Buffl

Deliktsrecht Schemata

AL
by Ann-kathrin L.

§ 823 I BGB

Anspruch entstanden

I. Haftungsbegründender Tatbestand (= Voraussetzungen)

  1. Anwendbarkeit

    • vertragliche Sonderverbindungen

      • Anspruchskonkurrenz besteht zwischen vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen, wobei die deliktische Haftung ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, so dass zunächst vertragliche Ansprüche zu prüfen sind.

      • Ob vertragliche Haftungsausschlüsse auch auf die deliktischen Ansprüche durchschlagen, ist Auslegungsfrage (§§ 133, 157, 242 BGB). Dabei ist zu beachten, dass unterschiedliche Rechtskreise betroffen sind: während das Vertragsrecht idR das Äquivalenzinteresse betrifft, schützt das Deliktsrecht das Integritätsinteresse. Bei Haftungsregeln in AGB gehen Unklarheiten zu Lasen des Verwenders § 307 I 2 BGB.

    • Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§ 987 ff. BGB

      Grds. finden die §§ 823 ff. BGB keine Anwendung, vgl. § 993 I Hs. 2 BGB; jedoch gelten Ausnahmen:

      • bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung wird die Privilegierung durchbrochen, da der Schädiger nicht schutzwürdig ist, die §§ 823 ff. BGB gelten dann neben den EBV-Regeln;

      • im Falle des Fremdbesitzerexzesses, d.h. bei Überschreitung des vermeintlichen Besitzrechts durch den unrechtmäßigen Fremdbesitzer. Dies erfoglt nach h.M. zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, da ein solcher Besitzer mangels Unredlichekeit an sich weder aus EBV (§ 993 BGB) noch aus Vertrag (fehlt) haftet. Der unrechtmäßige Besitzer haftet daher (ohne Sperrwirkung des § 993 BGB) wie der rechtmäßige Besitzer nach den §§ 823 ff. BGB.

    • Sonderverhältnis

      Beamtenprivileg gem. § 839 BGB und Unternehmerprivileg gem. §§ 104-106 SGB VII

  2. Rechts- bzw. Rechtsgutverletzung

    • die in § 823 I BGB ausdrücklich benannten Rechtsgüter und Rechte

      Die iRd § 823 I BGB geschützten Rechtspositionen sind als Rechtsgüter das Leben, der Körper, die Gesundheit und die Freiheit. Hinzu kommen asl Recht das Eigentum und die sonstigen Rechte.

      • Leben = Tötung eines Menschen = irreversible Beseitigung der Hirnfunktionen (Hirntod)

        • setzt Rechtsfähigkeit des Getöteten voraus (vgl. § 1 BGB), so dass die Verursachung einer Totgeburt kein Eingriff in das Rechtsgut Leben des nasciturus ist (aber uU Körper-/ Gesundheitsverletzung)

        • Tötung des Rechtsinhaber kann insbesondere Rechtsfolgen aus §§ 844, 845 BGB (-> sind keine eigenständigen Anspruchsgrundlagen) nach sich ziehen und bedeutet idR auch Verwirklichung von § 823 II BGB iVm § 211 ff. StGB

      • Körperverletzung = äußerer Eingriff in die körperliche Unversehrheit

        • Verletzung eines Anderen setzt grds. dessen Rechtsfähigkeit iSv § 1 BGB voraus (Realisierung an Lebendgeburt genügt aber)

        • Schutz der Unantastbarkeit der persönlich-leiblichen Sphäre

        • insbesondere die äußere Einwirkung auf die Unversehrtheit des Körpers durch Hervorrufen von nicht ganz unerheblichen Verletzungen (so auch der ärztliche Heileingriff, selbst wenn lege artis ausgeführt; aber uU rechtfertigende Einwilligung)

        • abgetrennte oder entnommene Körperteile, die beim Spender wieder eingefügt werden sollen (Eigenblutspende), sind auch während der Trennung Bestandteile des menschlichen Körpers, sonst lediglich eine Sache (zB Organspende)

      • Gesundheitsverletzung = jede medizinisch erhebliche Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge

        • Verletzung eines Anderes setzt grds. deren Rechtsfähigkeit iSv § 1 BGB voraus (Realisierung an Lebendgeburt genügt aber)

        • eine aus medizinischer Hinsicht behandlungsbedürftige Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge durch Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand abweichenden Zustandes (Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Erkenntnisse)

        • auch durch (erhebliche) Schlaf- und Ruhestörungen, Stalking, Mobbing möglich

        • auch als posttraumatsiche Belastungsstörung (PTBS) durch psychische Folge einer Körperverletzung möglich

        • Gesundheitsverletzung zB durch Infektion mit Krankheitserregern

        • Schockschaden ist eigene Gesundheitsverletzung, wenn aufgrund der Verletzung/ Tötung eines anderen die Betroffenheit einen eigenen diagnostizierbaren Krankheitswert herbeiführt, der nicht mehr über das sonst übliche Maß hinausgehen muss

      • Freiheit

        • nach hM eng auszulegen: daher nur die körperliche Fortbewegungsfreiheit (vgl. auch § 239 StGB); dagegen kein Schutz der allgemeinen Entfaltungsmöglichkeit oder des wirtschaftlichen Entscheidungsspielraums

