Buffl

Staatsorganisationsrecht Schemata

AL
by Ann-kathrin L.

Prüfung der Erfolgsaussichten von Verfahren vor dem BVerfGG - Grundschema

Konkreten Verfahrensvorschlag machen (Grund: Enumerationsprinzip)

  • Klausurwichtige Verfahren vor dem BVerfG: 6 Verfahren - 3 Gruppen

    Kompetenzstreitigkeiten

    Organstreit (Art. 93 I Nr. 1 BVerfGG) wichtig

    • innerhalb des Bundes

    • Sonderfälle: §§ 2 III, 18 III PUAG (§ 66a BVerfGG)

    Bund-Länder-Streit (Art. 93 I Nr. 3 BVerfGG)

    • nur zwischen Bund und Ländern

    • zu Streitigkeiten zwischen Bundesländern vgl. Art. 93 I Nr. 4 Fall 2 BVerfGG- Zum Bund-Länder-Streit gehört Art. 84 IV 2 BVerfGG

    -> 2-seitig (kontradiktorisch); subjektiv

    Normenkontrollen (NK)

    abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. 2 BVerfGG) wichtig

    • durch Bundesregierung, Landesregierung, 1/4 der Mitglieder des Bundestages

    • Sonderfälle: Art. 93 I Nr. 2a, Art. 93 II BVerfGG

    konkrete Normenkontrolle (Art. 100 GG)

    • auf Vorlage eines Gerichts

    -> 1-seitig; objektiv

    Verfassungsbeschwerden (VfB)

    Individualverfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4a BVerfGG) wichtig

    • gegen alle Akte der öffentlichen Gewalt

    • wegen Verletzung von Grundrechten

    Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4b BVerfGG)

    • nur gegen Gesetze (Normen)

    • wegen Verletzung von Art. 28 II BVerfGG

    -> 1-seitig; subjektiv

    • weitere Verfahren: Art. 93 I Nr. 5 BVerfGG (iVm GG) und Art. 93 III BVerfGG (iVm Bundesgesetz)

A. Zulässigkeit des Verfahrens - “Normen-3-Klang”

Die Zulässigkeit des (Verfahrens) richtet sich nach Art. … GG - § 13 Nr. … BVerfGG - §§ … BVerfGG “BT”

P: Zuständigkeit des BVerfG

  • Streit:

    a) Pflichtprüfungspunkt?

    Ausreichend: “Das BVerfG ist gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG für die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden zuständig.”

    b) Ausnahme: Prüfung bei Kompetenzstreitigkeiten?

    Hier unbedingt angeben,denn zur Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten - Organstreitverfahren und Bund-Länder-Streit - sieht sich das BVerfG nur dann berufen, wenn eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt, die Beteiligten also in einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zueinander stehen.

  • Merke: Die Zuständigkeit des BVerfG ist nur im GG, § 13 BVerfGG geregelt, daher hier keine Angabe der §§ 36 ff. BVerfGG

I. Beteiligtenfähigkeit

Auch: Partei-/Beschwerdefähigkeit; Antrags-/Beschwerde-/Vorlageberechtigung

  1. Ist der Antragsteller bzw. “Initiatior” des Verfahrens - abstrakt - zur Verfahrenseinleitung berechtigt?

  2. Zusätzlich bei 2-seitigen Verfahren: Ist der Antrag gegen ein - abstrakt - tauglichen Antragsgegner gerichtet?

  • Prozessfähigkeit (bei Minderjährigen/ juristischen Personen; nach allg. Regeln, da im BVerfGG keine Regelung)

II. Tauglicher Antragsgegenstand

Auc: Statthaftigkeit; weitere Bezeichnungen; Beschwerde-/Verfahrens-/Prüfungs-/Angriffs-/Streitgegenstand

III. Antrags-/Beschwerdebefugnis (subj. Verfahren); Antrags-/Vorlagegrund (obj. Verfahren)

IV. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen (zB bei der VfB: Rechtswegerschöpfung, § 90 II 1 BVerfGG; keine Subsidiarität (ungeregelt))

V. Form, § 23 I BVerfGG (ggf. weitere Anforderungen, vgl. zB §§ 64 II, 80 II, 92 BVerfGG)

VI. Frist (nicht bei Normenkontrollen) §§ 187 ff. BGB gelten als allgemeine Regeln auch im Verfassungsprozessrecht

VII. Rechtsschutzbedürfnis (nur bei Anlass)

nur bei Anlass und kurz: Zulässigkeit einer subjektiven/ objektiven Antragshäufung

B. Begründetheit (subjektives Verfahren); Sachentscheidung (objektive Verfahren)

Tenor (falls nach Aufgabenstellung erforderlich; zu jedem Verfahren im BVerfGG geregelt

Parlamentsgesetz des Bundes - Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit

I. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

Die Zuständigkeit des Bundes für ein Gesetz ergibt sich selten nur aus einem Titel (einer Nr.) der Art. 73, 74 GG, sondern häufig erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Titel (“Mosaiktheorie”).

spezielle Regelungen?

  • Spezielle Ermächtigungen zu materiellen Regelungen, zB: Art. 4 III (KDV), Art. 21 III (ParteienG), Art. 38 III (BWahlG)

  • Bundesgesetz enthält (neben den vorrangig zu prüfenden materiellen Regelungen) auch Regelungen über das Verwaltungsverfahren oder die Einrichtung/ Zuständigkeit von Behörden.

    Art. 84 I, 85 I (Bundesgesetz enthält Regelungen über das Verwaltungsverfahren und/oder die Einrichtung (Zuständigkeiten) von Landesbehörden bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder); Art. 87 (Bundesgesetz erklärt die Bundesbehörde für zuständig).

