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Deliktsrecht Wissen

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by Ann-kathrin L.

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gilt wegen des offenen Tatbestandes als sog. Rahmenrecht, bei dem eine Rechtsverletzung nicht ohne weiteres feststellbar ist un eine sonst bestehende Lücke insbesondere im gewerblichen Rechtsschutz schließen soll.

I. Anwendbarkeit

als Auffangtatbestand grds. subsidiär, d.h. unanwendbar, wenn spezielle Regelungen in UWG, GWB oder auch § 824 BGB sowie § 823 I BGB bzgl. des spezielleren Eigentums- und Besitzrechts durchgreifen.

II. haftungsbegründender Tatbestand

Erforderlich ist ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in den Schutzbereich des Gewerbebetriebes/ Unternehmens.

  1. Eingriff in den Schutzbereich

    a) Schutzbereich

    -> alles, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt

    • Gewerbe/ Unternehmen

      • grds.: jede planmäßige, auf gewisse Dauer angelegte, erlaubte (str.), selbstständige, zum Zwecke der Gewinnerzielung vorgenommene Tätigkeit (im HandelsR: die kein freier Beruf ist)

      • nach hM auch auf Freiberufler (= kein Gewerbe) anwendbar, da idR eine vergleichbare Betriebsstruktur vorhanden ist; auch bei einzelnem Sporttrainer oder Anwalt

      • nicht nur der Bestand des Gewerbebetriebs, sondern auch einzelne Erscheinungsformen

    • eingerichtet und ausgeübt

      • auf Dauer angelegte Organisation vorhanden,

      • die wirtschaftliche (nicht zwingend gewerbliche) Tätigkeit muss bereits entfaltet sein

    b) Eingriff

    muss betriebsbezogen, dh spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als solche gerichtet sein und nicht nur gegen vom Betrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter:

    • UNmittelbarer Eingriff in den Funktionszusammenhang notwendig; dh nicht nur mittelbar (zB Stromkabelfall); zu verneinen bei Veröffentlichung von Zitaten aus RA-Schreiben im Zusammenhang mit Steuerpflichten des Mandanten

    • muss über bloße Belästigung oder sozial übliche Behinderung hinausgehen; bejaht bei negativer Bewertung im Reiseportal, offenbar ohne Gästekontakt, verneint bei bloßer Beeinträchtigung der Erwerbsaussicht zB versehentlicher Nichteintragung ins Telefonbuch

    • Betreibsbezogenheit ist bei vorsätzlichem Eingriff idR zu bejahen

  2. Rechtswidrigkeit des Eingriffs

    • wegen des offenen Tatbestandes wird die Rechtswidrigkeit nicht indiziert, sondern es ist eine umfassende Interessenabwägung im Eiznelfall erforderlich, um zu ermitteln, ob das Verhalten zu missbilligen ist, bzw. gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt; entscheidend sind ua:

      • Motive und verfolgter Zweck des Schädigers

      • Intensität des Eingriffs

      • begünstigende Grundrechte

      • allgemeine Rechtfertigungsgründe

      • Verhältnismäßigkeit

    • die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers trägt der Geschädigte

  3. Verschulden keine Besonderheiten

III. haftungsausfüllender Tatbestand

  • es ist Schadensersatz gem. §§ 249 ff. BGB, insbesondere § 252 BGB (entgangener Gewinn) zu leisten

  • ggf. Unterlassung/ Beseitigung der Betriebsstörung

Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) ist als sonstiges Recht iSe des § 823 I BGB als sog. Rahmenrecht mit offenem Tatbestand in verfassungskonformer Auslegung der Art. 1 I GG (Menschenwürde) und Art. 2 I GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) anerkannt.

I. Anwendbarkeit

Als Auffangtatbestand ggü. speziellen Regelungen des APR insbesondere aus §§ 22- 24 KUG oder § 11 UrhG; BDSG; § 12 oder § 824 subsidiär. soweit diese abschließende Regelungen zu dem geltend gemachten Anspruch enthalten.

II. haftungsBEGRÜNDENDER Tatbestand

Erforderlich ist ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in den Schutzbereich des APR

  1. Eingriff in den Schutzbereich

    a) natürliche Personen

    • Beeinträchtigung der Ehre oder des sozialen Geltungsanspruchs

      das bedeutet: Schutz des nicht öffentlich gesprochenen Wortes, vertraulicher Aufzeichnungen, Schutz des Rechtes am eigenen Bild oder Namen, auch Schutz vor Sprachimitation oder Doppelgänger für ungewollte Werbung

      • Individual-(Sozial)sphäre -> sozialer Geltungsbereicht (schützt das Selbstbestimmungsrecht und bewahr die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt, seinem öffentlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Wirken)

      • Privatsphäre -> Schutz des persönlichen Rückzugsbereichs, zu dem andere Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des Betroffenen Zugang haben z.B. häuslicher oder Familienkreis und sonstiges privates Leben