        • durch physische Einwirkung: Einsperren; unberechtigte Verhaftung oder behördliche Festsetzung

        • durch psychische Einwirkung: zB Nötigung zu einer Handlung durch Drohung, Zwang oder Täuschung

      • Eigentum

        • dagegen nicht das Vermögen (aber geschützt über § 823 II BGB iVm § 263 StGB und § 826 BGB)

      • die sonstigen Rechte = absolute Rechte, die gegen jedermann gerichtet sind (mit dem Eigentum vergleichbar) zB:

        • Besitz (aber nicht uneingeschränkt)

          Der rechtmäßige Besitz stellt unstreitig ein sonstiges Recht iSd § 823 I dar, während die hM den rechtswidrigen Besitz nicht als sonstiges Recht anerkennt, da der rechtswidrige Besitz zwar mit Abwehrrechten gem. §§ 859 ff. verbunden ist, aber keine Nutzungsrechte aufweise und daher nicht eigentumsähnlich ist.

          Geschützt ist der unmittelbare Besitz (auch Mitbesitz) und auch der Mitbesitz - allerding nicht ggü. dem unmittelbaren Besitzer, vgl. §§ 861 ff.

        • beschränkt dingliche Rechte (zB Nießbrauch, Mobilar- und Grundpfandrechte)

        • dingliche Anwartschaftsrechte; Aneignungsrechte

        • Mitgliedschaftsrechte (zB an GmbH, AG) als Teilhaberechte (Informationsrechte, Stimmrechte) oder Abwehrrechte (Nichtigkeitsklage, § 249 AktG)

        • Immaterialgüterrechte = Urheber-, Patent- und gewerbliche Schutzrechte (zB Markenrechte)

        • Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

        • allgemeines Persönlichkeitsrecht

        • Familienrechte

        • Namensrecht

        • nach hM dagegen (-) bei Forderungsrechten, da sie nur ein relatives Recht sind

  3. durch zurechenbares Verhalten (haftungsBEGRÜNDENDE Kausalität)

    • die Zurechenbarkeit im haftungsbegründenden Tatbestand ist die notwendige Verknüpfung zwischen dem Verhalten des Schädigers und der beim Geschädigten eingetretenen Rechts(gut)verletzung

    • die Zurechenbarkeit im haftungsausfüllenden Tatbestand bezieht sich dagegen auf die Verknüpfung der eingetretenen Rechts-(gut)verletzung und dem daraus entstandenen Schaden (zB Körperverletzung -> Heilbehandlungskosten)

    a) Verhalten des Schädigers (=Verletzunghandlung

    • jedes menschliche Tun, das der Bewusstseinskontrolle und der Willensbildung unterliegt, also beherrschbar ist

    • (-) bei unwillkürlichem Reflex auf fremde Einwirkung; Bewusstlosigkeit; vis absoluta

    • durch aktives Tun oder durch Unterlassen

    b) Zurechenbarkeit

    • 1. Stufe: Kausalität iSd Äquivalenz -> conditio sine qua non

      Ursache ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Verletzungserfolg entfiele, wobei alle Bedingungen gleichwertig sind (-> äquivalente Kausalität)

      • bei mehreren ineinandergreifenden Ursachen, die nur zusammen den Erfolg herbeiführen, ist jede einzelne Ursache (jeder Verursacher) für den eingetretenen Verletzungserfolg ursächlich (sog. kumulative Kausalität)

      • bei mehreren selbstständigen Bedingungen, die jede für sich, aber nicht insgesamt hinweggedacht werden können, ist jede einzelne Ursache für den ganzen Verletzungerfolg ursächlich (sog. alternative Kausalität)

    • 2. Stufe: Adäquanz

      Verhalten muss im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen oder die Gefahr des Erfolgseintritts erhöhen

      • objektiv nachträgliche Prognose: dh für einen optimalen (zumindest erfahrenen) Beobachter muss der Eintritt des Verletzungserfolges objektiv vorhersehbar gewesen sein (unter Einbeziehung eines etwaigen Sonderwissens des Schädigers)

      • bei vorsätzlichem Handeln sind auch ungewöhnliche Verletzungserfolge zurechenbar

    • 3. Stufe: Schutzzweck der Norm (auh sog. Rechtswidrigkeitszusammenhang bzw. Gefahrbereichs- oder Risikoverteilung)

      bei mittelbarer/ kumulativer Kausalität, d.h. der Schädiger setzt nur eine mittelbare Bedingung, die erst durch eine weitere Handlung des Verletzten selbst oder eines Dritten den tatbestandsmäßigen Verletzungserfolg herbeiführt

      • Einschränkung bei nur mittelbaren Verletzungshandlungen, da (anknüpfend an eine Gefahrvermeidungspflicht) nicht generell jedes Verhalten zu unterlassen ist, das irgendwie mittelbar zu einem Verletzungserfolg beitragen kann (praktisch teleologische Reduktion des § 823 BGB)

      • wertende Betrachtung, ob der Verletzungserfolg aus dem Gefahrenbereich stammt, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist; typsische Anwendungsfälle sind:

        Herausforderungs-, Verfolgungs- und Nothilfefälle

        sog. psychisch vermittelnde Kausalität, da Verletzungserfolg erst auf einem selbstständigen Entschluss des Geschädigten beruht