  • Bundesgesetz enthält (neben den vorrangig zu prüfenden materiellen Regelungen) auch Regelungen über die Erhebung von Abgaben

    Art. 105, wenn Steuer. Annex-Kompetenz zur Sachregelungsbefugnis, wenn Gebühr oder Beitrag.

Art. 70 ff. GG

Grundsätzlich Land, Art. 70 I GG, es sei denn ausnahmsweise Bund

  1. Art. 73/ 71 GG (ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes)

  2. Art. 74/ 72 II GG (konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes)

    a) Kompetenztitel des Art. 74 GG

    b) unter Umständen: Voraussetzungen des Art. 72 II GG

    • Regelungsgrund

      • Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder

      • Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse oder

      • Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse

    • macht bundesgesetzliche Regelung erforderlich

    c) ggf. Art. 125a II 1 GG (bei Änderung von Bundesgesetzen, die vor dem 15.11.1994 erlassen wurden)

ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz des Bundes

  1. kraft Natur der Sache

  2. Mitregelungsbefugnis als Annex-Kompetenz oder kraft Sachzusammenhangs

II. Gesetzgebungsverfahren beim Erlass von Bundesgesetzen

  1. Ordnungsgemäße Einbringung der Gesetzesvorlage, Art. 76 I-III GG

  2. Ordnungsgemäße Beratung und Beschlussfassung im Bundestag, Art. 77 I 1 GG

  3. Beteiligung des Bundesrates, Art. 77 I 2 - IV GG; Zustandekommen des Gesetzes, Art. 78 GG

  4. Abschlussverfahren

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

I. Kein Verstoß gegen Bestimmungen außerhalb des Grundrechtskatalogs

  1. Sind spezielle Bestimmungen einschlägig (zB Art. 80 GG)?

  2. Prinzipien der Art. 20, 28 GG

    (Insbesondere: Bestimmtheitsgebot - Rückwirkungsverbot - Verhältnismäßigkeit)

II. Kein Verstoß gegen Grundrechte/ grundrechtsgleiche Rechte

  1. Freiheitsrechte (Schutzbereich-Eingriff-verfassungsrechtliche Rechtfertigung)

  2. Gleichheitsrechte (Ungleichbehandlung-Ungeleichbehandlung sachlich gerechtfertigt?)

Fehlerfolge?

  1. Vorrang der verfassungskonformen Auslegung

  2. Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit; Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit

Abstrakte Normenkontrolle - Art. 93 I Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6, §§ 76 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit

I. Antragsberechtigung, § 76 I BVerfGG

Einseitiges Verfahren - abschließende Aufzählung der Antragsteller: Bundesregierung oder Landesregierung (jeweils Kabinettsbeschluss erforderlich) oder 1/4 der Mitglieder des Bundestages.

II. Tauglicher Prüfungsgegenstand, § 76 I BVerfGG

  1. Bundesrecht oder Landesrecht (inkl. kommunale Rechtssetzung), soweit es um die Vereinbarkeit mit dem GG oder sonstigem Bundesrecht geht.

    Das Tatbestandsmerkmal (Bundes-/Landes-) “Recht” ist (anders als bei Art. 100 GG) weit auszulegen, es erfasst sowohl nach- als auch vorkonstitutionelles Recht, insbesondere

    • alles Recht, was in der Form eines Rechtssatzes ergangen ist (zB Verfassungsnormen, förmliche Gesetze, nur formelle Gesetze (Haushaltsgesetz), Rechtsverordnungen, Satzungen (auch zB der Gemeinden), Geschäftsordnungen von Verfassungsorganen

    • alles Recht, was materiell Rechtssatz ist (= generell-abstrakt mit Außenwirkung) zB Gewohnheitsrecht

      Aber: KEINE Kontrolle von VERWALTUNGSVORSCHRIFTEN

    • Primäres Gemeinschaftsrecht (EG-Verträge) ist über die Zustimmungsgesetze überprüfbar; sekundäres Gemeinschaftsrecht (Normen der EG-Organe) sind nicht überprüfbar.

  2. Prüfungsfähig grds. erst ab Verkündung, weil Norm mit Anspruch auf Geltung auftreten muss.

    Keine vorbeugende Normenkontrolle. Ausnahme: Bei Vertragsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen; Verfahren zulässig, sobald das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, damit der Vertragsschluss noch verhindert werden kann.

III. Antragsgrund, § 76 I BVerfGG

  1. § 76 I BVerfGG:

    a) Nr. 1: Antragsteller hält das Recht für nichtig (Normverwerfungsantrag)

    b) Nr. 2: Antragsteller hält das Recht für gültig, nachdem ein Gericht, eine Behörde oder ein anderes Staatsorgan die Rechtsnorm als unvereinbar mit dem GG oder mit dem Bundesrecht nicht angewendet hat (nur möglich bei Normen, die nicht unter Art. 100 GG fallen) (Normbestätigungsantrag)

  2. u.U. Rückgriff auf Art. 93 I Nr. 2 GG (im Fall des § 76 I Nr. 1 BVerfGG)

    Problem: Gem. Art. 93 I Nr. 2 GG ist der Antrag zulässig “bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln”. Danach ist weder erforderlich, dass der Antragsteller selbst (persönlic) zweifelt, noch (sachlich) die Überzeugung der Nichtigkeit (vgl. § 76 Nr. 1 BVerfGG) bzw. die Nichtanwendung der Norm durch bestimmte Stellen (vgl. § 76 Nr. 2 BVerfGG). Die sachlichen Einschränkungen in § 76 Nr. 2 BVerfGG hat das BverfG unter Bezug auf Art. 94 II 1 GG als verfassungskonforme Ausgestaltung des Art. 93 I Nr. 2 GG angesehen. Für den Normbestätigungsantrag ist dies gerechtfertigt, weil grundsätzlich von der Wirksamkeit eines Gesetzes auszugehen ist. Dieser Gedanke ist auf den Normverwerfungsantrag nicht übertragbar. Deswegen kann nach hM im Anwendungsbereich des § 76 Nr. 1 BVerfGG auf Art. 93 I Nr. 2 GG zurückgegriffen werden (Folge: Zweifel ausreichend).

