Revision: Zulässigkeit
Was ist in der Zulässigkeit der Revision zu prüfen?
I. Statthaftigkeit der Revision (§§ 333, 335 StPO)
II. Rechtsmittelberechtigung/Anfechtigungsberechtigung (§§ 296 ff. StPO)
III. Beschwer
IV. Kein Rechtsmittelverzicht (§ 302 Abs. 1 S. 1 StPO)
V. Ordnungsgemäße Einlegung der Revision (§ 341 StPO)
VI. Ordnungsgemäße Revisionsbegründung (§ 344 f. StPO)
Was ist bei einer Sprungrevision gegen ein Urteil, welches mehreren Beteiligten ein Anfechtungsrecht gibt, von denen einer Berufung und der andere Revision wählt, zu beachten?
Revision gilt solange als Berufung, solange die Berufung des Anderen nicht zurückgenommen wird (§ 335 Abs. 3 S. 1 StPO).
Berufung lediglich fingiert: Keine Umwandlung der Revision. Revision muss „rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form“ (§ 335 Abs. 3 S. 1 StPO) erhoben werden; Revisionsanträge und deren Begründung müssen in der vorgeschriebenen Form und Frist erfolgen (§ 335 Abs. 3 S. 2 StPO)
Was ist beim Jugenstrafverfahren zu beachten?
Revision nur statthaft, wenn keine Berufung eingelegt worden ist (§ 55 Abs. 2 JGG)
Rechtsmittelberechtigung: Beschuldigter, Verteidiger, StA, sonstige?
§ 296 Abs. 1 StPO: Beschuldigter und Staatsanwaltschaft (letztere auch zugunsten des Beschuldigten [§ 296 Abs. 2; zur Wirkung § 301 StPO]); Beschuldigter ist auch als Jugendlicher oder Geschäftsunfähiger rechtsmittelberechtigt (soweit verhandlungsfähig)
§ 297 StPO: Für den Beschuldigten auch Verteidiger, aus eigenem Recht und im eigenen Namen und Nachweis seiner Berechtigung (Vollmacht); Bei Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) beachte § 146a Abs. 2 StPO, wonach Handlungen vor einer Zurückweisung wirksam bleiben (z. B. Revisionseinlegung)
§ 298 StPO: Gesetzlicher Vertreter des Beschuldigten aus eigenem Recht und ggf. auch gegen den Willen des Angeklagten
Weitere berechtigte Personen: Privatkläger (§ 390 StPO); Nebenkläger (§§ 400 f. StPO); Einziehungsbeteiligter (§ 431 StPO)
Beschwer: Definition? Beschuldiger, StA, Nebenkläger?
Eine Beschwer liegt vor, wenn der Betroffene in irgendeiner Weise durch den Entscheidungstenor in seinen Rechten und schutzwürdigen Interessen unmittelbar beeinträchtigt wird.
Beschuldigter: Beschwer (+) durch jede für ihn nachteilige Entscheidung. Nachteiligkeit muss sich aus Urteilsformel (nicht aus Urteilsgründen) ergeben (Tenorbeschwer). Bei Freispruch (–); auch bei Einstellung wegen nicht mehr behebbaren Verfahrenshindernissen (–), allerdings (+), sofern Prozessurteil auf ein behebbares Verfahrenshindernis gestützt wird und der Angeklagte geltend macht, das Verfahren hätte wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses (z. B. Verjährung) eingestellt werden müssen
Staatsanwaltschaft: ist als „Hüterin des Rechts“ stets beschwert, wenn sie die Verletzung des Gesetzes rügt (auch wenn Verurteilung dem Antrag entspricht)
Nebenkläger: Beschwer (+), sofern er in seiner Stellung als Nebenkläger beschwert ist. Denn § 400 Abs. 1 StPO beschränkt die Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers auf Gesetzesverletzungen, derentwegen der Anschluss zur Nebenklage gemäß § 395 StPO zulässig ist. (–), sofern er der Auffassung ist, Rechtsfolgenausspruch sei zu niedrig.
Ordnungsgemäße Einlegung der Revision (§ 341 StPO)
Auf welchem Wege kann die Revision eingelegt werden?
Formlose schriftliche Erklärung (§ 341 Abs. 1 StPO), auch per Telefax, Computerfax, Telegramm oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (telefonisch aber nicht); ausreichend, dass Anfechtungswillen erkennbar ist (nicht bloß Unmutsäußerung), Irrtum bei der Bezeichnung unschädlich (§ 300 StPO)
Rechtsanwalt ist zur elektronischen Übermittlung verpflichtet (§ 32d StPO), regelmäßig über beA (§ 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO)
Zuständig für Aufnahme zu Protokoll der Geschäftsstelle ist Rechtspfleger (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b RPflG)
Wer ist Adressat der Revisionseinlegung? Welche Ausnahme gibt es?
Gericht, dessen Urteil angefochten wird („iudex a qou“) (§ 341 Abs. 1 StPO); nicht beim Revisionsgericht!
Ausnahme: § 299 StPO bei Abgabe von Erklärungen während des Freiheitsentzugs (Angeklagter befindet sich in Untersuchungshaft), dann Erhebung beim AG zulässig.
Problem: Wechsel eines Rechtsmittels
Beispiel: Verteidiger hat „Berufung“ eingelegt. Sofern Aufgabenstellung darauf gerichtet, die Erfolgsaussichten einer Revision zu überprüfen, kann trotzdem eine Revision noch durchgeführt werden, wenn sie gegenüber der Berufung auch zweckmäßiger ist.
Grundsatz: Wechsel (von Berufung zu Revision und umgekehrt) innerhalb der Revisionsbegründungsfrist möglich, ebenso der Übergang von der Berufung zur Sprungrevision.
Grund: Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels lassen sich sinnvollerweise erst nach Kenntnis der Urteilsgründe beurteilen. Daher anerkannt, dass zunächst eine unbestimmte Anfechtungserklärung abgegeben werden kann oder einmal von dem einen zum anderen Rechtsmittel gewechselt werden darf.
Ausnahme: Nochmaliger Wechsel des Rechtsmittels
Fristgemäße Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO)
Fristdauer: binnen einer Woche ab Verkündung (§ 268 Abs. 2 StPO) des Urteils
Beginn der Frist: Tag der Urteilsverkündung oder bei Abwesenheit des Angeklagten (etwa im Rahmen von § 231 Abs. 2 StPO) mit Zustellung des Urteils (§ 341 Abs. 2 StPO); Fristberechnung (§ 43 StPO); Wiedereinsetzung möglich (§ 44 StPO)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 ff. StPO): Aufbau
Was kann zur Hemmung der Vollstreckung gesagt werden?