        1. Herausforderung des Geschädigten oder Dritten zu einem eigenem (schädigendem) Verhalten

        2. angemessenes Verhältnis zwischen verfolgtem Zweck und den damit verbundenen Risiken

        3. gesteigertes Risiko des herausgeforderten Verhaltens hat sich in Verletzungserfolg realisiert, dh nicht nur Realisierung des allg. Lebensrisikos

        Schockschäden

        • Nachricht/ Betrachtung über Verletzung/ Tötung führt zu Schock mit diagnostizierbaren Krankheitswert bei Empfänger/ Betrachter -> posttraumatische Belastungsstörung muss nach neuer Rspr. nicht mehr über das gewöhnliche Maß hinausgehen

        • Zurechnung nur, wenn besondere innere Bindung zwischen unmittelbaren Verletzungsopfer/ Betrachter besteht; nicht bloße Betrachtung eines Verkehrsunfalls durch Unbeteiligten oder Verletzung/ Tötung eines Tieres

        • Anspruch wird (anders als Hinterbliebenengeld) nicht vom Ausschluss des § 104 SGB VII erfasst

        Schadensanlage

        Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko

        • grds. erfolgt Zurechnung, auch wenn erst eine zum Schaden neigende Konstitution des Geschädigten den Verletzungserfolg ermöglicht oder (wesentlich) erhöht

        • gilt ausnahmsweise nicht, wenn Vorschädigung zu einem völlig ungewöhnlich verlaufenden Verletzungserfolg führt

        • Vorschädigung kann aber unter Umständen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden, da nur Anspruch auf angemessenes Schmerzensgeld besteht

  4. Rechtswidrigkeit

    • Grundsatz: Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit!

      • hL vom Erfolgsunrecht: bei Verwirklichung des Tatbestandes durch positives Tun kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Rechts(gut)verletzung nicht von der Rechtsordnung gedeckt und somit rechtswidrig ist; bei Unterlassen bzw. mittelbarer Rechtsverletzung muss dagegen Pflicht zum Handeln bestanden haben, so dass eine Pflichtwidrigkeit dann zur Rechtswidrigkeit führt

      • nach der Lehre vom Handlungsunrecht ist positive Feststellung der Rechtswidrigkeit erforderlich, d.h. das (fahrlässige) Verhalten muss gegen eine von der Rechtsordnung aufgestellte spezielle Verhaltensregel oder die generell erforderliche Sorgfalt verstoßen (abzulehnen, da sie die gesetzliche Wertung nicht ausreichend berüchsichtigt wonach Fahrlässigkeit und Widerrechtlichekit nebeneinander stehen und es so zu unterschiedlichem Rechtswidrigkeitsmaßstab zu § 1004 BGB führen würde)

      • nach vermittelnder Auffassung Indizierung der Rechtswidrigkeit bei unmittelbaren Verletzungen, aber nicht bei nur (fahrlssigen) mittelbaren Verletzungen bzw. bei subjektiv redlichen Verhalten im Rahmen eines gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens; daher ist dann die positive Feststellung der Rechtswidrigkeit erforderlich

    • Ausnahme: -> sog. Rahmenrecht (Eingriff in Gewerbebetrieb/ APR)

      Bei den sog. Rahmenrechten ist wegen des offenen Tatbestandes eine genaue Abgrenzung nicht möglich, sodass im Rahmen einer Interessenabwägung (Ausnahme bei Schmähkritik) die Rechtswidrigkeit des Eingriffs gesondert festgestellt werden muss.

    • Rechtfertigungsgründe

      Ist ein anerkannter Rechtfertigungsgrund erfüllt, ist das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise gerechtfertigt.

      • Rechtfertigungsgründe aus dem BGB

        • Notwehr, § 227

          1. Notwehrlage: gegenwärtiger rechtswidriger Angriff

          2. objektiv erforderliche Verteidigungshandlung

        (-) bei Putativnotwehr (Ausnahme fahrlässig) oder bei Notwehrüberschreitung

        • Verteidigungsnotstand, § 228

          1. Notstandslage: drohende Gefahr durch Sache, die dann beschädigt wird (str. ob auch bei mittelbarer Kausalität)

          2. objektive Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Beschädigung

        bei schuldhafter Herbeiführung = Schadensersatzpflicht gem. § 228 S. 2

        • agressiver Notstand, § 904

          1. Notstandslage

          2. Notstandshandlung:

            • Einwirkung zur Gefahrenabwehr notwendig

            • mit Verteidigungswillen

            • drohender Schaden ist im Verhältnis zu verursachtem Schaden unverhältnismäßig hoch

          Eingriff zwar rechtmäßig, aber Schadensersatzpflicht gem. § 904 S. 2

        • Selbsthilfe, §§ 229 ff.

