Hat § 1664 I BGB (Beschränkte Haftung der Eltern) Anspruchscharakter?
Teil der Rechtsprechung:
Die Lehre und ein Teil der Rechtsprechung halten § 1664 I BGB für eine eigenständige Anspruchsgrundlage des Kindes gegen sein Eltern.
Dies folge aus dem in § 1664 I BGB festgesetzten Sorgfaltsmaßstab, nach dem über § 277 BGB grob fahrlässig herbeigeführte Schäden ersatzpflichtig sind.
Weiterhin begründe die elterliche Sorge ein familienrechtliches, gesetzliches Schuldverhältnis durch das Schadensersatzpflichten entstünden, die ohne diese Vorschrift angesichts komplexer Elternpflichten zur Personen- und Vermögenssorge anders nicht begründbar sind.
Gegenmeinung:
Die Gegenmeinung lehnt die Anspruchsqualität des § 1664 I BGB ab.
Der Wortlaut der Norm gebe keinerlei Anhaltspunkte hierfür her; lediglich die Formulierung “bei Ausübung der elterlichen Sorge” genüge nicht. Es fehlt der Norm zur Anspruchsgrundlagenqualität an “Tatbestand und Rechtsfolge”.
Im Gegenteil lege der Verwendung des Wortes “nur” nahe, dass die Norm das Bestehen einer anderen Anspruchsgrundlage voraussetze, die eine Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit festsetzt.
Zudem sei der Wortlaut des § 1664 I BGB mit der ähnlich lautenden Vorschrift des § 276 I 1 BGB (bzw. §§ 277, 521, 599, 690 BGB) vergleichbar, die unstreitig ebenfalls lediglich einen Haftungsmaßstab regele.
Auch ein Vergleich mit § 1833 I S. 1 BGB, der das Verhältnis zwischen Mündel und Vormund regelt und ausdrücklich einen Schadensersatzanspruch des Mündels festsetzt, ergebe, dass § 1664 I BGB keine Anspruchsgrundlage darstelle, da diese Norm eine entsprechende Rechtsfolgenanordnung vermissen lasse.
Stellungnahme:
Letzterer Ansicht ist aus genannten Gründen zu folgen.
Findet die Haftungserleichterung des § 1664 I BGB innerhalb deliktischer Schadensersatzansprüche überhaupt Anwendung, soweit Anknüpfungspunkt ein Fehlverhalten bei der Ausübung der elterlichen Sorge ist?
Teil der Rspr. und Lit.:
In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise vertreten, § 1664 I BGB sei hier unanwendbar.
Begründet wird diese Ansicht damit, dass das Kind von seinen Eltern abhängig sei, was dahingehend Berücksichtigung finden müsse, dass diesem wenigstens der vollständige deliktische Schutz zugute kommen solle.
Zudem vernachlässigt die Haftungserleichterung des § 1664 I BGB das Prinzip der Pflichtengebundenheit der Elternbefugnisse.
BGH:
Der BGH dagegen lässt § 1664 I BGB auch im Rahmen der §§ 823 ff. BGB gelten.
Der Wortlaut des § 1664 I BGB bezieht sich ausdrücklich auf den Sorgfaltsmaßstab “bei der Ausübung der elterlichen Sorge”, deliktische Ansrpüche würden hierbei nicht ausgenommen.
Die Unanwendbarkeit der Haftungsmilderung würde in Fallkonstellationen, in denen deliktische Pflichten der Eltern ganz in der Personensroge für das Kind aufgehen, auf eine Einschränkung des § 1664 I BGB hinauslaufen, die weder im Wortlaut der Norm angelegt noch ihrem Sinn und Zweck zu entnehmen ist.
Aus vorstehenden Gründenist der Rechtsprechung des BGH zu folgen.
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