      • Intimsphäre -> Kernbereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung, zB inner Gefühl-/ Gedankenwelt: vertrauliche Briefe, Tagebuchaufzeichnungen …

    b) juristische Personen/ Personenvereinigungen, Gemeinschaften, Parteien

    • nur beschränkter Wirkungskreis, soweit sozialer Geltungsanspruch betroffen ist, der durch ihr Wesen als Zweckschöpfung des Rechts ihrer satzungsmäßigen Funktionen und ihrer sozialen Wertgeltung beschränkt wird (allg. Handlungsfreiheit, insb. wirtschaftl./ politische Betätigungsfreiheit); bie juristischen Personen des öR nur über § 823 II BGB

    • Unternehmens-Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 19 III GG, Art. 8 I EMR): Hotelbewertung ohne Gästekontakt

    c) nach dem Tode: postmortaler Persönlichkeitsschutz (hM)

    Träger des APR aus Art. 2 I, 1 I GG sind nur lebende Personen, es erlischt mit dessen Tod. Aber weiterhin Achtungsanspruch aus Art. 1 I GG zum Schutz des Verstorbenen vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung sowie der sittliche, personale und soziale Geltungsbereich; Geltendmachung durch nahe Angehörige.

  2. Rechtswidrigkeit des Eingriffs

    Da es sich um ein Rahmenrecht mit offenem Tatbestand handelt, wird die Rechtswidrigkeit durch den Eingriff in den Schutzbereich nicht automatisch indiziert. Zur Feststellung des erlaubten Rahmens ist die Rechtswidrigkeit des Handelns iRe Interessenabwägung im Einzelfall zu ermitteln.

    • auf Seiten des Verletzten:

      • welche Sphäre ist betroffen

      • Intensität des Eingriffs

      • Veranlassung durch Verletzten

      • Grundrechtsbeeinträchtigung (Art. 2 I, Art. 1 I GG)

    • auf Seiten des Handelnden:

      • Art und Weise des Eingriffs, eingesetztes Medium (Internet)

      • Motive, Zweck des Eingriffs (ggf. Machtkritik ggü. Politikern)

      • Grundrechtsausübung insbesondere Meinungs-/ Presse-/ Kunstfreiheit

      • berechtigte Interessen gem. § 193 StGB

    • notwendig ist ein vertretbares Verhältnis, zwischen dem erstrebten Zweck sowie Form, Art und Ausmaß des Eingriffs

    • sachbezogene Kritik darf auch scharf, schonungslos und ausfällig sein

    • aber Rechtswidrigkeit OHNE Interessenabwägung bei Formalbeleidigung, Angriff auf die Menschenwürde, Schmähkritik = Äußerung ohne nachvollziehbaren Bezug zu sachlicher Auseinandersetzung, sondern grundlose Verächtlichmachung

  3. Verschulden

III. haftungsAUSFÜLLENDER Tatbestand (= Rechtsfolge)

  1. materielle Schäden nach §§ 249 ff. BGB

  2. Rückgängigmachung von Äußerungen

    • Werturteile

      grds. (-), da kein Zwang zum Widerruf persönlicher Ansichten (arg. ex Art. 5 GG), uU Anspruch auf Veröffentlichung des der Unterlassungsklage stattgebenden Urteils bzw. Veröffentlichung einer abgegebenen Unterlassungserklärung

    • Tatsachenbehauptungen

      grds. Widerruf (eingeschränkter Widerruf, wenn Tatsache nicht erweislich unwahr, aner auch nicht erweislich wahr ist)

  3. Ausgleichsanspruch für immateriellen Schaden UNMITTELBAR aus § 823 I aufgrund verfassungskonformer Auslegung Art. 1 und 2 GG AUSNAHMSWEISE, wenn

    • besonders schwere Verletzung + Beeinträchtigung nicht anders ausgeglichen werden kann (zB Gegendarstellung/ Widerruf etc.)

    • Beachte: Geldentschädigungsanspruch erst vererbbar, ab Rechtskraft des Urteils

Zurechenbarkeit des Verhaltens: Unterlassen und Verstoß gegen eine VSP

Anwendungsbereich:

alle Fälle, bei denen eine Rechtspflicht zum Handeln besteht, sodass ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichsteht

systematische Einordnung:

nach hM auf Tatbestandsebene im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität

I. Rechtspflicht zum Handeln (Garantenpflicht/VSP9

Beschützergarant:

Rechtsgutbezogen aufgrund:

  • natürlicher Verbundenheit

  • tatsächlicher Gewährübernahme

  • von Rechtsgründen

Überwachungsgarant:

Gefahrenquellenbezogen aufgrund:

  • Pflicht aus vorangegangenem Tun (Ingerenz) (gefährliches Tun in der Öffentlichkeit)

  • Pflicht wegen Sachbeherrschung (Zustandshaftung)

  • allgemeine Verkehrssicherungspflicht

allgemeine Verkehrssicherungspflicht (VSP):

Wer eine Gefahrenquelle geschaffen hat, muss alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um Schäden anderer zu vermeiden. Kann sich ergeben aus: Verkehrsöffnung; Beherrschung einer Gefahrenquelle; aus Produzentenhaftung als herstellerspezifische Verkehrssicherungspflicht, dh Beachtung von Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- und Produktbeobachtungspflichten.

