Themen:
Diagnostik:
—>Prozess, Methoden, Fehlerquellen, etc.
Diagnosestellung:
—>Hintergründe, DSM, ICD
—>Informationen zum und Änderungen im ICD-11
Diagnostische Prozesse in der Klinischen
Psychologie und Psychotherapie
Was gehört dazu?
▪ Einführung
▪ Diagnostischer Prozess
▪ Diagnostische Methoden
▪ Diagnostische Fehlerquellen
▪ Psychischer Befund
▪ Erfassung körperlicher Beschwerden
▪ Biographische Anamnese
Warum ist Diagnostik wichtig?
▪ Aufgrund Spezifischer pharmakologischer Behandlungsstrategien/ differentielle Indikation (somatische
vs. psychologische Verfahren)/ Kombination
▪ aufgrund Empirisch überprüfte, diagnosebezogene Behandlungsmethoden und -programme
(prognostische Indikation)
▪ aufgrund Verbesserter Klassifikation psychischer Störungen → und der Verbesserung der prognostischen
Validität
▪ aufgrund der Ausdifferenzierung der Angebotslage z.B. Angstambulanzen, Tageskliniken für Essstörungen
▪ wegen der Qualitätssicherung
▪ wegen der Begründungsstruktur (→ Risiken, Nutzen)
Übersicht der Arten der Diagnostik
Welche Arten der Diagnostik gibt es?
▪ klassifikatorische Diagnostik z.B. Diagnostik psychischer Störungen, Zuweisung von ICD-und
DSM-Diagnosen auf den verschiedenen Achsen
▪ dispositionelle Diagnostik z.B. Persönlichkeitsdiagnostik
▪ biographische Diagnostik → Beschreibung der Person und ihrer Vergangenheit
▪ funktionale Diagnostik → Verhaltensanalyse und funktionale Bedingungsanalyse
z.B. Mikroanalyse nach dem SORKC-Modell
▪ Indikationsfragen z.B. Zuordnung von Interventions- und Problemtypen
▪ Verlaufs- und Prozessdiagnostik z.B. Messung von Veränderung der Depressivität im Verlauf
von Interventionen
▪ Erfolgsdiagnostik → Messung, in welchem Ausmaß bestimmte Ziele erreicht wurden
Arten der Diagnostik im psychotherapeutischen Setting
(Pawlik, 2006)
Welche Arten der Diagnostik gibt es im psychotherapeutischen Setting?
▪ Aussagen über den IST-Zustand (→ psychopathologische Merkmale, Zustand,
Statusdiagnostik)
▪ Im Rahmen einer Psychotherapie Einsatz zu verschiedenen Zeitpunkten (Beginn, Verlauf,
Abschluss)
▪ Deskriptive Diagnostik (Beschreibung und Einordnung psychischer Störungen)
▪ Prädiktive/prognostische Diagnostik (Vorhersage Behandlungsverlauf/-ergebnisse)
▪ Dezisionale Diagnostik (Indikation bzw. Kontraindikation einer Psychotherapie)
▪ Explikative/explanatorische Diagnostik (Erklärungsansätze zur Entstehung und
Aufrechterhaltung der psychischen Beschwerden)
Was weißt du zum Dianostischen Prozess?
▪ Vielschichtig, d.h. nicht auf die Zuweisung
einer „klassifikatorischen“ Diagnose (z.B.
Depressive Episode) beschränkt
▪ Hypothesen-generierendes als auch
Hypothesen-prüfendes Verfahren
▪ Alle Untersuchungsmaßnahmen vor,
während und nach einer Therapie gehören
zum diagnostischen Prozess
Welche Kompetenzbausteine braucht man um einen Diagnostischen Prozess durchführen zu können? und wo liegt die Herausfoerdung?
▪ Kenntnis der gültigen diagnostischen Klassifikation psychischer Störungen (ICD, DSM)
▪ Kenntnis psychopathologischer Konzepte und Methoden, um den diagnostischen Befund
erheben und bewerten zu können
▪ Theoretische und praktische Kenntnis der wichtigsten integrativen diagnostischen
Instrumente (diagnostisches Interview)
▪ Wissen um die Inhalts- und Umsetzungsaspekte der Störungs- und biographischen
Anamnese
▪ Diagnostische Gesprächsführungstechniken
Herausforderung: Gleichzeitige Beobachtung, Interview- und Beziehungsgestaltung
Diagnostische Methoden
Welche Diagnostische Methoden gibt es ? Was ist das Ziel / der Anwendungsbereich dieser Diagnostischen Methode?