  3. Ggf. Hinweis, dass ein objektives Klarstellungsinteresse ausreicht

    Da es sich um ein objektives Kontrollverfahren handelt, ist eine Verletzung in eigenen Rechten nicht erforderlich. Daher kann, zB eine Landesregierung grds. auch “fremdes” Landesrecht rügen. Das Antragsrecht kann auch nicht verwirkt werden; daher ist es zB grds. unerheblich, ob eine Landesregierung zuvor einem Bundesgesetz im Bundesrat zugestimmt hat. Der Antrag unterliegt auch nicht dem Diskontinuitätsgrundsatz, erledigt sich also nicht mit Ablauf der Legislaturperiode.

IV. Frist

KEINE

V. Ordnungsgemäßer Antrag: § 23 I BVerfGG (schriftlich mit Begründung)

B. Sachentscheidung (Begründetheit), § 78 S. 1 BVerfGG

  • Prüfungsmaßstab für jegliches Bundesrecht ist das Grundgesetz. Bei einer Bundes-Rechts-Verordnung ist vorab zu prüfen, ob die Voraussetzungen ihrer Ermächtigungsgrundlage vorliegen.

    Grund: Nur so lässt sich feststellen, dass für die Prüfung, ob die Verordnung mit dem GG übereinstimmt, ein gültiger Gegenstand gegeben ist. Zur Beurteilung dieser Frage ist in diesem Verfahren - anders als bei Art. 100 I GG mit den Fachgerichten - auch kein anderes zuständiges Organ vorhanden.

  • Prüfungsmaßstab für Landesrecht ist das Grundgesetz und das sontige Bundesrecht.

C. Tenor, § 78 S. 1 BVerfGG

  • Verstößt die Norm gegen den Prüfungsmaßstab, erklärt das BVerfG die Norm grds. für nichtig (§ 78 S. 1 BVerfGG); ggf. stellt es nur die Unvereinbarkeit der Regelung mit dem GG fest (arg. ex § 79 I BVerfGG), so insbesondere bei Verstößen gegen Art. 3 GG, soweit die Regelung Personen gleichheitswidrig von einer Begünstigung ausschließt oder dann, wenn die Nichtigkeit der Norm dem Verfassungserfordernis noch ferner läge als die - übergangsweise - weitere Anwendung (“Chaos-Gedanke”).

  • Liegt kein Verstoß vor, so stellt das BVerfG ausdrücklich fest, dass die Norm nicht gegen den Prüfungsmaßstab verstößt.

Gesetzgebungsverfahren bei Bundesgesetzen

Abweichung von Vorschriften der GO-BT oder des GG (Folgen)

  • Verstöße gegen GO-BT: Ausnahmslos irrelevant

    • Art. 20 III, 82 I 1 GG: Parlamentsgesetze des Bundes müssen allein mit dem GG vereinbar sein

    • Die GO-BT beruht zwar auf Art. 40 I 2 GG; sie selbst gehört aber nicht zum formellen Verfassungsrecht. Bei der GO-BT handelt es sich um bloßes Innenrecht mit Satzungscharakter (Innenrechtssatzung): damit steht sie in der Normenhierarchie unter dem Parlamentsgesetz.

  • Verstöße gegen GG: im Einzelfall unbeachtlich

    Unstreitig können Abweichungen von Verfahrensvorschriften des GG im Einzelfall unbeachtlich sein. Streitig sind nur die Entscheidungskriterien:

    1. Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit sind Verfahrensfehler nur relevant, wenn sie evident sind.

      Dagegen: Hierbei bleibt die Bedeutung bzw. Schwere des Verstoßes unberücksichtigt.

    2. Zu unterscheiden ist zwischen zwingenden (wesentlichen) Verfahrensvorschriften (bei Verstoß stets Nichtigkeit) und bloßen Ordnungsvorschriften (Verstoß unbeachtlich). Dagegen: Hierbei bleibt unberücksichtigt, welche Auswirkungen der Fehler im konkreten Einzelfall gehabt hat.

    3. Vorzugswürdig: Auch bei Verstößen gegen zwingende (wesentliche) Verfahrensvorschriften ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu prüfen, ob der Verstoß im konkreten Einzelfall nicht durch das weitere Verfahren “geheilt” wurde und offensichtlich ohne inhaltlichen Einfluss auf das beschlossene Gesetz geblieben ist.

I. Einleitungsverfahren (Gesetzesentwurf/-vorlage)

  1. Art. 76 I GG:

    Zulässige Gesetzesinitiative:

    • Bundesregierung

    • Mitte des Bundestages (Art. 76 I GG)

    • Bundesrat

    (P): bei § 76 I GO-BT: Gesetzesinitiative von weniger als 5% der Mitglieder des Bundestages

    Zweifelhaft ist bereits das Vorliegen eines “Verstoßes” gegen § 76 I GG: Die Vorschrift soll den Bundestag davor schützen, sich mit Gesetzesvorlagen von “jedermann” befassen zu müssen; die Mehrheit des Bundetages kann auf diesen Schutz verzichten und sich die Vorlage zu Eigen machen. Ein Verstoß wäre als bloßer GO-BT-Verstoß jedenfalls irrelevant