Kein Verzicht (§ 342 Abs. 3 StPO) bei Urteil, das auf Ausbleiben des Angeklagten beruht
Ohne Verschulden
Frist: Eine Woche
Fristbeginn: Wegfall des Hindernisses (§ 45 Abs. 1 S.1 StPO)
bei Versäumnis der Frist ist inzidenter Antrag auf Wiedereinsetzung möglich
Glaubhaftmachung: (+), wenn die behaupteten Tatsachen soweit bewiesen sind, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält (z. B. durch eidesstattliche Versicherung, schriftliche Erklärungen von Zeugen)
Nachholung der versäumten Rechtshandlung (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO)
Hinweis: Keine Hemmung der Vollstreckung (§ 47 Abs. 1 StPO) einer gerichtlichen Entscheidung, um Missbrauch des Wiedereinsetzungsverfahrens zu verhindern; im Einzelfall aber möglich (§ 47 Abs. 2 StPO), daher kann dem Wiedereinsetzungsgesuch ein Antrag auf Vollstreckungsaufschub beigefügt werden
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 ff. StPO): Wann liegt ein Verschulden vor? Nenne Beispielsfälle
An einem Verschulden fehlt es, wenn der Betroffene durch äußere oder innere Umstände an der Fristwahrung gehindert wurde und bei Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung ausgeschlossen werden kann.
Vermutung fehlenden Verschuldens bei unterbliebener Belehrung (§ 44 S. 2 StPO)
Keine Zurechnung Anwaltsverschulden (anders in der ZPO [§ 85 Abs. 2 ZPO]), allerdings kann ein eigenes Verschulden darin liegen, dass eine Fristversäumung durch den Verteidiger für den Angeklagten erkennbar war
Schuldhaftes Versäumen (–) bei Naturereignissen, bestimmten Erkrankungen oder Störung der Geistestätigkeit, Verhaftung in anderer Sache, Suizidversuch oder Niederkunft der Ehefrau
Schuldhaftes Versäumen (+) bei Vergessen der Frist, Überhören des Weckers, Beauftragung eines Bekannten mit dem Einwurf der Rechtmittelschrift bei der Post der der falschen Berechnung der Frist durch den rechtsunkundigen Betroffen
Ordnungsgemäße Revisionsbegründung (§ 344, § 345 StPO): Fristbeginn?
Fristbeginn (§ 42 StPO): Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird
Regelfall: Mit Zustellung der Urteilsgründe (§ 345 Abs. 1 S. 3 StPO), weil diese erst nach Ablauf der einwöchigen Einlegungsfrist erfolgt; Voraussetzung: ordnungsgemäße Zustellung nach §§ 37 ff. StPO (Verweis auf die Vorschriften der ZPO in § 37 Abs. 1 StPO, z. B. Ersatzzustellung nach § 178 ZPO, Heilung § 189 ZPO)
Zustellung an Verteidiger zulässig nach § 145a, § 37 Abs. 1 StPO i. V. m. § 180 S. 1 f. ZPO
Ordnungsgemäße Revisionsbegründung (§ 344, § 345 StPO): Wann beginnt die Frist bei Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte (z. B. an Angeklagten und an Anwalt)?
Fristbeginn richtet sich nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 StPO)
Ausnahme: Zweite Zustellung erfolgt erst nach Fristablauf, der sich nach Frist nach erster Zustellung bestimmt. Dann wird durch § 37 Abs. 2 StPO keine neue Frist in Gang gesetzt
Ordnungsgemäße Revisionsbegründung (§ 344, § 345 StPO): Zustellung des Urteils vor Fertigstellung Protokoll
Fall: Urteilszustellung am 06.01.2021, Fertigstellung Protokoll am 07.01.2021, Eingang Revisionsbegründung 09.02.02021
Zustellung am 06.01.2021 unwirksam, weil erst nach Fertigstellung Protokoll zulässig (§ 273 Abs. 4 StPO). Auch keine „Heilung“ durch Fertigstellung am 07.01.2021, es ist ein erneuter Zustellungsakt erforderlich.
Ordnungsgemäße Revisionsbegründung (§ 344, § 345 StPO): Form
Begründungsschrift muss vom Verteidiger unterschrieben sein oder vom Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 345 Abs. 2 StPO)
Grund: Revisionsgericht soll Prüfung grundloser/unverständige Anträge erspart bleiben; bei Protokoll der Geschäftsstelle muss Urkundsbeamter (Rechtspfleger) mitwirken; sofern nicht Rechtspfleger, sondern nicht zuständiger Mitarbeiter Begründung aufnimmt, kann Wiedereinsetzung in vorigen Stand gewährt werden
Sofern Pflichtverteidiger bestellt worden ist, muss auch dieser unterschreiben; Befugnisse können nicht auf einen anderen Rechtsanwalt übertragen werden, weil die Bestellung auf die konkrete Person beschränkt ist
Umfang der Anfechtung des Urteils angeben (Revisionsantrag [§ 344 Abs. 1 StPO])
Mindestens eine zulässige Rüge (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) (bei Verfahrensrügen hohe Praxisanforderungen)
Kein Rechtsmittelverzicht: Rechtsmittelrücknahme
Wirksam, wenn sie mit der Sache befassten Gericht zugeht
Verteidiger benötigt für Rechtsmittelrücknahme ausdrückliche Ermächtigung (§ 302 Abs. 2 StPO) (höchstpersönliches Recht, keine Vertretung). Die Ermächtigung muss aber nicht schriftlich erfolgen, erforderlich ist bei einer mündlichen Erklärung nur der Nachweis durch anwaltlicher Versicherung
Kein Rechtsmittelverzicht: Rechtsmittelverzicht
Kann ein Rechtsmittelverzicht widerrufen werden? Welche Form ist zu beachten?
Wirksam, wenn verlesen (§ 273 ZPO Abs. 3 ZPO)
Prozesserklärung, die grundsätzlich unwiderruflich und nicht anfechtbar ist. Gericht darf nicht an Verzicht mitwirken und auf einen solchen hinwirken.
Form: wie bei Rechtsmitteleinlegung; bei Abgabe durch den Angeklagten muss dieser verhandlungsfähig sein; § 302 Abs. 2 StPO gilt über Wortlaut hinaus auch für Rechtsmittelverzicht
Unter welchen Voraussetzungen ist ein Rechtsmittelverzicht unwirksam?
erscheintAus Gründen der Gerechtigkeit oder des Anspruchs des Angeklagten auf ein faires Verfahren erscheint es geboten , den Grundsatz der Rechtssicherheit zurücktreten zu lassen. (+), wenn schwerwiegende Willensmängel und ein der Justiz zurechenbares Verhalten. Zwei wichtige Fallgruppen
Keine Beratung mit Verteidiger und dieser Umstand ist auf Versäumnisse der Justiz zurückzuführen: unzulässige Beschränkung der Verteidigungsrechte
Gericht veranlasst die Abgabe einer Rechtsmittelverzichtserklärung durch eine objektiv unrichtige Erklärung oder sonstige Irreführung des Angeklagten oder durch Drohung: z. B. Erlass eines überraschenden Haftbefehls verbunden mit Erklärung, über die Frage der Haftfortdauer erst nach Entscheidung über Rechtsmittelverzicht befinden zu wollen (Konstellationen meist deutlich zu erkennen)
Argumentation: Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren
Revision: Begründetheit
Was ist in der Begründetheit der Revision zu prüfen?
I. Verfahrenshindernisse
II. Verfahrensrügen
1. Verletzung des Gesetzes
a) Absolute Revisionsgründe
b) Relative Revisionsgründe
2. Beweisbarkeit des Rechtsfehlers (§§ 273 ff. StPO)
3. Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler
4. Rügeverlust (Revisibilität)
Revision (Begründetheit): Verfahrenshindernisse
Was sind Verfahrenshindernisse?