II. Geltung auch ggü. dem Anspruchssteller (Schutzbereich)

  1. wenn Anspruchsteller befugtermaßen mit der Gefahrenquelle in Berührung gekommen ist

    • Garantenquelle/ VSP gilt ggü. allen

      • Gefahrenquelle wurde ggü. der Allgemeinheit eröffnet, zB Feuerwerk, Ammoniak in Limoflasche

      • nicht bei Begebung in drohende Eigengefährdung

    • Garantenpflicht/ VSP nur ggü. bestimmten berechtigten Personen

      • wenn Anspruchsgegner in seinem Herrschaftsbereich berechtigterweise den eine besondere Gefahr eröffnenden Verkehr auf bestimmte Personen beschränken durfte und beschränkt hat

  2. wenn Anspruchsteller unbefugt mit der Gefahrenquelle in Berührung gekommen ist

    • grds. keine Garantenpflicht/ VSP, wenn nicht zum Verkehr zugelassene Personen unberechtigt mit der Gefahrenquelle in Berührung kommen (zB abgesperrter Bereich)

    • ausnahmsweise auch ggü. Unbefugten:

      • wenn erfahrungsgemäß mit dem Fehlverhalten Dritter zu rechnen ist

      • insbesondere bei Kindern, da deren Unerfahrenheit, Neugier, Spieltrieb und Bewegungsdrang zu berücksichtigen sind

III. Verstoß gegen Garantenpflicht/ VSP

  1. Anspruchsgegner ist primär einstandspflichtig

    wenn der Anspruchsgegner - unter Berücksichtigung der Rücksichtnahme, die der Verkehr ggü. der Schutzsphäre fordern und erwarten darf - das zumutbare und erforderliche Verhalten unterlassen hat:

    Erforderlichkeit: was nach Grad der Gefahr und Erkennbarkeit nach für den Bereich herrschender Verkehrsauffassung für erforderlich gehalten werden durfte

    Zumutbarkeit: abhängig von Verhältnismäßigkeit des Aufwandes zu Grad und Erkennbarkeit der Gefahr

  2. Verstoß ist für den eingetretenen Verletzungserfolg ursächlich, wenn

    • das hinzugedachte pflichtgemäße Handeln den Erfolgseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte (Äquivalenz) bzw.

    • Vornahme der Handlung als typischerweise geeignete Bedingung für Nichteintritt anzunehmen ist (Adäquanz).

  3. bei Übertragung der Garantenpflicht/ VSP auf einen Dritten

    • bedarf klarer Absprache, die die Sicherung der Gefahrenquelle garantiert (Übernehmender zuverlässig/ geeignet?)

    • Übertragung führt zu Kontroll- und Überwachungspflicht ggü. dem Übertragenden, die eine eigene VSP des Übertragenden begründet

    • bei Verstoß gegen VSP durch Übernehmer haftet der

      • Übernehmer selbst gem. § 823 I BGB wegen Verletzung der Garantenpflicht/ VSP

      • Übertragender bei einem eigenen Verstoß gegen Auswahl-, Kontroll- oder Aufsichtspflicht aus §§ 823 I; 831 BGB

Mehrheit von Schädigern, § 830 BGB

Keine bloße Zurechnungsnorm, sondern eine eigene Anspruchsgrundlage. Sie regelt zum einen Mittäterschaft (§ 830 I 1 BGB) und Teilnahme (§ 830 II BGB) und zum anderen die Verantwortlichkeit bei Beteiligung von Alternativ- und Kumulativtätern (§ 830 I 2 BGB). Da der konkrete zivilrechtliche Nachweis des Schadensanteils eines jeden Mittäters/ Teilnehmers oft nicht geführt werden kann, ordnet § 830 I 1, II die Gesamtverantwortlichkeit jedes Mittäters/ Beteiligten an. Das Risiko der Haftungsverteilung verlagert sich so gem. §§ 840, 426 ins Innenverhältnis der Täter.

§ 830 I 1 und II BGB = (Mit-)Täter und Teilnehmer

I. haftungsbegründender Tatbestand

  1. unerlaubte Handlung

    • alle Delikte iSd §§ 823 ff., bei vorsätzlicher Tatbegehung (Täterschaft und Teilnahme setzen ebenso Vorsatz voraus).

    • nicht (analog) bei Gefährdungstatbeständen, weil es an der Verknüpfung der wechselseitigen Tatbeiträge über das Vorsatzerfordernis fehlt.

    Jedem der Täter/Teilnehmer werden die Folgen des vorsätzlich gemeinsam begangenen Delikts zugerechnet.

  2. Mittäterschaft oder Teilnahme (grds. wie im StrafR, dh §§ 25 II- 27 StGB)

    • gemeinschaftliche Begehung (Abs. 1 S. 1) = Mittäterschaft, dh bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zur Herbeiführung des Erfolges.

    • Anstifter und Gehilfen (Abs. 2) = Teilnahme, dh vorsätzliche Unterstützung einer vorsätzlichen (str.) fremden Tat

    Notwendig sind einheitlich für Täterschaft und Teilnahme: subjektiv “neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen des Einzelnen, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder zu fördern” und objektiv “eine Beteiligung an der Ausführung der Tat, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist.”

