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Aufgaben LE 2

AG
by Adele G.

Statik Alteuropa

Schreiben Sie eine Einleitung zur folgenden Aufgabe: Nehmen Sie Stellung zu der Frage, inwiefern von einer Statik Alteuropas gesprochen werden kann

  • Was bedeutet hier „Statik“?

  • Was wird unter dem Epochenbegriff „Alteuropa“ verstanden?

  • Welche Elemente sprechen für eine Statik Alteuropas?

    • ständische Gliederung

    • Innere Einheit Alteuropas

  • Welche Elemente sprechen gegen eine Statik Alteuropas?

    • vormoderne Entwicklungsdynamik

    • ständische Binnenvielfalt

    • interständische Mobilität

  • Identifizierung von Beispielen zu den genannten Kategorien

  • Unterscheidung zwischen synchroner bzw. diachroner Statik.

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  • unbedingt Otto Brunner erwähnen, der diesen Epochenbegriff geprägt hat.

  • Es wäre sinnvoll, vom Epochenbegriff Alteuropa (und nicht nur von einem „Begriff“) zu sprechen. Damit verweisen Sie darauf, dass darunter eher eine zeitliche Ausdehnung zu verstehen ist. Die geographische Komponente steht hier nicht im Vordergrund, da im Laufe der fast zweieinhalb Jahrtausende verschiedene Regionen in Betracht gezogen oder ausgeklammert wurden.

  • Es wäre sinnvoll, vor den allgemeinen zeitlichen Eingrenzungen ein „ca.“ zu stellen (beispielsweise ca. 750 v. Chr. als Anfangszeitraum für Alteuropa) Es geht in diesem Fall nicht um genaue Jahreszahlen. Wenn Sie hingegen historische Ereignisse erwähnen – zum Beispiel die Französische Revolution im Jahre 1789 – fällt der Zusatz „ca.“ weg. Wenn Sie einen breiteren Zeitraum in Betracht ziehen möchten, können Sie sich auf die Zeit um 1800 mit der Doppelrevolution (nach der Definition von Hobsbawm) beziehen.

  • “ständisch gegliederten Gesellschaften” statt Brunners ‚der ständischen Gesellschaft‘ spricht. Es waren viele verschiedene Gesellschaften, die in Alteuropa die Gemeinsamkeit hatten, ständisch gegliedert zu sein.

  • Wenn Sie sich mit einem neuen Thema beschäftigen – in diesem Fall mit der vermeintlichen Statik Alteuropas – sollten Sie sich die Schlüsselbegriffe (z.B. Alteuropa, Gesellschaft, Epochen, Statik und Dynamik) sowie die zeitlichen, geographischen und ereignisgeschichtlichen Zusammenhänge merken. Das bedeutet allerdings nicht, dass all das in einer Einleitung zu integrieren ist! Diese Stoffsammlung bildet lediglich die Grundlage für Ihr Verständnis der Fragestellung.

  • Sprechen Sie bitte nicht von einer „gottgewollten“ ständischen Gliederung. In Alteuropa gab es weder eine „gottgegebene“ noch eine „gottgewollte“ Ordnung. Mit Ordnung durch Ungleichheit bringt der Historiker Otto Gerhard Oexle zum Ausdruck, dass man in der Vormoderne der Meinung war, dass soziale Ungleichheit gottgewollt und Garant für sozialen Frieden oder soziale Harmonie sei. Sehen Sie den Unterschied? Oexle beschreibt damit eine Denkhaltung und nicht die Gesellschaftsgliederung. Wenn Sie aber von „gottgewollten Ständen“ schreiben, implizieren Sie, dass Gott tatsächlich diese Strukturen geschaffen habe. Die Strukturen wurden jedoch von Menschen geschaffen und mit dem Bezug auf Gott gerechtfertigt. Sie wurden zwar von den allermeisten Menschen nicht in Frage gestellt. Es geht jedoch um ein Denkparadigma, nicht um eine naturgegebene oder gottgegebene Tatsache.

  • Achten Sie darauf, dass Sie in Ihrer Einleitung und in einem hypothetischen Hauptteil ‚Stände‘ und ‚Ständemodelle‘ nicht durcheinanderbringen. Was Statik vermittelt, sind eher die Ständemodelle, die aber vorrangig in ihrer Zeit wirkten und behaupteten, einen unveränderlichen Zustand zu beschreiben. Die alteuropäischen Gesellschaften waren hingegen dynamischer, obwohl real ständisch gegliedert.

Lösungsvorschlag

In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage inwieweit von einer „Statik Alteuropas“ gesprochen werden kann. Der Epochenbegriff „Alteuropa“ wurde vom österreichischen Historiker Otto Brunner (1898-1982) geprägt. Brunner meint mit „Alteuropa“ die Zeit zwischen Homer (ca. 750 v. Chr.)  und dem Beginn der Französischen Revolution (1789 n.Chr.). Die Epoche Alteuropa ist geprägt durch ihren geistigen Traditionszusammenhang und eine besondere sozioökonomische Verfasstheit, die auf eine Statik hindeuten. Entgegen dem Eindruck der Statik Alteuropas steht die alteuropäische Entwicklungsdynamik, ständische Binnen-Vielfalt und die zwischenständische Mobilität. Diese beiden Blickwinkel, auf die Epoche Alteuropas, werden im Folgenden kritisch betrachtet.


Fremdheit

Erläutern Sie die Fremdheit Alteuropas unter Rückgriff auf den Standesbegriff!

Antworthinweise

Der Epochenbegriff "Alteuropa" bezeichnet seit seiner systematischen Einführung durch den österreichischen Verfassungs- und Sozialhistoriker Otto Brunner nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die mehr als zweieinhalb Jahrtausende zwischen der griechischen Kultur der Zeit Homers und Hesiods bis zum Beginn der Französischen Revolution (ca. 750 v. Chr. bis 1789 n. Chr.). Alle Gesellschaften dieses Zeitraums waren ständische Gesellschaften und als solche dadurch gekennzeichnet, dass "Stand" in ihnen das vorrangige soziale Ordnungsmuster darstellte.

In der Vormoderne war "Stand" eine im philosophisch-theologischen Kontext entwickelte Deutungskategorie mit metaphysischen Zügen, die im Rahmen von Ständemodellen immer wieder neu beschrieben wurde und dazu diente, die realen Lebensverhältnisse der Menschen als Ausdruck göttlichen Willens oder einer übergeordneten natürlichen Ordnung zu interpretieren. Stände galten im Rahmen der Ständemodelle im Allgemeinen als gegeneinander abgeschlossen und standen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander.

Im modernen wissenschaftlichen Kontext bezeichnet der Standesbegriff gesellschaftliche Großgruppen innerhalb der alteuropäischen Gesellschaften, die durch Geburt (Adel) oder Privileg (Klerus) Anspruch auf die von ihrer Gruppe monopolisierten Lebenschancen besaßen. Zu diesen Chancen zählten z.B. die Art des Lebensunterhalts (bspw. konnte nicht jeder Grundherr werden), der Grad von Teilhabe an (politischer) Herrschaft (Rom!!!), die gemeinsamen Formen der Erziehung und Lebensführung sowie, hierauf gründend, ein spezifisches soziales Prestige ("Ehre"). Ständische Unterschiede wurden durch Rechtsregeln oder Gewohnheiten begründet und zugleich durch verbindliche Weltdeutungen fixiert.

Die ständische Gesellschaftsordnung Alteuropas beruhte auf der Überzeugung, dass soziale Ungleichheit gottgewollt und (ganz wichtig!) Garant für sozialen Frieden sei. Ungleich verteilte Zugangschancen zu Reichtum, Macht und Ansehen wurden akzeptiert und als gesellschaftliche Strukturvorgaben göttlichen Ursprungs verstanden. Otto Gerhard Oexle hat für dieses Denkparadigma die Umschreibung "Ordnung durch Ungleichheit" gefunden. Es ist der entscheidende Faktor, der, vom Standpunkt der Moderne her betrachtet, die Fremdheit Alteuropas ausmacht, denn die Moderne basiert auf einem diametral entgegengesetzten Denkparadigma.

