Zum Justizgewährungsanspruch:
Die Klägerin K nimmt die Beklagte B auf Löschung zweier Sicherungshypotheken in Anspruch. Das Gericht legt den Streitwert gem. § 6 ZPO auf umgerechnet 1,2 Mio. Euro fest, was dem Nennbetrag der Hypothek entspricht. Daraus folgen Gerichts- und Anwaltsgebühren iHv etwa 40.000 Euro allein für die erste Instanz. Die Kosten, die B für die Löschung der Hypotheken und damit zur Erfüllung des Anspruchs hätte aufwenden müssen, belaufen sich hingegen auf nur maximal 12.000 Euro inklusive Gebühren und Notarkosten.
Ist die Festsetzung des Streitwerts auf 1,2 Mio. Euro durch das Gericht zulässig?
Nein.
Durch die Festsetzung des Streitswerts auf 1,2 Mio. Euro wird B in ihrem Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 I iVm Art. 20 III GG verletzt. Dieser soll dem Bürger eine effektive und wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit zur Durchsetzung oder Verteidigung seiner Rechte ermöglichen, was auch beinhaltet, dass der Zugang zu den vorhandenen Rechtsmitteln nicht unzumutbar beschränkt wird. Zwar schließt es der Justizgewährungsanspruch nicht aus, dass für die Inanspruchnahme von Gerichten Gebühren erhoben werden und dass diese grundsätzlich von der unterlegenen Partei getragen werden müssen. Die dabei entstehenden Kosten dürfen aber nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrensgegenstandes stehen. Dies hat zur Folge, dass die beklagte Partei in ihrer Entscheidungsfreiheit, ob sie den Anspruch gegen sie erfüllen, oder es auf einen Prozess ankommen lassen soll, erheblich beschränkt ist, weil bereits die Kosten einer Gerichtsinstanz ihr wirtschaftliches Interesse an einer Rechtsverteidigung übersteigen.
Zu Art. 101 I 2 GG:
Der Kläger K macht gegen den Beklagten B Ansprüche aus einem Reisevertrag geltend. Der Geschäftsverteilungsplan des AG sieht vor, dass sich in Reisesachen die Zuständigkeit nach dem Namen des Klägers richtet.
Ist der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts zulässig?
Der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts verstößt gegen das Verfassungsprinzip des gesetzlichen Richters aus Art. 101 I 2 GG. Aus diesem lässt sich ableiten, dass der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts bereits im Vorhinein für das Geschäftsjahr anhand bestimmter Kriterien abstrakt regeln muss, welcher Spruchkörper des Gerichts einen konkreten Fall zugewiesen bekommt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Zuständigkeit manipuliert und damit sachfremder Einfluss auf die Rechtssprechung genommen wird. Die Kriterien müssen dabei den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit des gesetzlichen Richters genügen. Dies ist hier nicht der Fall, denn K könnte, indem er seine Ansprüche an eine andere Person abtrtitt, den Namen des Klägers und dadurch auch die Zuständigekeit des Spruchkörpers manipulieren. Eine Zuständigkeit nach dem Namen des Klägers stellt ein unzulässiges Kriterium dar.
Beim OLG K ist im Berufungsverfahren ein Prozess anhängig, in dem die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz verlangt. Nach dem vom Präsidium festgelegten Geschäftsverteilungsplan ist der 12. Zivilsenat des OLG zuständig. Im Laufe des Verfahrens entscheidet das Präsidium, von dem beim 12. Senat anhängigen Verfahren 34 in einer Liste aufgeführte Prozesse auf den 15. Zivilsenat zu übertragen. Nach welchen Kriterien die übertragenen Prozesse ausgewählt wurden, blieb unklar. Der 15. Zivilsenat, der nun entscheidet, gibt die Klage teilweise statt.
Beide Parteien legen Revision ein. Mit Aussicht auf Erfolg?
