Wie ist der Raum von der räuberischen Erpressung abzugrenzen?
Rspr.:
Die Rechtsprechung hält das äußere Erscheinungsbild des Verhaltens für entscheidend. Danach liegt eine Wegnahme i.S.d. § 249 I vor, wenn sich der Gewahrsamswechsel ohne Mitwirkung des Opfers als ein “äußerlicher Akt des Nehmens” vollzieht.
Schrifttum:
Im Schrifttum wird vielfach auf das Vorstellungsbild des Opfers abgestellt. Eine Wegnahme i.S.v. § 249 I setzt dann voraus, dass das Opfer glaubte, den Gewahrsamsverlust letztlich nicht mehr verhindern zu können. Nach dieser Auffassung ist eine Wegnahme i.S.d. Raubtatbestandes jedenfalls immer gegeben, wenn das Opfer durch vis absoluta von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossen wird.
Sind Kopien technische Aufzeichnungen iSd Legaldefinition in § 268 II StGB?
h.M.:
Nach hM sind Kopien selbst keine technischen Aufzeichnungen, obwohl sie mit technischem Gerät - entweder einem Fotokopierer oder einem am Computer angeschlossenen Scanner - hergestellt werden, da sie keine neuen Informationen enthalten, sondern durch sie die vorhandenen Informationen nur reproduziert werden. Auch die durch einscannen entstandene Bilddatei, stellt nach dieser Auffassung keine technische Aufzeichnung dar.
T.d.Lit.:
Nach einem Teil der Lit. handelt es sich auch bei einer Kopie um eine technische Aufzeichnung, da Fotokopierer oder Scanner nach ihrer Ingangsetzung selbsttätig arbeiten. Hinzukommen muss aber, dass die Informationsfixierung zumindest den Anschein einer gewissen Dauerhaftigkeit erweckt. Im Arbeitsspeicher eines Computer vorhandene Daten reichen dafür nicht aus.
Besitzen fototechnische Ablichtungen Urkundsqualität gem. § 267 I, 1. Mod. StGB?
Nach Teilen der Literatur sind Kopien zumindest dann genauso schutzwürdig wie die Urkunde, wenn sie im Rechtsverkehr Originale vertreten. Eine Urkundenfälschung liegt nach dieser Ansicht vor, wenn eine solche Kopie inhaltlich manipuliert wird, selbst wenn die Kopie als solche erkennbar oder gekennzeichnet ist. Die Unterscheidung zwischen Original und Abschrift sei aufgrund des modernen Rechts- und Datenverkehrs sowie den technischen Möglichkeiten der Herstellung einer nach außen absolut identischen Kopie nicht mehr durchzuhalten. Hiernach stellt die ausgedruckte Gehaltsbescheinigung eine Urkunde dar.
überwiegende Meinung in Rspr. u. Lit.:
Nach der überwiegenden Meinung in Rspr. und Lit. ist hingegen zu differenzieren:
Die Fotokopie verkörpert - wie eine manuelle Abschrift - nicht die Erklärung des Ausstellers, sondern beinhaltet eine bildliche Wiedergabe der in einem anderes Schriftstück manifestierten Erklärung. Es mangelt der Kopie somit an der Garantiefunktion für die Richtigkeit des Inhalts.
Die Kopie rückt hingegen zur Urkunde auf, wenn eine Reproduktion nach außen als Original erscheinen soll. Ein solcher äußerer Anschein besteht, wenn die Reproduktion einer Originalurkunde insoweit gleicht, als dass eine Verwechslung nicht auszuschließen ist. Hinzukommen muss der Wille des Täters, einen Originalersatz für den Rechtsverkehr herzustellen.
Kann der Aussteller einer Urkunde selbst den Tatbestand des “Verfälschens” erfüllen?