Ein Auslöser für die Französische Revolution war das Gefühl des dritten Standes, mehr für das Ganze zu leisten als der erste und zweite Stand, was Rechte und Privilegien betraf, diesen gegenüber aber erheblich benachteiligt zu sein – anders formuliert: Die als gottgewollt akzeptierte Ordnung geriet, befeuert durch die Ideen der Aufklärung, ins Wanken, als deutlich wurde, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen die ständische Ordnung für sich ausnutzten, ohne ihre entsprechende Rollenvorgabe ausreichend zu erfüllen. Die "Ordnung durch Ungleichheit" entwickelte sich in dieser Situation zum Auslöser für gesellschaftliche Disharmonie.

Mit den Schlagwörtern "Liberté!", "Égalité" und "Fraternité!" traten die französischen Revolutionäre an, ein neues gesellschaftliches Denkparadigma zu etablieren. Und sie hatten Erfolg: Zusammen mit der Industriellen Revolution brachte die Französische Revolution einen Paradigmenwechsel von der "Ordnung durch Ungleichheit" zur "Ordnung durch Gleichheit".

Die fundamentale Fremdheit Alteuropas aus Sicht der Moderne ergibt sich mithin daraus, dass die Gesellschaften Alteuropas auf der Vorstellung beruhten, dass gesellschaftliche Ungleichheit etwas Gottgewolltes und daher Sinnvolles, gesellschaftliche Harmonie Garantierendes sei, während die Gesellschaften der Moderne davon ausgehen, dass gerade die – zumindest theoretische – Einrichtung gleicher Zugangschancen zu Macht, Reichtum und Ansehen gesellschaftliche Konflikte verhindere und Ungleichheit zu sozialen Konflikten führe. Dementsprechend sind die Gesellschaften Europas in der Moderne auch keine ständischen Gesellschaften mehr – mit der Etablierung des neuen Paradigmas "Ordnung durch Gleichheit" hatte der Stand als Ausdruck der alten "Ordnung durch Ungleichheit" ausgedient.


  • Bei der erstmaligen Nennung eines Begriffes bzw. einer Wendung sollten Sie die Person anführen, welche die Bedeutung des Begriffes prägte. Im Falle von „Ordnung durch Ungleichheit“ sollten Sie also O. G. Oexle nennen, im Falle von Alteuropa hingegen Otto Brunner.

  • Ein Merkmal Alteuropas ist die ständische Gliederung der Gesellschaften. Es sinnvoll, diesbezüglich von Gesellschaften im Plural zu sprechen. Es handelt sich um unterschiedliche Gesellschaften, welche die Gemeinsamkeit hatten, ständisch gegliedert zu sein. Weitere Merkmale Alteuropas sind die agrarische Wirtschaftsstruktur und die fehlende Staatlichkeit im modernen Sinne.

  • Bei dieser Übungsaufgabe steht der Standesbegriff im Fokus, weshalb Sie im Hauptteil auf beide Definitionen, die Sie im Studienbrief finden, eingehen sollten, also auf jene aus Sicht der modernen Forschung als auch auf jene aus vormoderner Perspektive. Genaueres dazu finden Sie im PDF mit den Hinweisen zu dieser Aufgabe (im Anhang zur Aufgabenstellung).

  • Wichtig ist, dass O. G. Oexle mit der Wendung „Ordnung durch Ungleichheit“ eine Denkhaltung umschreibt: Man war in Alteuropa der Meinung, soziale Ungleichheit sei gottgewollt und würde gesellschaftlichen Frieden und Harmonie stiften. Dagegen geht die moderne Denkhaltung, die in Anlehnung an Oexle mit „Ordnung durch Gleichheit“ umschrieben werden könnte, davon aus, dass sozialer Frieden nur aufgrund der Gleichheit der Menschen möglich sei.

  • Im Schlussteil sollten Sie wichtige Ergebnisse Ihres Hauptteils zusammenfassen und dabei einen Bezug zur Aufgabenstellung herstellen. Einleitung und Schluss sollten zueinander passen. Versuchen Sie, im Schlussteil keine neuen inhaltlichen Punkte mehr anzuführen.


Lösungsvorschlag

Einleitung:

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Alteuropa aus der heutigen Perspektive als fremd empfunden wird. Alteuropa, ein von Otto Brunner geprägter Epochenbegriff, mit dem die Zeit zwischen ca. 750 v. Chr. und 1789 beschrieben wird, eint eine strukturelle und geistige Einheit. Allen voran die Zuordnung der Menschen in Stände. Weshalb diese Gliederung der Menschen und die damit einhergehende Funktionen uns heutzutage fremd erscheinen, wird im Folgenden näher ausgeführt.

 

Schluss:

Wie man erkennen kann, beruht das Gefühl der Fremdheit vor allem darauf, dass die Funktion der Stände, aus Sicht der damaligen Zeit, zentral darin bestand Frieden und Ordnung zu sichern. Die hieraus entstandene Ungleichheit wurde akzeptiert und als notwendig erachtet. Das Denkparadigma „Soziale Ordnung durch Ungleichheit“ (Otto Gerhard Oexle) erscheint aus der Gegenwart schwer nachvollziehbar, da in der heutigen Zeit soziale Ungleichheit als ein Risikofaktor für Konflikte und Unzufriedenheit gesehen wird. Diese grundsätzlich unterschiedliche Auffassung im Umgang und der Interpretation von Ungleichheit befremdet die Menschen in der Gegenwart.


Bauern

Erarbeiten Sie sich Unterschiede und Wechselwirkungen zwischen den modernen Konzepten der Begriffsgeschichte und der Sozialgeschichte am Beispiel der Bauern in Alteuropa.


Hinweise

Diese Übungsaufgabe bezieht sich auf die Seiten 7 bis 47 der Lerneinheit 2.1:

Im ersten Schritt gilt es die Schlüsselbegriffe zu erläutern und zueinander in Beziehung zu setzen, so dass Sie Ihr Verständnis der Fragestellung herausarbeiten: ‚Begriffsgeschichte‘ versus ‚Geschichte des bäuerlichen Lebens‘, ‚Bauern‘, ‚Alteuropa‘. Dabei reicht es nicht Alteuropa als Zeitraum zu erläutern, vielmehr sollte der Fokus auf die kennzeichnenden sozialen Strukturen und ihren Zusammenhang zu Bauern gelegt werden. Und auch unser heutiges Verständnis von Bauern ist relevant.

Aufgrund der zweigeteilten Fragestellung macht es Sinn, den Hauptteil ebenfalls zweigeteilt anzugehen. Sie sollten also im nächsten Schritt die Begriffsgeschichte zum Begriff Bauern skizzieren. Diese umfasst in groben Zügen Folgendes: Im Gegensatz zur Antike kannte das Frühmittelalter (ca. 5.-10. Jh.) den Begriff des ‚Bauern‘ weder im Sinne eines Sammelbegriffs für alle auf dem Land irgendwie arbeitenden Menschen noch (schon gar nicht!) als spezifische Berufsbezeichnung. Die lateinischen Begriffe agricola und rusticus verschwanden aus den Quellen. Das deutsche Wort ‚Bauer‘ entstammt zwar dem althochdeutschen gebure, aber damit war ursprünglich der Mitbewohner eines Hauses (Haus = bur) bzw. der Angehörige eines Siedlungsverbands (Nachbarschaft = burschap) gemeint. Die Vorstellung von auf dem Land tätigen Menschen als Einheit gab es nicht, sie wurden getrennt als Freie und servi/Hörige wahrgenommen. Im frühen Hochmittelalter begann sich ein berittenes Berufskriegertum herauszubilden, die Bauern wurden nun von den milites/Rittern unterschieden, damit trat auch die Unterscheidung der Bauern nach Freien und Hörigen in den Hintergrund. Adalbero von Laon bezog sich um 1025 in dem satirischen Versdialog ‚Carmen ad Rotbertum regem‘, mit den Begriffen laboratores/servi zwar in erster Linie auf Bauern, trennte sie aber begrifflich nicht von sonstigen handwerklichen Tätigkeiten. Erst allmählich wurde Bauer als Sammelbezeichnung für auf dem Land arbeitende Menschen möglich, man begann ‚gebure‘ in diesem Sinn zu verwenden. Die lateinischen Begriffe werden wieder fassbar, wobei ‚rusticus‘ einem Bedeutungswandel unterlag zunächst hin zu sündhafter, heidnischer, dummer und im Anschluss zu nichtadeliger Person. Als eigener Stand wurden die Bauern aber kaum begriffen. So lieferte der Ulmer Dominikaner Felix Fabri gegen Ende des 15. Jahrhunderts zwar ein ausdifferenziertes Ständemodell unter Einschluss verschiedener Kategorien von Bürgern, erwähnte aber die Bauern nicht. Und im Holzschnitt der Quaternionen von Hans Burgkmair d.Ä. von 1510 werden die Bauern zwar erwähnt, und zwar tatsächlich mit dem Begriff „Baurn“, aber durch Städte dargestellt.

