und Augäpfel gehen.
Korrespondierende Netzhautpunkte: Punkte auf der Retina, die bei Überlagerung der Augen einander entsprechen == alle Punkte auf dem Horopter
Querdisparation
Querdisparation: Entfernung der Netzhautpunkte auf der Retina zueinander
—> Wenn Punkte auf den Horopter: Disparation = 0 (hier F)
—> Wenn nicht auf dem Horopter: Disparation > 0, Indikator für Entfernung
Stereopsis in der Anwendung
Stereoskop Dem rechten und linken Auge werden unterschiedliche Informationen so dargeboten, dass durch Querdisparation ein Tiefeneindruck entsteht.
Korrespondenzproblem
Bevor Disparität festgestellt werden kann, müssen korrespondierende Informationen der beiden Netzhäute in Beziehung gesetzt werden.
Problem: Es potentiell unendlich viele Möglichkeiten ein retinales Bild zu erzeugen (mit Objekten in unterschiedlicher Tiefe und damit Disparität)
Lösung: Unklar, aber Vorwissen und Wahrscheinlichkeiten des Auftretens bestimmter Fälle spielt eine Rolle
Neurophysiologische Implementation
• Ab V1 existieren in vielen kortikalen Regionen Zellen, die selektiv auf bestimmte Werte der Querdisparation reagieren.
• Informationen bezüglich Querdisparation werden eher im dorsalen Pfad verarbeitet.
Integration von Tiefenreizen
Es sind normalerweise nicht alle Arten von Tiefenreizen vorhanden, sie können sich widersprechen, oder unterschiedlich verlässlich sein.
Mögliche Arten der Integration:
Prinzip der Additivität
Alle Tiefenreize werden gleichermaßen berücksichtigt.
Prinzip der Selektivität
Tiefenreize werden nach Verlässlichkeit gewichtet (ermittelt durch Vergleich zwischen Reizen oder aus der Erfahrung über die Zeit).
Retinale Projektion
Die Größe der Projektion eines Objektes auf die Retina wird in Sehwinkel gemessen.
Größe vs. Entfernung
Der Sehwinkel wird sowohl durch die Größe eines Objektes als auch durch seine Entfernung beeinflusst (euklidische Geometrie).
Größenkonstanz: Obwohl sich der Sehwinkel eines Objektes mit der Entfernung verändert, bleibt die wahrgenommen Größe konstant.
Emmert‘sches Gesetz: Nachbilder
Aufgabe: Größenschätzung eines Nachbildes auf unterschiedlich weit entfernten Flächen
Befund: Je größer die wahrgenommene Entfernung der Projektionsfläche ist, desto größer wird das Nachbild wahrgenommen
Zusammenhang: Größen- und Tiefenwahrnehmung (1/4)
Versuchsaufbau Holway & Boring 1941: Darbietung unterschiedlich großer Testkreisscheiben in verschiedenen Abständen (gleicher Sehwinkel!)
Aufgabe: Größe einer Vergleichsscheibe (Entfernung bleibt gleich) der Größe einer Testscheibe anpassen
Holway & Boring (1941) (2/4)
UV1 : Entfernung der Testscheibe
UV2 : Variation der verfügbaren Tiefenreize:
Holway & Boring (1941) (3/4)
Vorhersagen:
Gesetz der Größenkonstanz: Mit wahrgenommener Entfernung (Ds ) nimmt die wahrgenommene Größe (Sc ) zu
Gesetz der Sehwinkels: Da der Sehwinkel gleich bleibt, bleibt die wahrgenommene Größe (Sc ) gleich
Holway & Boring (1941) (4/4)
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