Nach einem Teil der Lit. liegt bei der nachträglichen Inhaltsänderung durch den Aussteller kein Verfälschen vor. Nach dieser Ansicht stellt die Verfälschungsmodalität einen Spezialfall des Herstellens einer unechten Urkunde dar, sodass eine solche auch durch den Verfälschungsvorgang hervorgebracht werden müsse. Der Aussteller könne durch seine nachträgliche Veränderung das durch § 267 StGB geschützte Rechtsgut - das Vertrauen des Rechtsverkehrs, dass hinter jeder Erklärung derjenige steht und für sie haftbar gemacht werden kann, der als Erklärender erscheint - nicht verletzen. Schließlich stamme die Erklärung auch nach der Änderung noch von dem Aussteller und sei mithin echt; die Veränderung selbst führe lediglich zu einer straflosen schriftlichen Lüge. Das Interesse am unveränderten Bestand einer Urkunde sei nicht durch § 267 StGB, sondern durch § 274 StGB geschützt.
Nach hM ist auch die nachträgliche Änderung durch den Aussteller als Fälschung anzusehen, wenn dieser die Abänderungsbefugnis verloren hat. Das sei dann der Fall, wenn der aussteller die Urkunde abgegeben habe, sie also in den Rechtsverkehr gelangt sei, oder wenn ein Dritter einen Anspruch auf unversehrten Bestand der Urkunde erworben habe.
Stellungnahme:
Wie es typisch für die Verfälschungsmodalität ist, erweckt der Täter mit der Urkunde den Eindruck, als weise sie noch ihre ursprüngliche Gestalt und den üblichen Inhalt auf. Diesen Eindruck zu vermeiden ist gerade Schutzzweck des § 267 I, 2. Mod. StGB. Zudem steht auch der Aussteller der Urkunde nach Verlust der Abänderungsbefugnis wie ein Dritter gegenüber, sodass eine andere Behandlung des Ausstellers nicht gerechtfertigt ist. Schließlich zeigt auch der Wortlaut des § 267 I StGB, dass nicht jede verfälschte Urkunde zugleich unecht sein muss, denn im Rahmen der 3. Mod. ist von “unecht oder verfälscht” die Rede. Der hM ist somit zu folgen.
Stellt die Verwendung eines falschen Namens, Anschrift, Hausnummer etc. u.a. bei Onlinebestellungen unechte beweiserhebliche Daten dar?
Bei schriftlichen Urkunden gelten folgende Grundsätze:
Grundsätzlich stellt der Name einer Person deren primäres Identitätsmerkmal im Rechtsverkehr dar. Eine mit dem richtigen Namen unterschriebene Urkunde kann gleichwohl unecht sein, wenn damit der Eindruck erweckt werden soll, die Urkunde stammt von einer anderen Person als derjenigen, die sie tatsächlich hergestellt hat.
Die Anschrift einer Person stellt grundsätzlich kein für die Identifizierung geeignetes Merkmal mit selbstständiger Bedeutung für die Identitätsbestimmung dar. Eine insoweit bewusst unrichtige Angabe erschwert zwar den Rechtsverkehr, ist aber keine Identitätstäuschung iSd § 267 StGB, da nicht vorgegeben wird, der Aussteller sei eine andere Person als diejenige, die nach dem Wortlaut der Urkunde als solche erscheint.
Etwas anderes muss aber für die Fälle gelten, in denen das Rechtsgeschäft mittels Datenverarbeitungsanlagen abgewickelt wird: Insoweit ist maßgebliches Kriterium, ob aufgrund der vorhandenen Daten diese Person bereits erfasst ist. Wenn eine andere Anschrift angegeben wird, gilt der Besteller als neuer Kunde. Insoweit sind Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift Unterscheidungskriterien von gleichem Gewicht und gleicher Bedeutung.
Stellt das Überkleben eines Kennzeichens mit einer “Antiblitzfolie” ein Verfälschen einer Urkunde dar?
z.T. (OLG Düsseldorf):
Die Zulassung eines Kraftfahrzeugs zum Betrieb auf öffetnlichen Straßen geschieht durch Erteilung der Betriebserlaubnis UND durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens. Bestandsteil des Zulassungsverfahrens (…) ist auch die amtliche Abstempelung dieses Kennzeichens durch Aufkleben des Dienststempels der Zulassungsstelle in Gestalt einer Siegelmark. Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Zulassungsstelle gem. § 23 IV 4 StVZO zu prüfen, ob das Kennzeichen, insbesondere seine Ausgestaltung und Anbringung vorschriftsgemäß ist. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens überprüft die Zulassungsstelle u.a. auch, ob das zur Abstempelung vorgelegt Kennzeichen diesen Anforderungen entspricht und vescheinigt mit Erteilugn der Behördenplakette, dass diese Prüfung eine ordnungsgemäße Form und Gestaltung des Kennzeichens ergeben hat. Die Beweisrichtung geht daher auch dahin, dass das Kennzeichen den technischen Vorschriften über seine Ausgestaltung entspricht.