          Anspruchsdurchsetzung/ Sicherung durch private Gewalt

          1. eigentlich gerichtlich durchsetzbarer Anspruch

          2. staatliche Hilfe nicht rechtzeitig

          3. die Anspruchsverwirklichung würde vereitelt oder erschwert

          4. Selbsthilfe iVm § 229, soweit erforderlich, § 230

        bei Irrtum = Schadensersatzpflicht gem. § 231

      • Wahrnehmung berechtigter Interessen

        Grundgedanke des § 193 StGB

      • gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Eingriffsermächtigung

        zB Festnahmerecht nach § 127 StPO

      • grundrechtlich geschtzte Positionen

        zB Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit Art. 5 I 1 GG

      • verkehrsrichtiges Verhalten (str.)

        von der Rspr. grds. bejaht (Beweislast für verkehrsrichtiges Verhalten daher beim Schädiger), von der Lit. zwar als RFG abgelehnt, aber Verhalten ist mangels objektiver Pflichtwidrigkeit idR schon nicht tatbestandsmäßig (Beweislast für Pflichtwidrigkeit hat Geschäfigter)

      • Einwilligung in ärztlichen Heileingriff (vgl. § 630d = Behandlungsvertrag)

        auch die lege artis ausgeführt Heilbehandlung, erfüllt den TB einer Körperverletzung, daher wirksame Einwilligung als RFG erforderlich

        • umfassende Aufklärung über Art und Schwere des Eingriffes und die zu erwartenden Risiken (§ 630e)

        • rechtzeitig, dh nicht erst auf oder kurz vor dem Weg in den OP

        • bei Minderjährigen ist die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Minderjährigen maßgeblich

      • Handeln auf eigene Gefahr -> (str.) ausnahmsweise rechtfertigende Einwilligung, wenn:

        • das Verhalten ohne künstliche Unterstellung als Einwilligung in den für möglich gehaltenen Verletzungserfolg aufgefasst werden kann (bloßes Vertrauen, das nichts passieren wird, reicht nicht)

        • Einwilligender die Verfügungsgewalt über Rechtsgut zusteht und er die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt.

        • bei Sportverletzungen

          Grds. ist keine Einwilligung in Verletzungserfolg anzunehmen

          Ausnahme bei körperbetonten (Kampf-)Sportarten; RWK dann nur bei schwerer Regelwidrigkeit

      • Einwirkung durch Emissionen

        Duldungspflicht nach § 906 rechtfertigt damit verbundene Emission auf Grundstück

      • Züchtigungsrecht der Eltern, §§ 1626, 1631

        durch § 1631 II (=gewaltfreie Erziehung) quasi aufgehoben; körperliche Einwirkung zum Kindeswohl (“Wegreißen an Straße”) aber ok

  5. Verschulden

    Anwendbar idR auf Schadensersatz nach §§ 823 ff. BGB und analog bei § 254 BGB, nicht aber auf Unterlassungs-/Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB): -> endgültige Beurteilung der Verantwortlichkeit des Schädigers für sein normwidriges Verhalten iSd Vorwerfbarkeit.

    a) Verschuldensfähigkeit §§ 827, 828 BGB (ggf. kommt Billigkeitshaftung nach § 829 BGB in Betracht)

    • verschuldensUNfähig

      • alle Personen vor Vollendung des siebten Lebensjahres, § 828 I BGB

      • diejenigen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt haben; § 827 S. 1 (uU Abgrenzung vornehmen, ob überhaupt beherrschabares Verhalten vorliegt)

        Ausnahme: § 827 S. 2 Fahrlässigkeit, wenn er sich schuldhaft in einen solchen Zustand durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel versetzt hat (zB Alkohol, Drogen), da Gleichsetzung erfolgt, muss bei Erfordernis der groben Fahrlässigkeit für das Verhalten, der gleiche Maßstab auch für das Herbeiführen gelten

      • Beweislast für Bewusstlosigkeit etc. obliegt dem Handelnden

    • BEDINGT verschuldensUNfähig

      • § 828 II: grds. die 7-10 JJährigen für Schädigung eines anderen bei Unfall mit Kfz, Schienenbahn oder Schwebebahn; Ausnahme: Vorsatz

      • § 828 III: diejenigen, die das 7. aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, wenn ihnen bei der Begehung der Pflichtverletzung die Einsichtsfähigkeit fehlt; grds. ist von altersbedingter Einsichtsfähigkeit auszugehen

      • Problem fahrlässiger Großschaden: trotz Einsichtsfähigkeit des beschränkt Schuldfähigen, kann § 242 einer Haftung wegen drohender Existenzvernichtung entgegenstehen, was vom Tatgericht selbst geprüft werden kann (muss), da es sich um vorkonstitutionelles Recht handelt

    • VOLL verschuldensFÄHIG = alle übrigen Personen

    Beachte: Eingeschränkte Verschuldensfähigkeit gem. § 828 II BGB bei Kindern bis zehn Jahren im Straßenverkehr, da sie die Komplexität des Straßenverkehrs altersbedingt noch nicht voll erfassen können

    b) Verschuldensmaßstab § 823 BGB Vorsatz oder Fahrlässigkeit (uU Haftungsprivilegierungen zB §§ 708, 1359, 1664 BGB)

    Der Grad des Verschuldens ergibt sich aus der jeweiligen deliktischen Anspruchsgrundlage, wobei im Regelfall der Schädiger für Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit einzustehen hat.

    • Vorsatz -> Wissen und Wollen der rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung (muss sich nur auf den haftungsbegründenden und nicht auch auf den haftungsausfüllenden Tatbestand beziehen)

    • Fahrlässigkeit, § 276 II BGB -> objektiver Sorgfaltsmaßstab: das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt

      • dabei gilt ein objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab = ausschlaggebend ist grds. der Sorgfaltsmaßstab, der von einem Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises in der konkreten Situation erwartet wird; eventuelle Spezialkenntnisse des Schädigers sind zu berücksichtigen. Merke: Im Gegensatz zum Strafrecht ist somit kein persönlicher Schuldvorwurf iSe individuellen Schuldfeststellung erforderlich.

