Fakten zur Entstehung der Europäischen Union
Zeitstrahl der Entstehungsgeschichte
1952: Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
1957: Römische Verträge
1986: Einheitliche Europäische Akte
1992: Vertrag von Masstricht
1997: Vertrag von Amsterdam
2001: Vertrag von Nizza
2001: Charta der Grundrechte (GRC)
2004: Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) -> gescheitert
2007: Vertrag von Lissabon
- Die Union besitzt fortan Rechtspersönlichkeit, Völerrechtsfähigkeit (Art. 47 EUV)
- Kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein
- Die Rechtspersönlichkeit ist vertraglich vereinbart
- Wirkt zunächst nur gegenüber den Mitgliedstaaten
- Durch Annerkennung auch gegenüber Drittstaaten
- Rechts- und Geschäftsfähigkeit in den Mitgliedstaaten (Art. 335 AEUV)
Politische Dimensionen
1. Interne Poltiken
- Binnenmarkt
- Allgemeine Wirtschaftspolitik
- Währungspolitik
- Umweltpolitik, einschließlich Klima
- Sozialpolitik
- Verkehrspolitik
- Gesundheitspoltik
- Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres
2. Externe Politiken
- Außenhandelspolitik
- Außen- und Sicherheitspoltik
- Verteidigungspoltik
- Assoziierungspolitik (Herstellung und Beibehaltung enger Beziehungen zu anderen Staaten und Staatenbunden)
Rechtliche Dimensionen
- Eigene Rechtsordnung
- Gebildet aus EUV und AEUV
- Umfangreiches abgeleitetes Recht (Gesetzesrecht)
- Besondere Eingenschaften (Abgrenzung multilaterale Staatengemeinschaft [i.S.d. Völkerrechts] zur supranationalität der EU)
Ziele und Wete der Europäischen Union
Ziele der Union (Art. 3 EUV)
Allgemein
Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern
Im Einzelnen
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Abs. 2)
Binnenmarkt und soziale Marktwirtschaft (Abs. 3)
wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt zwischen den Mitgliedstaaten
Wirtschafts- und Währungsunion (Abs. 4)
Gemeinsame Außenbeziehungen (Abs. 5)
-> Den Unionsorganen kommt bei der Ergreifung von Maßnahmen zur Zielerreichung weites Ermessen zu, um kollidierende Zielvorstellungen auszugleichen
Werte der Union (Art. 2)
Achtung der Menschenwürde
Freiheit
Demokratie
Rechtsstaatlichkeit
Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten
-> Binden die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten
Unmittelbare Bindung gem. Art. 7 (Sanktionen nach Feststellung der Verletzung von Werten), 49 EUV (Achtung der Werte ist Voraussetzung für den Beitritt zur EU)
Beitritt und Austritt
I. Beitritt zur EU
Allgemein geregelt in Art. 49 EUV
Konkretisierung erfolgt vor allem durch Protokolle
1. Materielle Voraussetzungen
Europäischer Staat
Begrenzt sich nicht auf den europäischen Raum in einem engeren geographischen Sinne, sondern berücksichtigt geographische, historische und kulturelle Merkmale, die die Zugehörigkeit eines Staates zu Europa prägen.