Das überklebte Kennzeichenschild enthält aufgrund des unveränderten Dienststempels der Zulassungsstelle nach wie vor deren - nach der Manipulation allerdings unrichtige - Erklärung, das Kennzeichen sei vorschriftsmäßig ausgestaltet und angebracht, sodass seine uneingeschränkte Ablesbarkeit gesichert sei. Tatsächlich aber. ist die Ausgestaltung des Kennzeichens durch Aufkleben von reflektierenden Zeichen nachhaltig in der Weise verändert worden, dass bei Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungen eine Identifizierung des fotografierten Fahrzeugs unmöglich wird.
h.M. (BGH):
Das abgestempelte Kennzeichen kann jedenfalls keinen Beweis über seine fortdauernde Ablesbarkeit nach der Zulassung des Fahrzeugs erbringen. Das ergibt sich schon daraus, dass etwa die nach § 10 ZFV durch die Zulassungsstelle bei der Abstempelung vorzunehmende Prüfung, dass das Kennzeichen nicht verschmutzt ist, naturgemäß keine weitergehende Bedeutung haben kann als die, dass das Kennzeichen bei der Zulassung nicht verunreinigt war. (…) Hier wurde der Erklärungsgehalt der Urkunde durch das Besprühen des Kennzeichens mit dem farblosen Speziallack nicht verändert. Das Kennzeichen entsprach zwar nicht mehr den Anforderungen des § 10 ZFV, der Erklärungsgehalt blieb aber derselbe.
Richtig ist, dass die Urkunde ihrer Beweisfunktion nur nachkommen kann, wenn sie erkennbar ist. Ihr Erklärungsgehalt und damit die Beweisrichtung geht aber entgegen der Auffassung des OLG nicht dahin, zu beweisen, dass das Kennzeichen genau in diesem “baulichen Zustand” angebrahct und von der Zulassungsstelle abgenommen worden wäre. Anderenfalls wäre jede nachträgliche Veränderung oder auch nur Verschmutzung eine tatbestandliche Verfälschung der Urkunde. Das Verhindern der Lesbarkeit fällt vielmehr tatbestandlich uter § 274 I Nr. 1 StGB.
Was ist das Schutzgut des § 239 StGB? Bzw. schützt § 239 StGB auch die potenzielle Fortbewegungsfreiheit?
Die hM sieht das Schutzgut des § 239 StGB in der potenziellen Fortbewegungsfreiheit. Danach ist ein Einsperren auch in solchen Fällen gegeben, in denen das Opfer den Raum nicht verlassen will, solange die Möglichkeit besteht, dass es einen entsprechenden Willen bildet.
a.A.:
Nach der Gegenauffassung schützt § 239 StGB nur die aktuelle Fortbewegungsfreiheit und ist daher nur dann erfüllt, wenn das Opfer den Raum auch tatsächlich verlassen möchte.
Für die letztgenannte Ansicht könnte sprechen, dass durch die Ausweitung auf die potenzielle Fortbewegungsfreiheit Versuchsfälle zur Vollendungstat gemacht würden, obwohl es in § 239 II StGB eine eigene Versuchsstrafandrohung gibt. Dies lässt aber unberücksichtigt, dass die Person in solchen Fällen tatsächlich den Raum nicht verlassen kann, wenn sie eingesperrt ist, ihre physische Fortbewegungsfreiheit also real aufgehoben ist. Ob die Person diese ausüben will oder nicht, ist eine Frage der Willensfreiheit iSd § 240 StGB und nicht des § 239 StGB. Die hM ist in solchen Fällen daher aus teleologischen und systematischen Gründen überzeugender.
Umstritten ist, wie das vorsätzliche Überschreiten einer zeitlich begrenzten Zutrittserlaubnis in § 123 StGB (Hausfriedensbruch) konstruktiv zu erfassen ist.