      • Problemfälle können sich bei Minderjährigen ergeben, da uU die Einsichtsfähigkeit (und damit Schuldfähigkeit) zu bejahen, die Fahrlässigkeit aber ggf. altersbedingt zu verneinen ist.

    • grobe Fahrlässigkeit

      • vlernagt objektiv ein grob fehlerhaftes Verhalten und subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden

    Beachte: Der Schaden, insbesondere der Schadensumfang, muss nicht vom Verschulden umfasst werden.

    c) Haftungsbeschränkungen

    • können ausdrücklich vertraglich vereinbart werden oder sich bei konkreten Anhaltspunkten aus den Umständen ergeben, wobei ein vorheriger Erlass für Vorsatzhaftung nicht möglich ist (§ 276 III BGB)

    • können sich bei der deliktischen Haftung aus gesetzlichen Haftungsbeschränkungen auch für deliktische Haftung ergeben

II. haftungsausfüllender Tatbestand (= Rechtsfolge)

  1. Schadensfeststellung nach der Differenzmethode

    zu ersetzen ist der durch die Rechts(gut)verletzung zurechenbar verursachte Schaden

  2. Schadenszurechnung = haftungsAUSFÜLLENDE Kausalität

  3. Art des Schadensausgleichs

    a) Vermögensschaden

    grds. Naturalrestitution, §§ 249, 250 BGB -> Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder den dafür erforderlichen Geldbetrag

    Schadenskompensation, §§ 251, 252 BGB -> Ausgleich des Vermögensschadens, weil Naturalrestitution entweder unmöglich oder ungenügend oder unverhältnismäßig

    b) Nichtvermögensschäden (immaterieller Schaden)

    insbes. Schmerzensgeld, § 253 II BGB = “billige Entschädigung in Geld” (Ausgleichsfunktion und Genugtuungsfunktion)

    • bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung

    • finanzieller Ausgleich für Beeinträchtigung der Lebensfreude (körperliche Schmerzen, Angst, Trauer (dies sich bei einem “Schockschaden” in einer eigenen Gesundheitsverletzung auswirken mussf))

    • Berücksichtigung der Gesamtumstände: Schwere der Verletzung, das dadurch bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten, Grad des Verschuldens des Schädigers); taggenaue Berechnung ist nicht sachgerecht

    c) uU besondere Schadensfolgen, § 844 I BGB: Beerdigungskosten; II: Unterhalt; III: wohl auch das Hinterbliebenengeld

  4. Haftungsbeschränkungen

    • Mitverschulden des Geschädigten, § 254 BGB

      • Abs. 1: bzgl. der SchadensVERUSACHUNG; Abs. 2: bzgl. der SchadensMINDERUNGSPFLICHT

      • gem. § 254 II 2 BGB - der als selbstständiger Abs. 3 zu lesen ist - ist das Mitverschulden von Erfüllungsgehilfen etc. nach § 278 BGB (und analog gem. §§ 31, 831 BGB für Organe und Verrichtungsgehilfen) zu berücksichtigen

      • wird gem. § 846 BGB ggf. auch dem Anspruchsteller zugerechnet, wenn dieser personenverschieden vom Verletzten

    • Haftungsprivilegierungen

    • aufgrund gestörter Gesamtschuld

Anspruch erloschen

In seltenen Fällen ist darauf einzugehen, ob der deliktische Schadensersatzanspruch möglicherweise erloschen ist. In Betracht kommen insbesondere:

  • Erfüllung (§ 362 BGB) und Erfüllungssurrogate (§§ 364-383 BGB)

  • Aufrechnung

    im Falle einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung iSd §§ 823 ff. BGB ist eine Aufrechnung gegen eine solche Forderung gem. § 393 BGB unzulässig, um den Sanktionscharakter der Schadensersatzleistung nicht zu unterlaufen, dem Geschädigten eine schnelle Schadensrealisierung zu ermöglichen und die Gefahr von Selbstjustiz zu vermeiden

  • Erlass (§ 397 BGB)

    zwar kann gem. § 276 III BGB die Haftung für Vorsatz im Vorhinein nicht erlassen werden aber dadurch ist der nachträgliche Erlass einer Schadensersatzforderung durch den Gläubiger (=Geschädigten) auch bei einer auf Vorsatz beruhenden unerlaubten Handlung nicht ausgeschlossen

Anspruch gehemmt

In seltenen Fällen können dem deliktischen Schadnesersatzanspruch Durchsetzunghindernisse entgegenstehen, zB:

  • Verjährung

    • § 195 iVm § 199 I BGB: grds. nach drei Jahren zum Schluss des Jahres in dem Anspruch entstanden ist und Geschädigter die den Anspruch begründenden Umstände und den Schädiger kannt oder grob fahrlässig nicht kannt

    • § 199 II BGB: bei Verletzung besonders wertvoller Rechtsgüter (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit) besteht Höchstfrist von dreißig Jahren ab dem, auslösenden Ereignis