  2. Art. 76 II, III GG:

    Vorverfahren bei Vorlagen der Bundesregierung bzw. des Bundesrates

    (P): bei Art. 76 II 1 GG (“1. Durchgang” Bundesrat): Verstoß oder “Umgehung” (“verkappte” Regierungsvorlage)

    Verstoß gegen Art. 76 II 1 GG:

    Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sind nach Art. 76 II 1 GG zunächst dem Bundesrat zuzuleiten, dem ein Recht zur Stellungnahme zusteht (sog. “1. Durchgang”). Ein Verstoß leigt vor, wenn die Bundesregierung ihre Vorlage ohne vorherige Beteiligung des Bundesrates unmittelbar in den Bundestag einbringt. Die Folgen des Verstoßes sind umstritten:

    1. Das der Verfahrensfehler evident ist, führt er zur Nichtigkeit des Gesetzes

    2. (Wohl überwiegende Ansicht): Bei Art. 76 II 1 GG handelt es sich um eine zwingende Verfahrensvorschrift. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut (“sind” zuzuleiten) und den weiteren sehr ausführlichen Regelungen in Art. 76 II GG. Verstöße gegen zwingende Verfahrensvorschriften führen stehts zur Nichtigkeit des Gesetzes.

    3. Vorzugswürdig: Keine nIchtigkeit, wenn die Verletzung von Rechten der Beteiligten im weiteren Verfahren “geheilt” wurde und der Fehler inhaltlich offensichtlich ohne Einfluss auf das beschlossene Gesetz geblieben ist.

      1. Nach hM soll Art. 76 II 1 GG sicherstellen, dass der Bundestag möglichst frühzeitig über die Auffassung des Budnesrates informiert ist, damit er diese im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen kann. Folgerichtig muss der Bundestag das Recht haben, die Befassung mit einer ohne vorherige Beteiligung des Bundesrates eingereichten Gesetzesvorlage der Bundesregierung abzulehnen. Tut er dies nicht und fasst er einen Gesetzesbeschluss, ist der Fehler “geheilt”.

      2. Die Missachtung der Rechte des Bundesrates im Einleitungsverfahren sind “geheilt”, wenn der Bundesrat seine Rechte im anschließenden Hauptverfahren vollumfänglich wahrnehmen konnte.

    “Umgehung” von Art. 76 II 1 GG?

    Für die Stellungnahme des Bundesrates gilt grds. eine 6-Wochen-Frist, Art. 76 II 2 GG. Um diese “Wartezeit” zu vermeiden, werden Regierungsentwürfe bisweilen “verknappt” als Entwürfe der Regierungsfraktionen in den Bundestag eingebracht. Formal liegt dann kein Verstoß gegen Art. 76 II 1 GG vor, da bei Vorlagen aus der Mitte des Bundestages eine vorherige Beteiligung des Bundesrates nicht erforderlich ist. Auch kann darin keine unzulässige Umgehung von Art. 76 II 1 GG gesehen werden. Gründe:

    1. Die “Mitte des Bundestages” verliert nicht ihr Einbringungsrecht und ist deswegen nicht gehindert, sich die Vorlage zu Eigen zu machen.

    2. Aus Gründen der Rechtssicherheit gilt im Gesetzgebungsverfahren der Grundsatz der Formstrenge. Danach ist auf den formalen Einbringer und nicht auf einen möglicherweise “wahren” Urheber abzustellen, der u.U. erst nach aufwendigen Ermittlungen oder auch gar nicht eindeutig festgestellt werden kann.

    3. Schließlich dürfte auch eine “Umgehung” unbeachtlich sein, wenn das Gesetz im sog. “2. Durchgang” nach Art. 77 GG unter ordnungsgemäßer Beteiligung des Bundesrates zustande gekommen ist.

II. Bundestag (Hauptverfahren 1. Teil) (Gesetzesbeschluss des Bundestages)

  1. §§ 78 ff. GO-BT:

    Ordnungsgemäße Beratung

    (P) bei § 78 I GO-BT: Weniger als 3 Lesungen (Beratungen)

    Der Verstoß gegen § 78 I GG ist als bloßer GO-BT-Verstoß irrelevant. Er indiziert auch keinen Verfassungsverstoß: Art. 42 I GG bestimmt lediglich, dass der BT “verhandelt”, und Art. 77 I 1 GG, dass die Bundesgesetze vom Bundestag “beschlossen” werden; aus dem GG lässt sich damit keine Mindestanzahl von Beratungen herleiten.

  2. Ordnungsgemäße Beschlussfassung:

    a) § 45 I, II GO-BT: Beschlussfähigkeit

    Nach § 45 I GO-BT ist der Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Saal anwesend sind. Die Beschlussfähigkeit wird regelmäßig zu Sitzungsbeginn festgestellt. Danach gilt der Bundestag solange als beschlussfähig, wie nicht seine Beschlussunfähigkeit in dem in § 45 II GO-BT vorgesehenen Verfahren festgestellt worden ist.

    § 45 II GO-BT verstößt nicht gegen Art. 30 II 2 GG (repräsentative Demokratie), weil die Abgeordneten das Volk nicht nur im Plenum, sondern auch vorgelagert durch ihre Arbeit in den Fraktionen und Ausschüssen vertreten.

    b) Art. 42 II 1 GG: Erforderliche Mehrheit

    • Mitglieder des Bundestages:

      Art. 121 GG: Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl; bei 598 Abgeordneten (§ 1 I 1 BWahlG): 300 Ja-Stimmen (bei Überhangs- und Ausgleichmandaten entsprechend mehr).

      • Art. 63 II 1 GG (Kanzlerwahl)

      • Art. 67 I GG (Misstrauensvotum)

      • Art. 68 I GG (Vertrauensfrage)

    • Anwesende:

      wenn die Anzahl der JA-Stimmen die NEIN-Strimmen und der Enthaltungen übersteigt; Enthaltungen zählen als wie “nein”.