Die hM nimmt hier ein "Eindringen durch Unterlassen” nach §§ 123 I Alt. 1, 13 StGB an. Aus dem Dauerdeliktscharakter des § 123 StGB sei zu folgern, dass derjenige, der zunächst unvorsätzlich, gerechtfertig oder entschuldigt eingedrungen sei, nach Erkennen seines Irrtums/nach Wegfall der Rechtsfertigungsvoraussetzungen/nach Wegfall des Entschuldigungsgrundes aus Ingerenz verpflichtet sei, den widerrechtlichen Zustand zu beseitigen. Die gleichen Grundsätze müssten auch gelten, wenn die Erlaubnis zum Aufenthalt in den geschützten Räumen von vornherein zeitlich begrenzt sei. Hier ergebe sich die Verpflichtung zum Verlassen der geschützten Räumlichkeiten aus der tatsächlich übernommenen Verpflichtung, den Aufenthalt auf die gestatteten Zeiten zu begrenzen. § 123 I Alt. 2 StGB sei als echtes Unterlassungsdelikt demgegenüber subsidiär.
Lit.:
In der Lit. wird diese Unterlassungskonstruktion als Umgehung des gesetzgeberischen Willens kritisiert, der das “Verweilen” nur unter den Voraussetzungen der Alt. 2 - nämlich bei Aufforderung zum Verlassen - unter Strafe gestellt habe. Allerdings werden an die Aufforderung keine allzu hohen Anforderungen geknüpft. Diese könne konkludent und vorab in der Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zeitraum gesehen werden.
Nur nach der erstgenannten Ansicht ist aus § 13 S. 2 StGB eine Strafmilderung möglich, weshalb eine Entscheidung erforderlich ist.
Vordergründig spricht gegen die erste Ansicht, dass die Tathandlung des “Eindringens” schwerlich ohne Aktivität vorstellbar ist. Andererseits gilt dies für jedes andere Begehungsdelikt auch und § 13 StGB enthält gerade die gesetzliche Erlaubnis, bei Erfolgsdelikten Tätigkeit durch garantenpflichtwidrige Untätigkeit zu ersetzen. Demgegenüber überzeugt die zweite Ansicht nicht, weil sie mit der “schlüssigen” Aufforderung letztlich eine tatsächlich fehlende nicht überwinden kann. Es ist daher der hM zu folgen.
In welchen Fällen ist ein Unterlassen als Drohung (zB keine weitere finanzielle Unterstützung) iRv § 240 StGB (Nötigung) ausreichend?
e.A.:
Nach einer Auffassung kann die Drohung mit einem Unterlassen nur dann tatbestandsmäßig sein, wenn den Täter eine Rechtspflicht zur Vornahme trifft, mit deren Unterlassunger droht.
Die hM lässt auch die Drohnung mit einem in der Entscheidungsfreiheit des Erklärenden liegenden Unterlassen ausreichen, wenn sich dieses für einen durchschnittlichen Erklärungsempfänger in der konkreten Situation des Bedrohten als ein empfindliches Übel darstellt.
Für das Erfordernis einer Garantenstellung spricht sicherlich die klare Abgrenzbarkeit. Die von § 240 StGB geschützte Willensfreiheit kann aber dennoch über die Ankündigung eines Unterlassen beeinträchtigt werden, wenn für den Täter keine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Denn eine motivationsfördernde Werteinbuße beim Opfer ist unabhängig von der Garantenstellung des Täters. Eine ausufernde Strafbarkeit lässt sich dabei über das Verwerflichkeitserfordernis des § 240 II StGB vermeiden. Der hM ist daher zu folgen.
Muss ein Unfallbeteiligter iRv § 142 StGB nachdem er alle Angaben zur Unfallbeteiligung gemacht hat eine Entnahme einer Blutprobe bei Verdacht einer Alkoholisierung abwarten oder darf er sich davor auch ohne Einverständnis des Polizisten vom Unfallort entfernen?
z.T.:
Zum Teil wird vertreten, dass § 142 I StGB den Unfallbeteiligten nicht zu aktiver Mitwirkung an der Aufklärung des Unfallhergangs verpflichte, wie sie in dem Begleiten des Polizeibeamten zum Ort der Blutentnahme liegt. Auch müsse er nur am Unfallort selbst zur Aufklärung passiv beitragen. Die Pflicht zur Duldung der Blutentnahme bestehe indessen nur zur Sicherung des Strafverfahrens (vgl. § 81a StPO) und liegt damit außerhalb des von § 142 StGB allein bezweckten Schutzes der zivilrechtlichen Beweissicherung.
