Buffl

Kartenstapel

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by Felix K.

Gesetzliche Regelung der körperlichen Untersuchung und ihrer Voraussetzungen

  • §§ 81a ff. StPO

  • Abs. 1 S. 1: einfache körperliche Untersuchung (Blutdruck, EKG, CT)

  • Abs. 1 S. 2: körperlicher Eingriff (Blutabnahme, vhmk und keine weiteren Gesundheitsnachteile)

    • Nur nach richterlicher Anordnung; Ausnahme: Gefahr im Verzug oder Verkehrsstraftat

  • Untersuchung bei Beschuldigten, § 81a StPO

    • Lediglich Duldungs- nicht Mitwirkungspflicht des Betroffenen

    • Rechtsgrundlage für Gewaltanwendung zur Durchführung: Annex-Kompetenz (Art. 70 GG Land, sofern nicht Bund)

  • Untersuchung Dritter, § 81c StPO

    • Nur bei Personen, die abstrakt als Zeugen in Betracht kommen

    • Untersuchungsverweigerungsrecht, § 81c III StPO

    • Sonst aber Duldungspflicht „wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten und die Maßnahmen zur Erforschung der Wahrheit unerläßlich ist (ggfs. Zwangsmaßnahmen); Duldung kann aber zumutbar sein, dann Untersuchung unzulässig (§ 81c IV)

  • Untersuchung durch Person des gleichen Geschlechts bzw ärztlichem Personal bei möglicher Verletzung des Schamgefühls, § 81d

  • DNA-Analyse

  • DNA Analyse, §§ 81e ff. StPO: Erstellung eines DNA Identifizierungsmusters, Vergleich mit DNA Spuren, Bestimmung von Abstammung und Geschlecht

  • § 81g: Speicherung bei erheblichen Taten oder Wiederholungsgefahr beim BKA

  • Blutprobe eines bestimmten Kreises von Männern, die als Täter potenziell in Frage kommen, zulässig, § 81c iVm § 81e bei Kapitaldelikt mit sinnvoll beschränktem Personenkreis  als informatorischer genetischer Fingerabdruck

Offizialprinzip

Offizialprinzip

Das Offizialprinzip findet sich in § 152 I StPO und besagt, dass die Staatsanwaltschaft für die Erhebung der öffentlichen Klage zuständig ist. Die Strafverfolgung erfolgt also von Amts wegen und nicht durch einen einzelnen Bürger (Anklagemonopol des Staates). Das Strafprozessrecht unterscheidet sich darin vom Zivilprozessrecht, in dem es dem einzelnen Bürger überlassen ist, ob ein Verfahren eingeleitet wird oder nicht (dort: Dispositionsmaxime). Einschränkungen des Offizialprinzips im Strafprozessrecht gelten bei Antragsdelikten und Ermächtigungsdelikten. Bei absoluten bzw. reinen Antragsdelikten (§ 77 ff. StGB) kann eine Verurteilung nur bei Vorliegen eines wirksamen Strafantrags erfolgen (z. B. bei Hausfriedensbruch nach § 123 II StGB). Liegt dagegen ein relatives Antragsdelikt vor (z. B. bei einfacher Körperverletzung nach §§ 223, 230 I StGB), so kann der fehlende Strafantrag dadurch überwunden werden, dass die Strafverfolgungsorgane das sog. besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen. Wird die öffentliche Klage erhoben, bedeutet dies konkludent die Bejahung dieses besonderen Interesses. Im Fall von Ermächtigungsdelikten hängt die Strafverfolgung von der Ermächtigung einer bestimmten Person ab (z. B. der des Bundespräsidenten bei § 90 IV StGB). Eine Ausnahme bilden schließlich die sog. Privatklagedelikte. Bei diesen hat der Geschädigte die Möglichkeit, auf die Anrufung der Staatsanwaltschaft zu verzichten und selbst die Rolle des Anklägers zu übernehmen (§ 385 StPO). Der Staatsanwaltschaft ist es aber unbenommen, von Amts wegen die öffentliche Klage zu erheben, wenn dies im öffentlichen Interesse ist (§ 376 StPO). Ebenso kann die Staatsanwaltschaft die Sache bis zum Eintritt der Rechtskraft an sich ziehen (§ 377 II S. 1 StPO).