    • § 199 III BGB: bei Verletzung anderer als der in § 199 II BGB genannten Rechtspositionen besteht die Höchstfrist von zehn Jahren ab Entstehung und unabhängig von der Entstehung dreißig Jahre ab dem, den Schaden auslösenden Ereignis

    • § 852 BGB: verjährt der (bereicherungsrechtliche) Anspruch auf Herausgabe des durch eine unerlaubte Handlung Erlangte zehn Jahre nach der Entstehung bzw. dreißig Jahre nach dem, den Schaden auslösenden Ereignis

  • Stundung

    aufgrund Vereinbarung zwischen Schädiger und Geschädigtem (§§ 241, 311 I BGB)

Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 II BGB

I. Voraussetzungen (“haftungsbegründender Tatbestand”)

  1. Verletzung eines Schutzgesetzes

    a) Schutzgesetz iSd § 823 II BGB

    aa) Gesetz

    Gesetzesqualität hat gem. Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm, dh nicht nur Gesetze im formellen Sinne, sonder auch im materiellen Sinne, also auch RechtsVO, (Gemeinde-)Satzungen, auch Gewohnheitsrecht (nach hM nicht die bloße Verkehrssicherungspflicht)

    bb) Charakter als Schutzgesetz

    Gesetz muss Befehlsqualität besitzen, also eine Verbots- oder Gebotsnorm enthalten und nicht nur eine bloße Formvorschrift beinhalten

    cc) persönlicher und sachlicher Individualschutz

    Gesetz muss für den konkreten Fall nach seinem persönlichen und sachlichen Schutzbereich einen Rechtsschutz vorsehen

    • Individualschutz = ist vom Gesetz zumindest auch bezweckt

      dh das Gesetz hat (uU auch neben dem Schutz der Allgemeinheit) jedenfalls auch den Schutz des Einzelnen oder eines bestimmten Personenkreises zum Ziel

    • persönlicher Schutzbereich = Anspruchsteller gehört zum geschützten Personenkreis

      Anspruchsteller gehört zu dem Personenkreis, der durch die Norm geschützt werden soll

    • sachlicher Schutzbereich = geltend gemachtes Interesse soll von der Norm (zumindest auch) geschützt werden

      Ersatzfähigkeit nur solcher Schäden, deren Vermeidung Gegenstand des SchutzG ist

    b) Schutzgesetzverletzung

    dies beurteilt sich nach den Regeln, die für das Schutzgesetz gelten

    • bei Strafgesetzen -> Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld (ohne Privilegierung gem. § 19 StGB, str.)

    • bei anderen Normen -> uU reicht bereits der objektive Pflichtenverstoß gegen das Schutzgesetz

  2. Rechtswidrigkeit der Schutzgesetzverletzung

    • bei Strafgesetzen -> schon iRd Schutzgesetzverletzung zu prüfen

    • bei den übrigen Normen -> durch TBM indiziert und keine RFG

  3. Verschulden

    muss sich nur auf die Schutzgesetzverletzung selbst beziehen, nicht auf die schädigende Wirkung für das Rechtsgut (verhaltens- und NICHT erfolgsbezogen!)

    a) Verschuldensfähigkeit

    bestimmt sich nach hM nach dem Zivilrecht, nicht nach dem Rechtsgebiet, dem das Schutzgesetz angehört

    b) Verschuldensmaßstab (zumindest Fahrlässigkeit iSv § 276 II BGB)

    • erfordert das Schutzgesetz selbst Verschulden, muss der vom Schutzgesetz geforderte Verschuldensmaßstab nach den Regeln für das Schutzgesetz erfüllt sein

    • fordert Schutzgesetz selbst kein Verschulden, dann Verschulden iSv § 823 I BGB (nur) bzgl. der SchutzG-Verstoß erforderlich (§ 823 II 2 BGB), das nach hM bei objektiven Verstoß gegen das SchutzG widerlegbar vermutet wird

II. Rechtsfolgen (“haftungsausfüllender Tatbestand”)

Ersatz des durch die Schutzgesetzverletzung tatbestandsmäßig verursachten Schadens (insbesondere Schutzzweck der Norm beachten); iÜ bestehen keine Besonderheiten zu § 823 I BGB.

Kreditgefährdung, § 824 BGB

I. Voraussetzungen (haftungsbegründender Tatbestand)

  1. Behaupten oder Verbreiten unwahrer Tatsachen

    a) Tatsachen

    • Zukünftiges ist mangels Beweisbarkeit idR keine Tatsache iSd Vorschrift. Anders, wenn Äußerung über Zukünfitges auch eine Behauptung über die Gegenwart enthält

    • Werturteile bilden den Gegenbegriff zur Tatsache und macht keine Aussage über beweisbare Umstände, sondern artikuliert das Verhältnis des Urteildenden zu Tatsachen (oft nur tatsachengestütze Wertung). Es gibt kein wahr oder falsch.

    b) Unwahrheit

    Feststellung durch Vergleich des objektiven Aussagegehaltes der Behauptung mit den tatsächlich gegebenen Umständen; Maßgeblich ist das Verständnis des unbefangenen durchschnittlichen Empfängers der Tatsachenmitteilung (Verständnishorizont des jeweiligen Verkehrskreises). Danach ist Unwahrheit auch zu bejahen, wenn wahre Tatsachen unvollständig, übertrieben oder sonst entstellt dargestellt werden.