Multimethodale Diagnostik in der KJP (Kinderundjugendpsychotherapie)
Was wird unter Multimodaler Diagnostik in der KJP verstanden? Was ist das Ziel?
▪ Freier Bericht der Kinder und Jugendlichen teils aber
Berücksichtigung von ggf. eingeschränkter
Verbalisierungsfähigkeit, Ablenkbarkeit, Desinteresse, etc.
▪ Teilstrukturierte/ Strukturierte oder standardisierte Interviews
▪ Fragebögen/ Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen
▪ Interviews/ Tests der Eltern
▪ Interviews/ Tests der Erzieher und Lehrer, freie Berichte,
Schulzeugnisse
▪ Verhaltensbeobachtungen
Ziel ist es ein umfassendes Bild zu generieren. Dabei muss angepasst an Alter, Situation und Symptomatik vorgegangen werden
Welche Diagnostische Fehlerquellen gibt es?
▪ Informationsvarianz, d.h. starke Abhängigkeit vom Gesprächsinhalt und -struktur
▪ Subjekt- bzw. Situationsvarianz, d.h. unterschiedliches Erleben von Symptomen zu
verschiedenen Zeitpunkten und unterschiedliche Darstellung der Symptome
▪ Beobachtungs- und Interpretationsvarianz, d.h. unterschiedliche Gewichtung von
Merkmalen bei verschiedenen Beobachtern
▪ Vollständigkeit und Beurteilerreliabilität, d.h. verschiedene Beurteiler haben
unterschiedliche (oft implizite) Kriterien hinsichtlich einer Störung
➢ strukturierte diagnostische Interviews, Selbst- und Fremdbeurteilungsskalen
Was weißt du zum Psychischen Befund?
▪ Im psychischen Befund werden die Ergebnisse einer psychiatrischen/psychologischen
Untersuchung systematisch zusammengefasst.
▪ Ziel ist eine knapp gehaltene schriftliche Beschreibung, die ein möglichst plastisches Bild
von den aktuellen Beschwerden und Symptomen wiedergibt.
▪ Der psychopathologische Befund ist ein Befund der psychopathologische
Symptome (Auffälligkeiten und Veränderungen) mit Hilfe fest definierter
Begriffe erfasst.
▪ Ein Befund beschreibt grundsätzlich nur objektiv Beobachtbares zu einem
bestimmten Zeitpunkt.
Informationsquellen für den psychischen Befund:
Personen als Informationsquellen:
▪ Befragung und Beobachtung
des/der betroffenen PatientIn
▪ Befragung naher Bezugspersonen
(„Fremd“-Anamnese)
▪ Befragung anderer Behandler,
Betreuer; Abgleich und
Zusammenfassung professioneller
Informationsquellen
Erfassungsmethoden:
▪ Freie Exploration im Gespräch
▪ Semistandardisierte Interviews zur
Objektivierung und Systematisierung
des explorativen Vorgehens
▪ Standardisierte Erfassung von
Symptomen und Syndromen und ihrer
Schweregrade mittels Tests,
Checklisten, Fragebögen, Selbst- und
Fremdbeurteilungsverfahren,
objektive Leistungsprüfungen
Beispiel psychischer Befund
Funktionen kategorialer Diagnostik
Welche Funktionen hat die kategoriale Diagnostik?
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
(DSM-5)
Was wießt du zum DSM-5?
▪ Amerikanisches Klassifikationssystem
ausschließlich für psychische Störungen →
differenzierte Klassifikation, Beschreibung und
Kommentierung
▪ stärker auf Forschungsergebnisse aufbaut als die
international eingesetzte ICD-10
▪ ist deskriptiv ausgerichtet, d.h., es basiert auf
der Beschreibung klinischer Merkmale bzw.
Symptomen, nicht auf ätiologischen oder
pathogenetischen Zusammenhängen
▪ Multiaxiales System
Merkmale eines psychischen Befunds
AMDP-SYSTEM
Was weißt du dazu?
