Buffl

Revision

SP
by Sebastian P.

Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Relative Revisionsgründe)


Fehlerhafte Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung


Nenne typische Fehler!



  1. Zu weitreichende Vernehmung zu den persönlichen Verhältnissen (§ 243 Abs. 2 S. 1 StPO)

  2. Keine oder verspätete Verlesung des Anlagesatzes (§ 243 Abs. 3 S. 1 StPO)

  3. Kein Hinweis auf Verständigung (§ 243 Abs. 4 StPO): Prüfung § 257c StPO. (Rechtsfehler insbesondere „Sanktionsschere“ (Gericht stellt Strafe für den Fall in Aussicht, dass Angeklagter Geständnis ablegt und andererseits kein Geständnis ablegt) und fehlende Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO (Verletzung Recht auf ein faires Verfahren und Selbstbelastungsfreiheit)

  4. Vernehmung des Angeklagten: Hinweispflicht (§ 243 Abs. 5 S. 1 StPO): Verfahrensfehler (+), aber beruhen (–), sofern Angeklagter seine Rechte kannte. Rechtsfehler (+), wenn sich nur Verteidiger zur Sache äußert und der Angeklagte diese Äußerung nicht zu seiner Einlassung macht, das Gericht die Aussage aber als Angabe des Angeklagten bezeichnet und würdigt

  5. Verkennung des richtigen Beweismittels

  6. Fehler beim Zeugenbeweis (§§ 48 ff. StPO)

  7. Fehler beim Sachverständigenbeweis (§§ 72 ff. StPO)

  8. Fehler beim richterlichen Augenschein (§§ 72 ff. StPO)

  9. Fehler beim Urkundenbeweis (§§ 249 ff. StPO)

  10. Fehler beim Hinzuziehung eines Dolmetschers (§§ 249 ff. StPO): Vereidigung (vorbehaltlich § 190 GVG) zwingend (§ 189 GVG), Versäumnis kann nicht geheilt werden

  11. Verletzung der Amtsaufklärungspflicht („Aufklärungsrüge“) (§ 244 Abs. 2 StPO)

  12. Verletzung des Beweisantragrechts (§ 244 StPO)

  13. Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpft (§ 261 StPO)

  14. Nichtaussetzung oder Nichtunterbrechung der Verhandlung

  15. Verletzung der Fürsorgepflicht und der Verfahrensfairness

  16. Verletzung von Mitwirkungsrechten

  17. Fehler bei der Urteilsverkündung


Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Relative Revisionsgründe)


Fehlerhafte Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung


Fehler beim Zeugenbeweis (§§ 48 ff. StPO)


Was sind mögliche Fehler, an die man denken kann?

  1. Fehlende Zustimmung (§ 52 Abs. 2 StPO) oder Belehrung (§ 52 Abs. 3 S. 1 StPO): Verlesungs- und Verwertungsverbot; Ausnahme: Zeuge kannte sein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses.

  2. Keine Belehrungspflicht bei Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO), aber revisionsrechtliche Rüge möglich bei unrichtiger Entbindung von der Schweigepflicht (§ 52 Abs. 2 S. 1 StPO)

  3. Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO): Rüge Angeklagter (–), weil Rechtskreis nicht betroffen. Rüge StA (–), weil Gebot der Sachaufklärung bei unterlassener Belehrung nicht berührt; möglicherweise aber Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, wenn Gericht unrichtige Verweigerung des Zeugnisses hingenommen hat oder der Zeuge nach unrichtiger Belehrung das Zeugnis verweigert

  4. Zeugenbelehrung (§ 57 StPO): bloße Ordnungsvorschrift zum Schutz des Zeugen, Revision (–)

  5. Einzelvernehmung von Zeugen (§ 58 StPO): bloße Ordnungsvorschrift, Revision (–)

  6. Keine Verwertung bei späterer Zeugnisverweigerung (§ 252 StPO)

  7. Verfahrensfehler bei Aufzeichnung einer Vernehmung in Bild- und Ton (§§ 58a, 247a, 255a StPO):  Sinn: schutzbedürftige Zeugen sollen vor belastenden Vernehmungen geschützt werden; § 247a StPO = Ausnahmeregelung zu § 250 S. StPO: enge Auslegung von § 247a StPO


Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Relative Revisionsgründe)


Fehlerhafte Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung


Fehler beim Urkundenbeweis (§§ 249 ff. StPO)


  1. Wie werden Urkunden in die Hauptverhandlung eingeführt?

  2. Gib es ein Selbstleseverfahren?

  3. Was besagt der Grundsatz des Vorrangs des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis? Gibt es Ausnahmen?

  4. Was ist bei § 251 Abs. 2 StPO zu beachten?

  5. Wie sind Fehler zu beweisen?


  1. Einführung in Hauptverhandlung durch Verlesung (§ 249 Abs. 1 S. 1 StPO); Rechtsfehler (+), wenn Inhalt einer Urkunde im Urteil wiedergegeben wird, ohne dass dieser eingeführt wurde

  2. Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) möglich → Rüge nur möglich, wenn Widerspruch erhoben und Gerichtsbeschluss erlassen (S. 2)

  3. Grundsatz des Vorrangs der Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis (§ 250 StPO): Greift nur für Ersetzung, nicht aber für Ergänzung des Personalbeweises im Wege des Urkundbeweises; Rechtsfehler (–), wenn Verlesung weder ganz oder teilweise an die Stelle der Vernehmung treten soll; gleiches gilt für Bild-Ton-Aufzeichnung, die einer Niederschrift der Zeugenvernehmung gleichzusetzen sind (Tatrichter darf daher Zeugen auch Bild-Ton-Aufzeichnung bei Vernehmung vorhalten); Ausnahmen: §§ 251, 253, 254, 256

  4. § 251 Abs. 2 StPO (Verlesung richterlicher Protokolle): nur bei ordnungsgemäßer Errichtung der Niederschrift zulässig, wozu insbesondere Benachrichtigung Verteidiger gehört (§ 168c Abs. 5 StPO); ein mangelhaftes Protokoll kann aber nach richterlichem Hinweis (§ 265 StPO) mit milderer Beweiskraft als nichtrichterliches Protokoll nach § 251 Abs. 1 StPO verlesen werden

  5. Wesentliche Förmlichkeit: Beweiskraft des Protokolls (§§ 273, 274 StPO); denkbar z. B., dass Kenntnisnahme der Schöffen nach § 249 Abs. 2 S. 3 StPO nicht dokumentiert wird (negative Beweiskraft)


Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Relative Revisionsgründe)


Fehlerhafte Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung


Verletzung des Beweisantragrechts (§ 244 StPO)


  1. Woran ist zu denken, wenn eine Verletzung des Beweisantragsrechts nicht vorliegt?

  2. Wann liegt eine Verletzung eines Beweisantragrechts vor?

  3. Was muss in einem wirksamen Beweisantrag angegeben werden?

  4. Wie entscheidet das Gericht über Ablehnung eines Beweisantrags? Darf der Vorsitzende allein entscheiden?

  5. Was ist eine unzulässige Erhebung des Beweises im Sinne von § 244 Abs. 3 S. 2 StPO?

  6. Wo ist geregelt, wann Beweisantrag abgelehnt werden darf?


  1. Verletzung Amtsaufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO)

  2. Verletzung Beweisantragsrecht (+), wenn ein Beweisantrag nicht beschieden wird oder die angeordnete Beweiserhebung nicht durchgeführt wurde; häufig Verletzung (+), weil Ablehnungsgründe fehlerhaft angewendet

  3. Angabe einer bestimmten Beweistatsache: Ausreichend sind Tatsachen, die lediglich vermutet werden; (–) bei gewünschten Schlussfolgerungen (nur Beweisziel). Bei inneren Tatsachen ebenfalls (–), aber Beweisantrag kann ausgelegt werden.