Die Revision ist begründet, wenn die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 545 I, 546 ZPO).
Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist beim Verstoß gegen die Geschäftsordnung und damit gegen Art. 101 I 2 GG die Entscheidung immer als auf einer Rechtsverletzung beruhend anzusehen. Hier wurde vom Geschäftsverteilungsplan abgewichen, indem willkürlich, dh ohne generelle Kriterien anzulegen, 34 Verfahren an einen anderen Spruchkörper abgegeben wurden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verfassungsprinzip des gesetzlichen Richters aus Art. 101 I 2 GG. Aus diesem lässt sich ableiten, dass der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts bereits im Vorhinein für das Geschäftsjahr anhand bestimmter Kriterien abstrakt regeln muss, welcher Spruchkörper des Gerichts einen konkreten Fall zugewiesen bekommt. Die Zuteilung der Verfahren muss sich dabei nach allgemeinen Merkmalen richten und darf nicht nach einer willkürlichen Auswahl erfolgen.
Das Revisionsgericht wird daher die Entscheidung des 15. Zivilsenats aufheben (§ 562 II ZPO) und die Sache an den 12. Zivilsenat zur erneuten Entscheidung zurückverweisen (§ 563 I 1, 2 ZPO).
Zu Auschluss/Ablehung eines Richters:
Das LG weist die Klage des Klägers K ab. Über die Berufung soll nun der 3. Zivilsenat des zuständigen OLG entscheiden. Diesem Senat gehört der Ehemann E der Richterin R an, die am erstinstanzlichen Urteil mitgewirkt hat. K hat nun Bedenken gegen die Unbefangenheit des E. Dieser werde, so vermutet er, kaum darauf hinwirken, die Entscheidung aufzuheben, an der seine Frau beteiligt war.
Was kann K tun?
K könnte ein Gesuch auf Ablehnung des E anbringen (§ 44 I ZPO). Dieses ist begründet, wenn entweder ein Fall des § 41 ZPO vorliegt (§ 42 I Alt. 1 ZPO) oder Befangenheit zu besorgen ist (§ 42 I Alt. 2 iVm II ZPO).
Der Tatbestand des § 41 Nr. 6 ZPO ist nicht erfüllt, da nicht E selbst, sondern seine Frau mit der Sache vorbefasst war. Auch eine Analogie kommt schon wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, den gesetzlichen Richter möglichst eindeutig zu bestimmten, nicht in Betracht.
Auch Befangenheit ist nicht zu besorgen. Allein aus der ehelichen Beziehung kann eine etwaige Besorgnis nicht hergeleitet werden, weil der Anwendungsbereich des § 41 ZPO sonst über § 42 II ZPO erweitert werden würde. Vielmehr muss ein konkreter Grund vorgebracht werden, aus dem sich die Besorgnis der Befangenheit ergibt. Hier sind keine Umstände ersichtlich, die darauf schließen lassen, der E werde sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (z.B. indem er vorher auf die Beziehung mit der vorbefassten Richterin hingewiesen hätte). Das Ablehnungsgesuch des K wird daher keinen Erfolg haben.
Zur Vereinbarung von Erfolgshonoraren:
Der Beklagte B überlegt, gegen das seiner Ansicht nach falsche Urteil des LG Berufung einzulegen. Allerdings scheut der wohlhabende und gutverdienende, aber wenig risikofreudige B die Kosten. Sein Anwalt R, der das Urteil ebenfalls für falsch hält, schlägt ihm vor, für den Fall des Prozessverlustes auf sein Honorar zu verzichten. So wird es vereinbart.
Ist die Vereinbarung zwischen B und R zulässig, wenn die streitige Geldforderung, die B geltend macht, sich auf
a) 1.000 Euro
b) 15.000 Euro
beläuft?
a) Ja.