▪ Ist eine Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der
Psychiatrie (AMDP)
▪ ist eine Gruppe unterschiedlicher Module und Skalen
▪hat Instrumente zur Erfassung des psychischen Befundes, körperlicher
Symptome und Anamnese-Daten bei psychisch Kranken
➢ Detailliertes und hilfreiches am AMDP-System orientiertes
Schema in Trainex hinterlegt
➢ Auch Basis für verschiedene online Tool z.B.
https://befundomat.de/psychopathologischer-befund.html
Warum ist medizinische Untersuchung notwendig?
Biographische Anamnese
▪Darunter zu verstehen sind Angaben zur Person und Lebensgeschichte, keine allgemein
verbindlichen Anforderungen. Mindestens jedoch:
▪ Soziodemographische Daten z.B. Alter, Geschlecht
▪ Soziale, berufliche und finanzielle Situation z.B. Familienstand, Schulabschluss,
aktuelle Berufstätigkeit
▪ Familiärer Hintergrund z.B. Tätigkeit der Eltern, innerfamiliäre Beziehungen
▪ Problemrelevante biographische Ereignisse z.B. Verlusterfahrungen,
➢ Aufgrund des Umfangs meist in schriftlicher Form erhoben, anschließend werden
relevant erscheinende Aspekte besprochen
➢ Oft bereits vor dem Erstgespräch auszufüllen und zuzusenden -> Hürde, die Motivation und Zuverlässigkeit abklären soll
Weitere Biographische Anamnese:
Biographie der/des PatientIn:
▪ Besonderheiten bei der Geburt
▪ Frühkindliche Entwicklung
▪ Beziehung zu Eltern/Geschwistern
▪ Schulische/berufliche Entwicklung
▪ Sexuelle Entwicklung
▪ Ehe und Familie
▪ Lebensgewohnheiten,
Werthaltungen
▪ Persönlichkeitszüge
▪ Aktuelle Lebenssituation
Familienanamnese:
▪ Psychosoziale Situation der Familie
▪ Familiengröße und Familienmilieu
▪ Erziehungsstil der Eltern
▪ Familiäre Belastungsfaktoren
▪ Psychische Auffälligkeiten/
Erkrankungen bei Verwandten 1.
und 2. Grades
Ausführliches Beispiel aus
Bartling et al. (2016) in Trainex
Kategoriale diagnostische Ansätze -
Diagnosestellung
Wie funktioniert das?
Warum brauchen wir diagnostische Klassifikationssysteme?
Was sind Vor- und Nachteile?
Diagnostische Klassifikationssysteme
Vorteile:
▪ Kommunikation (einheitliche
Nomenklatur)
▪ Organisation und Reduktion von
Informationen
▪ Ökonomische Informationsvermittlung
▪ Grundlage für Wissensakkumulation
(Praxis, Forschung)
▪ Entspricht auch anderen medizinischen
Bereichen
▪ Handlungsanleitung für Diagnostik und
Therapie
▪ Explizite Klassifikation besser als implizite
Nachteile
▪ Informationsverlust durch „Etiketten“
▪ Stigmatisierung durch Etikettierung
▪ Gefahr der Reifikation („Selbstbestätigung“)
künstlicher Einheiten
▪ Gefahr der Verwechslung von Deskription
und Erklärung
▪ Komplexität psychischer Störungen
▪ Abgrenzung der Störungen untereinander
▪ Abgrenzung vom "Normalen"
▪ mangelndes Wissen über Ätiologie
▪ mangelnde Validität
▪ mangelnde (Interrater-)Reliabilität
Übersicht der Diagnose-Kategorien im DSM-5
Multiaxiales System
Wie ist ein Multiaxiales System aufgebaut?
Wie sieht es am Beispiel nach DSM aus
International Classification of Diseases (ICD)
Was weißt du zum ICD?