Im zweiten Teil des Hauptteils sollte dann die Problematik herausgearbeitet werden, die sich aus dieser Begriffsgeschichte für die Darstellung einer Sozialgeschichte der Bauern ergibt. Es soll also keinesfalls die Sozialgeschichte skizziert werden, denn das wird in der Fragestellung nicht gefordert. Die Problematik kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Den modernen Begriff Bauer gab es über weite Teile der Vormoderne nicht, d.h. es wird aus

moderner Perspektive etwas untersucht, was im Untersuchungszeitraum nicht als zusammengehörig begriffen wurde. So kannte man im frühen Mittelalter die Funktion, benötigte aber keinen Begriff (Goetz 1994), wichtiger waren Unterscheidungskategorien nach dem Grad der Freiheit. Wir müssen also berücksichtigen, dass die Funktion damals nicht als Unterscheidungsmerkmal angesehen wurde. So wurden die Bauern zwar oft implizit miteingeschlossen ohne als eigene Gruppe zu erscheinen, etwa als der Kirchenvater Augustinus um 390 die Laien/conjugati, also die im Ehestand Lebenden, als eigene Gruppe fasste. Ferner gilt es zu bedenken, welches Bedeutungsspektrum die relevanten historischen Wörter in ihrer Zeit umfassten und wie sich dieses Spektrum über die Zeit veränderte: so hat das Wort gebure im Frühmittelalter nur entfernt mit unserer Vorstellung von Bauern zu tun, im Hochmittelalter sieht das aber anders aus. Und schließlich stellt sich die Frage, welche Auswirkungen für das konkrete historische Lebensumfeld es hatte, dass Bauern über weite Teile des Mittelalters hinweg nicht als Einheit gefasst wurden. So kann man etwa davon ausgehen, dass Zusammenhänge, für die es keinen Begriff gab, auch nicht gedacht wurden und dass Gruppen, die sich nicht zusammengehörig fühlen, sich auch nicht organisieren konnten.

Im Schlussteil gilt es dann, die Hauptthesen noch einmal zusammenzufassen und auf den Punkt zu bringen.


  • Begriffsgeschichte: Entstehung und Wandel von Begriffen und ihrer Bedeutung

    • Entwicklung des Begriffs des Bauern sowie einer Bezeichnungsfindung für diese Art von Personengruppe. In der Form wie der Begriff sich zu jenem entwickelt hat den wir heute als diesen kennen. Wenn heute von einem Bauern gesprochen wird, so ist dieser Begriff mit einem bestimmten Berufsbild und bestimmten Tätigkeiten wie auch Lebensumständen verknüpft. Im Vergleich dazu beschäftigt sich die Sozialgeschichte mit der Tätigkeit des Bauern. Mit der Sache, statt mit dem Begriff/Wort.

    • manche der historischen Begriffe, wie z.B. laboratores oder servi, einerseits nicht alle Tätigkeiten und Fähigkeiten eines Bauern nach modernem Verständnis abdecken, andererseits auch Personengruppen miteinschließen, die wir heute nicht als Bauern bezeichnen würden.

    • Zweck: hängt allerdings von der Fragestellung ab: heutiges Begriffsverständnis herzuleiten oder frühere Lebenswelten zu erschließen.

  • Sozialgeschichte:

    • Teildisziplin der Geschichtswissenschaften, die sich auf wirtschaftliche und soziale Aspekte der Gesellschaft konzentriert

    • methodischer Ansatz, der die Gesamtheit der geschichtlichen Lebenswelt unter einem sozioökonomischen Blickwinkel untersucht

    • In jeden Fall steht das menschliche Gesellschaftsleben bestimmter sozialer Gruppen im Vordergrund

  • Wechselspiel der Begriffe: Manchmal geht die Entwicklung des Begriffs voraus und stößt Verhaltensänderungen an, manchmal gehen sozialgeschichtliche Veränderungen voraus und stoßen einen Wandel in der Begriffsbedeutung an. Im Normalfall ist beides miteinander verbunden. Sprache wirkt auf unser Handeln, unser Handeln wirkt auf unsere Sprache.

  • Die historische Entwicklung für den Begriff des Bauern ist mit der sozialen Entwicklung verknüpft. Bevölkerungsgruppen empfinden sich als zusammengehörig nach den sozialen Maßstäben der jeweiligen Zeit. Da die soziale Zusammengehörigkeit lange durch Herrschaftszugehörigenkeiten (familia) repräsentiert war und die Unterscheidung zwischen Menschen des Kriteriums der Freiheit bzw. Unfreiheit unterlag, war die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen jene Kategorie, in welcher auch gedacht wurde. Das heißt, es wurde keine Bezeichnung für eine Gruppe gebraucht, die in den Denkweisen nicht als eigenständige Gruppe existiert hat. Für etwas das es in den Denkstrukturen nicht gibt, braucht es auch kein Wort. Die Notwendigkeit ein solches zu finden, gab es nicht.


  • Historischen Begriffe, die wir heute kennen, vielfach von den schriftkundigen und herrschaftlichen Eliten geprägt wurden. Das ist gut beobachtet, denn die Sicht der einfachen Bevölkerung ist uns bei weitem nicht so gut überliefert, wie die der Eliten.

  • eine über lange Zeit angewandte Fremdbezeichnung, z.B. 'servus', oft dazu, dass man sich auch als solcher versteht, und zum anderen lässt gerade die Herausbildung von volkssprachlichen Begriffen (z.B. 'gebure', 'ackerman') die Selbstbezeichnungen der auf dem Land arbeitenden sozialen Gruppen erahnen.

  • Diese Bezeichnungen wiederum waren Wechselspiel zwischen der Außensicht der schriftkundigen Eliten und der Selbstsicht der entsprechenden sozialen Gruppen geschuldet. Denn die Unterscheidung zwischen den oben genannten Begriffen lief in erster Linie entlang des Grads der Abhängigkeit, der Zugehörigkeit zu einem Haus, der Tätigkeiten bestimmter Gruppen.

  • Insgesamt kann man sagen, dass es über lange Zeit der Vormoderne keinen Begriff für Bauern gab, der unserem heutigen modernen Verständnis von der sozialen Gruppe der Bauern entsprechen würde, weil es sowohl aus Sicht der Eliten als auch aus der Sicht der auf dem Land Arbeitenden keinen Personenkreis gab, der alle diese einzelnen Bereiche eingeschlossen hätte.


  • ein vereinender Begriff es einer sozialen Gruppe entscheidend erleichtert, sich Rechte zu erstreiten. Aber Sie argumentieren andersherum, es hätte keinen Begriff für die Bauern gegeben, weil sie den Herrschenden nicht wichtig waren bzw. weil sie prekär lebten und keine Durchsetzungsmacht hatten. Dabei räumen Sie aber selbst ein, dass die Bauern natürlich als Lebensmittelproduzenten von großer Bedeutung waren. Sie zeichnen insgesamt ein ziemlich statisches Bild der Bauern in der Vormoderne.