Gegenauffassung:
Nach der Gegenauffassung gehört zur “Art der Beteiligung”, deren Feststellung der Unfallbeteiligte zu ermöglichen hat, auch sein körperlicher Zustand und damit insbesondere auch die Frage seiner Alkoholisierung. Eine Verpflichtung des Unfallbeteiligten, Feststellungen zu seiner Alkoholisierung zu dulden, bestehe nur dann nicht, wenn solche Feststellungen für das Beweisinteresse des Geschädigten ohne Bedeutung sind, weil die Frage einer Alkoholisierung des Schädigers auf die Haftungsfrage keinen Einfluss haben kann, insbesondere weil der Einwand eines Mitverschuldens oder einer mitwirkenden Betriebsgefahr aufseiten des Geschädigten von vornherein ausscheide. § 142 StGB solle das private Feststellungs- und Beweissicherungsinteresse der am Unfall Betieligten wegen der zwischen ihnen entstandenen Rechtsbeziehung schützen und verhindern, dass jemand sich einer möglichen schuldrechtlichten Verpflichtung gegenüber der durch einen Unfall geschädigten Person entziehe. Das von der Gegenmeinung angeführte Argument, die körperliche Untersuchung könne zivilrechtlich nicht erzwungen werden, greife nicht durch, weil die Duldungspflicht bei klar erkennbarer Anordnung durch die Polizei aus § 81a StPO folge. Dem weiteren Argument, die passive Feststellungsduldungspflicht nach § 142 StGB beziehe sich nur auf die am Unfallort zu treffenden Feststellungen, ist entgegenzuhalten, dass, wie Abs. 2 zeige, auch die sonstigen Feststellungen überwiegend unbeschadet der Wartepflicht außerhalb des Unfallortes getroffen werden können.
Ist der Schutzzweck des § 142 StGB die Sicherung der zivilrechtlichen Interessen des Geschädigten, so kann eine solche nur dann angemessen erfolgen, wenn sich die Pflicht des Schädigers auf Ermöglichung aller für die Durchsetzung dieser Interessen maßgeblicher Umstände erstreckt. Dazu gehört dann auch die BAK. Will man mithin den § 142 StGB wegen Systemwidrigkeit nicht gänzlich einschränken, so ist der hM zu folgen. Sollte zudem aus strafprozessualer Hinsicht ein Verstoß gegen das Selbstbegünstigungsprivileg vorliegen, kann dem mit einem Beweisverwertungsverbot im Strafprozess begegnet werden.
Nach hM ist die Feststellungspflicht auch dann verletzt, wenn der Täter der Anordnung zur Blutentnahme mit seiner Flucht zuvorkommt, es also noch gar nicht zur Aufforderung kam. Entfernen darf sich der Täter erst dann, wenn die Beamten ihm dies gestatten.
Wie wirkt sich die fehlende Mitleidsmotivation iRv § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) beim Teilnehmer auf seine Strafbarkeit aus?
h.L.: § 28 II StGB Mitleidsmotivation als strafmilderndes persönliches Merkmal
§ 212 StGB bildet den Grundtatbestand der vorsätzlichen Tötung. § 211 StGB ist lediglich eine unselbstständige Qualifizierung des Todschlages. §§ 216, 217 StGB sind demgegenüber nur unselbstständige Privilegierungen zu § 212 StGB. Greift die Privilegierung ein, so erfolgt die Bestrafung nur aus dem milderen Tatbestand. Etwa mitverwirklichte Mordmerkmale bleiben für den privilegierten Beteiligten außer Betracht. Weist ein Beteiligter die besonderen Voraussetzungen des § 216 StGB nicht auf, so ist § 28 II StGB anwendbar, da die Motivation durch das Tötungsverlangen strafmildernder persönlicher Umstand ist. Bei Vorliegen tatbezogener Mordmerkmale oder bei Verwirklichung persönlicher Mordmerkmale durch den Beteiligten (nochmalige Anwendung des § 28 II StGB) kann es dann sogar zur Verurteilung aus Beteiligung am Mord kommen.