  3. Rechtswidrigkeit ist für jeden Anspruchsgegner gesondert festzustellen und richtet sich nach allgemeinen Regeln.

  4. Verschulden

    • ist für jeden Anspruchsgegner gesondert festzustellen und richtet sich nach allg. Regeln

    • Verschuldensunfähigkeit schaden nicht, falls § 829: (+)

II. haftungsausfüllender Tatbestand

  • jeder der Mittäter, Teilnehmer haftet für den gesamten Schaden (ohne Entlastung wie bei § 830 I 2)

  • Schadensersatz, es gelten die allg. Grundsätze (§§ 249 ff.)

  • gesamtschuldnerische Haftung gem. § 840

§ 830 I 2 BGB = Beteiligte

Ein Schädiger soll sich nicht durch den Tatbeitrag eines anderen Schädigers entlasten können (Urheberzweifel = alternativer Kausalität). Der Geschädigte soll nicht das Beweisproblem haben, welcher Tatbeitrag welchen Anteil am Schaden hat (Anteilszweifel = kumulativer Kausalität).

I. haftungsbegründender Tatbestand

  1. Unerlaubte Handlung

    • gilt für alle Delikte iSd §§ 823 ff., die abgesehen von den bstehenden Kausalitätszweifeln iÜ voll verwirklicht sind.

    • Gilt auch für Gefährdungstatbestände im BGB und analog auch für Gefährdungstatbestände außerhalb des BGB insb. § 7 StVG und vertraglicher SEA wg. Schutzpflichtverletzung gem. §§ 280, 241 II

  2. Mehrere Beteiligte

    • mehrere: Mindestens zwei verantwortliche Täter - die nicht als Mittäter, Gehilfe oder Anstifter zusammengewirkt haben, da dann Tatbeitragszurechnung bereits über § 830 I 1, II BGB -, wobei der Verletzte (bei Selbstschädigung) ebensowenig zählt, wie der gerechtfertigt oder schuldunfähig Handelnde (sofern nicht § 829 BGB eingreift).

    • Beteiligte: Zwei verantwortliche Schädiger sind nur Beteiligte, wenn ein Zusammenhang zwischen den Handelnden besteht. Nach hM (+), wenn die Handlungen nach Anschauung des praktischen Lebens einen zusammenhängenden Vorgang bilden. So insbesondere bei Gleichartigkeit der Gefährdung, bei räumlichem und zeitlichem Zusammenhang (Verkehrsanschauung).

  3. Urheber- oder Anteilszweifel

    • Urheberzweifel: gewiss ist: mindestens einer der Beteiligten hat die Rechtsverletzung verursacht; ungewiss ist, welcher es war. Merke: § 830 I 2 BGB gilt nicht, wenn feststeht, dass ein Beteiligter sicher verantwortlich ist, bei den anderen aber nur die Möglichkeit der Verantwortlichkeit besteht. § 830 I 2 BGB daher nicht anwendbar, wenn das Gericht den Umfang der haftungsausfüllenden Kausalität ggf. durch gerichtliche “Schätzung” bestimmen kann. Nach hM scheidet ein Anspruch über § 830 I 2 BGB auch dann aus, wenn das Verhalten Mehrerer bzw. eines Schädigers mit einer möglicherweise zufälligen Schadensursache oder möglichen Selbstschädigung des Opfers zusammenfällt.

    • Anteilszweifel: Jeder Beteiligte hat selbstständig den Schadensfall verursacht; unklar ist der jeweilige Schadensanteil.

  4. Rechtswidrigkeit und Verschulden

    Fehlt bei einem Beteiligten das Verschulden - Ausnahme von § 829 BGB - oder liegt ein RFG, entfällt die Haftung aller Beteiligten iSv § 830 I 2 BGB.

II. haftungsausfüllender Tatbestand

  • jeder Beteiligte haftet für den gesamten Schaden, aber Entlastung bei Gegenbeweis mangelnder Kausalität möglich

  • Schadensersatz, es gelten die allgemeinen Grundsätze (§§ 249 ff. BGB) mit gesamtschuldnerischer Haftung § 840 BGB.

Schadensausgleichung

I. Voraussetzungen der §§ 823 ff. BGB (“haftungsbegründender Tatbestand”)

II. Rechtsfolge (“haftungsausfüllender Tatbestand”)

  1. Schadensfeststellung

    • Schaden = unfreiwillige Einbuße, die jemand an seinen rechtlich geschützten Rechtsgütern erleidet (Unterscheide: Vermögens- und Nichtvermögensschaden)

    • nach der sog. Differenzmethode

      • Vergleich des tatsächlichen, schadensbelasteten Zustandes mit dem hypothetischen schadensfreien Zustand

      • Normative Schadenskorrekturen wie bspw. Vorteilsanrechnung und bei Vorhaltekosten nach hM: obwohl freiwillige Aufwendungen ersatzfähig, soweit vorweggenommene Schadensminderungskosten (keine Reduzierung, wenn Geschädigter auch Schadensersatzanspruch ggü. Dritten hat)

      • Grds. kein Ersatz von Drittschäden (Ausnahme: DSL, VSD, §§ 844 f.)