Achtung der Werte des Art. 2 EUV
Beachtung der sonstigen Kriterien (vom Europäischen Rat festgelegt)
sog. Kopenhagener Kriterien
Verfassungsstaatlichkeit
Binnenmarktfähigkeit
Integrationswilligkeit
Erweiterungsfähigkeit der EU
2. Verfahren
a) Antrags- und Verhandlungsphase
Antrag an den Rat der europäischen Union
Unterrichtung der Kommission und des Europäischen Parlaments
Verhandlungen über den Beitritt
b) Unionsinterner Beschluss über Aufnahme
Einstimmiger Ratsbeschluss
Anhörung der Kommission
Zustimmung des Europäischen Parlaments
c) Abschluss des Beitrittsvertrages durch die Mitgliedstaaten
-> Aufnahme des neuen Staates, Anpassung der Verträge, institutionelle Änderungen, Übergangsregelungen, Finanzen…
II. Austritt aus der EU
Allgemein geregelt in Art. 50 EUV (erstmalig im Vertrag von Lissabon geregelt)
1. Voraussetzungen
Mitteilung an den Europäischen Rat über die Austrittsabsicht
Keine Zustimmung der "Rest"-Union über Beginn des Austrittsprozesses erforderlich
Kann jederzeit zurückgenommen werden
Verhandlungen zwischen EU und dem austrittswilligen Staat über die Austrittsbedingungen
Vgl. Art. 218 III AEUV
Abschluss eines Austrittsvertrages
Mitgliedstaaten nicht unmittelbar beteiligt (müssen nicht ratifizieren)
Vertrag regelt nur die Austritrsbedingungen und nicht das künftige Verhältnis zwischen EU und nunmehr Drittstaat
Austrittsvertrag muss grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren zustandekommen
Die Frist kann im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedsstaat verlängert werden (Art. 50 III Hs. 2 EUV)
3. Rechtsfolgen
Staat wird Drittstaat im Verhältnis zur EU
Wurde ein Austrittsvertrag geschlossen, so gelten fortan dessen Regelungen zwischen der EU und dem Drittstaat
Wurde kein Austrittsvertrag geschlossen gelten die allgemeinem völkerrechtlichen Regelungen (z.B. die der WTO im Bereich des Handels)
Supranationalität der Union
Der Begriff der "Supranationalität" der Uniomn ist bisheute kein allgemeingültig definierter Rechtsbegriff.
Mit dem Begriff verbundene Eigenschaften:
Eigenständige Organe und Willensbildung
Sicherung der Funktionsfähigkeit
Kontrolle der Mitgliedstaaten
Mehrheitsprinzip (im Gegensatz zum im Völkerrecht verankterten Erfordernis der Einstimmigkeit)
Weiter Kompetenzumfang
Effektivität des Rechts
Staatsähnlicher Kompetenzumfang
I. Ausgangspunkt
Art. 5 I, II EUV (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung)
Bereits hierdurch zeigt sich, dass die EU keine Staatsqualität hat, da sie Rechtssetzungskompetenz nur in einem ihr zugesprochenen Rahmen besitzt
Kopetenzkataloge des EUV und AEUV
Ordnungssystem Art. 2 AEUV
II. Ausschließliche Zuständigkeit (Art. 3 AEUV)
Zollunion
Wettbewerbsregeln für den Binnenmarkt
Währungspolitik für die Euro-Zone
Fischereipolitik
Gemeinsame Handelspoltik (Außenwirtschaftspoltik)
III. Geteilte Zuständigkeiten (Art. 4 AEUV)
Binnenmarkt an sich
Sicherstellung der Grundfreiheiten (Freizügigkeit im Binnenmarkt)
Binnenmarkt ist ein Querschnittsthema
Sozialpolitik
Arbeitsmarktpoltik
Arbeitsschutz
Sozialsysteme
Umweltpolitik
Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, restriktivere Regeln zu fassen
Verkehrspolitik
Enegiepoltik
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
IV. Koordination der Wirtschaftspolitik (Art. 5 AEUV)
Keine Harmonisierung
Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpoltik
V. Unterstützungskompetenzen (Art. 6 AEUV)
Verbesserung der menschlichen Gesundheit
Industriepolitik
Kultur
Tourismus
Verwaltungszusammenarbeit
Verwaltung ist der tätige Staat. Nur durch die - vor allem nationale - Verwaltung wird das EU-Recht zur Geltung gebracht.