  4. Ablehnung: Abschließende Gründe in § 244 Abs. 3 S. 2 f., Abs. 4–5, § 245 Abs. 2 StPO. Bei § 244 Abs. 3 S. 2 StPO einzige Pflicht zur Ablehnung, ansonsten im Ermessen („darf“); Entscheidung durch Beschluss in der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO) oder in den Urteilsgründen (§ 244 Abs. 6 S. 4 StPO); ablehnende Entscheidung allein durch Vorsitzenden ist rechtsfehlerhaft

  5. Unzulässig, wenn das Begehren auf nicht zulässige Beweismittel gerichtet ist oder die beantragte Beweiserhebung über Beweisthemen stattfinden soll, die nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sein dürfen, z. B. Inhalt der Aussage eines Zeugen in der Hauptverhandlung, sonstige Wahrnehmungen der Verfahrensbeteiligten sowie das Beratungsgeheimnis; Zulässig ist aber die Nennung von Zeugen, die zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind, weil diese darauf auch verzichten können

    Beispiel: StA beantragt, den im Zuschauerraum befindlichen Referendar darüber zum Beweis zu vernehmen, dass der Zeuge Maier im Hauptverhandlungstermin das Gegenteil von dem bekundet hat als am heutigen Tag.

  6. § 244 Abs. 3 S. 3 StPO (näher dazu Skript und Kommentar)


Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Relative Revisionsgründe)


Fehlerhafte Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung


Beweisbarkeit des Rechtfehlers (§§ 273 ff. StPO)


  1. Was ist positive Beweiskraft des Protokolls?

  2. Was ist die negative Beweiskraft des Protokolls?

  3. Was sind wesentliche Förmlichkeiten?

  4. Kann das Protokoll nachträglich berichtigt werden?

  5. Wann entfällt die Beweiskraft des Protokolls?


  1. Positive Beweiskraft des Protokolls: im Protokoll beurkundete Förmlichkeiten gelten als geschehen, selbst wenn sie nicht stattgefunden haben[1]

  2. Negative Beweiskraft des Protokolls: Was nicht beurkundet wurde, gilt als nicht geschehen (unabhängig davon, ob es tatsächlich geschehen ist)

  3. Wesentliche Förmlichkeiten (dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 273 Rn. 6 ff.), die für die Gesetzmäßigkeit des anhängigen Verfahrens von Bedeutung sind und deren Unterlassung, Nichtbeachtung oder fehlerhafte Behandlung eine Verfahrensrüge gegen das auf die Hauptverhandlung ergehende Urteil begründen können.

  4. Nachträgliche Protokollberichtigung: Zulässig, wenn beide Urkundspersonen (Vorsitzender und Urkundsbeamter) übereinstimmen, dass Protokoll unrichtig ist (sichere Erinnerung notwendig, nicht ausreichend, dass Urkundsbeamtin meint, es wäre ihr bestimmt aufgefallen, wenn Angeklagter nicht das letzte Wort gehabt hätte). Auch bei „rügeverkümmernder“ Wirkung, sofern zusätzlich die Gewährung rechtlichen Gehörs an den Revisionsführer und die Begründung des Protokollberichtigungsbeschlusses erfolgt

  5. Meinungsverschiedenheiten zwischen Urkundsbeamten; Urkundsperson erklärt Inhalt für unrichtig; Offensichtliche Widersprüche, Lücken, Unklarheiten (mangelhaftes Protokoll): Offensichtlich (+), wenn ein protokollierter Vorgang beweis, dass ein anderer geschehen ist, über den das Protokoll schweigt (z. B. Nichtverlesung des Anklagesatzes [negative Beweiskraft] und Gelegenheit des Angeklagten, sich nach Verlesung zur Anklage zu äußern)


Revision (Begründetheit): Sachrüge


Gesamtstrafenbildung


Beispiel 1: 16.06.2014 Nötigung, 15.08.2014 Diebstahl, 12.01.2015 Verurteilung wegen Diebstahls zu 40 Tagessätzen a 30 EUR. Urteil ist rechtskräftig und Strafe nicht erledigt. Am 12.06.2015 soll Urteil über Nötigung zu 50 Tagessätzen a 30 EUR verhängt werden.