1. Strafunmündigkeit des Angeklagten
2. Sachliche Unzuständigkeit
3. Fehlende bzw. unwirksame Anklage
4. Fehlender bzw. unwirksamer (und nicht wirksam nachgeholter) Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO)
5. Strafklageverbrauch
6. Anderweitige Rechtshängigkeit
7. Eintritt der Verfolgungsverjährung
8. Fehlender Strafantrage bzw. fehlendes öffentliches Interesse bei Antragsdelikten
9. Dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit und überlange Verfahrensdauer
Sachliche Zuständigkeit
Warum ist nur die sachliche Zuständigkeit ein Verfahrenshindernis? Ist es schädlich, wenn ein Gericht höherer Ordnung entscheidet?
Wonach richtet sich die Zuständigkeit? Inwiefern ist dies aufbautechnisch problematisch?
Während örtliche und funktionelle Zuständigkeit nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (§§ 6a, 16 StPO), muss das Tatgericht die sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen prüfen (§ 6 StPO)
Unzuständiges höheres Gericht: Grundsätzlich nicht fehlerhaft ist (§ 269 StPO); Ausnahme: Willkür
Maßgebend Zuständigkeit nach objektiven Gesichtspunkten, nicht tatrichterliche Entscheidung (Verknüpfung zum materiellen Recht): Bedeutung, wenn etwa nur KV und nicht versuchter Totschlag. Klausuraufbau: entweder inzident prüfen oder nach unten verweisen (letzteres wohl stilvoller)
Fehlende bzw. unwirksame Anklage (§ 200 StPO)
Welche Funktionen hat die Anklage und welche Folgen hat eine Verletzung? Was passiert, wenn Angeklagter wegen Taten verurteilt wird, die nicht in Anklage enthalten sind?
Umgrenzungsfunktion: Tat nicht derart konkretisiert ist, dass der Angeklagte gegenüber anderen Geschehnissen unverwechselbar ist. Die Schilderung muss dabei umso konkreter sein, je größer die Möglichkeit ist, dass der Angeschuldigte unverwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat.
Informationsfunktion (z. B. Fehlen der anzuwendenden Strafvorschriften, der Tatbestandsmerkmale): Führt nicht zur Unwirksamkeit
Tat in Anklage nicht enthalten: Verfahrenshindernis (+). Für die Frage, ob eine Tat Gegenstand der Anklage ist, ist entscheidend, ob sich der Verfolgungswille der StA auf die jeweilige Tat bezieht. Dies aus durch Auslegung der Anklageschrift „aus sich heraus“ zu bestimmen. Nicht ausreichend ist es, wenn ein Geschehen zwar im konkreten Anklagesatz geschildert wird, der abstrakte Anklagesatz aber keine Anklage dieser Tat enthält.
Fehlender bzw. unwirksamer (und nicht wirksam nachgeholter) Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO)
Kann das Gericht Vordrucke zur Eröffnung des Hauptverfahrens verwenden?
Muss der Eröffnungsbeschluss unterzeichnet sein?
Ist ein Eröffnungsbeschluss wirksam, wenn er in reduzierter Strafkammerbesetzung beschlossen wird?
Schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulasse, ausreichend. Verwendung von Formularen/Vordrucken zulässig, wenn diese in Verbindung mit anderen Urkunden oder Aktenbestandteilen eindeutig erkennen lassen, dass der zuständige Richter das Hauptverfahren eröffnen möchte.
Eröffnungsbeschluss muss schriftlich abgefasst werden und ist zu unterzeichnen. Im Einklang mit § 275 Abs. 2 S. 1 StPO genügt aber ein individueller Schriftzug, der charakteristische Merkmale Aufweist und ein Mindestmaß an Ähnlichkeit zu der ursprünglichen Schrift enthält. Unterschrift muss aber nicht leserlich sein.
Erfolgt die Beschlussfassung in der Hauptverhandlung in der gem. § 76 Abs. 2 S. 4 GVG reduzierten Strafkammerbesetzung, liegt kein wirksamer Eröffnungsbeschluss mit, auch dann nicht, wenn die Schöffen hieran mitwirken. Die Große Strafkammer entscheidet nach § 199 Abs. 1 StPO außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Richtern (§ 76 Abs. 1 S. 1 GVG) ohne Schöffen (§ 76 Abs. 1 S. 2 GVG)
Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen
Wie ist die Prüfung von Verfahrensrügen aufzubauen?
Rechtsfehler (§ 337 Abs. 2, 1 StPO)
Beweisbarkeit des Rechtsfehler (§§ 273 ff. StPO)
Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler
a) § 338 Nr. 1–7 StPO (Beruhen anzunehmen)
b) §§ 337, 338 Nr. 8 StPO (Beruhen stets zu prüfen)
Keine Rügeverlust
Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Absolute Revisionsgründe)
Vorschriftswidrige Besetzung (§ 338 Nr. 1 StPO)
Welchen Sinn und Zweck hat § 338 Nr. 1 StPO?
Garantie des Rechts des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG)
Sind taube und schlafende Richter erfasst?
Was ist bei der gesetzlichen Rügepräklusion zu prüfen?
Können Schöffen von der Dienstleistung an Sitzungstagen entbunden werden?
In welcher Besetzung ist beim Schwurgericht zu entscheiden?
Ja: abwesender, blinder, tauber oder schlafender Richter und Schöffen, sofern sie während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung abwesend sind
Gesetzliche Rügepräklusion (§ 222b, § 338 Nr. 1 Hs. 2 StPO) beachten: Mitteilung der Besetzung ist nach § 222a StPO bei HV im ersten Rechtszug vor dem LG vorgeschrieben: In diesem Fall muss ein Besetzungseinwand erhoben werden. Beachte, dass die Rügepräklusion nicht für auf Mängel gestützte Besetzungsrüge, die sich aus der Person des Richters ergeben (Blindheit, Taubheit, Schlafen) bzw. die sich erst in der Hauptverhandlung ergeben gilt.
Entbindung des Schöffen auf Antrag nach § 54 GVG möglich. Ein Hinderungsgrund liegt vor, wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Anwesenheit nicht zugemutet werden kann. Über die Anerkennung einer Verhinderung entscheidet der berufene Richter nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Entscheidung ist aktenkundig zu machen (§ 54 Abs. 3 S. 2 GVG)
Schwurgericht: Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen (§ 76 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GVG)
Ausgeschlossener Richter oder Schöffe (§ 338 Nr. 2 StPO)
Sinn und Zweck?
Was sind typische gesetzliche Ausschlussgründe?
Wie erfolgt der Beweis?
Sinn und Zweck: Garantie des Rechts des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG); gilt nicht bei Ausschluss Protokollführer
Gesetzlicher Ausschluss nach §§ 22, 23 StPO sowie § 148a Abs. 2 S. 1 StPO (Überwachungsmaßnahmen), z. B. Richter in der Sache bereits als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig war (§ 22 Nr. 4 StPO) oder Vernehmung Richter als Zeuge oder Sachverständiger (§ 22 Nr. 5 StPO).
