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Streitstände Bereicherungsrecht

AL
by Ann-kathrin L.

Wie ist die Abgrenzung zwischen GoA und Bereicherungsrecht vorzunehmen, wenn es um eine Geschäftsbesorgung aufgrund eines fehlgeschlagenen Vertrages in Unkenntnis des Geschäftsführers vom Fehlen eines wirksamen Vertrages geht?

Rspr.:

Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur gehen davon aus, dass die Regeln der GoA neben den §§ 812 ff. BGB anwendbar ist.

  • Für diese Ansicht wird zum einen der Wortlaut des § 677 BGB angeführt. Die darin enthaltene Formulierung “ohne Auftrag” ist wie “ohne wirksamen Auftrag” zu lesen.

  • Es ist nicht einzusehen, weshalb derjenige, der aufgrund eines fehlgeschlagenen Vertrages im Geschäftsbereich eines anderen tätig wird, schlechter zu stellen ist als derjenige, der ohne (unwirksame) Vereinbarung für einen anderen tätig geworden ist.

  • Dagegen spricht auch nicht der Fremdgeschäftsführungswille, da er zu vermuten ist, wenn man auf den eigentlichen Handlungsinhalt abstellt und nicht nur auf den Erfüllungszweck. Demnach wäre vorliegend der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB eröffnet.

h.L.:

Nach der Ansicht der wohl herrschenden Literatur werden die §§ 677ff. BGB von den §§ 812 ff. BGB bei der Rückabwicklung von fehlgeschlagenen Verträgen als abschließende Sonderregelung verdrängt.

  • Für diese Ansicht spricht, dass die Regeln der GoA auf fehlgeschlagenen Verträge nicht passen, insbesondere § 681 S. 1 und § 666 i.V.m. § 681 S. 2 BGB.

  • Zum anderen werden mit einer Anwendung der GoA-Regeln die Einschränkungen der §§ 814, 817 S. 2 und § 818 III BGB unterlaufen.

  • Ferner sind die Voraussetzungen der GoA nicht erfüllt, da es bei der beabsichtigten Erfüllung der vermeintlichen Verbindlichkeit am Fremdgeschäftsführungswillen fehlt.

  • Schließlich ist das Tatbestandsmerkmal “ohne Auftrag” des § 677 BGB wie “gänzlich ohne Auftrag” zu lesen.

Wenn die Parteien möglicherweise eine Zweckvereinbarung i.S.v. § 812 I 2 Fall 2 BGB getroffen haben, stellt sich die Frage der Abgrenzung zwischen der Rückabwicklung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage und dem Eingreifen der Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 I 2 Fall 2 BGB).

Teilweise:

Teilweise wird ein Eingreifen der Zweckverfehlungskondiktion bei Bestehen eines wirksamen Schuldverhältnisses generell abgelehnt. Danach soll die Kondiktion nach § 812 I 2 Fall 2 BGB nur bei unwirksamen oder nicht zustande gekommenen Verträgen oder Erwartungen, die sich schuldvertraglichen Bindungen entziehen, eingreifen. Eine Erfolgserwartung bei wirksamen Verträgen ist regelmäßig nur unbeachtliches Motiv und kann nur ausnahmsweise zur Rückabwicklung führen, nämlich

  • wenn die Erfolgserwartung zur Geschäftsgrundlage geworden ist oder

  • die Parteien den Nichteintriff des Erfolges zur Bedingung (§ 158 BGB, Rückabwicklung über § 812 I 1 Fall 1 BGB) bzw. zum Inhalt der Leistungspflicht erhoben haben (Rückabwicklung über Unmöglichkeit) oder ein Rücktrittsrecht vereinbart haben.

Argumente:

  • Vertragliches Leistungsstörungsrecht ist spezieller. Sofern dieses nicht eingreift, ist auf die flexiblere Lehre der Geschäftsgrundlage abzustellen. Danach geht nämlich eine Vertragsanpassung (§ 313 I BGB) stets einer gänzlichen Rückabwicklung (§§ 346, 313 III BGB) vor.

  • Die Zweckverfehlungskondiktion ist nur für Erwartungen geschaffen, die sich vertraglicher Bindung entziehen. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Vertragsschlüssen richtet sich allein über § 812 I 1 Fall 1 BGB und § 812 I 2 Fall 1 BGB.

h.M.:

Die h.M. wendet § 812 I 2 Fall 2 BGB dagegen auch bei wirksamen Verträgen an.

  • Oberstes Prinzip des bürgerlichen Rechtes ist die Privatautonomie. Danach können die Parteien im Rahmen der Gestaltungsfreiheit nach §§ 241, 311 I BGB neben vertraglichen Primärzwecken weitere Nebenzwecke vereinbaren und damit das Behaltendürfen einer Leistung von dem Eintritt des atypischen Zweckes abhängig machen.