  • Einflüsse auf die Lebenswelt der landwirtschaftlich Arbeitenden die Veränderungen mit sich brachten, wie etwa die Herausbildung der Ritterschaft und damit die Befreiung vom Kriegsdienst, oder etwa die Herausbildung von 'burschapen' abseits der herrschaftlichen 'familia'. Aber auch ganz generell ist etwa das grundherrschaftliche System als Lebens-, Rechts- und Arbeitsverband von Grundherren und Abhängigen zu sehen. Ich will damit nicht behaupten, dass die Abhängigen in diesem System moderne Mitwirkungsrechte hatten, wie wir sie heute anstreben. Dennoch wird es dem System auch nicht gerecht, es pauschal als Ausbeutungssystem abzutun. Für zielführender halte ich zunächst wertfrei genau hinzusehen und zu versuchen herauszufiltern, was wir aus den Quellen über die historischen Verhältnisse herauslesen können. 


Ständemodell:

Erläutern Sie den Begriff "Ständemodelle" und geben Sie einen Überblick über die wichtigsten Ständemodelle Alteuropas.

  1. Definition und Funktion der Ständemodelle:

    • Ständemodelle sind theoretische Konzepte oder "soziale Deutungsmuster", die von gebildeten Eliten geschaffen wurden, um die soziale Realität zu beschreiben oder zu legitimieren. Sie geben eine idealtypische Vorstellung davon, wie Gesellschaft strukturiert sein sollte, auch wenn dies nicht exakt der Wirklichkeit entsprach.

  2. Verbreitung und Darstellung:

    • Diese Modelle wurden durch verschiedene Medien wie Bilder, Reden und Predigten verbreitet und beanspruchten Verbindlichkeit, also eine normative Kraft, um das Handeln der Menschen zu leiten.

  3. Unterschied zwischen idealen Modellen und tatsächlicher Gesellschaft:

    • Die tatsächliche gesellschaftliche Struktur in "Alteuropa" (vor der Moderne) war komplexer und dynamischer als in den Ständemodellen dargestellt. Es gab Vielfalt innerhalb der Stände und Möglichkeiten zur sozialen Mobilität, was die Modelle nicht immer widerspiegelten.

  4. Antike Ursprünge und Weiterentwicklung:

    • Die Konzepte von gesellschaftlicher Ordnung und Ungleichheit wurden schon in der Antike reflektiert, beispielsweise durch Platon und Aristoteles. Sie verwendeten das Bild des Gesellschaftskörpers, in dem alle Teile harmonisch zusammenarbeiten sollten.

    • In der römischen Sozialordnung gab es die Unterscheidung zwischen "honestiores" (ehrbare Männer) und "humiliores" (einfache Menschen), was zeigt, dass es auch hier eine idealtypische Sicht auf die Gesellschaft gab.

  5. Christentum und gesellschaftliche Modelle:

    • Mit dem Aufkommen des Christentums entstand eine neue Unterscheidung zwischen Klerus und Laien. Diese wurde später weiter differenziert, z.B. in die Zwei-Gewalten-Lehre, die zwischen geistlicher und weltlicher Macht unterschied.

  6. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Entwicklungen:

    • Ein einflussreiches Ständemodell des Mittelalters war das tripartite Modell, das die Gesellschaft in Beter (oratores), Kämpfer (bellatores) und Arbeiter (laboratores) unterteilte. Dieses Modell betonte die funktionale Abhängigkeit der Stände voneinander.

    • Auch im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit wurden Modelle entwickelt, die die Gesellschaft in unterschiedliche Gruppen einteilten. Ein Beispiel sind die Quaternionendarstellungen, die verschiedene soziale Stände innerhalb des Heiligen Römischen Reiches abbildeten.

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  • Zentrale Begriffe, die in der Aufgabenstellung vorkommen, sollten Sie erläutern, in diesem Fall also die Begriffe „Alteuropa“ und „Ständemodelle“.

  • Es ist wichtig, die Ständemodelle aber auch Entwicklungen oder Ereignisse, die Sie in Ihren Texten nennen, zeitlich einzuordnen und dabei zumindest das zugehörige Jahrhundert anzuführen, sofern im Studienbrief genannt.

  • Es wäre gut, Sie würden Modelle, die Sie nennen, auch kurz beschreiben, indem Sie Details und/oder Neuerungen der Modelle anführen. Werfen Sie auch dazu gerne einen Blick in das Skript zur Einführungsübung, in welchem die Ständemodelle und jeweils auch wichtige Merkmale aufgezeigt werden.

  • Neben den theoretischen Ständemodellen der schriftkundigen Elite Alteuropas finden Sie im Studienbrief auch Ausführungen zur sozialen Realität in verschiedenen vormodernen Gesellschaften. Bei dieser Frage muss darauf nicht eingegangen werden, denn die Frage bezieht sich auf die theoretischen Ständemodelle. Im Falle der römischen Stände der Senatoren, Ritter und Dekurionen handelt es sich nicht um ein Ständemodell, sondern um reale Rechtsstände mit festgelegten Zugangsvoraussetzungen. Sie können die römischen Rechtsstände dennoch erwähnen, um die modellhafte Unterscheidung zwischen den ständisch inkorporierten honestiores und den humiliores zu verdeutlichen. Der römische populus lässt sich hingegen nicht als Stand definieren. Lesen Sie dazu gerne den Beitrag „ordines/populus“, den Sie unter „Erläuterungen der Lehrenden“ finden.

  • Modell Klerus-Laien: Im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen Klerus und Laien sollten Sie auf die Entwicklung eingehen, die dieses Modell erfahren hat und diese zeitlich einordnen.

  • Adalbero von Laon: Im Modell, das Adalbero von Laon beschreibt, wurden die Arbeiter nicht zum ersten Mal erwähnt, sondern zum ersten Mal seit der Antike. Die Stände in diesem Modell sind funktional verschränkt und auf Gott als höchsten Bezugspunkt ausgerichtet.

  • Die funktionale Dreiteilung war sehr wirkmächtig. So entstanden zwar seit dem Spätmittelalter neue Gruppen, jedoch fanden diese Gruppen keinen Eingang in ein Modell, welches sich dauerhaft durchsetzen konnte. In der Frühen Neuzeit findet sich die theoretische Unterscheidung in „Lehrstand, Wehrstand, Nährstand“, worin sich das Fortwirken der hochmittelalterlichen Dreiteilung erkennen lässt.

  • Felix Fabri: Als Beispiel für die auch im Spätmittelalter stattfindenden theoretischen Reflexionen über Stände finden Sie im Studienbrief das Modell Felix Fabris, das Sie bei dieser Aufgabe anführen können.

  • Spätmittelalter/Frühe Neuzeit: Sie können bei dieser Übungsaufgabe die Etablierung der politischen Stände im Spätmittelalter ansprechen. In den europäischen Königreichen formierten sich im Spätmittelalter die Stände als politische Repräsentativorgane in Analogie zur gedachten Norm des tripartiten Modells (LE 2.1, S. 32). Die politischen Stände bildeten sich als politische Ausformung der sozialen Stände, ohne diese direkt abzubilden.

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"Ständemodelle" sind theoretische Modelle, man könnte auch sagen "soziale Deutungsmuster", mit deren Hilfe Mitglieder der schriftkundigen Elite Alteuropas versuchten, gesellschaftliche Wirklichkeit zu beschreiben, zu legitimieren, zu erklären oder auch ganz neu zu entwerfen. Diese Vorstellungen davon, wie die Dinge sein sollten, entsprachen den tatsächlichen Gegebenheiten immer nur ungefähr, erhoben aber dennoch Anspruch auf Verbindlichkeit: Sie wollten handlungsleitend sein und wurden in Bildern, Reden und Predigten verbreitet. Wichtig ist, im Hinblick auf Ständemodelle zu beachten, dass sie für die gesellschaftliche Struktur Alteuropas eine Statik implizieren, die so nicht gegeben war. Die vormoderne Entwicklungsdynamik, in deren Rahmen sich bestimmte Stände (Adel, Klerus), erst nach und nach herausbildeten, die ständische Binnen-Vielfalt und die Möglichkeiten der interständischen Mobilität machen deutlich, dass die Modelle stets idealtypisch-postulierend, nicht empirisch-beschreibend sind. Die tatsächliche ständische Gliederung Alteuropas sah anders aus, als die Modelle glauben machen.