Beweis der Anwesenheit oder Nichtanwesenheit durch Sitzungsprotokoll (§§ 273, 274 StPO)
Abgelehnter Richter oder Schöffe wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 338 Nr. 3 StPO)
Worum handelt es sich methodisch bei § 338 Nr. 3 StPO?
Nachgeholte sofortige Beschwerde: Es kommt darauf an, ob ein Ablehnungsgesuch zulässig und begründet gewesen ist, denn in diesem Fall wäre es „,mit Unrecht verworfen“. Die Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuch ist in § 26a Abs. 1 StPO geregelt, Begründetheit in § 24 Abs. 2 StPO.
Befangenheit (+), wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, welche seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann
Verhandlungsführung: Befangenheit (+), wenn Richter in grob unsachlicher Weise seinen Unmut zum Ausdruck bringt, den Angeklagten bedrängt, auszusagen oder ein Geständnis abzulegen, sonstige unangemessen oder ehrverletzende Behandlung; (–) bei situationsangemessen, mit Nachdruck versehender klarer Sprache
Grundsatz des § 261 StPO: Befangenheit (–) mit Argumentation, Richter habe Zeugenaussage falsch gewürdigt, denn nach Rekonstruktionsverbot sind keine Rügen erlaubt, die eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme voraussetzen
Nenne Beispiele!
Willkürliche Ablehnung eines Terminverlegungsantrags
Zurückweisung einer beantragten Entpflichtung des Rechtsanwalts (bei Interessenskonflikten in Kanzlei)
Zurückweisung von Gesprächen von Verteidigern mit Mitangeklagten
Befragung eines Außenstehenden durch den Richter im Vorfeld der Hauptverhandlung zu den Strafmaßvorstellungen des Angeklagten (bereits Schuldunterstellung)
Versenden privater SMS während Hauptverhandlung (kein uneingeschränktes Interesse an Kernbereich richterlicher Tätigkeit)
Übergehen einer Selbstablehnung, Richterin Frau des Nebenklagevertreters, Äußerungen in Internetforen (Richter hat T-Shirt mit Aufdruck: „Alle Verbrecher gehören in den Knast“ → Besorgnis, dass Interesse an hohen Strafen besteht)
Unzuständigkeit des Gerichts (§ 338 Nr. 4 StPO)
Wie unterscheidet sich § 338 Nr. 4 StPO von § 339 Nr. 1 StPO?
Welche Zuständigkeiten betrifft § 338 Nr. 4 StPO?
Wann ist die Rüge präkludiert?
Rüge betrifft Spruchkörper als Ganzen (anders § 338 Nr. 1 StPO: einzelner Richter)
Örtliche (§§ 7 ff. StPO), sachliche (§§ 24, 25, 28, 74 Abs. 1, 120 GVG, §§ 39 ff. JGG) und funktionelle Zuständigkeit (§§ 74 Abs. 2, 74a ff. StPO); sachliche Zuständigkeit wird aber bereits jederzeit von Amts wegen geprüft und ist insofern bereits Verfahrenshindernis
Präklusion: bei funktioneller (§ 6a S. 3 StPO) und örtlicher (§ 16 Abs. 1 S. 3 StPO) Rüge nach Vernehmung in Hauptverhandlung präkludiert! Soweit Angeklagter Gelegenheit zur Sacheinlassung hatte, Rüge (–)
Vorschriftswidrige Abwesenheit (§ 338 Nr. 5 StPO)
Die Anwesenheit welcher Personen schreiben das Gesetz vor?
Angeklagter: § 230 StPO
Richter: Während der gesamten Hauptverhandlung muss derselbe (anders bei StA) Richter anwesend sein (§ 226 Abs. 1 StPO)
Staatsanwaltschaft (§ 226 StPO): Ausreichend, dass ein Staatsanwalt anwesend ist, es muss nicht derselben sein; bei mehreren Hauptverhandlungen dürfen diese wechseln; Abwesenheit StA auch (+), wenn sachlich unzuständiger Vertreter (§§ 142 ff. GVG), etwa wenn Sitzungsvertreter nicht von Behördenleitung bestimmt, sondern auf Bitten des Vorsitzenden das Amt übernimmt
Urkundsbeamter (§ 226 StPO): Strafrichter kann von seiner Teilnahme absehen (§ 226 Abs. 1, 2 StPO)
Dolmetscher (§ 185 Abs. 1 S. 1 GVG): Gerichtssprache ist deutsch (§ 184 S. 1 GVG); Gericht stellt einen solchen (§ 187 Abs. 1 GVG)
Notwendiger Verteidiger (§ 140 StPO):
In welchem Fall muss ein Angeklagter nicht in der Hauptverhandlung anwesend sein?
In welchem Zeitraum gilt § 247 ZPO?
Auf welchen Teil der Hauptverhandlung muss sich die fehlende Anwesenheit beziehen? Was gehört insbesondere dazu, was nicht?
Eigenmächtiges Entfernen (§ 231 Abs. 2 ZPO) und Entfernung bei Vernehmung von Zeugen (§ 247 ZPO)
Nur Zeugenvernehmung, nicht etwa Verlesung von Urkunden oder Inaugenscheinnahme; aber: Heilung möglich, wenn Angeklagter anschließend unterrichtet wird (§ 247 S. 4 StPO) und ihm die Urkunde auch verlesen wird/er das Objekt auch in Augenschein nehmen darf! Ferner wichtig: § 247 StPO ist eng auszulegen: nicht umfasst ist die Vereidigung und Entlassung (Beispiel: Verstoß [+], wenn Zeugin in Abwesenheit vernommen und entlassen wird)
Wesentlicher Teil der Hauptverhandlung: Dazu gehören insbesondere Vernehmung Angeklagter, Verlesung Anklagesatz, Beweisaufnahme, Schlussvorträge und Verlesung Urteilsformel; kein wesentlicher Teil Ablehnungsverfahren nach §§ 24 ff. StPO, Aufruf von Zeugen und Sachverständigen, Belehrung nach § 57 StPO, Feststellung Identität und Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, mündliche Eröffnung der Urteilsgründe und die Verkündung von Beschlüssen nach § 268a StPO. So ist es etwa nicht ausreichend, wenn Verteidiger nach Verlesung der Urteilsformel den Sitzungssaal verlässt.
Verletzung der Öffentlichkeitsvorschriften (§ 338 Nr. 6 StPO)
Nach welchen Vorschriften richtet sich die Öffentlichkeit?
Inwiefern ergeben sich Beschränkungen der Öffentlichkeit?
Wonach richtet sich das Verfahren?
Ist ein Verschulden des Gerichts erforderlich? Wann gehlt ein solches?
Vorschriften: §§ 169 ff. GVG, § 48 JGG
Kapazitätsgrenzen von Sitzungssälen und privates Hausreich als Beschränkung erlaubt; Verletzung der Öffentlichkeit aber (+), wenn bewusste Verlegung in kleinen Saal; wohl auch (+), wenn Sitzungsplan nicht ausgehangen wird [ggf. aber Verschulden [–])
Verfahren: § 174 GVG; bei Verstoß: Verletzung der Öffentlichkeit (+)
Verschulden des Gerichts notwendig (z. B. [–], wenn elektronische Tafel, auf der Öffentlichkeit angekündigt wird, ausfällt); Zurechnung Verschulden untergeordneter Bediensteter (–), aber ggf. eigenes Aufsichtsverschulden)
Fehlende/Verspätete Urteilsbegründung (§ 338 Nr. 7 StPO)
Welche Frist gilt?