  • Alle Leistungskondiktionen stehen gleichwertig nebeneinander. Soweit tatbestandliche Überschneidungen bestehen, werden diese durch die unterschiedliche Geltung der Ausschlussgründe geregelt.

Rspr.:

Die Rechtsprechung tendiert zur Heranziehung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage.

  • Die Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage sind flexibler als die starre bereicherungsrechtliche Rückabwicklung. Im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage, geht eine Vertragsanspassung (§ 313 I BGB) der gänzlichen Rückabwicklung (§§ 346, 313 III BGB) vor. Dies entspricht dem Grundsatz “pacta sunt servanda”.

Teile des Schrifttums:

Teile des Schrifttums lehnen das vorrangige Eingreifen der Grundsätze von der Störung der Geschäftsgrundlage ab.

  • Für eine Anwendung der condictio ob rem auf Fälle, in denen ein über den Primärzweck hinausgehender vereinbarter Zweck erfüllt wird, kann die Entstehungsgeschichte der Lehre vom WGG sprechen. Diese ist basierend auf den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB entwickelt worden und soll quasi als “ultima ratio” eingreifen. An diesem Zweck hat auch die ausdrückliche Normierung des Rechtsinstitutes § 313 BGB nichts geändert.

  • Weiterhin ist es Aufgabe von § 313 BGB, fehlende Zweckabreden nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu ersetzen. Bei der condictio ob rem ist die Zweckabrede aber gerade Geschäftsinhalt geworden. Ein Vorrang des § 313 BGB ist deshalb nicht anzuerkennen.

  • Des Weiteren muss Vertragsfreiheit auch bedeuten, weitere Zwecke außer den Leistungspflichten zum Vertragsinhalt und damit kondiktionfähig machen zu können.

Wie ist das Merkmal “auf Kosten des Anspruchstellers” auszufüllen?

Minderansicht:

Nach einer Minderansicht orientiert sich dieser Begriff an der Widerrechtlichkeit der Handlung des Anspruchsgegners (Widerrechtlichkeitstheorie).

  • Dagegen spricht jedoch, dass die rechtswidrige Handlung nichts über die Bestimmung des Bereicherungsgläubigers aussagt.

  • Zudem würde dieser Lösungsgedanke nicht eine Bereicherung durch Handlungen Dritter oder durch Naturvorgänge erfassen.

a.A.:

Eine andere Ansicht stellt darauf ab, ob die Vorteilserlangung unter Ausnutzung eines dem Anspruchsteller vorbehaltenen Rechtsgutes erfolt. Dies ist dann der Fall, wenn der Anspruchsteller einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 I BGB gegen den Anspruchsgegner geltend machen könnte (Vorbehaltslehre).

  • Hierfür lässt sich als Argument zunächst die Rechtsklarheit und somit auch die Rechtssicherheit anführen.

  • Dagegen spricht aber, dass der Unterlassungsanspruch nicht darüber Auskunft gibt, wer der Bereicherungsgläubiger ist.

herrschende Zuweisungslehre:

Nach der herrschenden Zuweisungslehre ist das Merkmal “auf dessen Kosten” erfüllt, wenn der Erwerb im Widerspruch zum wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt einer geschützten Rechtsposition des Anspruchstellers erfolgt ist. Fraglich ist allerdings, welche Rechtspositionen wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt haben. Das beurteilt sich nach der marktmäßigen Verwertungsmöglichkeit der Rechtsposition.

  • Diese wird beim Eigentum, bei beschränkt dinglichen Rechten, Patenten und Urheberrechten, Warenzeichenrecht sowie bei berechtigtem Besitz angenommen.

  • Verneint wird der wirtschaftliche Zuweisungsgehalt jedenfalls beim Recht am Gewerbebetrieb, da es nach h.M. nur eine negative Abwehrfunktion hat und keinen positiven Zuweisungsgehalt, so dass nur Abwehr- und Unterlassungsansprüche in Betracht kommen.

§ 816 I S. 1 BGB: Kann der ehemalige Eigentümer überhaupt noch die Genehmigung erteilen, wenn er nach §§ 946, 93, 94 II, I BGB bereits das Eigentum und damit seine Rechtsmacht verloren hat? Aufgrund § 185 II S. 1 BGB ist es erforderlich, dass der Genehmigende noch Verfügungsmacht besitzen muss.

Teilweise:

Teilweise wird verlangt, dass der Genehmigende die erforderliche Verfügungsmacht noch im Zeitpunkt der Genehmigung besitzen muss.