Reflexionen über gesellschaftliche Ordnung und ständische Ungleichheit finden sich erstmals bei Platon (427-347 v. Chr.), der in seiner "Politeia" erklärt, dass zwar alle Menschen Brüder seien, Gott sie aber dennoch zu unterschiedlichen Aufgaben bestimmt habe – die einen zu Herrschern, die anderen zu ihren Helfern, die dritten zu Bauern, Handwerkern oder Arbeitern. Sein Schüler Aristoteles entwarf gleich mehrere Modelle: Er unterschied zum Beispiel allgemein zwischen Bauern, Handwerkern, Menschen mit militärischer Funktion, Reichen, Priestern und solchen, die leitende und richtende Funktionen innehaben. Speziell die athenischen Bürger gliederte er in die sehr Armen, die sehr Reichen und die Mittleren. Sowohl Platon als auch Aristoteles stellten sich vor, dass die unterschiedlichen Glieder des Gesellschaftskörpers in Eintracht zusammenwirken sollten wie die Glieder eines Menschenkörpers. Diese Körpermetapher wurde in der Geschichte Alteuropas später immer wieder aufgegriffen.

Wie sah nun die tatsächliche ständische Gliederung im antiken Griechenland aus? Diese Frage brauchen Sie in Ihrer Antwort auf die Übungsaufgabe NICHT zu behandeln – ich nehme sie hier dennoch mit hinein, damit Ihnen deutlicher wird, wo der Unterschied zwischen "Ständemodellen" und tatsächlicher "ständischer Gliederung" liegt. "Aristokratie" war eine rein ökonomische, keine rechtlich fixierte Kategorie, d.h., wer Grundbesitz hatte, von der Verpflichtung zur körperlichen Arbeit frei war und rechtlich nicht an jemanden gebunden war, der gehörte zu den "Vornehmsten", was ἀριστοκρατία (aristokratia) auf Deutsch heißt. Dahinter steht der Gedanke, dass nur, wer sein eigener Herr ist, die Muße für herausragende Leistungen hat, die die Gesellschaft besonders weit voranbringen – z.B. im Krieg, im sportlichen Wettkampf und in den freien Künsten.

An der athenischen Demokratie durften nur die athenischen Bürger teilhaben. Das war ein sehr exklusiver und ausschließlich männlicher Kreis. Das Bürgerrecht wurde im Laufe der Zeit

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immer restriktiver verliehen. Frauen, Sklaven und Zugezogene bekamen es nicht. Andererseits hatten aber alle Inhaber des Bürgerrechts, unabhängig von ihrem persönlichen Vermögen, die gleichen politischen Partizipationsrechte. In der Volksversammlung war jede Stimme, ob sie von einem armen oder einem reichen Bürger stammte, gleich viel wert und jeder Bürger, egal ob arm oder reich, konnte zu öffentlichen Ämtern, insbesondere als Geschworener in einem Gerichtsprozess herangezogen werden.

In der römischen Sozialordnung wurde insbesondere seit der römischen Kaiserzeit unterschieden zwischen honestiores, das waren die ‚ehrbaren‘ Männer ‚von Stand‘, und humiliores, das war der einfache, standeslose große Rest der Bevölkerung. Wer ‚von Stand‘ war, also ab der Kaiserzeit entweder dem Senatoren, Ritter oder Dekurionenstand angehörte, verfügte über hohes soziales Ansehen und politische Macht. Humiliores waren von politischer Partizipation weitestgehend ausgeschlossen und galten gegenüber den honestiores als minderwertig. Sie konnten aber sehr, sehr reich sein, z.T. reicher als mancher Senator. Der Umstand, dass der Begriff humiliores eine sehr heterogene Menschengruppe umfasst, deren Mitglieder sich zweifelsohne nicht als zusammengehörig empfunden haben – der von der Hand im Mund lebende afrikanische colonus hatte mit dem reichen römischen Freigelassenen in der Vorstellung der Menschen NICHTS gemein – zeigt ganz deutlich, dass es sich bei der Unterscheidung humiliores/honestiores um ein Modell handelt, um eine zur Beschreibung der gesellschaftlichen Verhältnisse entwickelte Kategorie, während Senatoren, Ritter und Dekurionenstand mit ihren rechtlich fixierten Privilegien, homogenen Lebensnormen und Standeszugangsbedingungen Ausdruck der tatsächlich bestehenden ständischen Gliederung sind.

Wir wissen heute von der Unterscheidung humiliores/honestiores, weil sie in römischen Rechtsquellen erscheint – humiliores konnten für das gleiche Verbrechen schwerer bestraft werden als honestiores. ABER es findet sich nirgendwo eine genaue Festlegung der Begriffe, sondern im Gegenteil in Bezug auf die honestiores ein uneinheitlicher Gebrauch – ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dieser Unterscheidung um ein zeitgenössisches Modell aus Juristensicht handelt, keine rechtlich fixierte Gesellschaftsgliederung.

Mit dem Auftreten des Christentums entwickelte sich ein neues dichotomisches Ordnungsmodell, das die römische Gesellschaft in zwei Großgruppen einteilte, Klerus und Laien. Kleroi waren zunächst alle Christen im Gegensatz zur Mehrheit der Nichtchristen. Auch hier finden Sie wieder das Phänomen, dass mit einem Begriff eine sehr heterogene Menschengruppe umfasst wird. Zu den "Laien" zählten sowohl die reichen, hochangesehen Senatoren als auch die rechtlosen Sklaven in den Minen. Sie empfanden sich mit Sicherheit nicht als zueinander gehörig. Die Unterscheidung "Klerus"-"Laien" ist zunächst einmal ein Modell, das aus christlicher Sicht die Welt beschreibt. Insbesondere mit der Einführung des Christentums als offizielle Religion änderte sich der Bedeutungsgehalt des Begriffs "Klerus" dahingehend, dass er auf die Träger eines Kirchenamtes im Gegensatz zum einfachen Gemeindevolk der Laien eingegrenzt wurde. Das ist eine sehr wichtige Entwicklung: Die Gesellschaften der griechisch-römischen Antike waren reine Laienwelten gewesen. Unter dem Einfluss des Christentums formierte sich eine neue, religiös legitimierte Elite – der geistliche Stand. Er zeichnete sich durch besondere Rechte (Immunitätsprivileg, Rechtsprivileg) und eine eigene Lebensnorm (Zölibat) aus. Der Klerus, ursprünglich eine Deutungskategorie im Rahmen eines Ständemodells, wird hier zu einem rechtlich fixierten Stand. Im Rahmen der Aufgabenstellung ist die Erwähnung dieses Bedeutungswandels nicht absolut zwingend erforderlich, aber ein kurzer Hinweis darauf würde die Antwort an dieser Stelle abrunden.

Augustinus griff die Ausführungen Platons wieder auf und erklärte, dass zwar alle Menschen Teil der göttlichen Schöpfung seien, diese jedoch aus unterschiedlichen Einzelelementen geformt sei. Daraus ergebe sich, dass jedes Ding und jeder Mensch seinen Platz innerhalb einer von Gott erdachten Ordnung habe. Er postulierte zudem ein alternatives Modell zur dichotomischen Unterscheidung von Klerus und Laien, in dem er von drei Gruppen von Menschen sprach: dem weltlichen Klerus, den Mönchen und in den im Ehestand lebenden Laien.