Legalitätsprinzip

Legalitätsprinzip

Nach dem in den §§ 152 II, 170 I StPO enthaltenen Legalitätsprinzip ist die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines Anfangsverdachts verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen und im Fall eines sich dann ergebenden hinreichenden Tatverdachts die öffentliche Klage zu erheben. Umschrieben wird dies mit Ermittlungs-, Anklage- und Verfolgungszwang. Soweit die Polizei in die Ermittlung eingeschaltet ist (§ 163 StPO), gilt das Legalitätsprinzip auch für sie. Das Legalitätsprinzip ergänzt das o. g. Offizialprinzip und stellt sicher, dass gegen jeden Verdächtigen auch wirklich vorgegangen wird, was wegen Art. 3 I GG geboten ist. Bei Untätigkeit der Staatsanwaltschaft kann der Verletzte (zum Verletztenbegriff s. unten unter I.5.) ein Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO) anstrengen. Das BVerfG geht davon aus, dass nicht direkt Betroffene ausnahmsweise einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person haben. Gleiches soll bei Delikten von Amtsträgern gelten und bei Straftaten, bei denen sich das Opfer in einem „besonderen Obhutsverhältnis“ des Staates befand. Dieser Anspruch sei nach Erschöpfung des Rechtswegs mit der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4 lit. a) GG) geltend zu machen. Der EGMR erkennt einen solchen Anspruch bei bestimmten Kapitaldelikten ebenfalls an. Er leitet ihn aus Art. 2 i. V. m. Art. 1 EMRK ab. Den Gegensatz zum Legalitätsprinzip bildet das Opportunitätsprinzip, nach dem es im Ermessen der Strafverfolgungsbehörden steht, eine Straftat zu ahnden oder auf Bestrafung zu verzichten. Solche Einstellungsmöglichkeiten aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten finden sich in den §§ 153 ff. StPO.

Anklagegrundsatz bzw. Akkusationsprinzip

Anklagegrundsatz bzw. Akkusationsprinzip

Der Anklagegrundsatz in § 151 StPO bedingt, dass ein Gericht nur dann ein Strafverfahren führt, wenn die Staatsanwaltschaft (§ 152 StPO) öffentliche Klage erhebt (Ausnahme: Privatklage, §§ 374 ff StPO). Die Staatsanwaltschaft erforscht zunächst den Sachverhalt (§ 160 I StPO). Wenn die Ermittlungen dann genügenden Anlass dafür bieten davon auszugehen, dass der Beschuldigte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine strafbare Handlung begangen hat und dafür verurteilt werden wird (sog. hinreichender Tatverdacht, s. Beulke/Swoboda, Rn. 175), erhebt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage (§ 170 I StPO) oder stellt Antrag auf Erlass eines Strafbefehls (§ 407 I S. 1 StPO). Der Prozessstoff ergibt sich im Wesentlichen aus der Anklageschrift (zum als Anklagesatz bezeichneten Inhalt s. § 200 I S. 1 StPO). Das Gericht ist auf eine Prüfung der angeklagten Taten (im prozessualen Sinn, s. § 264 I StPO) beschränkt (§§ 151, 155 StPO), in der Form, wie sie sich zum Ende der Hauptverhandlung darstellen (sog. prozessualer Tatbegriff). Tat im prozessualen Sinn ist dabei „das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem durch die Strafverfolgungsorgane (z. B. in der Anklage) bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet“. Kommen weitere Straftaten während der Hauptverhandlung auf, können diese in den Prozessmiteinbezogen werden, wenn es sich um dieselbe Tat im prozessualen Sinne handelt (also um einen Bestandteil des abgeurteilten Gesamtgeschehens i. S. von § 264 I StPO). Andernfalls muss gem. § 266 I StPO entweder eine Nachtragsanklage oder in einem völlig neuen Verfahren wegen dieser Taten gesondert Anklage erhoben werden. Der Angeklagte muss auf jede Veränderung rechtlicher Gesichtspunkte oder die Veränderung weiterer, für seine Verteidigung wichtiger Aspekte, rechtzeitig hingewiesen werden (Einzelheiten in § 265 StPO).

Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung

Grenzen

Aussage gegen Aussage Konstellationen

Das Gericht entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung gewonnenen persönlichen Überzeugung (§ 261 StPO).

  • folgerichtig, lückenlos und widerspruchsfreie Überzeugung des Richters

Es gelten grundsätzlich keine Beweisregeln, auch nicht für Vorfragen (s. § 262 StPO). Die Überzeugung des Richters bildet damit den Maßstab dafür, ob für das Urteil eine Tatsache als wahr oder unwahr gilt.