Beispiel 2: 16.06.2014 Nötigung, 15.07.2014 Urkundenfälschung, 15.08.2014 Diebstahl, 12.01.2015 Verurteilung wegen Urkundenfälschung und Diebstahls zu 60 Tagessätzen a 30 EUR (40 Tagessätze für Diebstahl, 30 für Urkundenfälschung, Gesamtstrafe 60 Tagessätze). Urteil ist rechtskräftig und Strafe nicht erledigt. Am 12.06.2015 soll Urteil über Nötigung zu 50 Tagessätzen a 30 EUR verhängt werden.

Beispiel 3: Wie Beispiel 1, aber A hat die Strafe bezahlt (40 TS a 30 EUR).

Beispiel 4: Wie Beispiel 1, aber Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, so dass nunmehr 90 EUR/Tagessatz

Voraussetzungen der nachträgliche Gesamtsstrafenbildung (§ 55 StGB)

  1. Abzuurteilende Tat muss vor der früheren Verurteilung begangen worden sein

  2. Frühere Verurteilung muss rechtskräftig sein

  3. Frühere Strafe darf noch nicht vollständig erledigt haben (“vollstreckt, verjährt oder erlassen”/bei Geldstrafe gezahlt)


Beispiel 1:

  1. Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe: 50 Tagessätze + 1 = 51 Tagessätze

  2. Verminderung der höchsten Strafte: 89 Tagessätze

  3. Typische Gesamtstrafe: 70 Tagessätze a 30 EUR

Beispiel 2:

  1. Gesamtstrafebildung unter Auflösung der damaligen Gesamtstrafe

  2. Einzelstrafen: 30 TS + 40 TS + 50 TS

  3. Mindesstrafe: 51 TS

  4. Höchststrafe: 119 TS

  5. Typische Gesamtstrafe: 85 Tagessätze a 30 EUR

Beispiel 3:

  1. Grundsatz: Keine Gesamtstrafenbildung, da Voraussetzung ist, dass 1. Urteil noch nicht vollstreckt ist. Aber: Es wäre unbillig, dem Angeklagten die Vorteile der Gesamtstrafenbildung vorzuenthalten, nur weil eine frühere Strafe bereits vollstreckt wurde. Deswegen ist ein Härteausgleich vorzunehmen.

  2. Normale Ausrechnung der nachträglichen Gesamtstrafe: Hier 70 Tagessätze (siehe oben)

  3. Härteausgleich: 30 Tagessätze muss A noch bezahlen.

Beispiel 4:

  1. Einzelstrafen: 40 Tagessätze a 30 EUR + 50 Tagessätze a 90 EUR = 5.700 EUR (Summe der Einzelwerte) = Obergrenze

  2. 70 Tagessätze a 90 EUR = 6.300 EUR, aber Summe der Einzelwerte darf nicht überschritten werden (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB)

  3. Mindeststrafe: 70 Tagessätze a 30 EUR = 2.100 EUR (aber: keine Erhöhung § 54 Abs. 1 S. 2 StGB): Verwirkte höchste Strafe 50 Tagessätze a 90 EUR = 4.500 EUR

  4. Praxis: 5.700 EUR/70 Tagessätze = 81 EUR; 70 Tagessätze a 81 EUR = 5.670 EUR


Revision (Begründetheit): Zweckmäßigkeit und Anträge


Revisionsanträge

Verfahrenshindernis: Antrag auf Einstellung

„Es wird beantragt, das Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts […] vom [….] Az. […] aufzuheben und das Verfahren einzustellen“

Urteil der Kleinen Strafkammer: Aufhebung beider tatgerichtlicher Urteile

„Es wird beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom […] und der 2. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurts vom […] aufzuheben und das Verfahren einzustellen.“

Aufhebung durch Revisionsgericht nach § 353 Abs. 1 und 2 StPO

„Es wird beantragt, das Urteil der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vom […] Az. […] mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und diese Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.“

Freispruch statt Verurteilung

„Es wird beantragt, das Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vom […] aufzuheben und den Angeklagten freizusprechen. [keine Beantragung der Aufhebung der tatgerichtlichen Feststellungen, weil dies dem Freispruch die Grundlage entziehen würde]

Beschränkung auf Rechtsfolgenausspruch

„Es wird beantragt, das Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurts vom […] Az. […] im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.“

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Sebastian P.

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