    • abgegebene Stimmen:

      wen ndie Anzahl der JA-Stimmen die der NEIN-Stimmen übersteigt; Enthaltungen zählen also nicht mit.

      • Regelfall des Art. 42 II 1 GG, “soweit das GG nicht etwas anderes bestimmt”.

    Für eine 2/3-Mehrheit der Mitglieder des Bundestages sind bei 598 Abgeordneten 399 JA-Stimmen erforderlich (bei Überhangsmandaten entsprechend mehr). Sie ist zB erforderlich für Verfassungsänderungen (Art. 79 II G) und für den Beschluss über die Anklage des Bundespräsidenten (Art. 61 I 3 GG).

III. Bundesrat (Hauptverfahren 2. Teil) (Zustandekommen des Gesetzes)

  1. Einspruchsgesetz (Normalfall) oder Zustimmungsgesetz (wenn GG es ausdrücklich anordnet)

    Einheitslehre; Enumerationsprinzip; (P) Zustimmungsbedürftigkeit von Ändeurngsgesetzen

    (P) Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen

    • Nach der sog. Einheitslehre des BVerfG gilt: Ist nur eine Bestimmung eines Gesetzes zustimmungspflichtig, so ist das gesamte Gesetz zustimmungspflichtig, da jedes Gesetz eine gesetzgebungstechnische Einheit darstellt.

    • Die Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen ist im GG abschließende geregelt (Enumerationsprinzip). Alle danach nicht erfassten Gesetze sind Einspruchsgesetze. Eine ungeschriebene Zustimmungsbedürftigkeit gibt es nicht. (wichtige u.a. Änderung des GG; Sonderregelungen im Fall der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheiten; Bundeswehrverwaltung; Kernenergie etc.)

    • Ein “Spezialfall” liegt bei einem Änderungsgesetz vor, das ein zustimmungsbedürftiges Ausgangsgesetz betrifft:

      • Ein solches Änderungsgesetz ist unstreitig bereits nach seinem eigenen Inhalt zustimmungsbedürftig, wenn es

        • neue zustimmungsbedürftige Vorschriften enthält oder

        • zustimmungsbedürftige Regelungen im Ausgangsgesetz ändert.

        Dagegen ist die bloße Aufhebung zustimmungsbedürftiger Regelungen nicht zustimmungsbedürftig, da hierdurch die Beeinträchtigung der Verwaltungshoheit der Länder gerade wieder beseitigt wird.

      • Umstritten ist, ob ein solches Änderungsgesetz nicht stets zustimmungsbedürftig ist (also auch, wenn es ausschließlich nicht zustimmungsbedürftige (idR rein materiell-rechtliche) Regelungen des Ausgangsgesetzes ändert):

        1. (Bundesrat:) Der Bundesrat hat durch seine damalige Zustimmung zum Ausgangsgesetz eine Mitverantwortung für das gesamte Gesetz übernommen; daher ist jegliche Änderung des Ausgangsgesetzes zustimmungspflichtig (“Mitverantwortungstheorie”).

        2. (BVerfG:) Ein Änderungsgesetz ist nicht allein deswegen zustimmungsbedürftig, weil das Ausgangsgesetz zustimmungsbedürftig war. Gründe:

          1. Jedes Gesetz für sich stellt eine gesetzgebungstechnische Einheit dar. Daher sind Ausgangsgesetz und Änderungsgesetz getrennt zu betrachten. Ob das Änderungsgesetz zustimmungsbedürftig ist, hängt danach grds. allein vom Inhalt des Änderungsgesetzes ab.

          2. Die “Mitverantwortungstheorie” verkennt den Zweck der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen: Sie dient nicht der inhaltlichen Kontrolle und Übernahme von Verantwortung, sondern regelmäßig allein dem Schutz der Organisationhoheit und der Finanzhoheit der Länder.

            Ausnahme: Auch nach der Rspr. des BVerfG ist ein Änderungsgesetz aber dann zustimmungsbedürftig, wenn es sich zwar auf die Änderung zustimmungsfreier (idR materiell-rechtlicher) Regelungen beschränkt, die Änderungen aber dazu führen, dass die zustimmungsbedürftigen Vorschriften des Ausgangsgesetzes eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite erhalten, insbesondere, wenn die Änderungen einen neuen Einbruch in die vom GG für den betroffenen Betreich grundsätzlich vorgesehene Art der Verwaltungszuständigkeit der Länder darstellen (sog. Systemverschiebung).

  2. Verfahren bei Zustimmungsgesetzen und bei Einspruchsgesetzen

    Verfahren bei Zustimmungsgesetzen, insbesondere Anrufung des Vermittlungsausschusses

    a) Der Bundesrat kann die Zustimmung ohne vorherige Anrufung des Vermittlungsausschusses verweigern (Umkehrschluss aus Art. 77 III 1 GG, wonach bei einem Einspruchsgesetz ein Einspruch erst nach Durchführung des Vermittlungsverfahrens zulässig ist). Tut er dies, können aber Bundestag und Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen, Art. 77 II 4 GG. Für den Antrag bestimmt das GG keine Frist (die 3-Wochen-Frist des Art. 77 II 1 GG gilt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur für den Bundesrat). Jedoch sind Bundestag und Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Organtreue verpflichtet, die Einberufung des Vermittlungsausschusses in angemessener Frist zu erlangen.

    b) Der Bundesrat ist jedoch nicht darauf beschränkt, einfach nur die Zustimmung zu verweigern; er kann auch selbst den Vermittlungsausschuss anrufen, vgl. Art. 77 II 4 GG (“auch”) und Art. 77 II a GG (“Verlangen nach II 1”). Das Verfahren ist dann zunächst das Gleiche wie bei einem Einspruchsgesetz. Nach Abschluss des Verfahrens muss zunächst der Bundesrat in angemessener Frist über die Zustimmung beschließen, Art. 77 IIa GG.