  2. Schadenszurechnung = haftungsAUSFÜLLENDE Kausalität

    • Äquivalenz, dh Rechts(gut)verletzung muss conditio sine qua non für Schaden sein

    • Adäquanz, dh Rechts(gut)verletzung muss generell geeignet sein, Schaden herbeizuführen; Schaden darf also nicht außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit liegen

    • Zurechnungskorrektur

      • Lehre vom Schutzzweck der Norm

        Dient die verletzte Norm gerade dem Schutz vor der betreffenden Schadensposition? Dieses Begrenzungskriterium betrifft iRd haftungsausfüllenden Kausalität hauptsächlich die Abgrenzung zwischen dem spezifischen durch die Schädigung geschaffenen Risiko und dem allg. Lebensrisiko

      • bei Vorliegen einer Reserveursache (=hypothetische Kausalität)

        1. Reserveursache war bereits vor Schadenseintritt gesetzt (“Anlagefälle”): Ersatz nur des “Verfrühungsschadens”

        2. Reserveursache tritt erst nach dem Schadensereignis auf: nach hM Differenzierung

          • bie unmittelbaren Objektschäden unbeachtlich, dh der Erstschädiger wird nicht entlastet

          • bei mittelbaren Vermögensfolgeschäden (zB entgangener Gewinn, Rente) beachtlich, dh Entschädiger haftet nur bis zu dem Zeitpunkt des Eintritts der Reserveursache

      • bei rechtmäßigem Alternativverhalten

        hL: grds. beachtlich, dh Schädiger wird wegen des fehlerhaften Verhaltens entlastet

        BGH: Schutzzweck der jeweils verletzten Norm entscheidet über Erheblichkeit

        (+) bei Inseratskosten für Stellenanzeige, die auch bei vertragsgemäßer Kündigung des AN entstanden wären

        (-), wenn Schäden durch ordnungsgemäße OP durch Arzt 1, wenn Einwilligung nur zur OP durch Arzt 2

  3. Art des Schadensausgleiches

    Grundsatz: -> Naturalrestitution, § 249 (geht der Schadenskompensation vor)

    • § 249 I: Herstellung in Natur

      • Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (beachte: Ausschlussgrund § 250 S. 2 Hs 2) oder nach Wahl des Geschädigten

    • § 249 II 1: Zahlung des zur Naturalrestitution erforderlichen Geldbetrages

      bei Verletzung einer Person oder Sachbeschädigung

      • unerheblich, ob zur Beseitigung materieller oder immaterieller Schäden

      • entweder Abrechnung Reparaturaufwand oder (so Rspr) Wiederbeschaffungsaufwand. Grenze: Wirtschaftlichkeitspostulat: “erforderlich”; Prognoserisiko fällt Schädiger zur Last

      • Geschädigter kann disponieren, ob er Geld tatsächlich zur Herstellung verwendet oder fiktive Schadensberechnung (auf Gutachtenbasis) wählt (Ausnahme: Personenschäden); aber kein Anspruch auf USt für Ersatzfahrzeug. Aber: (-), wenn Sache unrepariert veräußert, dann nur Ersatz des Vermögensschadens nach § 251 I Fall 1 (Ausnahme: Auto)

      • bei Verletzung eines Tieres, § 251 I 2: Ersatz der Behandlungskosten auch dann, wenn diese den Wert des Tieres erheblich übersteigen; Gesamtwürdigung bzgl. der Wiedergenesung des Tieres als lebendes Geschöpf

      • § 250 S. 2 Hs 1: Zahlung des zur Naturalrestitution erforderlichen Geldbetrages nach Fristsetzung wenn nicht für Verletzung eines Person/ Beschädigung einer Sache (denn dann schon § 249 II 1)

        Ausnahme: -> Schadenskompensation §§ 251 ff.

    • Ausschluss der Naturalrestitution nach § 251, wenn Naturalrestitution:

      • unmöglich (Abs. 1 Fall 1) -> Reparatur ist aus technischen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich

        • technischer Totalschaden, dh Reparatur technisch unmöglich (Sache ist verbrannt/zerstört)

        • aus tatsächlichen Gründen, wenn Anspruch auf Naturalrestitution wegen Verkauf der Sache untergegangen ist

      • ungenügend zur Befriedigung des Gläubigers (Abs. 1 Fall 2) -> Reparatur nicht zumutbar oder verbleibender Minderwert kann neben § 249 II 1 treten oder diesen ersetzen

        • technischer oder merkantiler Minderwert

        • ggf. Abrechnung auf Neuwagenbasis sog. unechter Totalschaden, wenn erhebliche Schädigung

      • unverhältnismäßig (Abs. 2) -> sog. wirtschaftlicher Totalschaden

        • Wiederherstellung ist für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten unternehmerisch unvertretbar = bei Abwägung Berücksichtigung des Restitutionsinteresses des Geschädigten (bei Behandlungskosten für ein Tier bis zum dreifachen Betrag der jährlichen Kosten der Tierhaltung)

        • idR, wenn Reparaturkosten zzgl. merkantiler Minderwert zusammen über dem Wiederbeschaffungswert liegen

        • Opfergrenze von 130% bei Kfz nur im Einzelfall übertragbar

    • Folge: Schadenskompensation aus §§ 251, 252 aber nur, wenn Vermögensschaden (Arg. ex. § 253 I)

      • Wertersatz

        Ersatz des Wertes, den die Sache zum Zeitpunkt der Schädigung objektiv hatte (Wiederbeschaffungswert)