Rspr.: § 28 I StGB
Nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB) und Todschlag (§ 212 StGB) nicht im Verhältnis Grndtatbestand und Qualifikation zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei selbstständige Tatbestände (st.Rspr.). Weil die Mordmerkmale des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit iSv § 28 I StGB begründen, scheidet eine Anwendung von § 28 II StGB aus. Für den Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Bei täterbezogenen Mordmerkmalen wie den vorliegend in Rede stehenden niedrigen Beweggründen des Teilnehmers ist nach der bisherigen Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann nicht geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt. Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die Strafrahmenverschiebung nach § 28 I, § 49 I StGB zugute.
Dogmatisch “sauber” müsste die Rpsr. über § 28 I StGB zu einer Strafmilderung des Gehilfen kommen, da er selbst das strafbegründende persönliche Merkmal der “Verlangensmotivation” des § 216 StGB nicht verwirklicht. Diesen vom Ergebnis nicht haltbaren Weg geht die Rspr. aber nicht. Es gelten folgende “Regeln”:
Der Beteiligte, bei dem die Voraussetzungen des privilegierten Sondertatbestandes nicht gegeben sind, wird nach dem Delikt bestraft, das als Haupttat vorläge, wenn der Täter nicht privilegiert wäre.
Eine Bestrafung wegen Teilnahme am Mord setzt nach allg. Vorsatz- und Schuldgrundsätzen voraus, dass der Teilnehmer um das Vorliegen der Mordqualifikation beim Täter weiß.
Hat der Teilnehmer die entsprechende Kenntnis von der Verwirklichung von Mordmerkmalen durch den Täter, so ist er in jedem Fall aus Teilnahme am Mord strafbar.
Weist der Teilnehmer ein persönliches Mordmerkmal in seiner Person nicht auf, so kommt er in den Genuss einer Strafmilderung nach § 28 I StGB.
Die Strafmilderung nach § 28 I StGB wird jedoch dann versagt, wenn der Beteiligte zwar nicht dasselbe Mordmerkmal aufwie wie der Haupttäter, aber aus einem artgleichen anderen persönlichen Mordmerkmal heraus handelte.
Fraglich ist die Zuordnung zum Schwangerschaftsabbruch einerseits und zu den Tötungsdelikten andererseits, wenn die todesursächliche Handlung an einer Leibesfrucht vorgenommen wurde, der Tod aber nach der Geburt, also an einem Menschen eingetreten ist.
Nach der hM im Schrifttum und Rspr. erfasst § 218 StGB sowohl die Abtötung der Leibesfrucht im Mutterleid als auch die Tötung durch deren Abtreibung; daher kommt es für die Abgrenzung zu den Tötungsdelikten in der letztgenannten Konstellation weiterhin auf den Zeitpunkt der Einwirkung an. Diese Einordnung, für die auch § 8 S. 2 StGB spricht, vermeidet, dass es von dem für den Täter ganz zufälligen Ablauf des physiologischen Vorgangs - Eintritt des Todes vor oder nach der Geburt - abhängt, ob er wegen eines Tötungsdelikts oder wegen Schwangerschaftsabbruchs zu bestrafen ist.
Fall Patient P hängt nur noch an lebenserhaltenden Maschinen, die Angehörigen beschließen, dass sie diese abschalten wollen. Der Pfleger unterlässt es daher nicht neue Nahrung anzustecken, sondern steckt den noch vollen Beutel mit künstlicher Ernährung ab. Ist das Töten durch aktives Tun (iSd § 212 StGB) oder Sterbehilfe durch Unterlassen?
bisher h.M.:
Die bisher hM unterschied zwischen erlaubter passiver und indirekter Sterbehilfe einerseits und verbotener aktiver Sterbehilfe andererseits. Das bloße Einstellen künstlicher Ernährung wurde schon wegen seines äußeren Erscheinungsbildes, jedenfalls aber nach dem Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens nicht als aktives Tun, sondern als Unterlassen und damit als “passives” Verhalten angesehen. Es konnte aufgrund des mutmaßlichen Willens des Patienten gerechtfertigt sein. Aktives Tun unterfiel dagegen den Tatbeständen der §§ 212, 216 StGB. Auf dieser Grundlage ist eine Rechtfertigung zunächst ausgeschlossen, weil der Pfleger aktiv den Tod des Patienten herbeigeführt hat. Dies schließt nach hM auch eine Rechtfertigung über § 34 StGB aus, da der Todeseintritt nicht die Nebenfolge einer Schmerzlinderung gewesen ist.