Welche Qualität müssen die Urteilsgründe haben?
Fünf Wochen nach Urteilsverkündung (§ 275 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 StPO); Verlängerung bei längerer Hauptverhandlung (§ 275 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO)
Qualität der Urteilsgründe unbeachtlich: Selbst dürftige, lückenhafte und widersprüchliche Texte reichen aus (insofern aber Sachrüge zulässig)
Unzulässige Verteidigungsbeschränkung (§ 338 Nr. 8 StPO)
Wieso geht man auch davon aus, hierbei handele es sich um einen relativen Revisionsgrund?
Wann liegt eine unzulässige Verteidungsbeschränkung vor? Nenne Beispiele!
Systematik: „für die Entscheidung wesentlicher Punkt“ ist letztlich eine Frage des Beruhens, demnach wird überwiegend davon ausgegangen, es handele sich um einen relativen Revisionsgrund → so wohl auch besser in Klausur
Unzulässigkeit der Verteidigungsbeschränkung: Verletzung der Grundsätze fairen Verfahrens und Fürsorgepflicht des Gerichts; Beispiele: ungenügende Akteneinsicht, ungenügende Rücksichtnahme auf Verhinderung Verteidigung, Beschränkung Fragerecht, Zuweisung ungenügender Sitzplatz
Revision (Begründetheit): Verfahrensrügen (Relative Revisionsgründe)
Nenne wichtige Verfahrensfehler!
Überschreitung der Unterbrechungsfristen (§ 229 StPO)
Nicht ordnungsgemäßer Gang der Hauptverhandlung nach § 243 StPO (Erstreckung der Vernehmung über persönliche Verhältnisse [Abs. 2 S. 2] auf Vortrafen oder die „Sache“, die fehlende Verlesung des Anklagesatzes [Abs. 3 S. 1], fehlender Hinweis auf Schweigerecht [Abs. 4 S. 1]
Nichtgewährung oder unzulässige Beschränkung der Schlussvorträge und des letzten Worts der Angeklagten (§ 258 StPO)
Beratung (§ 260 Abs. 1 StPO): Findet nicht statt oder nicht in § 193 GVG genannte Personen (z. B. Urkundsbeamte) nehmen teil
Verkündung Urteil nach Ablauf der Frist des § 268 Abs. 3 StPO
Gericht hat seine Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpft (§ 261 StPO) (Rüge, das Gericht habe seine Überzeugung aus Beweisen geschöpft, die in der Hauptverhandlung nicht erhoben worden sind)
Verfahrenshandlungen vor der Hauptverhandlung
Was sind typische Fehler?
Wie wird ein solcher Verfahrensfehler bewiesen?
Verletzung § 146a StGB (fehlerhafter Wahlverteidiger), unterlassene Ladung des Verteidigers (§ 218 StPO), Versäumnis der nach § 224 StPO erforderlichen Mitteilungen, Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot aus Handlungen im Ermittlungsverfahren, also z. B. Belehrung nach § 55 Abs. 2 und § 136 StPO, Verstoß gegen Richtervorbehalt § 81a Abs. 2 StPO, Verstoß gegen § 252 StPO
Freibeweisverfahren. Soweit etwa nicht bewiesen werden kann, ob eine verbotene Verhörmethode stattgefunden hat, liegt ein Beweisverwertungsverbot nicht; insoweit greift der Grundsatz „in dubeo pro reo“ nicht.
Fehlerhafte Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung
Nenne typische Fehler!
Zu weitreichende Vernehmung zu den persönlichen Verhältnissen (§ 243 Abs. 2 S. 1 StPO)
Keine oder verspätete Verlesung des Anlagesatzes (§ 243 Abs. 3 S. 1 StPO)
Kein Hinweis auf Verständigung (§ 243 Abs. 4 StPO): Prüfung § 257c StPO. (Rechtsfehler insbesondere „Sanktionsschere“ (Gericht stellt Strafe für den Fall in Aussicht, dass Angeklagter Geständnis ablegt und andererseits kein Geständnis ablegt) und fehlende Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO (Verletzung Recht auf ein faires Verfahren und Selbstbelastungsfreiheit)
Vernehmung des Angeklagten: Hinweispflicht (§ 243 Abs. 5 S. 1 StPO): Verfahrensfehler (+), aber beruhen (–), sofern Angeklagter seine Rechte kannte. Rechtsfehler (+), wenn sich nur Verteidiger zur Sache äußert und der Angeklagte diese Äußerung nicht zu seiner Einlassung macht, das Gericht die Aussage aber als Angabe des Angeklagten bezeichnet und würdigt
Verkennung des richtigen Beweismittels
Fehler beim Zeugenbeweis (§§ 48 ff. StPO)
Fehler beim Sachverständigenbeweis (§§ 72 ff. StPO)
Fehler beim richterlichen Augenschein (§§ 72 ff. StPO)
Fehler beim Urkundenbeweis (§§ 249 ff. StPO)
Fehler beim Hinzuziehung eines Dolmetschers (§§ 249 ff. StPO): Vereidigung (vorbehaltlich § 190 GVG) zwingend (§ 189 GVG), Versäumnis kann nicht geheilt werden
Verletzung der Amtsaufklärungspflicht („Aufklärungsrüge“) (§ 244 Abs. 2 StPO)
Verletzung des Beweisantragrechts (§ 244 StPO)
Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpft (§ 261 StPO)
Nichtaussetzung oder Nichtunterbrechung der Verhandlung
Verletzung der Fürsorgepflicht und der Verfahrensfairness
Verletzung von Mitwirkungsrechten
Fehler bei der Urteilsverkündung
Verkennung des richtigen Beweismittels: Welche drei Fehler sind denkbar?
Falsches Beweisverfahren: Urteilsgründe beruhen auf Inhalt eines Telefongesprächs zwischen Richter und Zeuge über beweiserhebliche Umstände (Freibeweis statt Strengbeweis)
Falsches Beweismittel: z. B. Urkunde wird nicht durch Verlesung, sondern richterlichen Augenscheins in Hauptverhandlung eingeführt
Kein Beweis: Urteilsgründe berichten über etwas, worüber kein Beweis erhoben wurde
Was sind mögliche Fehler, an die man denken kann?
Fehlende Zustimmung (§ 52 Abs. 2 StPO) oder Belehrung (§ 52 Abs. 3 S. 1 StPO): Verlesungs- und Verwertungsverbot; Ausnahme: Zeuge kannte sein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses.