  • Grenzen: Bindung an Gesetze und Logik und Wissenschaft, theoretische Möglichkeiten eines abweichenden Geschehensverlaufs = keine Willkür

Eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung normiert § 274 StPO: Verstöße gegen wesentliche Förmlichkeiten der Hauptverhandlung können nur mittels des Sitzungsprotokolls nachgewiesen werden. Weitere Einschränkungen für die freie Überzeugungsbildung des Richters ergeben sich aus den Beweisverwertungsverboten und auch den Verteidigungsrechten des Angeklagten. So darf z. B. der Gebrauch des Aussageverweigerungsrechts nicht zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden. Ebenso darf aus einem erwiesenermaßen unwahren Alibi nicht automatisch der Schluss gezogen werden, dass der Angeklagte der Täter war.

Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen: Entscheidung hängt allein davon ab, welchem der beiden einander widersprechenden Aussagen des Gericht folgt, sind “besonders schwere Anforderungen” an die Beweiswürdigung zu stellen

Unmittelbarkeitsmaxime

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit ergibt sich aus den §§ 226 I, 250, 261 StPO und besagt, dass das Gericht sich einen möglichst direkten und unvermittelten Eindruck vom Geschehen zu verschaffen hat. Das Unmittelbarkeitsprinzip hat zwei Aspekte: Zum einen muss sich das Gericht persönlich unmittelbar einen Eindruck von den Verfahrensbeteiligten und den Beweisen verschaffen, zum anderen gilt grundsätzlich ein (von vielen Ausnahmen durchbrochener) Vorrang des „sachnäheren“ Beweises. Persönliche Unmittelbarkeit: Das Gericht muss während der gesamten Hauptverhandlung ununterbrochen anwesend sein (§ 226 I StPO; zu Ergänzungsrichtern s. § 192 II GVG). Sachliche Unmittelbarkeit: Bei mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln soll das Gericht nach Möglichkeit auf das tatnächste zurückgreifen, also etwa einen Augenzeugen eher befragen als einen Zeugen vom Hörensagen. Aber auch der Zeuge vom Hörensagen als mittelbarer Zeuge bleibt ein unmittelbares Beweismittel, weil er unmittelbar über das berichtet, was er von jemand anderem gehört hat. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit gilt in Deutschland nicht so streng wie in anderen Staaten, sodass das Gericht bei der Wahl zwischen „nahen“ und „fernen“ Zeugen auch den „fernen“ Zeugen befragen darf, solange § 244 II StPO dadurch nicht verletzt wird, also die Ermittlung der materiellen Wahrheit erschwert wird. Deutlicher zeigt sich der Grundsatz beim Verhältnis zwischen Personal- und Urkundenbeweis: Wenn der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person beruht, so ist diese Person als Zeuge in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Es darf dann gem. § 250 StPO kein Protokoll einer früheren Vernehmung desselben Zeugen verlesen werden. Es gilt der Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis. Die §§ 251 ff StPO enthalten aber auch hier zahlreiche Durchbrechungen.

Was sind Zeugnisverweigerungsrechte in Abgrenzung zu Auskunftsverweigerungsrechten? Wem stehen Zeugnisverweigerungsrechte zu?

Wer als Zeuge in einem Strafprozess auszusagen hat, kann bei Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts seine Zeugenaussage umfassend verweigern.

Bei einem bloßen Auskunftsverweigerungsrecht hingegen kann ein Zeuge nur die Beantwortung einzelner Fragen verweigern, wenn er mit der Antwort sich selbst oder einen Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 I StPO).

Zeugnisverweigerungsberechtigt sind gem. § 52 I StPO Angehörige des Beschuldigten.

Erfasst sind zunächst Verlobte (bei zivilrechtlich unwirksamem Verlöbnis str.). Ob die Norm entsprechend auf dauerhafte nichteheliche Lebensgemeinschaften anzuwenden ist, ist streitig, doch die Rechtsprechung und die Kommentarliteratur geht grundsätzlich davon aus, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften (einschließlich Nichtehen, das sind auch alle Ehen, die nicht vor einem Standesbeamten geschlossen wurden, z. B. die nach islamischem Ritus) kein Zeugnisverweigerungsrecht begründen. Ferner sind Ehegatten und Lebenspartner zeugnisverweigerungsberechtigt, auch wenn die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht. Schließlich haben Verwandte in gerade Linie und in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (§ 1589 BGB) ein Zeugnisverweigerungsrecht, ebenso Verschwägerte in gerader Linie und in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad (§ 1590 BGB).