▪ Nationale und international Klassifikation aller
Erkrankungen, einschließlich psychischer
Störungen
▪ Abrechnungsgrundlage von
Gesundheitsleistungen im ambulanten und
stationären Sektor in Deutschland
▪ Wissenschaftliche Fundierung weniger im
Vordergrund als vielmehr die Kompromissfindung
und Anpassung an die verschiedenen Kulturen
dieser Erde
▪ ICD-10 entspricht in Prinzipien, Aufbau und
Diagnose weitgehend dem DSM-IV
Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische
Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10
(MAS)
▪ basiert auf der ICD-10-Klassifikation der WHO
▪ 6-achsiges System:
Achse I Klinisch-psychiatrisches Syndrom
Achse II Umschriebene Entwicklungsrückstände
Achse III Intelligenzniveau
Achse IV Körperliche Symptomatik
Achse V Aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
Achse VI Globalbeurteilung des psychosozialen
Funktionsniveaus
Multiaxiale Diagnostik nach ICD im Kindes- und
Jugendalter
Beispiel
benne ein beispiel
Beispiel: Peter 11J., Diagnostik in kinder- und jugendpsychiatrischer Praxis
Achse I: Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0 G)
Achse II: Lese- und Rechtschreibstörung (F81.0 G)
Achse III : Durchschnittliche Intelligenz (Testung am xxx, Gesamt-IQ=103)
Achse IV : Keine körperliche Symptomatik
Achse V: Belastende psychosoziale Umstände
Achse VI : Mäßige soziale Beeinträchtigung mit Schwierigkeiten in mind. 2 Bereichen
ICD-11: Aktueller Stand
▪ 2006 - Start des Revisionsprozesses des ICD 10
▪ 2017 - Feldtests in Deutschland
▪ Wurde im Mai 2019 auf der 72. Weltgesundheitsversammlung verabschiedet
▪ Offiziell gültig ab Januar 2022
▪ Wird in Deutschland noch nicht offiziell zur Kodierung verwendet
▪ Eine mind. 5-jährige Übergangsfrist in der ICD-10 und 11 parallel benutzt werden
können, ist geplant
▪ Dann soll die Kodierung nur noch mittels ICD-11 erfolgen
▪ Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Übergangszeit in Deutschland länger sein wird,
aktuell auf Deutsch Status „Entwurfsfassung“
ICD-11: Größerer Umfang:
▪ Größerer Umfang, 30 % mehr Codes
▪ Steigerung in der Neuromedizin überproportional:
▪ Kapitel V: Psychische Störungen + 249 %
▪ Kapitel VI: Krankheiten des Nervensystems + 308 %
▪ Neues Kapitel mit ca. 13.000 Zusatzkodes sowie neuen Möglichkeiten der Codekombination
▪ Befürchtungen: um Vielfaches komplexer, bürokratischer Mehrarbeit
▪ Nur durch Kodierfachkräfte oder über Computer umsetzbar
➢ Text- und Spracherkennungsprogramme könnten Codes aus digitaler Falldokumentation generieren
Struktur des ICD-11:
▪ Traditionelle Art der
Herausgabe der ICD als
Printversion in drei
Bänden aufgegeben
▪ Codieren
hauptsächlich
elektronisch (teilweise
10-stellige Codes)
▪ Es gibt aber ein sehr
hilfreiches Coding-Tool
Struktur: Kapitel
▪ Bezeichnung mit arabischen statt mit römischen Ziffern
▪ “neue” Kapitel, d.h. insgesamt 28 anstatt 22
▪ Kap. 04 Krankheiten des Immunsystems
▪ Kap. 07 Schlaf-Wach-Störungen
▪ Kap. 17 Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit
▪ Kap. 26 Ergänzendes Kapitel für Zustände gemäß der
Traditionellen Medizin
▪ Y Ergänzender Abschnitt für die Einschätzung der
Funktionsfähigkeit
▪ X Zusatzcodes
Neues Kapitel im ICD-11:
Schlaf-Wach-Störungen:
Inhalte aus ICD-10:
▪ F51 nichtorganische Schlafstörungen wie z.B.
nichtorganische Insomnie (F51.0)
▪ G47 Schlafstörungen wie z.B. Schlafapnoe (G47.3),
aber auch anderer „somatischer Kapitel“ wie z.B.
Restless-Legs-Syndrom (G25.81)
▪ sehr häufig, je nach Definition 4-35 % der
Bevölkerung betroffen
▪ begleitend bei vielen psychischen Erkrankungen z.B.
Depression (Henne-Ei-Frage!
Fragen und vorgehen beim Psychopathologischen Befund nach AMDP
Last changeda month ago