Effektivität des Unionsrechts
I. Die Union als Rechtsgemeinschaft (Rechtsunion)
Ideel: Union beruht auf freiwilliger Verpflichtung und nicht auf militärischer Gewalt
Jurisitisch: Die Union…
… beruht auf Recht
… handelt in Formen des Rechts
… wird in der Entfaltung durch das Recht begrenzt
Funktionell: Gemeinsame Ziele werden duch gemeinsames Recht verwirklicht
Herzstück des Unionssystems: Prinzip der einheitlichen Geltung und Anwendung des Unionsrechts
II. Sicherung des Unionsrechts
1. Eigenständigkeit des Unionsrechts und unmittelbare Geltung
Es ist weder klassisches "Staatsrechts“ noch übliches "Völkerrecht"
Unionsrecht begründet eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts
Arg: Ziele der Union bringen den Mitgleidstaaten und dem Einzelnen Vorteile, Bürger:innen sählen das Parlament, Art. 267 AEUV belegt die innerstaatliche Geltung des Unionsrechts, Art. 288 AEUV weist dem Unionsrecht (in Form der Verordnung) ausdrücklich unmittelbare Geltung in den Mitgleidstaaten zu
Kriterien der unmittelbaren Geltung
hinreichende Bestimmtheit
unbedingte Formulierung (Geltung darf nicht von weniteren Entscheidungen abhängig sein)
keinen Auslegungs- oder Ermessensspielraum bieten
2. Folgerungen
die Einzelnen als "Hüter" des Unionsrechts
die nationalen Gerichte wenden auch EU-Recht an und entlasten damit den EuGH
autonome Interpretation des Unionsrechts
Auslegungsmaximen des staatlichen Rechts oder des Völkerrechts sind nur bedingt anzuwenden
3. Vorrang des Unionsrechts
Keine generelle Kollisionsregelungen in den Verträgen
Ausnahme: Vorrang der EU-Verordnungen (Art. 288 I AEUV)
Entscheidung des EuGH (Costa-E.N.E.L-Urteil; ECLI:EU:C:1964:66)
Unionsrecht ist für die Union und die Mitgliedstaaten verbindlich
andernfalls gäbe es keine unbedingten Verpflichtungen mehr (Sinn und Zweck der Verordnung würde untergraben werden) ; nur eventuelle
-> Vorrang des Unionsrechts vor entgegenlaufendem nationalen Recht
-> (P) Vorrang vor Verfassungsrecht
Bsp.: Verstoß gegen die EU-AGG-Richtlinie bzgl. der Zulassung von Frauen in der kämpfenden Truppe der Bundeswehr
4. Rechtswirkungen
Anwendungsvorrang (Vorrang nur an jenen Stellen, an denen das EU-Recht mit dem nationalen Recht kollidiert = selektiver Vorrang)
Kein Geltungsvorrang (Bsp.: Bundesrecht bricht Landesrecht = allgemeiner Vorrang)
Umfang: Ist von allen innerstaatlichen Stellen von Amts wegen zu beachten
5. Grenzen des Vorrangs
BVerfG leitet den Anwendungsvorrang aus dem nationalen Ermächtigungsgesetzes zur Eingehung der jeweiligen europäischen Verträge
Damit sichert sich das BVerfG eigenen Zugriff auf die mögliche Reichweite, da es prüfen kann, ob die fragliche Norm von den von der Bundesrepublik an die EU übertragenen Rechte gedeckt ist
Konkrete Grenzen nach BVerfG 89, 155
"Identität der (deutschen) Verfassung" (Generalklausel)
-> Unantastbarkeit der elementaren Staatsstrukturprinzipien und wesentlichen subjektiven Rechten
ausbrechende Rechtsakte ("Ultra-vires-Kontrolle")
-> Wenn eine Maßnahme eines europäischen Organs offentsichtlich über die Kompetenzen hinausgeht, die der EU übertragen wurden
Kritik
Doppelkontrolle