  • Hierfür spricht der insoweit eindeutige Wortlaut des § 185 II BGB. Die Verfügung (d.h. die Übereignung nach § 929 BGB) wird wirksam, wenn der Berechtigte (d.h. der Eigentümer) sie genehmigt. Wenn der ehemalige Eigentümer die Übereignung nach § 929 BGB genemigen will, ist er wegen des zwischenzeitlichen gesetzlichen Eigentumserwerbes gem. § 946 BGB kein Berechtigter (d.h. Eigentümer) mehr.

  • Dies folgt des Weiteren aus der Rechtsnatur der Genehmigung. Sie ist eine Verfügung. Läge die Rechtsmacht nicht im Zeitpunkt der Vornahme vor, würde in das Recht des gegenwärtig Berechtigten eingegriffen.

  • Zudem werden von der Rückabwicklung der Genehmigung nur deren Rechtsfolgen, nicht aber auch die Voraussetzungen erfasst. Folglich muss die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Genehmigung und aufgrund der Rückwirkung auch zum Zeitpunkt des vorgenommenen Rechtsgeschäfts vorliegen. Der ehemalige Eigentümer kann daher nicht mehr genehmigen, da er seine Verfügungsmacht durch den gesetzlichen Eigentumserwerb verloren hat.

Rechtsprechung:

Die Rechtsprechung stellt für die Genehmigungsfähigkeit auf den Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung ab. Da der ehemalige Eigentümer bei der unwirksamen Veräußerung (§ 929 BGB) zwischen dem Nichtberechtigten und dem Käufer Verfügungsberechtigter (d.h. Eigentümer) war, kann er nach diesem Ansatz genehmigen.

  • Dies folgt zunächst aus der Wirkung einer Genehmigung. Aufgrund der Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 BGB) ist allein auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen.

  • Anderenfalls drohen zufällige Ergebnisse. Die Möglichkeit der Genehmigung und damit das Schicksal des Anspruches aus § 816 I S. 1 BGB kann nicht davon abhängen, ob ein Dritter bereits zufällig (oder schnell) verarbeitet hat.

Stellungnahme:

Letztgenannter Ansicht ist zu folgen. Im Rahmen des § 816 I S. 1 BGB ist es als ausreichend anzusehen, wenn die Verfügungsmacht des Genehmigenden im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts besteht. Die Genehmigungsfähigkeit bei § 816 I S. 1 BGB muss sich unabhängig von dem späteren rechtlichen Schicksal der Sache beurteilen. Die Genehmigung kann also auch noch nach der Verarbeitung einer Sache erteilt werden.

“in sonstiger Weise”: Im Mehrpersonenverhältnis stellt sich die Frage, auf welchen der Beteiligten für den Vorrang des Leistungsverhältnisses gegenüber der Eingriffskondiktion abzustelen ist.

e.A.:

Einerseits kann maßgeblich sein, ob der Anspruchsteller den Gegenstand durch Leistung weggegeben hat. Unabhängig davon, an wen dies erfolgte, ist in diesem Fall die Eingriffskondiktion gegen den Drittempfänger ausgeschlossen.

  • Zur Begründung kann § 935 BGB herangezogen werden, dem der Grundsatz zu entnehmen ist, dass dem Entreicherten die Eingriffskondiktion als Fortsetzung des sachenrechtlichen Rechtsgüterschutzes abgeschnitten ist, sofern er den Gegenstand freiwillig weggegeben hat.

  • In diesem Fall muss der Entreicherte nämlich auch das Missbrauchsrisiko tragen; die Deckung dieses Risikos darf allein im Rahmen des Leistungsverhältnisses erfolgen.

a.A.:

Andererseits kann entscheidend sein, ob - unabhängig von wem - der Bereicherungsgegenstand an den Empfänger geleistet wurde.

  • Zweck des Subsidiaritätsprinzips ist es, den Empfänger einer Leistung gegen Eingriffe Dritter zu schützen. Ob der Betroffenen geleistet hat oder nicht, kann hier nicht maßgebend sein.

  • Dies folgt auch aus der Vorschrift des § 816 I S. 1 BGB, der zu entnehmen ist, dass es für den Ausschluss der Eingriffskondiktion gegen den entgeltlichen Erwerber der Sache darauf ankommt, ob ihm die Sache (vom Nichtberechtigten) geleistet wurde.

Stellungnahme:

Unabhängig davon, dass damit dahingestellt bleiben kann, welchem Lösungsansatz der Vorzug zu geben ist, besteht im Ergebnis ohnehin Einigkeit, dass das Subsidiaritätsprinzip kein starres Schema ist, sondern eine Korrektur unter Berücksichtigung der konkurrierenden Interessen möglich ist. Geboten ist eine solche Korrektur des Subsidiaritätsprinzips dahingehend, dass die Eingriffskondiktion des rechtsverlierenden Teils gegen den Erwerber möglich ist, wenn seinem Bestandsschutzinteresse ausnahmsweise unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungsmodelle der Vorzug einzuräumen ist.

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Ann-kathrin L.

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