    Verfahren bei Einspruchsgesetz

    a) Ist der Bundesrat dagegen mit einem Einspruchsgesetz nicht einverstanden, kann er nicht sofort Einspruch einlegen. In diesem Fall muss er vielmehr zwingend zunächst den Vermittlungsausschuss anrufen, Art. 77 II 1 GG.

    Macht der Vermittlungsausschuss einen Änderungsvorschlag, so geht der Änderungsvorschlag zunächst zur Beschlussfassung an den Bundestag, Art. 77 II 5 GG. Der Bundestag darf den Änderungsvorschlag nur annehmen oder ablehnen; eine Änderung ist nicht mehr zulässig. - Macht der Vermittlungsausschuss keinen Änderungsvorschlag, teilt der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses dem Bundesrat den erfolglosen Abschluss des Vermittlungsverfahrens mit, vgl. Art. 77 III 2 GG.

    b) Erst nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens kann der Bundesrat Einspruch einlegen. Es gilt eine 2-Wochen-Frist ab Abschluss des Vermittlungsvefahrens, Art. 77 III 2 GG (=Eingang des Bundestagsbeschlusses über den Änderungsvorschlag bzw. die Mitteilung über den (erfolglosen) Abschluss des Vermittlungsverfahrens).

    c) Hat der Bundesrat fristgerecht Einspruch eingelegt, so geht der Gesetzesbeschluss erneut an den Bundestag. Der Bundestag kann den Einspruch zurückweisen, wobei hierfür qualifizierte Mehrheiten erforderlich sind:

    Hat der Bundesrat den Einspruch mit der Mehrheit seiner Stimmen (mindestens 35 von 69) beschlossen, so bedarf die Zurückweisung der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages.

    Hat der Bundesrat den Einspruch mit 2/3 seiner Stimmen (mindestens 46 von 69) beschlossen, so bedarf die Zurückweisung 2/3 der abgegebenen Stimmen und mindestens die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahlt des BT.

    (P) Vermittlungsausschuss schlägt völlig neue Regelungen vor

    Gem. Art 77 II 5 GG kann der Vermittlungsausschuss auch Änderungen des Gesetzesbeschlusses vorschlagen. Dabei zu beachtende verfassungsrechtliche Grenzen sind im GG nicht ausdrücklich geregelt. Sie ergeben sich aber aus der Funktion und Stellung des Gremiums im Gesetzgebungsverfahren sowie aus den Art. 76 I, 20 II, 42 I 1, 38 I 2 GG.

    a) Danach darf der Vermittlungsausschuss nichts vorschlagen, was nicht schon im Parlament erörtert wurde (im Gesetzesvorschlag, in Änderungsanträgen und Beschlussempfehlungen der Ausschüsse oder in Stellungnahmen nach Art. 76 GG). Unzulässig sind daher jedenfall sachlich völlig neue Regelungen.

    Das folgt zum einen aus Art. 76 I GG, wonach das Recht zur Gesetzesinitiative nicht dem Vermittlungsausschuss, sondern ausschließlich dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zusteht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag gem. § 10 II der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses bei seiner Entscheidung über den Vorschlag nach Art. 77 II 5 GG ohne Änderungsmöglichkeiten in der Sache beschließt. Ein so zustande gekommenes völlig neues Gesetz verstößt wegen der unterbundenen Möglichkeit der parlamentarischen Beratung zugleich gegen das Demoktraieprinzip, Art. 20 II GG, das in Art. 42 I 1 GG normierte Prinzip der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte sowei die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 I 2 GG.

    b) Eine Missachtung dieser Grenzen führt zur Nichtigkeit des Gesetzes. Der Verstoß wird auch nicht unbeachtlich, wenn der Bundestag nach Art. 77 II 5 GG zustimmt. Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren sollen die demokratische Legitimation der zu treffenden Entscheidung sicherstellen und zugleich die Balance zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen und wegen der Einbindung des Bundesrates auch zwischen Bund und Ländern wahren. Sie stehen daher nicht zur Disposition der beteiligten Organe.

    (P) Weisungswidrige oder uneinheitliche Stimmabgabe im Bundesrat/ Beschlussfassung im Bundesrat

    a) Wahrheitswidrige Stimmabgabe: Die Mitglieder des Bundesrates üben anders als die Abgeordneten des Bundestages kein freies Mandat aus, sondern sind an die Weisungen der Landesregierung gebunden. Das folgt aus Art. 51 III 2 GG (einheitliche Stimmabgabe) sowie im Umkehrschluss aus der ausdrücklichen Freistellung von Weisungen in Art. 77 II 3 GG (Vermittlungsausschuss) und in Art. 53a I 3 GG (gemeinsamer Ausschuss).

    Die Folgen einer weisungswidrigen Stimmabgabe sind im GG nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings betrifft die Weisung nur das “Innenverhältnis” und ist im Bundesrat u.U. gar nicht bekannt. Das spricht dafür, dass die Weisung im “Außenverhältnis” gegenüber dem Bundesrat unbeachtlich und auch eine weisungswidrige Stimmabgabe gültig ist.

    b) Eine uneinheitliche Stimmabgabe ist gem. Art. 51 III 2 GG unzulässig. Die Folgen eines Verstoßes sind im GG nicht ausdrücklich geregelt. Es werden 3 Auffassungen vertreten:

    • mM: Wegen einer Richtlinienkompetenz ist die Stimme des Ministerpräsidenten inhaltlich entscheidend: daher sind alle Stimmen des Landes einheitlich entsprechend seiner Stimme als “Stimmführer” zu werten. Dagegen: Diese Meinung findet keine Stütze im GG und führt darüber hinaus zu einer unzulässigen Einwirkung des Landesverfassungsrechts auf das Bundesverfassungsrecht.