Im Übergang zum Mittelalter differenzierte Papst Gelasius I. die Unterscheidung "Klerus- Laien" weiter aus. 494 n. Chr. unterschied er in einem Brief an den oströmischen Kaiser zwischen der geheiligten Autorität der Bischöfe und der königlichen Gewalt, deren Träger in wechselseitiger Bezogenheit die Welt regieren sollten, wobei in seinen Augen den Priestern das höhere Gewicht zukam. Er postulierte, mit anderen Worten, eine geistlich-weltliche Doppelaristokratie. Das einfache Volk fällt aus Gelasius Lehre nicht heraus (wenn Sie das schreiben, ist das falsch), er erwähnt es nur nicht explizit – es bildet den gedanklichen Hintergrund, vor dem er die beiden Spitzengruppen umreißt. Unter dem Namen "Zwei- Gewalten-Lehre" stiegen seine Überlegungen in den Rang einer systematisch entfalteten kirchlichen Doktrin auf. Bitte verwechseln Sie nicht die Zwei-Gewalten-Lehre mit der Zwei- Schwerter-Lehre, die beiden sind verwandt, aber nicht das gleiche.

Darüber hinaus wurde ab ca. dem 8. Jh. auf Seiten der Laien noch in potentes (Mächtige) und pauperes (Machtlose) unterschieden. Die Standespflichten eines potens bestanden laut diesem Modell darin, Kirchen und Klöster sowie diejenigen, die von Mangel, Not oder Gewalt bedrückt wurden, zu schützen.

Um 1000 n. Chr. entwickelte sich ein tripartites Modell, bei dem die einzelnen Stände funktional aufeinander bezogen waren. Einer der frühesten Zeugen für dieses neue Modell ist Bischof Adalbero von Laon, der die Menschen nach ihren unterschiedlichen Aufgaben in Beter, Kämpfer und Arbeiter (oratores, bellatores, laboratores) teilte und erklärte, dass die Stände einander gegenseitig stützen würden. Adalberos Schema ist vor allem deshalb so wichtig, weil es zum einen seit der Antike erstmals wieder die körperlich Arbeitenden als eigenen Stand wahrnimmt und zum anderen die soziale Bedeutung dieses Tuns erstmals explizit gewürdigt und mit den Aufgaben der beiden anderen Stände verschränkt wird. Alle drei Stände sind bei Adalbero auf Gott als den höchsten und zugleich gemeinsamen Bezugspunkt hin ausgerichtet. Ein "Adel" als rechtlich fixierter Stand mit eigenen Privilegien und Lebensnormen begann sich zu dieser Zeit, unter anderem im Zusammenhang mit der Herausbildung des Berufsrittertums, gerade erst herauszubilden. Deswegen dürfen die bellatores bei Adalbero auch nicht einfach mit "Adelige" übersetzt werden. Adalbero stellte sich idealtypisch vor, wie die Gesellschaft beschaffen sein sollte und nahm an, dass es eben eine Gruppe geben sollte, die betet, eine die kämpft und eine die arbeitet. Das hat nichts mit Rechtsständen zu tun, sondern ist eine funktionale Unterscheidung.

Das tripartite Modell war so einflussreich, dass alternative Deutungsschemata sich danach nicht mehr etablieren konnten. Gelegentlich unterschied man zwischen Bürgern und Bauern oder postulierte einen eigenen Stand der Scholaren, aber generell blieb es bei einer

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Unterscheidung der Menschen in drei Gruppen, z.B. auch wiederzufinden in der frühneuzeitlichen Rede von Lehrstand, Wehrstand, Nährstand.

Auch im Spätmittelalter finden sich Beispiele für theoretische Überlegungen zur Gliederung der Gesellschaft. Im Tractatus de civitate Ulmensi beschrieb der Dominikaner Felix Fabri (1438/39-1502) ein Ständemodell, in dem er die Bewohner der Stadt Ulm in sieben differentiae einteilte. Hier findet sich wiederum das Denkparadigma der ‚Ordnung durch Ungleichheit‘. Dabei nimmt Fabri die Stände als rechtlich und sozial verfestigt wahr, dennoch schließt das Modell soziale Veränderung ein. Aus den Überlegungen Fabris wird deutlich, dass es auch in diesem Modell zu Vereinfachungen kommt, wenn er reflektiert, dass man angesichts der Zahl und Vielfalt der Handwerker fast nicht von einem einzigen Stand sprechen könne.

In den idealisierten, bildlichen Quaternionendarstellungen versuchte man im 15. Jahrhundert das Reich durch die Gesamtheit der Reichsglieder darzustellen. Die Abbildung von zehn Gruppen mit je vier Vertretern eines sozialen Standes zeigt die Vorstellung des Reiches als genossenschaftlichen Verband aus unterschiedlichen Gliedern und verdeutlicht außerdem, welche Gruppen Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft einforderten. Es finden sich unterschiedliche Ausformungen der Quaternionendarstellung. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden etwa die Kurfürsten in die Darstellung eingebunden, außerdem konnten weitere Stände dargestellt werden. Ab 1470 kennen wir Quaternionen mit dem Reichsadler, während die Darstellung des Kreuzes Jesu auf die Einbindung in den göttlichen Heilsplan hinweist. Ursprung und Bedeutung der Quaternionendarstellung werden in der Forschung kontrovers diskutiert, ungeklärt ist etwa das Fehlen der geistlichen Stände.


Lösungsvorschlag

In diesem Text soll der Begriff des Ständemodells erläutert werden und ein Überblick über die wichtisten Ständemodelle Alteuropas gegeben werden.

Den Epochenbegriff „Alteuropa“ prägte Otto Brunner im 20. Jahrhundert. Beschrieben wird der Zeitraum von ca. 750 v. Chr. bis zur Französischen Revolution 1798/99. Eines der verbindenden Charakteristika war die ständische Gliederung der Gesellschaft. Diese soziale Ungleichheit wurde als gottgewollt aufgefasst und galt als Garant für gesellschaftliche Harmonie.

Der Historiker Otto Gerhard Oexle beschrieb dieses Prinzip als „Ordnung durch Ungleichheit“. Stände waren im vormodernen Verständnis gegeneinander abgeschlossene Deutungskategorien mit metaphysischen Zügen, die in verschiedenen Ständemodellen beschrieben wurden und dazu dienten, die gesellschaftliche Strukturen als göttlich und natürlich zu legitimieren. Im Folgenden soll zunächst der Begriff „Ständemodelle“ erläutert werden. Anschließend werden die in dieser Arbeit berücksichtigten Ständemodelle chronologisch vorgestellt.

Unter Ständemodellen versteht man theoretische Konstrukte, die die Gesellschaftsstrukturen sowohl beschreiben und erklären als auch legitimieren sollten. Allerdings stellten die Modelle die gesellschaftliche Ordnung nicht so dar, wie sie tatsächlich war, sondern beinhalteten die idealtypische Vorstellung der Gesellschaftsordnung aus Sicht der elitären Personen, die diese Modelle ausarbeiteten. Ständemodelle erwecken den Eindruck von gesellschaftlicher Statik in Alteuropa, lassen dabei aber Faktoren wie die vormoderne Entwicklungsdynamik, die ständische Binnen-Vielfalt und die Möglichkeiten zwischenständischer Mobilität außer Acht.

Die ersten Überlegungen über die ständische Ordnung finden sich in der griechischen Antike bei Platon (427-347 v. Chr.). Laut Platon sind alle Menschen Teil der göttlichen Schöpfung, aber ihnen wurden bei der Geburt nach göttlichem Willen die Metalle Gold, Silber und Eisen beigemischt, wodurch sie unterschiedliche Aufgaben zugeordnet wurden. Auf diese Weise lassen sich die Menschen in drei Ständen ordnen, die mit verschiedenen Kardinaltugenden verbunden sind. Die ersten beiden Stände bilden die Herrscher und deren Helfer, die sich beide durch Weisheit und Tapferkeit auszeichnen. Darauf folgen im dritten Stand die Arbeiter, Bauern und Handwerker, für die die Kardinaltugenden Gerechtigkeit und Mäßigung gelten.

Platons Schüler Aristoteles (384-322 v. Chr.) teilt die Menschen ebenfalls in Stände ein, legt sich dabei aber nicht auf ein Schema fest. Einerseits unterscheidet er in sechs Stände, nämlich in Bauern, Handwerker, militärische Funktionen, Reiche, Priester und die, denen leitende und richtende Funktionen zukommen. Andererseits ging er auf die athenischen Bürger bezogen von einer Dreiteilung in die sehr Reichen, die Mittleren und die sehr Armen aus.