Keine Belehrungspflicht bei Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO), aber revisionsrechtliche Rüge möglich bei unrichtiger Entbindung von der Schweigepflicht (§ 52 Abs. 2 S. 1 StPO)
Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO): Rüge Angeklagter (–), weil Rechtskreis nicht betroffen. Rüge StA (–), weil Gebot der Sachaufklärung bei unterlassener Belehrung nicht berührt; möglicherweise aber Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, wenn Gericht unrichtige Verweigerung des Zeugnisses hingenommen hat oder der Zeuge nach unrichtiger Belehrung das Zeugnis verweigert
Zeugenbelehrung (§ 57 StPO): bloße Ordnungsvorschrift zum Schutz des Zeugen, Revision (–)
Einzelvernehmung von Zeugen (§ 58 StPO): bloße Ordnungsvorschrift, Revision (–)
Keine Verwertung bei späterer Zeugnisverweigerung (§ 252 StPO)
Verfahrensfehler bei Aufzeichnung einer Vernehmung in Bild- und Ton (§§ 58a, 247a, 255a StPO): Sinn: schutzbedürftige Zeugen sollen vor belastenden Vernehmungen geschützt werden; § 247a StPO = Ausnahmeregelung zu § 250 S. StPO: enge Auslegung von § 247a StPO
Wie werden Urkunden in die Hauptverhandlung eingeführt?
Gib es ein Selbstleseverfahren?
Was besagt der Grundsatz des Vorrangs des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis? Gibt es Ausnahmen?
Was ist bei § 251 Abs. 2 StPO zu beachten?
Wie sind Fehler zu beweisen?
Einführung in Hauptverhandlung durch Verlesung (§ 249 Abs. 1 S. 1 StPO); Rechtsfehler (+), wenn Inhalt einer Urkunde im Urteil wiedergegeben wird, ohne dass dieser eingeführt wurde
Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) möglich → Rüge nur möglich, wenn Widerspruch erhoben und Gerichtsbeschluss erlassen (S. 2)
Grundsatz des Vorrangs der Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis (§ 250 StPO): Greift nur für Ersetzung, nicht aber für Ergänzung des Personalbeweises im Wege des Urkundbeweises; Rechtsfehler (–), wenn Verlesung weder ganz oder teilweise an die Stelle der Vernehmung treten soll; gleiches gilt für Bild-Ton-Aufzeichnung, die einer Niederschrift der Zeugenvernehmung gleichzusetzen sind (Tatrichter darf daher Zeugen auch Bild-Ton-Aufzeichnung bei Vernehmung vorhalten); Ausnahmen: §§ 251, 253, 254, 256
§ 251 Abs. 2 StPO (Verlesung richterlicher Protokolle): nur bei ordnungsgemäßer Errichtung der Niederschrift zulässig, wozu insbesondere Benachrichtigung Verteidiger gehört (§ 168c Abs. 5 StPO); ein mangelhaftes Protokoll kann aber nach richterlichem Hinweis (§ 265 StPO) mit milderer Beweiskraft als nichtrichterliches Protokoll nach § 251 Abs. 1 StPO verlesen werden
Wesentliche Förmlichkeit: Beweiskraft des Protokolls (§§ 273, 274 StPO); denkbar z. B., dass Kenntnisnahme der Schöffen nach § 249 Abs. 2 S. 3 StPO nicht dokumentiert wird (negative Beweiskraft)
Woran ist zu denken, wenn eine Verletzung des Beweisantragsrechts nicht vorliegt?
Wann liegt eine Verletzung eines Beweisantragrechts vor?
Was muss in einem wirksamen Beweisantrag angegeben werden?
Wie entscheidet das Gericht über Ablehnung eines Beweisantrags? Darf der Vorsitzende allein entscheiden?
Was ist eine unzulässige Erhebung des Beweises im Sinne von § 244 Abs. 3 S. 2 StPO?
Wo ist geregelt, wann Beweisantrag abgelehnt werden darf?
Verletzung Amtsaufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO)
Verletzung Beweisantragsrecht (+), wenn ein Beweisantrag nicht beschieden wird oder die angeordnete Beweiserhebung nicht durchgeführt wurde; häufig Verletzung (+), weil Ablehnungsgründe fehlerhaft angewendet
Angabe einer bestimmten Beweistatsache: Ausreichend sind Tatsachen, die lediglich vermutet werden; (–) bei gewünschten Schlussfolgerungen (nur Beweisziel). Bei inneren Tatsachen ebenfalls (–), aber Beweisantrag kann ausgelegt werden.
Ablehnung: Abschließende Gründe in § 244 Abs. 3 S. 2 f., Abs. 4–5, § 245 Abs. 2 StPO. Bei § 244 Abs. 3 S. 2 StPO einzige Pflicht zur Ablehnung, ansonsten im Ermessen („darf“); Entscheidung durch Beschluss in der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO) oder in den Urteilsgründen (§ 244 Abs. 6 S. 4 StPO); ablehnende Entscheidung allein durch Vorsitzenden ist rechtsfehlerhaft
Unzulässig, wenn das Begehren auf nicht zulässige Beweismittel gerichtet ist oder die beantragte Beweiserhebung über Beweisthemen stattfinden soll, die nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sein dürfen, z. B. Inhalt der Aussage eines Zeugen in der Hauptverhandlung, sonstige Wahrnehmungen der Verfahrensbeteiligten sowie das Beratungsgeheimnis; Zulässig ist aber die Nennung von Zeugen, die zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind, weil diese darauf auch verzichten können
Beispiel: StA beantragt, den im Zuschauerraum befindlichen Referendar darüber zum Beweis zu vernehmen, dass der Zeuge Maier im Hauptverhandlungstermin das Gegenteil von dem bekundet hat als am heutigen Tag.
§ 244 Abs. 3 S. 3 StPO (näher dazu Skript und Kommentar)
Nenne Beispiele
Wann liegt ein Rechtsfehler vor?
Wird die Rüge Erfolg haben, ein eingeführtes Beweismittel sei im Urteil nicht genügend ausgeschöpft?
Verwertung Zeugenaussagen eines nicht vernommenen Zeugen; Verwertung Erkenntnisse außerhalb Hauptverhandlung
Rechtsfehler (+), wenn Erkenntnisse nicht in ordnungsgemäßer Weise zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden sind; Vergleichen der im Urteil angeführten Beweismittel mit denen aus Protokoll oder wenn Urteilsgründe sich auf ein nicht stattgefundenes Ereignis stützen, z. B. auf eine Einlassung, die sich aus Protokoll nicht ergibt
in der Regel (–), weil Sache des Tatrichters, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (Rekonstruktionsverbot)
In welchen Fällen besteht ein Anspruch auf Aussetzung der Verhandlung?
Wie kann in diesem Zusammenhang ein Verfahrensfehler vorliegen?
Nichteinhaltung der Ladungsfrist (§ 217 Abs. 2 StPO, für Verteidiger § 218 StPO); späte Namhaftmachung Zeuge oder Sachverständiger (§ 246 Abs. 2 StPO); neue straferschwerende Umstände (§ 265 Abs. 3 StPO)
Verfahrensfehler: Für Aussetzung Gerichtsbeschluss erforderlich (§ 228 Abs. 1 StPO); bei Unterbrechung kann Frist des § 229 StPO überschritten werden
Kein Hinweis auf die Veränderung rechtlicher Gesichtspunkte oder Sachlage (§ 265 Abs. 1 und 2 StPO): Angeklagter muss Verteidigung darauf einstellen können, daher etwa Hinweis auf Tatvarianten, Mordmerkmale bei Anklage Totschlag und Übergang zum Mord, bei Austausch von Teilnehmern und Tätern
Nach § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO treffen das Gericht etwa Hinweispflichten auf eine geänderte Sachlage bei einer wesentlichen Veränderung des Tatbildes, wie Tatzeit, Tatort, Tatobjekt, Tatrichtung oder bei Konkretisierung einer ungenauen Fassung des Anklagesatzes. Es liegt aber kein Verstoß gegen § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO vor, wenn das Gericht seine Beweiswürdigung nicht offenlegt und sich nicht zum Inhalt einzelner Beweismittel erklärt, z. B. wenn nicht offengelegt wird, dass es an der Glaubwürdigkeit einer Zeugin nicht zweifelt, obwohl diese in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt hat.