    • mM: Die gesamte Abstimmung im Bundesrat ist ungültig und muss wiederholt werden. Dagegen: Diese Meinung findet keine Stütze im GG und ist unvereinbar mit Art. 51 III 2 GG, der nur von den Stimmen “des Landes” spricht.

    • hM: Nur die Stimmen des Landes sind ungültig. Die hM überzeugt, weil sie sich als einzige auf das GG, hier den Wortlaut des Art. 51 III 2 GG, stützen kann.

      Hinweis: Ungültige Stimmen (und ebenso Enthaltungen) zählen im Ergebnis wie NEIN-Stimmen, das der Bundesrat seine Beschlüsse gem. Art. 52 III 1 GG mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen fasst. Da die Länder im Bundesrat insgesamt 60 Stimmen haben sind dafür stets 35 JA-Stimmen erforderlich.

    (P) Bundesrat hält ein Einspruchsgesetz irrig für ein Zustimmungsgesetz und verweigert die Zustimmung

    Es kommt vor, dass der bundesrat ein Einspruchsgesetz irrig für ein Zustimmungsgesetz hält und dem Gesetz - ohne vorherige Anrufung des Vermittlungsausschusses - durch Beschluss die Zustimmung verweigert. Ob eine Umdeutung des Beschlusses möglich ist, ist umstritten:

    • Die Umdeutung in einen Einspruch scheidet in diesen Fällen von vornherein aus verfahrensrechtlichen Gründen aus, da der Bundesrat, bevor er Einspruch einlegen kann, zwingend den Vermittlungsausschuss angerufen haben muss, Art. 77 II 1, III 1 GG. Ein Einspruch ohne vorherige Anrufung des Vermittlungsausschusses ist unwirksam.

    • Gegen die Umdeutung in eine (verfahrensrechtlich zulässige) Anrufung des Vermittlungsausschusses spricht:

      1. Die Anrufung des Vermittlungsausschusss ist im Verhältnis zur verweigerten Zustimmung kein bloßes minus, sondern ein aliud. Hätte der Bundesrat “verhandeln” wollen, hätte er dem Vermittlungsausschuss anrufen können. Wenn er stattdessen ohne weiteres die Zustimmung verweigert, zeigt dies, dass er nicht verhandlungsbereit ist.

      2. Speziell gegen eine Umdeutung in die Anrufung des Vermittlungsausschusses spricht zudem Art. 77 II 1 GG, der insoweit ein ausdrückliches Verlangen des Bundesrates vorsieht.

      3. Schließlich bestimmt § 30 GO-BRat, dass Beschlüsse des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren “zweifelsfrei” gefasst werden müssen. Das spricht dafür, dass derartige Beschlüsse generell keiner Umdeutung zugänglich sind.

  3. Art. 78 GG: Zustandekommen des Gesetzes

    a) Zustimmungsgesetz -> Var. 1: Ausdrückliche Zustimmung erforderlich

    b) Einspruchsgesetz -> Var. 2-5: Zustandekommen auch durch Untätigkeit des Bundesrates:

    • Var. 2: Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuss nicht fristgerecht an, Art. 77 II 1 GG

    • Var. 3: Bundesrat legt nach Vermittlungsverfahren nicht fristgerecht Einspruch ein, Art. 77 III 2 GG

    • Var. 4: Bundesrat nimmt den Einspruch zurück

    • Var. 5: Bundestag überstimmt den Einspruch mit der erforderlichen Mehrheit, Art. 77 IV GG

IV. Abschlussverfahren, Art. 82 I 1 GG (Erlass des Gesetzes)

  1. Gegenzeichnung durch Mitglied der Bundesregierung, § 29 I GO-BReg

  2. Ausfertigung durch den Bundespräsidenten

  3. Verkündung im Bundesgesetzblatt

V. Inkrafttreten, Art. 82 II GG (Inkrafttreten des Gesetzes)

Das Organstreitverfahren - Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit richtet sich nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG

I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG (“verfassungsrechtliches Rangverhältnis”)

  • Ein Organstreitverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt, bei der die Beteiligten in einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zueinander stehen.

    Das BVerfG entscheidet gem. Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG im Organstreitverfahren über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer am Verfassungsleben Beteiligter. Entscheidend ist, dass Verfassungsorgane i.S.d. Art. 93 I Nr. 1 GG über die “Auslegung des GG” streiten. Es muss eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegen, bei der die Beteiligten in einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zueinander stehen, aus dem sich Rechte und Pflichten ergeben, die sie gegenseitig beachten müssen und die zwischen ihnen streitig geworden sind.

    Der Antragsteller streitet sich mit dem Antragsgegner über Art und Umfang des … . Dies betrifft die Frage der verfassungsrechtlichen Befugnisse … aus Art. …, sodass das BVerfG zuständig ist.

  • Keine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt zB vor, wenn

    • der Bundespräsident nur in verwaltender Funktion tätig wird, zB als Dienstherr der Parlamentbeamten, bei Ausübung der Polizeigewalt etc.

    • es um Rechte und Pflichten aus einfachen Gesetzen geht, wie zB bei Streitigkeiten, die die Art und Weise der Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses nach den Vorschriften des PUAG betreffen. -> gem. § 36 I PUAG ist hierfür der BGH zuständig.