Ähnlich wie Aristoteles unterschied der Römer Cicero (106-43 v. Chr.) in seinem Ständemodell zwischen einem hohen, mittleren und niedrigen Stand. Allerdings wird anders als in der griechischen Antike in der römischen Kaiserzeit die große Mehrheit des Volkes keinem Stand zugeordnet, denn hier entwickelte sich eine ausgeprägte Adelsherrschaft. Es lässt sich modellhaft zwischen den honestiores, die ständisch inkorporiert waren, und den humiliores, die standeslos waren, unterscheiden. Es gab im 2. Jh. v. Chr. zunächst zwei Rechtsstände, den ordo senatorius, also den Senatorenstand, und den ordo equester, den Ritterstand. Ab der Kaiserzeit (seit 27 v. Chr.) kam der ordo decurionum, der Dekurionenstand, hinzu. Diese drei Stände hatten feste Zugangsvoraussetzungen und die Standeszugehörigkeit in der Bevölkerung betrug nur ca. 1%.

In der Spätantike (ab ca. 284 n. Chr.) erfuhr die standeslose Unterschicht eine Aufwertung durch Jesus von Nazareth und seine Jünger, die selbst zu den einfachen Leuten zählten. Es entstand ein neues dichotomisches Ordnungsschema, nach dem die Bevölkerung in die beiden Großgruppen Klerus und Laien eingeteilt wurde. Zunächst zählten alle Christen zum Klerus. Mit zunehmender Christianisierung des römischen Reichs im 3. Jh. wurden nur noch die Träger eines Kirchenamtes dem Klerus zugerechnet. Der Klerus entwickelte sich also von einer Deutungskategorie in einem Ordnungsschema zu einem neuen rechtlichen Stand, der geistlichen Elite.

Diese zweigeteilte Ordnung in Klerus und Laien war in der Spätantike prägend, es gab aber auch alternative Modelle. So ergänzte Augustinus es um 390 zu einem tripartiten Modell, indem er entsprechend seiner Auslegung des 36. Psalms die Menschen in kirchliche Vorsteher, also den weltlichen Klerus, Enthaltsame, also Mönche, und Laien einteilte.

Im frühen Mittelalter wurde das dichotomische Gesellschaftsmodell der Spätantike aufgegriffen und von Papst Gelasius I. (reg. 492-496) abgeändert. Er entwickelte eine Zwei-Gewalten-Lehre, nach der die geistliche und die weltliche Gewalt, womit die Bischöfe und Könige gemeint sind, parallel und komplementär handeln sollten. Er griff also aus der Großgruppe der Laien eine Spitzengruppe heraus, der er eine Führungsfunktion zuwies. Das Volk hat in seinem Modell keinen ausdrücklichen Platz, wird aber im Hintergrund mitbedacht.

Im Hochmittelalter entwickelte Adalbero von Laon um 1025 Gelasius' Modell zu einem Dreiständemodell weiter. Er teilte die Menschen nach ihren Tätigkeiten in Beter, Kämpfer und Arbeiter ein. Gott galt als der höchste und gemeinsame Bezugspunkt aller drei Stände. Erstmals seit der Antike wurden Arbeiter in diesem Modell wieder als eigener Stand benannt. Dadurch wurde die soziale Relevanz ihrer Tätigkeit gewürdigt.

Das tripartite Modell des Hochmittelalters erwies sich in der Folgezeit als dominant. Dennoch gab es auch im Spätmittelalter theoretische Reflexionen über die Gesellschaftsordnung, zum Beispiel das Modell von Felix Fabri (1438/39-1502). Er teilte in seinem Modell die Menschen der Stadt Ulm ein und unterscheidet dabei sieben differentiae. Er nennt die Geistlichen, die Adligen, den Hauptstand, der die Stadt regiert, die Ehrbaren und Bescheidenen, die Kaufleute, die Handwerker und die Einwohner, die der Bürgerschaft nicht angehören. Nach Fabri zählen die ersten beiden und der letzte Stand nicht zur Körperschaft der Bürger.

In der Frühen Neuzeit entwickelten sich zwar soziale Gruppen und politische Stände, sie wurden aber nicht mehr in einem durchsetzungsfähigen Modell reflektiert. Das Modell der ständischen Dreiteilung der Gesellschaft aus dem Hochmittelalter setzte sich durch und spiegelte sich auch in den frühneuzeitlichen Überlegungen in der Trias Lehrstand, Wehrstand und Nährstand wider. Die Französische Revolution führte schließlich zur Abschaffung der ständischen Ordnung und ebnete den Weg für neue Staatsformen.

Es zeigt sich also, dass über den gesamten Zeitraum Alteuropas hinweg über die ständischen Gesellschaftsordnungen in verschiedenen Modellen reflektiert wurde, die sich veränderten und teilweise aufeinander aufbauten. Darin klingt die Relevanz der ständischen Gliederung und der eingangs angesprochenen „Ordnung durch Ungleichheit“ (Oexle) für diese Zeit an. In dieser Arbeit konnte lediglich ein grober Überblick über die wichtigsten Ständemodelle Alteuropas gegeben werden. Die Darstellung der realen Gesellschaftsstrukturen und Rechtsstände in Alteuropa hätten den Rahmen dieser Arbeit gesprengt, bietet aber einen interessanten Aspekt für eine erweiterte Beschäftigung mit dem Thema.


Gekürzter und umformulierter Hinweistext

"Ständemodelle" sind theoretische Konstrukte, mit denen die gebildete Elite Alteuropas versuchte, die gesellschaftliche Realität zu beschreiben, zu legitimieren oder sogar neu zu entwerfen. Diese Modelle spiegelten nicht exakt die tatsächlichen sozialen Verhältnisse wider, beanspruchten aber eine gewisse Verbindlichkeit und sollten das Verhalten der Menschen leiten. Wichtig zu beachten ist, dass diese Modelle eine statische Gesellschaftsstruktur implizieren, die in der Realität durch Dynamik, Binnenvielfalt und interständische Mobilität gekennzeichnet war. Somit waren Ständemodelle stets idealtypische Postulate und nicht empirische Beschreibungen.

Bereits in der Antike entwickelten Philosophen wie Platon und Aristoteles erste Ständemodelle. Platon sprach in seiner "Politeia" von einer natürlichen Hierarchie, in der Gott Menschen zu verschiedenen Aufgaben bestimmte: Herrscher, Helfer, Bauern, Handwerker oder Arbeiter. Aristoteles differenzierte weiter und unterschied etwa zwischen Bauern, Handwerkern, Soldaten, Reichen, Priestern und Führern. Beide Philosophen verglichen die Gesellschaft mit einem Körper, dessen Glieder harmonisch zusammenarbeiten sollten. Diese Metapher fand später in der europäischen Geschichte vielfach Anwendung.

In der tatsächlichen gesellschaftlichen Struktur des antiken Griechenlands war "Aristokratie" eine ökonomische Kategorie: Nur Grundbesitzer, die nicht körperlich arbeiten mussten und niemandem rechtlich untergeordnet waren, zählten zu den "Vornehmsten" (ἀριστοκρατία). Die athenische Demokratie war exklusiv für männliche Bürger; Frauen, Sklaven und Zugezogene waren ausgeschlossen. Innerhalb dieser Bürgerklasse hatten jedoch alle gleiche politische Rechte, unabhängig von ihrem Vermögen.

Im Römischen Reich unterschied man zwischen den "honestiores" (Standespersonen) und "humiliores" (den einfachen Menschen). Diese Unterscheidung war jedoch eher ein juristisches Modell als eine klar definierte soziale Struktur, da "humiliores" eine sehr heterogene Gruppe umfasste, die keine gemeinsame Identität hatte. Die rechtlichen Quellen zeigen, dass "honestiores" mildere Strafen für die gleichen Verbrechen erhielten als "humiliores", was deren rechtliche und soziale Unterschiede verdeutlichte.