    c) Behautpung/ Verbreitung

    muss beides an einen Dritten gerichtet sein, ohne dass dies ggü einem größeren Personenkreis geschehen muss

    • Behaupten ist die Kundgabe eigener Wahrnehmung

    • Verbreiten ist die Weitergabe einer von einer anderen Person aufgestellten Behauptung an Dritte, auch ohne sich dies zu eigen zu machen (da dann schon ein Behaupten vorliegen würde)

  2. Eignung zur Benachteiligung

    • Eignung

      Geeignet sind Behauptungen generell nur, wenn sie Entscheidungen gegenwärtiger und potenzieller Geschäftspartner des Geschädigten beeinglussen können

    • zur Kreditgefährdung oder

      das Vertrauen Dritter auf die Erfüllung gegenwärtiger/ zukünftiger Verbindlichkeiten des Betroffenen wird herabgesetzt.

    • für sonstige Nachteile bzwgl. Erwerb oder Fortkommen

      Erwerb: die gegenwärtige wirtschaftliche Stellung; Fortkommen: Zukunftsaussichten

    • eines anderen

      anderer kann nur sein, wer in unmittelbarem Bezug zur Behauptung steht; sonst wäre der Kommunikationsverkehr zu sehr durch Prozessrisiken belastet; daher (-) bei sog. bloßen Systemvergleich

  3. Rechtswidrigkeit

    • es gelten grds. die allg. Regeln, sodass sie regelmäßig indiziert ist

    • aber § 824 II BGB:

      Widerlegung ist mgl., bei Unkenntnis der Unwahrheit (also nicht bei wissentlichen Falschbehauptungen) und einem berechtigten Interesse des Behauptenden bzw. des Empfängers (sogar der Allgemeinheit) an der Behauptung/ Verbreitung. Letzteres erfordert eine Einzelfallabwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen und dem privaten bzw. öffentlichen Kommunikationsinteresse (Herstellung praktischer Konkordanz)

      Dogmatische Einordnung streitig: hM: Rechtfertigungsgrund; aA: Tatbestand ausschließend; aA: Entschuldigungsgrund (praktische Relevanz dieses Streits iRv Widerrufsansprüchen)

      Teleologische Reduktion: § 824 II BGB erfordert über seinen Wortlaut hinaus die Erfüllung eines gewissen Minimums an Sorgfaltspflichten seitens des Schädigers; dazu gehört Prüfung, ob Erkenntnisquellen zuverlässig und umfassend sind

  4. Verschulden

    muss sich auf die Schädigungseignung (nicht aber Schadenseintritt) und Unwahrheit beziehen, wobei zu letzterem Fahrlässigkeit iSv “Kennenmüssen” ausreicht (vgl. § 824 I aE und § 122 II)

II. Rechtsfolge (haftungsausfüllender Tatbestand)

  1. Schadensersatz nach allg. Regeln §§ 249 ff. BGB

  2. Schadensbeseitigung insbes. durch Widerruf und Gegendarstellung (§ 249 I 1 BGB); Ersatz der Kosten für Reparation des angeschlagenen Rufes (§ 249 II BGB); entgangener Gewinn (§ 252 BGB)

III. Verjährung §§ 194 ff. (nach allg. Regeln)

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB

Generalklausel, die jede vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines anderen, unabhängig von der Art des Rechts oder Rechtsguts, sanktioniert. Da - anders als bei § 823 I BGB - der Schaden zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört, schützt § 826 unmittelbar selbst auch das Vermögen; der Schaden muss vom Vorsatz erfasst sein.

I. Voraussetzungen (“haftungsbegründender Tatbestand”)

  1. Anwendbarkeit

    • § 2287 ist lex specialis bei beeinträchtigenden Schenkungen des Erblassers

    • § 839 ist lex specialis bei Amtpflichtverletzungen

    • keine Sperrwirkung durch GWL-Ansprüche ggü. dem Vertragspartner

  2. Zurechenbare Schädigung

    Bei § 826 ist (nur) ein Schaden erforderlich

    a) Schaden

    jeder erlittene Nachteil, gleich ob Vermögens- oder Nichtvermögensschaden

    b) schadensstiftende Handlung

    jedes Tun und bei einer Rechtspflicht zum Handeln, auch jedes Unterlassen des Anspruchsgegners, das adäquat kausal und zurechenbar den Schaden herbeigeführt hat; bei Zurechnung über § 31 BGB (analog) muss der verfassungsmäßig berufene Vertreter, selbst den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 erfüllt haben.

  3. Sittenwidrigkeit

    Allgemein: Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (= gegen die herrschende Rechts- und Sozialmoral), aus dessen Gesamtcharakter sich eine besondere Verwerflichkeit ableitet. Kann sich aus dem verfolgten Zweck, dem angewandten Mittel, der dabei zutage getretenen Gesinnung oder den damit angerichteten Folgen ergeben. Maßgeblich ist ein Durchschnittsmaß von Redlichkeit und Anstand im Zeitpunkt der Handlung; bezieht sich Verhalten auf begrenzten Personenkreis, sind deren Anschauungen maßgeblich, wenn nicht der Durchschnittsmaßstab strenger ist; Sittenwidrigkeit auch bei Verstoß gegen die Werteordnung des Grundgesetzes bzw. Wertentscheidung einfacher Gesetze. Unterlassen verletzt gute Sitten nur, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht.