Neue h.M.:
Der BGH hat inzwischen die Unterscheidung zwischen aktivem Tun und Unterlassen bei der Sterbehilfe aufgegeben. Die Beendigung medizinischer Versorgung umfasse fast regelmäßig eine Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen, deren Einordnung nach Maßgabe der in der Dogmatik und von der Rspr. zu den Unterlassungstaten entwickelten Kriterien problematisch sei und teilweise von bloßen Zufällen abhinge. Es sei deshalb erforderlich, alle Handlungen, die mit einer Beendigung einer ärztlichen Behandlung im Zusammenhang stehen, unter dem Oberbegriff des Behandlungsabbruch zusammenzufassen.
Der Begriff der Sterbehilfe durch Behandlungsunterlassung,- begrenzung oder -abbruch setzt voraus, dass die betroffene Person lebensbedrohlich erkrankt ist und die unterlassene, begrenzte oder abgebrochene Maßnahme medizinisch zur Erhaltung oder Verlängerung des Lebens geeignet ist.
Der Behandlungsabbruch muss dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entsprechen. Ob es für die Rechtfertigung allein auf die tatsächliche Übereinstimmung ankommt oder ob für die materielle Rechtfertigung auch die Verfahrensregeln der §§ 1827 ff. BGB eingehalten werden müssen, ist dabei umstritten.
Die Handlung muss objektiv und subjektiv unmittelbar auf eine medizinische Behandlung im o.g. Sinne bezogen sein. Erfasst werden hiervon nur das Unterlassen einer lebenserhaltenden Behandlung oder ihr Abbruch sowie Handlungen in Form der sog. “indirekten Sterbehilfe”, die unter Inkaufnahme eines möglichen vorzeitigen Todeseintritts als Nebenfolge einer medizinisch indizierten Schmerzlinderung erfolgen. Die Handlung muss sich darauf beschränken, einen Zustand (wieder-)herzustellen, der einem bereits begonnenen Krankheitsprozess seinen Lauf lässt, indem zwar Leiden gelindert, die Krankheit aber nicht (mehr) behandelt wird, sodass der Patient letztlich dem Sterben überlassen wird. Liegen die Voraussetzungen für einen Behandlungsabbruch vor, ist dadurch nicht nur das Handeln der den Patienten behandelnden Ärzte sowie der Betreuer und Bevollmächtigten gerechtfertigt, sondern auch das Handeln Dritter, soweit sie als von dem Arzt, dem Betreuer oder dem Bevollmächtigten für die Behandlung und Betreuung hinzugezogene Hilfsperson tätig werden.
Kann zB die Kante eines Gebäudes ein gefährliches Werkzeug iSd § 224 StGB sein?
Dies ist davon abhängig, ob es für den Begriff des “Werkzeugs” wesensnotwendig ist, dass es durch menschliche Einwirkung beweglich sein muss.
Ein Teil des Schrifttums verneint dies. Entscheidend sei allein die vom Täter geschaffene Instrumentalisierung des Gegenstandes zur Verstärkung seiner Körperkräfte. Es macht keinen Unterschied, ob der Täter das Opfer mit einer tragbaren Kochplatte verbrenne oder es auf die heiße Platte eines fest montierten Herdes setze.
Mit der herrschenden Gegenauffassung ist hierin eine unzulässige Analogie zu sehen. Ein Werkzeug ist nach seinem natürlichen Sprachgebrauch ein Gegenstand, den der Täter unmittelbar durch seine eigene körperliche Einwirkung beherrschen und funktionalisieren kann. Das setzt dessen Beweglichkeit voraus. Dass der Täter einen unbeweglichen Gegenstand “wie” ein Werkzeug einsetzt, genügt nicht. Anderenfalls müsste man beim Aufschlagen auf den Erdboden die Erde selbst als “Werkzeug” anerkennen.