Mit dem Aufkommen des Christentums entstand ein neues Ordnungsmodell, das zwischen Klerus und Laien unterschied. Anfangs umfasste der Begriff "Klerus" alle Christen, im Gegensatz zur nichtchristlichen Mehrheit. Später wurde der Klerus als eigene Gruppe mit besonderen Rechten und Lebensnormen definiert, was eine neue Elite formierte: den geistlichen Stand. Diese Entwicklung war bedeutend, da die antiken Gesellschaften vorher reine Laienwelten waren.

Augustinus übernahm Platons Ideen und sah alle Menschen als Teil der göttlichen Schöpfung, wobei jeder seinen Platz in einer von Gott erdachten Ordnung habe. Er unterschied zwischen weltlichem Klerus, Mönchen und Laien im Ehestand, was ein alternatives Modell zur dichotomischen Unterscheidung von Klerus und Laien bot.

Im Mittelalter entwickelte Papst Gelasius I. die Unterscheidung weiter, indem er in einem Brief die "geheiligte Autorität" der Bischöfe und die "königliche Gewalt" der weltlichen Herrscher gegenüberstellte. Er postulierte eine Doppelaristokratie, in der Priester eine höhere Stellung einnahmen. Ab dem 8. Jahrhundert differenzierte man innerhalb der Laien noch weiter zwischen "potentes" (Mächtigen) und "pauperes" (Machtlosen).

Um das Jahr 1000 entstand ein tripartites Modell, das die Gesellschaft in Beter (oratores), Kämpfer (bellatores) und Arbeiter (laboratores) unterteilte. Bischof Adalbero von Laon beschrieb dieses Modell und betonte, dass die Stände funktional aufeinander bezogen seien und gemeinsam auf Gott ausgerichtet seien. Dies war bedeutsam, da es die körperlich Arbeitenden als eigenen Stand anerkannte und deren soziale Bedeutung hervorhob. Der "Adel" als rechtlich fixierter Stand war zu dieser Zeit noch in der Entstehung, sodass die bellatores nicht einfach mit "Adelige" gleichgesetzt werden können. Adalbero stellte sich vor, wie die Gesellschaft idealerweise strukturiert sein sollte, ohne dies als reale Ständeordnung zu verstehen.

Dieses dreigliedrige Modell war so einflussreich, dass es spätere alternative Modelle weitgehend verdrängte. Es fand sich sogar in der frühneuzeitlichen Rede von Lehrstand, Wehrstand und Nährstand wieder.

Auch im Spätmittelalter gab es Überlegungen zur gesellschaftlichen Gliederung. Felix Fabri, ein Dominikaner, teilte die Bewohner der Stadt Ulm in sieben "differentiae" ein. Dieses Modell basierte auf dem Prinzip der "Ordnung durch Ungleichheit" und sah die Stände als rechtlich und sozial verfestigt, wobei dennoch soziale Veränderungen berücksichtigt wurden.

Die idealisierten Quaternionendarstellungen des 15. Jahrhunderts versuchten, das Reich durch verschiedene soziale Gruppen darzustellen. Diese bildlichen Darstellungen symbolisierten die Vorstellung des Reiches als genossenschaftlichen Verband unterschiedlicher Gruppen, die alle Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft erhoben. Variationen dieser Darstellungen existierten, wie etwa die Einbindung von Kurfürsten oder die Darstellung des Reichsadlers.

Insgesamt zeigen diese theoretischen Konstrukte und Modelle, dass die gesellschaftliche Realität in Alteuropa komplex und dynamisch war. Die Ständemodelle waren nicht empirische Beschreibungen, sondern idealisierte Vorstellungen davon, wie die Gesellschaft strukturiert sein sollte.


König als Gesamtherrscher

Erläutern Sie die Rolle des Königs als Gesamtherrscher über das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Heilige Römische Reich


S. 32 bis 42

  • Zeitliche Eingrenzung der untersuchten Epochen

  • Unterschied zwischen dem Heiligen Römischen Reich (mit späterem Zusatz ‚deutscher Nation‘) und England sowie Frankreich

  • Mitspracherechte bei der Königswahl

  • Gremien

  • Zusätzliche Legitimation durch die Kaiserweihe

  • Reichsfürsten

  • Reichsunmittelbarkeit

  • Lehnswesen

  • Ausbildung des Territorialadels

  • Landtage, Hof- bzw. Reichstage: Funktion und Bedeutung

  • Verhältnis zwischen König und Reichsfürsten

  • Vorrechte des Königs, der zunächst als primus inter pares regierte und erst im Laufe des Spätmittelalters und insbesondere der Frühen Neuzeit deutlicher werden

  • "Der Adel wählt den König, aber der König macht den Adel." (Nobilitierungsrecht)

  • Unterscheidung zwischen Königtum auf Reichsebene und Herrschaft auf Landesebene



  • Reichstag: In einigen Antworten fehlt der ausdrückliche Hinweis auf die Rolle der Hof-, später Reichstage als Orte der Aushandlung, an denen das Verhältnis zwischen König und Reichsfürsten deutlich wird.

  • Spätmittelalter/Frühe Neuzeit: In der Fragestellung werden Epochenbegriffe erwähnt, die genauer eingegrenzt werden und nicht als vorausgesetzt gelten sollten. Schreiben Sie nicht „der mittelalterliche König“. Seien Sie präziser. Die Fragestellung bezieht sich zum Beispiel nicht auf die ottonischen Herrscher, die ebenfalls „mittelalterliche Könige“ waren.

  • Vergessen Sie die Frühe Neuzeit nicht. Die Fragestellung bezieht sich nicht nur auf das Spätmittelalter. Denken Sie daran: Frühe Neuzeit ist ein feststehender Begriff und wird daher großgeschrieben.

  • Territorialadel: In diesem kurzen Text ist die Erwähnung des reichsunmittelbaren niederen Adels nicht relevant. Sinnvoll ist hingegen die Auseinandersetzung mit dem mediatisierten Territorialadel. Der Prozess der Territorialisierung schränkte die Rolle des Königs als Gesamtherrscher ein. Daher ist es wichtig, im Rahmen dieser Aufgabenstellung darauf einzugehen.

  • Kaiser: Es wäre auch sinnvoll, die Kaiserweihe zu erwähnen. Denken Sie daran, den Begriff ‚Kaiser‘ einzuführen, bevor Sie ihn verwenden. Schreiben Sie nicht einfach „König bzw. Kaiser“. Erklären Sie auch, warum das Kaisertum in diesem Kontext wichtig ist. Die Kaiserweihe wurde von den Königen des Heiligen Römischen Reiches als zusätzliche Legitimation angestrebt. Sie gelang im Mittelalter nicht immer unmittelbar, in der Frühen Neuzeit erfolgte sie jedoch mehr oder weniger automatisch.

  • Frankreich: Im Studienbrief wird auch auf Frankreich eingegangen. Frankreich und England können als Gegenbeispiel kurz erwähnt werden. In dieser Teilaufgabe geht es allerdings primär um die Rolle des Königs als Gesamtherrscher im Heiligen Römischen Reich. Achten Sie darauf, dass Ihre Aussagen zum römisch-deutschen König passen.

  • primus inter pares: Es wäre sinnvoll, lateinische Begriffe klein und kursiv zu setzen.

  • eigene Argumentation: Die Länge der Antwort ist nicht allein relevant für die Beantwortung, es kommt ausschließlich auf die Treffsicherheit des Inhalts an. Fragen Sie sich, was essentiell für die Beantwortung der Fragestellung ist. Die Fragestellung bezieht sich auf die Rolle des Königs als Gesamtherrscher. Daher wäre es wichtig, den König in den Mittelpunkt Ihrer Argumentation zu stellen. Alle weiteren Elemente sollten aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet werden, z. B. wer wählte den König? Wo verhandelte der König mit wem? Natürlich ist es wichtig, die Rolle des Königs zu kontextualisieren, und daher die Strukturen des Adels zu erwähnen. In einigen Bearbeitung werden allerdings manchmal durchaus richtige Informationen nebeneinander gestellt, jedoch nicht in Verbindung zum König gebracht. Die genaue Beschreibung der einzelnen Kurien ist z. B. nicht relevant.



Author

Adele G.

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