        (bloßes Affektionsinteresse nur ersatzfähig, wenn es kommerzialisiert ist)

      • Nutzungsausfall = Vermögensschaden? -> “Kommerzialisierungsgedanke”

        • bei gewerblich genutzten Sachen:

          • grds. der dadurch entgangene Gewinn, § 252

          • Vorhaltekosten/Reservehaltung, § 251

        • bei privat genutzten Sachen (kumulativ):

          • Wirtschaftsgut von allg. zentraler Bedeutung

          • Benutzer ist auf ständige Verfügbarkeit angewiesen

          • Sache wäre ohne Schädigung tatsächlich benutzt worden

      • Verdienstausfall

        nicht bei Erwerb, der unter Verstoß gegen gesetzliche Verbote (zB Schwarzarbeit) erzielt worden wäre

      • Vertane Urlaubszeit, nur wenn Urlaubsgenuss unmittelbar oder mittelbar Gegenstand einer vertraglichen Leistung und Vertragszweck gerade auf Ermöglichung von Urlaubsfreude gerichtet ist; also kein Ersatz über deliktische Haftung

      • Eigene Arbeitsleistung des Geschädigten zur Behebung des Schadens (+), wenn sie Marktwert hat

      • Verlust geldwerter Genussmöglichkeit (zB Theaterbesuch) -> Anwendung des “Kommerzialisierungsgedankens”; Wertersatz, wenn Geschädigter Genussmöglichkeit endgültig nicht mehr wahrnehmen kann

      • § 252 -> entgangener Gewinn

        • unabhängig von der Art des Schadensersatzes (also auch bei Naturalrestitution)

        • der Höhe nach, was mit Wahrscheinlichkeit als Gewinn hätte erzielt werden können (Beweiserleichterung: Schädtzung durch das Gerich gem. § 287 ZPO möglich)

        • nur das, was auf gesetzmäßiger Art und Weise erzielt worden wäre

      • § 253 II -> Ersatz des IMmateriellen Schadens (-> Schmerzensgeld) bei Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung -> sowohl aus Delikt, aus Vertrag oder Gefährdungshaftung!

  4. Haftungsbeschränkungen

    • § 9 bzw. § 17 StVg als lex specialis ggü. § 254

    • Eigenes Mitverschulden des Geschädigten, § 254 I (beachte: setzt nach hM analog §§ 827, 828 Verschuldensfähigkeit voraus; nach BGH analog beim Handeln auf eigene Gefahr und nach ganz hM auf eine mitwirkende Sach- oder Betriebsgefahr)

    • Zurechnung des Mitverschuldens Dritter, § 254 II 2 iVm § 278 (Beachte: § 254 II 2 in nach hM RechtsGRUNDverweisung; ggf. aber Zurechnung über Rechtsfigur der sog. Zurechnungseinheit)

    • Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit, § 254 II 1

    • Anspruchskürzung wegen gestörten Gesamtschuldnerausgleichs

    • ggf. ARBEITNEHMERprivileg: innerbetrieblicher Schadensausgleich bei betrieblich veranlasster Tätigkeit; ggü. ArbKollegen § 105 SGB VII

    • ARBEITGEBERprivileg gem. §§ 104, 105 SGB VII; § 46 Beamtenversorgungsgesetz; § 116 VI SGB X für Haushaltsangehörige

Ersatzpflicht nach §§ 842-845 BGB

I. § 842 BGB Umfang der Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person

  • Geltungsbereich: für alle gegen Personen gerichteten unerlaubten Handlungen (einschließlich §§ 833, 834, 836, 838 BGB); in Sondergesetzen der Gefährdunghaftung oftmals Sonderregelungen

  • Vorschrift regelt ausdrücklich, dass bei Verletzung einer Person zum Schadensersatz auch diejenigen Nachteile gehören, welche die unerlaubte Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten herbeigeführt haben.

  • ersatzfähige Nachteile sind idR nicht realisierte Vermögensvorteile, die durch Lohn-/Gewinnausfall, Ausbleiben einer Beförderung, verhinderten Wechsel in eine lukrativere Position etc. entstehen können; danben auch Nachteile, die im Verlust von Anwartschaften auf Leistungen aus öffentlichen oder privaten Versicherungen liegen

II. § 843 BGB Ausgleich bei Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Vermehrung der Bedürfnisse

Es gilt eine Geringfügigkeitsgrenze für Minderung von ca. 10-20%:

  1. Abs. 1: grds. durchZahlung einer (einheitlichen) Geldrente

    • Rechtsnatur: Schadensersatz- und kein Unterhaltsanspruch

    • Höhe: maßgeblich sind die konkret erlittenen Nachteile, dh im Falle der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit Vergleich der hypothetischen Entwicklung der konkreten Verhältnisse des Verletzten ohne Schadensereignis mit der Entwicklung, die Verhältnisse nach der Verletzung während des zum Zeitpunkt der Beurteilung überschaubaren Zeitraums nehmen werden und bei Vermehrung der Bedürfnisse Berechnung danach, welche Aufwendungen infolge der Verletzung zusätzlich erforderlich sind zB für medizinische Betreuung, Heilkuren, Medikamente etc, unter engen Voraussetzungen besonderer Betreuungsaufwand der Eltern für ihr verletztes Kind