  4. Verschulden

    • zumindest bedingter Vorsatz (dolus eventualis) und enthält ein Wissens- und Wollenselement

    • muss sich auf die den Sittenverstoß begründenden Tatumstände und den Schaden (!) beziehen

II. Rechtsfolgen (“haftungsausfüllender Tatbestand”)

  • Schadensersatz, es gelten die allg. Grundsätze (§§ 249 ff. BGB)

  • Gegebenenfalls sogar Kontrahierungszwang

  • § 254 BGB idR (-), wenn nur fahrlässig bzgl. Schadensverursachung; (+), wenn bei Schadensabwendung/-minderung

Anspruch gegen den Geschäftsherrn, § 831 BGB

Die Verwirklichung des TB des § 831 BGB begründet eine selbstständige Anspruchsgrundlage gegen den Geschäftsherrn wegen vermuteten eigenen Verschuldens und nicht nur die Zurechnung fremden Verschuldens.

I. Voraussetzungen (haftungsbegründender Tatbestand)

  1. Verrichtungsgehilfe

    wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn (= derjenige, der die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken, entziehen, näher konkretisieren kann) in dessen Interessenkreis tätig und von dessen Weisungen abhängig ist; bei mehreren Weisungszuständigkeiten entscheidet das ranghöhere Direktionsrecht (hM: KEINE soziale Abhängigkeit notwendig)

  2. widerrechtliche Schadenszufügung

    tatbestandsmäßige, rechtswidrige unerlaubte Handlung des Verrichtungsgehilfen

    dh zu prüfen, ob der Verrichtungsgehile eine unerlaubte Handlung iSd §§ 823 ff. begangen hat

    • somit Zurechnung fremden deliktischen Verhaltens

    • Verschuldensfähigkeit und Verschulden des Verrichtungsgehilfen NICHT erforderlich

    • über § 831 ist bei Verwirklichung von § 823 II BGB iVm § 263 StGB pder § 826 BGB durch den Verrichtungsgehilfen auch Ersatz reiner Vermögensschäden möglich

  3. in Ausübung der Verrichtung

    Haftung nur für das Fehlverhalten, bzgl. dessen die Einschaltung des Verrichtungsgehilfen eine typische Risikoerhöhung geschaffen hat

    • (+) wenn unmittelbar sachlich/zeitlich innerer Zusammenhang zwischen Art und Zweck der übertragenen Verrichtung einerseits und der Verletzunghandlung andererseits besteht; auch vorsätzliche Tat des Verrichtungsgehilfen unterbricht den Zurechnungszusammenhang dann nicht

    • (-) wenn unerlaubtes Handeln “nur bei Gelegenheit” erfolgte

  4. Verschulden des Geschäftsherrn

    • wird aufgrund der widerrechtlichen Schadenszufügung zunächst vermutet

    • § 831 I 2 Exkulpationsmöglichkeit (Beweisrisiko) durch Widerlegung der Verschuldens-/Kausalitätsvermutung:

      • Fall 1: ordnungsgemäße Auswahl, Anweisung und Überwachung des Gehilfen im Zeitpunkt der Schädigungshandlung

        Problem des dezentralisierten Entlastungsbeweises (Großunternehmen ist es praktisch nicht möglich, sich für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu exkulpieren, daher hat die Rspr. für den Bereich des dezentralisierten Entlastungsbeweis einen anderen Grundsatz entwickelt: Auswahl und Überwachung der Zwischenperson ist ausreichend)

        • Rspr.: Geschäftsherr kann sich schon exkulpieren, wenn er die Zwischenperson sorgfältig ausgesucht und überwacht hat

        • Lit.: für Exkulpation muss zusätzlich die Zwischenperson den Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgesucht und überwacht haben

        • aber uU eigene Haftung des Geschäftsherrn nach § 823 I BGB wegen eigenen Organisationsverschuldens als Verstoß gegen eigene VSP; keine vollständige Entledigung der VSP durch Einschaltung eines Dritten, sondern besteht als Organisationspflicht fort

      • Fall 2: Beschaffung der Gerätschaften

      • Fall 3: fehlende Kausalität: Schaden wäre auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt durch den Geschäftsherrn eingetreten

II. Rechtsfolge (haftungsausfüllender Tatbestand)

  1. Schadensersatz nach allg. Regeln, §§ 249 ff. bzw. §§ 842 ff. (auch für Schmerzensgeld möglich)

  2. Mitverschulden des Geschädigten, § 254

III. Verjährung §§ 194 ff.

Nach den allg. Regeln

Haftung aus § 831 II BGB:

  • Vorschrift begründet die Haftung desjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der in Abs. 1 S. 2 genannten Geschäfte (also Auswahl und Kontrolle) durch Vertrag übernommen hat (zB Baustellenleiter, Werkführer, Betriebsleiter)

  • beachte: Anstellungsvertrag eines Organs (zB Geschäftsführer einer GmbH) ist regelmäßig KEIN Übernahmevertrag iSv § 831 II BGB

  • neben die Haftung nach § 831 II BGB kann die Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 I BGB treten, zB hinsichtlich der Auswahl und Überwachung eines finanziell und in seinen Leistungsaufgaben leistungs(UN)fähigen Unternehmers

Author

Ann-kathrin L.

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