Teile der Wissenschaft postulieren, dass ein polypolares, mehrschichtiges und den Wettbewerb förderndes System der Kontrollinstanzen zu einer Steigerung des Rechtsprechungsqualität führt. Dem wird entgegengehalten, dass es das vorrangige Ziel der Rechtsprechung sein sollte, Rechtsklarheit und -einheitlichkeit herzustellen
Gefährdung des Rechtsfriedens
Einheit des Unionsrechts
Fragmentierung der Unionsrechtsordnung durch Konkurrenz der Gerichtsbarkeiten
6. Unionsrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts
Zweck: Schonende Harmonisierung der Rechtsordnungen
Rechtsgrundlage: Art. 4 III EUV (Gebot der loyalen Zusammenarbeit)
Voraussetzungen
Unionsrechtliche Norm
Widerspruch zu nationalem Recht
Auslegungsspielraum im nationalen Recht
Rechtsfolge: Anpassung des Auslegungsergebnisses an das Unionsrecht
III. Haftung der Mitgliedstaaten
Zweck: Ersatz von Schäden durch Verletzung von Unionsrecht
Rechtsgrundlage:
Art. 4 III EUV (Gebot der loyalen Zusammenarbeit)
Richerliche Rechtsfortbildung
Voraussetzungen:
Verhatlten eines Mitgliedstaates (Handeln, Dulden oder Unterlassen)
Hinreichend qualifizierte Verletzung dieses Rechts (Verhalten, die offenkundig die Grenzen überschreiten, die das Unionsrecht setzt)
Rechtsfolge: Schadensersatz nach nationalen Grundsätzen
Die Stellung des Einzelenen im Unionsrecht
I. Verfassungsrechtliche Bedeutung
Im Vökerrecht ist der Einzelne grds. kein Rechtssubjekt
Einzelner ist nicht Träger von Rechten und Pflichten
Unionsrecht hingegen berechtigt und verpflichtet Einzelne unmittelbar
Einzelner ist Teil der Rechtsordnung
Vergleichbar mit der Stellung im Staat
II. Rechte und Pflichten
Aufgrund der Verträge:
Grundfreiheiten (Verpflichtung, durch das eigene Verhalten nicht die Freiheiten der anderen einzuschränken)
Grundrechte
Aufgrund abgeleiteten Rechts:
Ansprüche gegen Union und Mitgliedstaaten
Vor nationalen Gerichten durchsetzbar
Ggfs. mit Hilfe des EuGH
III. Unionsbügerschaft
Rechtsgrundlagen:
Art. 9 EUV
Stellt fest: Die Unionsbürgerschaft ist ein von der Staatsangehörigkeit zu einem der Mitgliedstaaten abgeleitetes Recht
Art. 20 ff. AEUV
Verleiht einzelne Rechte
Gegenüber der Union
Wahlrecht zum europäischen Parlamentes
Petitionsrecht
Sprachenwahl
Gegenüber den Mitgliedstaaten
Freizügigkeit
Wahlrecht auf Kommunalebene
Diplomatischer Schutz
Stellung der Mitgliedstaaten
I. Das Grundverhältnis
Mitgliedschaft (Art. 49 EUV)
Ist grds. nur Ganzheitlich und nicht selektiv möglich
Einschränkung nationaler Souveränität (inneres (vgl. Art 2 EUV) und äußeres Selbstbestimmungsrecht der Nationalstaaten)
Soweit die Verträge dies vorsehen
II. Das Betriebsverhältnis
Gebot der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 III EUV)
Sekundärrechtliche Rechte und Pflichten
z.B. im Bereich der Finanzierung
III. Souveränität und Bindung
In verbleibenden Bereichen sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich souverän (vgl. Art. 4. I EUV)
Mitgliedstaaten können intern und extern nach ihren Vorstellungen handeln
Grenzen:
Art. 351 AEUV (Alt-Verträge) -> Anpasungs- oder Kündigungspflicht
Art. 4 III EUV (Loyalität) -> Verträge, die die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer (verbliebenen) Souveränität schließen, dürfen die Ziele der EU nicht gefährden oder verhindern
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