Eine weitere Personengruppe, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben kann, sind die sog. Berufsgeheimnisträger, vgl. §§ 53 f. StPO. Unter den Voraussetzungen des § 53 II StPO kann das Zeugnisverweigerungsrecht aber entfallen

Nennen Sie mögliche Zwangsmittel zur Beweiserhebung, die die StPO vorsieht!

Nennen Sie mögliche Zwangsmittel zur Beweiserhebung, die die StPO vorsieht!

Neben der Möglichkeit, in der Hauptverhandlung etwa durch

  • Zeugenaussagen und

  • Urkundenverlesungen Beweise über die angeklagte Straftat zu behalten, sieht die StPO ein ganzes Arsenal an Zwangsmitteln vor, durch die Beweise erlangt werden können.

  • unter den Voraussetzungen der §§ 163f, 101 StPO die sog. längerfristige Observation möglich.

  • § 81 StPO erlaubt die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Beobachtung.

  • Der Beschuldigte kann gem. § 81a StPO (und Dritte gem. § 81c StPO) körperlich untersucht werden. Praktisch wichtigster Fall ist die Entnahme einer Blutprobe.

  • Die §§ 81e-81h StPO erlauben die molekulargenetische Untersuchung von DNA.

  • Von dem Beschuldigten können auf Grundlage von § 81b StPO Lichtbilder erstellt und Fingerabdrücke abgenommen werden. Die Identitätsfeststellung ist in §§ 163b, 163c StPO geregelt.

  • Sachen (einschließlich Daten) können nach den §§ 94 ff. StPO beschlagnahmt werden.

    Durch § 95a StPO kann die Beschlagnahme bei Dritten als geheime Ermittlungsmaßnahme ausgestaltet werden.

  • Neben der Überwachung von Post (Beschlagnahme und Auskunftsverlangen, § 99 f. StPO) ermöglichen die §§ 100a-101b StPO

  • eine Vielzahl von Eingriffen in die Akustik der Wohnung des Beschuldigten (sog. Lauschangriffe) und in die Telekommunikation und Datenverarbeitung (insbes. in § 100b StPO die Online-Durchsuchung von Speichermedien und Netzwerken, u. a. auch vermittels Aufspielens von Viren und Trojanern).

  • Die Wohnung selbst kann nach Maßgabe der §§ 102 ff. StPO durchsucht werden.

  • Personen können gem. §§ 131 ff. StPO zur Fahndung ausgeschrieben werden. Auch eine Rasterfahndung ist nach Maßgabe der §§ 98a, 98b, 101 StPO möglich.

  • Der Straßenverkehr kann unter den Voraussetzungen von § 163g StPO mittels automatischer Kennzeichenerfassung überwacht werden.

  • Schließlich können verdeckte Ermittler eingesetzt werden, §§ 110a ff. StPO.

Wie weit reichen Beweisverwertungsverbote im deutschen Strafverfahren? Gibt es eine Fernwirkung?

Grundsätzlich folgt aus einem Beweisverwertungsverbot, dass das konkret unmittelbar durch etwa eine verbotene Vernehmungsmethode in § 136a I StPO erlangte Beweismittel nicht verwertet werden darf. Wenn aber etwa durch ein erzwungenes Geständnis weitere zuvor nicht auffindbare Beweismittel gefunden werden, stellt sich die Frage, ob das auch diese erfasst, also eine sog. Fernwirkung besteht.

Nach der Lehre der amerikanischen „fruit of the poisonous tree doctrine“ sind derartige Beweise nicht verwertbar, da sie aus einem „vergifteten“ Beweis gewonnen wurden.