Wann gilt eine Körperverletzung iSd § 224 StGB als “gemeinschaftlich” verübt?
Zum Teil wird das Merkmal dahingehend ausgelegt, dass eine andere Person als Mittäter an der Körperverletzung beteiligt sein müsse. Für diese Ansicht spricht die Parallele zu § 25 II StGB.
Legt man diese Verständnis zugrunde ist jedoch kaum einsichtig, warum der Gesetzgeber in § 224 I Nr. 4 StGB von “Beteiligten” und nicht gleich von “Mittätern” spricht. Der Begriff der “Gemeinschaftlichkeit” muss deshalb etwas anderes zum Ausdruck bringen.
Mit der hM liegt die strafschärfende Prägung der “Gemeinschaftlichkeit” darin, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst am Tatort zusammenwirken müssen. Dabei ist die eigenhändige Mitwirkung jedes Einzelnen an der Körperverletzungshandlung nicht erforderlich. Auch Mittäterschaft ist nicht zwingend. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - psychisch oder physisch - unterstützt.
Wann liegt eine lebensgefährdende Behandlung iSd § 224 I Nr. 5 StGB vor?
Vielfach wird aus dem Vergleich zu anderen Strafschärfungen - zB § 250 II Nr. 3b StGB - gefolgert, dass es zu einer konkreten Lebensgefahr gekommen sein müsse.
Nach hM kommt es nur darauf an, ob entweder der Körperverletzungshandlung oder dem Körperverletzungserfolg generell das Potenzial für eine Lebensgefährdung anhaftete. Einschränkend werden hierbei aber die konkreten Umstände des Einzelfalls und die individuelle Schädlichkeit der Einwirkung gegen den Körper des Verletzten berücksichtigt.
Dabei braucht die Behandlung im Einzelfall das Leben nicht konkret gefährdet zu haben; es genügt, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls dazu geeignet ist.
Nach welchen Kriterien bestimmt sich die Wichtigkeit eines Glieds iSd § 226 StGB?
Nach generalisierender Betrachtung ist für die Wichtigkeit nur maßgebend, ob das Glied allgemein für den Gesamtorganismus des Menschen erhebliche Bedeutung besitzt. Auf individuelle Besonderheiten des Opfers kommt es nicht an.
Die individuell-soziale Betrachtung entscheidet die Wichtigkeit nach der Individualität des Verletzten, namentlich nach seinem Beruf.
w.A.:
Die individuell-körperliche Betrachtung stellt für die Wichtigkeit eines Körpergliedes auf dies Person des Opfers ab. Maßgeblich sind danach aber nur körperliche Besonderheiten, die es dem Opfer ermöglichen, die generell körperlichen Mindestfähigkeiten des Ruhens, Bewegens und Hantierens zu vollziehen. Sonstige soziale oder private Sonderfähigkeiten (Klavierspielen) bleiben außer Betracht.
Die Rechtsprechung hat sich der individuellen Betrachtung angeschlossen.
Bei Beurteilung der Frage, ob ein Körperglied “wichtig” ist, sind danach auch individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen des Verletzten zu berücksichtigen. So hat ein Finger der linken Hand naturgemäß für Linkshänder eine größere Bedeutung als für einen Rechtshänder. Für einen Menschen ohne Hände, etwa infolge einer körperlichen Behinderung, der gelernt hat, seine Zehen als Fingerersatz einzusetzen, sind diese Zehen für das Hantieren ebenso wichtig, wie die Finger für einen nicht behinderten Menschen. Solche dauerhaften körperlichen Besonderheiten des Tatopfers bei der Beurteilung der Wichtigkeit eines Körperglieds ganz außer Acht zu lassen, widerspräche dem heutigen Verständnis eines gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher körperlicher Beschaffenheit.
Den individuellen Betrachtungsweisen ist der Vorzug zu geben. Bei § 226 StGB handelt es sich um ein konkretes Verletzungsdelikt, sodass der Erfolg mit Blick auf das individuelle Opfer zu bestimmen ist. Die Wichtigkeit eines bestimmten Körpergliedes kann zudem von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein, sodass sich eine generalisierende Betrachtung verbietet.
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