    • Dauer: grds. Festsetzung einer zeitlichen Grenze der Rentenverpflichtung

    • Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe und verletzungsbedingter Vorteile, ggf. Schadensminderungspflicht bzgl. der Umverteilung/-organisation der Haushaltsführung

    • Bei Änderung der für die Festsetzung der Dauer oder Höhe der Rente maßgeblichen Umstände ist eine Abänderung des Rententitels gem. § 323 ZPO möglich (sog. Abänderungsklage)

    • Anspruch ist grds. unpfändbar, § 850b I Nr. 1 ZPO

  2. Abs. 2: Verweis bzgl. Rente auf § 760 zur Anwendung der Vorschriften für Leibrente

  3. Abs. 3: Kapitalabfindung ausnahmsweise bei Vorliegen eines wichtigen Grundes

    • Wahlrecht leigt allein beim Verletzten

    • Beispiele für wichtige Gründe: Möglichkeit, sich mit der Kapitalabfindung eine neue Existenz aufzubauen; Gefahr, dass Schuldner auf Dauer die Rente nicht beibringen wird (zB Absetzen ins Ausland oder drohende Insolvenz)

  4. Abs. 4: kein Ausschluss des Ersatzanspruches durch Verpflichtung eines anderen zur Unterhaltsgewährung an Verletzten; selbst dann nicht, wenn Unterhaltspflichtiger bereits geleistet hat.

III. § 844 BGB Ersatzansprüche Dritter bei Tötung

  • Ausweitung der Ersatzberechtigung auf bestimmte mittelbar Geschädigte

  • Anwendungsbereich: für alle unerlaubten Handlungen; in Sondergesetzen der Gefährdungshaftung oftmals Sonderregelungen; grds. nicht auf vertragliche Ansprüche

  • Anspruch des mittelbar Geschädigten nur, wenn auch unmittelbar Verletzter einen Anspruch hätte, also bspw. nicht bei vertraglichem Haftungsausschluss ggü. dem unmittelbar Verletzten; str. bei gesetzlichem Haftungsausschluss ggü. Schädiger

  • der Verletzung zeitlich späterer Vergleich/Verzicht des unmittelbar Verletzten beseitigen Anspruch aus § 844 BGB nicht

  • Berücksichtigung eventuellen Mitverschuldens des unmittelbar Verletzten gem. § 846 BGB

  • Unterscheide zischen einem eigenen anspruch der Hinterbleibenen aus § 844 BGB und dem auf sie kraft Erbrechts gem. § 1922 BGB übergegangenen Anspruch des Getöteten

Merke: Bei Erwerbsobliegenheit des Dritten, erfolgt die Anrechnung fitkiver Einkünfte idR Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB.

Vorstehende Ausführungen gelten für § 845 BGB entsprechend!

  • Abs. 1: Ersatz der Beerdigungskosten

  • Abs. 2: Ersatz des Unterhaltsschadens

  • Abs. 3: Hinterbliebenengeld

IV. § 845 BGB Ersatzansprüche wegen entgangener Dienste

  • keine Anwendung bei Tötung eines Ehepartners, da dieser weder durch die Haushaltsführung noch durch die Mitarbeit im Beruf oder Geschäft Dienste iSd § 845 BGB erbringt, sondern Unterhaltspflichten erfüllt

  • unerheblich, ob der Dienstverpflichtete die Dienste tatsächlich geleistet hat, solange er dazu aber rechtlich verpflichtet war

  • Ersatz in Form einer Geldrente

  • Rente pfändbar, § 850b ZPO findet keine Anwendung

Mitverschulden, § 254 BGB

I. § 254 I BGB (Mitverschulden bei der SchadensENTSTEHUNG9

  1. Anwendungsbereich

    • grds. ggü. allen Schadensersatzansprüchen

    • entsprechende Anwendung auf Ansprüche aus §§ 906 II 2, 1004 BGB sowie auf § 667 BGB, bei fehlgeschlagenen Weisungen im Giroverhältnis und auf § 670 BGB, soweit auf Schadensersatz gerichtet; auch bei Schadensersatz aus Verkehrsunfall bei Unfallbeteiligten ohne Kfz

    • aber vorrangige Regeln bei Unfall mit KfZ-Beteiligten untereinander (§ 17 III StVG) und § 9 StVG ohne Kfz

  2. Voraussetzungen

    • Anspruchssteller muss den haftungsbegründenden Tatbestand mit herbeigeführt haben (adäquate Kausalität)

    • eigenes Verschulden des Anspruchstellers

      • erfordert, da es beim Mitverschulden um eine Selbstschädigung geht, einen vorwerfbaren Verstoß des Geschädigten gegen seine eigenen Interessen. Abzustellen ist auf die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigener Schäden anzuwenden pflegt. Ein Verstoß des Geschädigten gegen gesetzliche Verhaltensvorschriften ist nicht erforderlich.