Andernfalls unterliefe man den Sinn und Zweck der Beweisverwertungsverbote. Diese Lehre ist aber nicht auf Deutschland übertragbar. Ein Verfahrensziel im deutschen Strafprozessrecht ist die Ermittlung des tatsächlichen Geschehensablaufs, der sog. materiellen Wahrheit. Der Strafprozess im US-amerikanischen Recht hingegen ist als Parteiprozess (ähnlich wie der deutsche Zivilprozess) ausgestaltet, bei dem den Richter nicht die Pflicht der Amtsermittlung trifft. Vielmehr ist der Wahrheitsbegriff dort ein formeller, sodass es nicht um jeden Preis darum geht, das tatsächliche historische Geschehen nachzubilden, sondern dass im Wettstreit der Parteien um den plausibelsten (und gleichzeitig fairsten) Beweisvortrag ein glaubhaftes Bild von der Wahrheit entsteht. Wenn die Strafverfolgungsbehörden also auf unfaire Mittel zurückgreifen, um Beweise zu erzielen und die eigenen Vortragsposition in Bezug auf „ihre Version“ der formellen prozessualen Wahrheit im Wettbewerb um die plausibelste Wahrheitsversion vor Gericht zu verbessern, so würden sie für dieses unfaire Wettbewerbsverhalten „sanktioniert“, eben durch Verbot der unmittelbar oder mittelbar aus dem unter Verstoß gegen das Recht gewonnenen Beweise.

Hingegeben bedeutet die Nichtverwertung relevanter Beweise in Deutschland eine Einbuße an dem Verfahrensziel der Wahrheitsfindung (bezogen auf eine materielle, dem Prozess vorgelagerte Wahrheit), die es in dieser Form im US-amerikanischen Strafprozessrecht nicht gibt.

Die deutsche Rechtsprechung hat die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten lange Zeit pauschal abgelehnt, mit dem Argument, ein Verfahrensverstoß dürfe nicht das gesamte Strafverfahren lahmlegen. Ferner ließe sich kaum sicher feststellen, dass die Hilfspersonen der Staatsanwaltschaft das mittelbar aus dem verbotenen Beweis erlangte Beweismittel nicht auch ohne den vorherigen Verstoß oder den fehlerhaft erhobenen unmittelbaren Beweis hätten

Mittlerweile hält die deutsche Rechtsprechung die Annahme einer Fernwirkung aber auch in Einzelfällen für möglich. Maßstab hierfür ist die sog. Abwägungslehre, nach der eine Fernwirkung dann anzunehmen ist, wenn der ursprüngliche Verfahrensverstoß schwerer wiegt als die Schwere der verfolgten Tat

Wann kann Untersuchungshaft verhängt werden? Wo sind die Voraussetzungen geregelt?

Die materiellen Voraussetzungen für die Verhängung einer Untersuchungshaft finden sich in § 112 und § 112a StPO (und für den Sonderfall eines beschleunigten Verfahrens in § 127b StPO).

  • Zum einen wird ein dringender Tatverdacht benötigt (§ 112 I 1 Alt. 1 StPO). Dieser liegt vor, wenn nach aktuellem Stand der Ermittlungen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer strafbaren Handlung ist.

    Zudem muss ein Haftgrund vorliegen, § 112 I S. 1 Alt. 2 StPO. Dieser ist in den folgenden Fällen gegeben:

  • Der Beschuldigte ist flüchtig oder hält sich verborgen gem. § 112 II Nr. 1 StPO

  • Bei Fluchtgefahr nach § 112 II Nr. 2 StPO, d. h. wenn aufgrund bestimmter Tatsachen unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen wird.

  • Bei Verdunkelungsgefahr nach § 112 II Nr. 3 StPO, also wenn ein dringender Verdacht begründet ist, dass der Beschuldigte Beweismittel beeinträchtigen, auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder andere zu einem solchen Verhalten veranlassen wird, und dadurch die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird.

  • Bei Verdacht eines Kapitaldelikts nach § 112 III StPO, wobei hier in verfassungskonformer Auslegung des BVerfG zusätzlich noch eine Fluchtgefahr oder eine Verdunkelungsgefahr vorliegen muss, es aber für die Gefahrenprognose im Gegensatz zu § 112 II StPO in § 112 III StPO schon genügt, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr nicht auszuschließen ist.

  • Bei Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO.

  • Speziell für das beschleunigte Verfahren bei Fernbleibegefahr nach § 127b II StPO

Zudem muss die Untersuchungshaft verhältnismäßig sein (§§ 112 I 2 StPO, 113, 116 StPO).

Die Anordnung der Untersuchungshaft darf nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung stehen. Hierbei handelt es sich um keine positive Voraussetzung, sondern um einen Haftungsausschließungsgrund, wenn die Unverhältnismäßigkeit positiv festgestellt worden ist.

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