Klausurhinweis: Vergleich der §§ in Anklageschrift und im Urteil; beachte aber, dass Hinweis im Bearbeitervermerk fingiert werden kann
Auf welche Art und Weise könnte Mitwirkungsrechte verletzt sein?
Erklärungsrecht (§ 257 StPO); sofern Angeklagter zumindest am Ende einmal (nicht nach jeder einzelnen Beweiserhebung) die Abgabe von Erklärungen gestattet, wird beruhen i. d. r. (–) sein; ferner: wohl ohnehin nur Ordnungsvorschrift, keine Revision möglich
Beschränkung und Entzug Fragerecht (§§ 239 ff. StPO)
Verletzung des Rechts zum Schlussvortrag und letzten Wort des Angeklagten (§ 258 StPO): Wiedereintritt in die Verhandlung eröffnet erneute Befugnis zum Schlussvortrag und letzten Wortes
Wonach richten sich Fehler bei der Beratung?
Welche Personen sind zugelassen? Wo steht das?
Kann nach Verkündung des Urteils erneut in die Verhandlung eingetreten werden?
Welche Frist zur Urteilsverkündung gilt?
Fehlende Beratung (§§ 192 ff. GVG, § 260 Abs 1 StPO) oder Abstimmung (§§ 192 ff. GVG, § 263 StPO) vor der Verkündung des Urteils; Qualität der Beratung aber wegen Beratungsgeheimnisses (§ 43 DRiG) nicht revisibel; beachte, dass nach einer schon erfolgten Beratung nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung erneut beraten werden muss (bei einfachen Fragestellungen aber kurze Verständigung ausreichend)
Anwesenheit nicht zugelassener Personen bei der Beratung (§ 193 GVG)
Eintritt in die Hauptverhandlung und erneute Verkündung eines Urteils: Mit mündlicher Bekanntgabe Urteilsformel und Urteilsgründen ist das Urteil bereits ergangen, kein Wiedereintritt mehr möglich
Frist zur Urteilsverkündung (§ 268 Abs. 3 StPO): Zwei Wochen nach Schluss der Verhandlung
Beweisbarkeit des Rechtfehlers (§§ 273 ff. StPO)
Was ist positive Beweiskraft des Protokolls?
Was ist die negative Beweiskraft des Protokolls?
Was sind wesentliche Förmlichkeiten?
Kann das Protokoll nachträglich berichtigt werden?
Wann entfällt die Beweiskraft des Protokolls?
Positive Beweiskraft des Protokolls: im Protokoll beurkundete Förmlichkeiten gelten als geschehen, selbst wenn sie nicht stattgefunden haben[1]
Negative Beweiskraft des Protokolls: Was nicht beurkundet wurde, gilt als nicht geschehen (unabhängig davon, ob es tatsächlich geschehen ist)
Wesentliche Förmlichkeiten (dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 273 Rn. 6 ff.), die für die Gesetzmäßigkeit des anhängigen Verfahrens von Bedeutung sind und deren Unterlassung, Nichtbeachtung oder fehlerhafte Behandlung eine Verfahrensrüge gegen das auf die Hauptverhandlung ergehende Urteil begründen können.
Nachträgliche Protokollberichtigung: Zulässig, wenn beide Urkundspersonen (Vorsitzender und Urkundsbeamter) übereinstimmen, dass Protokoll unrichtig ist (sichere Erinnerung notwendig, nicht ausreichend, dass Urkundsbeamtin meint, es wäre ihr bestimmt aufgefallen, wenn Angeklagter nicht das letzte Wort gehabt hätte). Auch bei „rügeverkümmernder“ Wirkung, sofern zusätzlich die Gewährung rechtlichen Gehörs an den Revisionsführer und die Begründung des Protokollberichtigungsbeschlusses erfolgt
Meinungsverschiedenheiten zwischen Urkundsbeamten; Urkundsperson erklärt Inhalt für unrichtig; Offensichtliche Widersprüche, Lücken, Unklarheiten (mangelhaftes Protokoll): Offensichtlich (+), wenn ein protokollierter Vorgang beweis, dass ein anderer geschehen ist, über den das Protokoll schweigt (z. B. Nichtverlesung des Anklagesatzes [negative Beweiskraft] und Gelegenheit des Angeklagten, sich nach Verlesung zur Anklage zu äußern)
Revision (Begründetheit): Sachrüge
Kann die Beweiswürdigung überprüft werden?
Beweiswürdigung grundsätzlich „Domäne des Tatrichters“ (§ 261 StPO) nur eingeschränkt vom Revisionsgericht überprüfbar. Beweiswürdigung muss nur nachvollziehbar sein. Eigene Ausführungen zur Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen sind fehl am Platze, ebenso die Behauptung, der Inhalt einer Zeugenaussage sei im Urteil falsch wiedergegeben.
Beispiel: Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage wird in Frage gestellt, weil Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und diese nicht anzweifelt (Verbot, dass Schweigen nicht zum Nachteil verwertet werden darf); bei Aussage gegen Aussagen sind besondere Ausführungen des Gerichts erforderlich, weshalb es einer belastenden Aussage mehr Glauben schenkt.
Was sind häufige Fehler im Rahmen der Strafzumessung?
Verkennung des richtigen Strafrahmens (etwa einer Strafrahmenverschiebung bei vertypten und allgemeinen Milderungsgründen) und die fehlerhafte Begründung der konkreten Strafhöhe (etwa unter Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB oder durch Zugrundelegung unzulässiger oder Missachtung naheliegender zu Gunsten des Angeklagten sprechender Strafzumessungstatsachen).
Unterlassene oder falsche Gesamtstrafenbildung (§ 54 Abs. 2, § 55 StGB; beachte insoweit, dass bereits ein Verstoß vorliegt, wenn die Summe erreicht wird, sie muss nicht überschritten sein
Rechtswidrige Aussetzung/Nichtaussetzung der Bewährung (§ 56 StGB)
Verkennung der Voraussetzungen für Maßregeln der Sicherung und Besserung.