      • Mitverschulden setzt zudem in subjektiver Hinsicht Verschuldensfähigkeit (§§ 827, 828 BGB analog) und grds. Vorsatz oder Fahrlässigkeit im Hinblick auf eigenübliche Sorgfaltspflichtverletzung voraus

      • Anwendung des § 254 BGB aber ebenfalls, wenn auf Seiten des Geschädigten eine Sach- oder Betriebsgefahr mitgewirkt hat

      • Auch der Tatbestand des sog. Handelns auf eigene Gefahr kann als schuldhafte Selbstgefährdung unter § 254 BGB fallen

  3. Rechtsfolgen

    • Trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, hängt der Umfang der Ersatzpflicht des Schädigers von einer Würdigung und Abwägung der Umstände des Einzelfalls ab (§ 287 ZPO). Zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind:

      • in erster Linie das Maß der beiderseitigen Verursachung

      • in zweiter Linie das Maß des beiderseitigen Verschuldens

      • eine mitwirkende Betriebsgefahr

      • str., ob daneben auch weitere Umstände wie wirtschaftliche Folgen, Bestehen von Versicherungsschutz oder verwandtschaftliche Beziehungen einbezogen werden können

    • Abwägung kann zu einer Schadensteilung (Festsetzung/ Haftungsquote), zu einem vollen Wegfall der Ersatzpflicht zu einer vollen Haftung des Schädigers führen. Haftungsanteile von weniger als 10% werden von der Rspr. idR NICHT berücksichtigt.

  4. Beweisfragen

    • Beweislast trifft den Schädier, jedoch hat der Geschädigte eine Mitwirkungspflicht an der Sachaufklärung für aus seiner Sphäre stammenden Umstände.

    • Beweismaßstab ist der Strengbeweis gem. § 286 ZPO; für Umfang des Mitverschuldens gilt § 287 ZPO

    • bei der Schadensabwägung sind nur feststehende Umstände und nicht lediglich ein gesetzlich vermutetes Verschulden zu berücksichtigen

II. § 254 II 1 BGB (Mitverschulden bei der SchadensENTWICKLUNG)

Vorschrift regelt zwei Fälle des Mitverschuldens durch Unterlassen.

  • Unterlassen der Warnung des Ersatzpflichtigen vor der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens

  • Verstoß gegen Schadensabwendungs- oder -minderungspflicht des Geschädigten

III. § 254 II 2 BGB (mitwirkendes Verschulden Dritter

  • Satz 2 ist wie ein selbstständiger Abs. 3 zu lesen, der sich sowohl auf Abs. 1 als auch auf Abs. 2 bezieht!

  • Die Bedeutung der Verweisung auf § 278 BGB ist nicht ganz unumstritten:

    • ganz hM: Rechtsgrundverweisung, dh Voraussetzung für die Anwendung des § 278 BGB ist, dass zwischen Anspruchssteller und Anspruchsgegner im Zeitpunkt der Entstehung des Schadens eine vertragliche Beziehung oder eine sonstige rechtliche Sonderverbindung bestanden hat. Begründet wird dies mit dem Gleichbehandlungsargument (Spiegelbildgedanke). Der Geschädigte soll nicht strenger für Hilfspersonen haften als der Schädiger. Infolgedessen erfolgt die Zurechnung auch für das Verhalten des gesetzlichen Vertreters, weshalb sich bspw. ein Kind das Verschulden seiner Eltern zurechnen lassen muss.

      Konsequenterweise gilt § 254 II 2 BGB dann auch als Rechtsgrundverweisung auf §§ 31, 831 BGB.

    • mM: Rechtsfolgenverweisung, dh unbedingtes Einstehen des Verletzten für Vertreter- und Gehilfenverschulden, unabhängig vom Vorliegen einer Sonderverbindung, wobei zT der gesetzliche Vertreter generell ausgenommen wird

IV. Mitverschulden und Schädigermehrheit

  • Bei Mittäterschaft (entsprechend bei Anstiftung und Beihilfe) ist bei der zur Ermittlung des Umfangs der Ersatzpflicht notwendigen Abwägung der Verursachungs- und Schuldbeitrag sämtlicher Mittäter dem des Geschädigten gegenüberzustellen.

  • Bei Nebentäterschaft ist das Mitverschulden des Geschädigten ggü. jedem der Schädiger gesondert abzuwägen (Einzelabwägung). Insgesamt müssen die Schädiger jedoch nicht mehr als den Teil des Schadens ausgleichen, der bei einer Gesamtschau des Geschehens dem Anteil der Verantwortung entpsirhct, den sie im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt zu tragen haben. Der Anspruch des Anspruchsstellers gegen die einzelnen Schädiger ist also durch eine Kombination von Gesamtschau und Einzelabwägung zu ermitteln

  • Bilden mehrere Schädiger eine sog. Haftungseinheit, ist dem Tatbeitrag des Geschädigten der der Haftungseinheit gegenüberzustellen; auf diese entfällt nur eine gemeinsame Schadensquote

  • Alternativtäter haften auf die geringste (hypothetische) Quote

V. § 845 BGB: Zurechnung des Mitverschuldens bei abgeleiteten Ansprüchen

  • Geschädigter ist nicht zugleich Verletzter, sondern leitet seinen Anspruch von der Rechts(gut)verletzung der unmittelbar verletzten Person ab

  • Geschädigter muss sich Mitverschulden des unmittelbar Verletzten anspruchskürzend zurechnen lassen

Author

Ann-kathrin L.

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