Zwar darf nach § 49 II 1 BRAO die Vergütung des Anwalts nicht vom Ausgang der Sache abhängig gemacht werden, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. § 4a I 1 Nr. 1 RVG erlaubt aber bei Aufträgen, die Geldforderungen von höchstens 2.000 Euro betreffen, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren.
b) Nein.
Die Ausnahmetatbestände des § 4a I 1 Nr. 1, 2 RVG greifen hier nicht. Die Ausnahme des § 4a I 1 Nr. 3 RVG greift nur ein, wenn B ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars bei verständiger Betrachtung von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte, insbesondere reicht die allgemeine Risikoscheue des B nicht aus, sondern es müssen die Umstände des Einzelfalls verständig betrachtet werden.
Zum Dispositionsgrundsatz (Streitgegenstand, § 308 I ZPO):
K behauptet, gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 3.000 Euro zu haben. B verweigert die Zahlung. K verklagt den B auf Zahlung von 1.000 Euro, um die Prozesskosten niedrig zu halten. Im Prozess stellt sich heraus, dass K von B die volle 3.000 Euro beanspruchen kann. Die Richterin R verurteilt B aus Gründen der Prozessökonomie zur Zahlung von 3.000 Euro. Dagegen legt B unter Hinweis darauf, K habe nur 1.000 Euro eingeklagt, Berufung ein. K beantragt Zurückweisung der Berufung.
Wie wird das Berufungsgericht entscheiden?
Die Berufung des B ist begründet, wenn wenn die Klage des K unzulässig oder unbegründet war. Die Klage des K ist iHv 2.000 Euro unbegründet, da er über diesen Betrag keine Klage erhoben hat. Die Richterin hat gegen den Dispositionsgrundsatz iVm § 308 I ZPO verstoßen. Danach darf das Gericht einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als das was sie nicht beantragt hat. Dies hat R getan, indem sie dem K 3.000 Euro - und damit mehr, als das was dieser beantragt hat - zugesprochen hat. Dieser Verstoß hat zur Folge, dass die Entscheidung zwar wirksam ist, aber von B im Rahmen der Berufung angefochten werden kann.
Allerdings hat K durch seinen Antrag, die Berufung des B zurückzuweisen, konkludent die Erweiterung der Klage auf 3.000 Euro genehmigt. Darin liegt eine zulässige Klageerweiterung iSd § 264 Nr. 2 ZPO, die auch noch in der Berufungsinstanz möglich ist. Das Berufungsgericht wird die Berufung des B zurückweisen.
Zum Verhandlungsgrundsatz:
Klägerin K verlangt von ihrer beklagten Vermieterin V Rückerstattung bereits bezahlter Miete, weil sie wegen verschiedener Mängel der Wohnung die Miete mindern will. Sie trägt jedoch nur Mängel vor, die nach Ansicht des Gerichts keine Minderung rechtfertigen, selbst wenn sie tatsächlich vorlägen. Der Freund F der zuständigen Richterin R wohnt im selben Haus wie K. F hat R auf deren Frage hin erzählt, dass er von der K schon einmal in deren Wohnung eingeladen worden sei. Dort seien ihm feuchte Wände und Schimmelflecken in den Ecken aufgefallen, die eine Minderung allemal rechtfertigen würden.
Darf das Gericht den Bericht des F seiner Entscheidung zugrunde legen und dem Anspruch der K stattgeben, auch wenn diese weder Feuchtigkeit noch Schimmel selbst erwähnt hat?
Der Verhandlunsgrundsatz besagt, dass das Gericht seiner Entscheidung nur Tatsachen zugrunde legen darf, die von den Parteien vorgetragen werden. Tatsachen die dem Richter aus anderen Gründen bekannt sind, darf dieser für seine Entscheidung nicht heranziehen, sofern sie nicht für jedermann offenkundig oder gerichtsbekannt sind (= dem Gericht als solchem, nicht dem Richter privat bekannt). Das Gericht darf den Bericht des F daher seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.
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