Bei Revision gegen Berufungsurteil Verschlechterungsverbot aus § 331 StPO beachten
Gesamtstrafenbildung
Beispiel: A wird verurteilt: Urkundenfälschung zu Freiheitsstrafe von 8 Monate und Unterschlagung 210 Tagessätzen zu je 50 EUR
I. Grundsatz: §§ 53, 54 StGB
Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe (§ 54 Abs. 1 S. 2 StGB)
Mehrere zeitige Freiheitsstrafen/Geldstrafen: Gesamtstrafenbildung (§ 53 StGB)
Trifft Freiheitsstafe mit selbständiger Geldstrafe zusammen: § 53 Abs. 2 S. 1 StGB; gesondere Festsetzung möglich (§ 53 Abs. 2 S. 2 StPO)
II. Beispiel
Höchsttrafe: 8 Monate + 210 Tagessätze (7 Monate [§ 54 Abs. 3 StGB]) = 15 Monate abzüglich einem Monat (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB)
Mindestsstrafe: 8 Monate + Erhöhung eine Woche (§ 54 Abs. 1 S. 2, § 39 StGB)
Höchststrafe: 15 Monate abzüglich einem Monat (§ 54 Abs. 2 S. 1, § 39 StGB): 14 Monate
Beispiel 1: 16.06.2014 Nötigung, 15.08.2014 Diebstahl, 12.01.2015 Verurteilung wegen Diebstahls zu 40 Tagessätzen a 30 EUR. Urteil ist rechtskräftig und Strafe nicht erledigt. Am 12.06.2015 soll Urteil über Nötigung zu 50 Tagessätzen a 30 EUR verhängt werden.
Beispiel 2: 16.06.2014 Nötigung, 15.07.2014 Urkundenfälschung, 15.08.2014 Diebstahl, 12.01.2015 Verurteilung wegen Urkundenfälschung und Diebstahls zu 60 Tagessätzen a 30 EUR (40 Tagessätze für Diebstahl, 30 für Urkundenfälschung, Gesamtstrafe 60 Tagessätze). Urteil ist rechtskräftig und Strafe nicht erledigt. Am 12.06.2015 soll Urteil über Nötigung zu 50 Tagessätzen a 30 EUR verhängt werden.
Beispiel 3: Wie Beispiel 1, aber A hat die Strafe bezahlt (40 TS a 30 EUR).
Beispiel 4: Wie Beispiel 1, aber Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, so dass nunmehr 90 EUR/Tagessatz
Voraussetzungen der nachträgliche Gesamtsstrafenbildung (§ 55 StGB)
Abzuurteilende Tat muss vor der früheren Verurteilung begangen worden sein
Frühere Verurteilung muss rechtskräftig sein
Frühere Strafe darf noch nicht vollständig erledigt haben (“vollstreckt, verjährt oder erlassen”/bei Geldstrafe gezahlt)
Beispiel 1:
Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe: 50 Tagessätze + 1 = 51 Tagessätze
Verminderung der höchsten Strafte: 89 Tagessätze
Typische Gesamtstrafe: 70 Tagessätze a 30 EUR
Beispiel 2:
Gesamtstrafebildung unter Auflösung der damaligen Gesamtstrafe
Einzelstrafen: 30 TS + 40 TS + 50 TS
Mindesstrafe: 51 TS
Höchststrafe: 119 TS
Typische Gesamtstrafe: 85 Tagessätze a 30 EUR
Beispiel 3:
Grundsatz: Keine Gesamtstrafenbildung, da Voraussetzung ist, dass 1. Urteil noch nicht vollstreckt ist. Aber: Es wäre unbillig, dem Angeklagten die Vorteile der Gesamtstrafenbildung vorzuenthalten, nur weil eine frühere Strafe bereits vollstreckt wurde. Deswegen ist ein Härteausgleich vorzunehmen.
Normale Ausrechnung der nachträglichen Gesamtstrafe: Hier 70 Tagessätze (siehe oben)
Härteausgleich: 30 Tagessätze muss A noch bezahlen.
Beispiel 4:
Einzelstrafen: 40 Tagessätze a 30 EUR + 50 Tagessätze a 90 EUR = 5.700 EUR (Summe der Einzelwerte) = Obergrenze
70 Tagessätze a 90 EUR = 6.300 EUR, aber Summe der Einzelwerte darf nicht überschritten werden (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB)
Mindeststrafe: 70 Tagessätze a 30 EUR = 2.100 EUR (aber: keine Erhöhung § 54 Abs. 1 S. 2 StGB): Verwirkte höchste Strafe 50 Tagessätze a 90 EUR = 4.500 EUR
Praxis: 5.700 EUR/70 Tagessätze = 81 EUR; 70 Tagessätze a 81 EUR = 5.670 EUR
Doppelverwertungsverbot bei Totschlag und Absicht (§ 46 Abs. 3 StGB)
Fall: A wurde wegen Totschlags verurteilt. Das Gericht berücksichtigt im Rahmen der Strafzumessung, dass A seine Ehefrau abzüglich getötet hat.
Kein Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB), weil Absicht nicht die Regel des Totschlags ist; insofern kann es durchaus strafschärfend berücksichtigt werden, wenn jemand absichtlich handelt (höherer Vorwurf etwa als bei dolus eventualis) (dazu BGH, Urt. v. 10.01.2018, 2 StR 150/15). Eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht ist nach alledem rechtlich unbedenklich, wenngleich dies nicht zu einer schematischen Betrachtungsweise führen dürfe; das Tatrichter muss je nach den Umständen des Einzelfalles auch die das Handlungsunrecht mildernden Umstände in den Blick nehmen.
Achtung: Bei Tatbeständen, die Absicht voraussetzen, darf natürlich eine Absicht nicht strafschärfend berücksichtigt werden!
Revision (Begründetheit): Zweckmäßigkeit und Anträge
Was ist bei einem amtsgerichtlichen Urteil zu beachten?
Berufung statt Sprungrevision zweckmäßig, wenn zweite Tatsacheninstanz gewünscht. Sprungrevision nur sinnvoll, wenn Verteidiger sicher ist, dass das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben wird und wenn Feststellungen des Urteils für Angeklagten günstig sind.
Was ist zu Bedenken, wenn das Gericht weitere Tatbestände übersehen hat?
Steht Revision nicht entgegen (Verbot der reformatio in peius), Verschlechterung Schuldspruch wäre aber möglich
Was ist zu Bedenken, wenn eine Verurteilung wegen anderer als der verurteilten Taten droht?
Nach Rechtsprechung erfolgt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO eine „Schuldspruchberichtigung“. Revision nur zweckmäßig, wenn Schuldspruch nach anderer Tat geringer. Sofern Herabsetzung der Strafe ausgeschlossen, allenfalls sinnvoll, weil Mandant etwa nicht wegen Betruges, sondern nur wegen Diebstahl verurteilt werden will.
Revisionsanträge
Verfahrenshindernis: Antrag auf Einstellung
„Es wird beantragt, das Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts […] vom [….] Az. […] aufzuheben und das Verfahren einzustellen“
Urteil der Kleinen Strafkammer: Aufhebung beider tatgerichtlicher Urteile
„Es wird beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom […] und der 2. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurts vom […] aufzuheben und das Verfahren einzustellen.“
Aufhebung durch Revisionsgericht nach § 353 Abs. 1 und 2 StPO
„Es wird beantragt, das Urteil der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vom […] Az. […] mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und diese Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.“
Freispruch statt Verurteilung
„Es wird beantragt, das Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vom […] aufzuheben und den Angeklagten freizusprechen. [keine Beantragung der Aufhebung der tatgerichtlichen Feststellungen, weil dies dem Freispruch die Grundlage entziehen würde]
Beschränkung auf Rechtsfolgenausspruch
„Es wird beantragt, das Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurts vom […] Az. […] im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.“
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