II. Beteiligtenfähigkeit (von Antragsteller und Antragsgegner)

  • Beachte: Geht es um die Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers, der nicht eigene Rechte, sondern prozessstandschaftlich Rechte des Organs geltend macht, ist dies nur möglich, wenn er als Organteil iSd § 63 Hs. 2 BVerfGG eingeordnet werden kann. -> Vereinbarkeit mit Sinn und Zweck des § 64 I BVerfGG prüfen

  • Gegen eine Einordnung des Bundeskanzlers oder einzelner Bundesminister als Organteile der Bundesregierung spricht zB, dass eine prozessstandschaftliche Geltendmachung von Rechten des Kollegialorgans Bundesregierung schlecht mit der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers (Art. 65 S. 1 GG) verinbar ist.

Art. 93 I Nr. 1 GG (Geltungsvorrang und weiter)

Alt. 1:

(Alle) obersten Bundesorgane

Hiermit sind Verfassungsorgane gemeint, die

  • von der Verfassung in Existenz, Status und wesentlichen Kompetenzen konstituiert werden und

  • durch ihre Tätigkeit an der politischen Staatsleitung Anteil haben

Dazu zählen über § 63 Hs. 1 BVerfGG hinaus, zB der Gemeinsame Ausschuss und die Bundesversammlung - Keine obersten Organe des Bundes sind die Bundesländer; ihnen steht ggf. der Bund-Länder-Streit offen.

Alt. 2:

a) andere (am Verfassungsleben) Beteiligte

b) sofern mit eigenen Rechten ausgestattet im GG oder in GO eines obersten Bundesorgans zB Abgeordnete, Parteien

Der Antragsteller bzw. der Antragsgegner muss eine den übrigen Verfassungsorganen vergleichbare organschaftliche Stellung haben und integraler Bestandteil des Verfassungslebens, also eine verfassungsrechtlich notwendige Institution sein. Beteiligtenfähig als “andere Beteiligte” nach Art. 93 I Nr. 1 Al.t 2 GG sind zB:

  • Einzelne Abgeordnete

    da sie zB durch Art. 38 I 2 GG mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Für die Beteiligtenfähigkeit kommt es auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens an; daher bleibt ein Ageordneter auch dann beteiligtenfähig, wenn er zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits aus dem Parlament ausgeschieden ist. - Das gilt jedoch nur dann, wenn der Abgeordnete unter Berufung auf seinen Status eine Verletzung seiner Organrechte geltend macht. Macht der Abgeordnete wie “jedermann” eine Grundrechtsverletzung geltend, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde in Betracht. Der Organstreit ist in einem solchen Fall entweder schon nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG jedenfalls aber mangels Beteiligtenfähigkeit unzulässig.

  • Politische Parteien

    wenn und soweit sie mit einem anderen Verfassungsorgan um Rechte streiten, die sich aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status (Art. 21 GG) ergeben. Machen Parteien hingegen wie jedermann Grundrechtsvereltzungen geltend, gilt das Gleiche wie bei Abgeordneten.

§ 63 BVerfGG (Anwendungsvorrang, Konkretisierung zu eng)

Hs. 1:

“nur”: Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung

Hs. 2:

a) “nur”: Teile der (in Hs. 1 genannten) Organe

b) sofern mit eigenen Rechten ausgestattet im GG oder in der GO-BT/GO-BRat zB Fraktionen

An dieser Stelle recht es aus, dass das Organteil überhaupt über (irgendwelche) Recht verfügt; dabei muss es sich noch nicht um die möglicherweise verletzten Rechte handeln.

a) Beteiligtenfähig nach § 63 Hs. 2 BVerfGG als (Organ-)Teile des Bundestages sind zB:

  • Ausschüsse des Bundestages (Art. 44 ff. GG)

  • Fraktionen (§ 10 GO-BT), da sie zB durch Art. 53a I 2 GG sowie u.a. in § 76 GO-BT mit eigenen Rechten ausgestattet sind, und Gruppen (§ 10 IV GO-BT), soweit sie anerkannt sind und es um ihre Gruppenrechte geht;

  • auch eine (konkrete oder potentielle) Einsetzungsminderheit (im BT) iSd Art. 44 I 1 GG (ggf. iVm § 126a I Nr. 1 S. 1 GO-BT) sowie eine Ausschussminderheit (im UA), die eine solche Einsetzungsminderheit repräsentiert.

    Allerdings sind nach gängiger Definition des BVerfG “Organteile” des Bundestages nur die “nach der GO-BT ständig vorhandenen (Unter-)Gliederungen des Bundestages”. Dass dies bei den vorgenannten Minderheiten der Fall ist, ist zweifelhaft und wird vom BVerfG auch nicht nöher begründet. Dass das BVerfG diese Minderheiten gleichwohl als Organteile des Bundestags einordnet, wird jedoch vor dem Hintergrund verständlich, dass nach Ansicht des BVerfG Träger des Untersuchungsrechts aus Art. 44 I GG (jedenfalls im Verhältnis zu anderen Verfassungsorganen) allein der Bundestag sein soll. Soll der in Art. 44 I 1 GG angelegte Minderheitenschutz nicht leerlaufen, müssen die genannten Minderheiten daher zur prozessstandschaftlichen Geltendmachung der Rechte des Bundestages berechtigt sein. Dafür ist ihre Einordnung als Organteile des Bundestages zwingend erforderlich, da nur Organteile als Prozessstandschafter auftreten können.

b) NICHT nach § 63 Hs. 2 BVerfGG beteiligtenfähig sind dagegen zB:

  • Politische Parteien. Sie sind entgegen umgangssprachlicher Formulierungen niemals Teile eines Parlaments.

  • Ein Abgeordneter. Er ist schon organisationsrechtlich keine in der GO-BT vorgesehene Untergliederung des Bundestages, sondern dessen Mitglied. Darüber hinaus ist der Begriff “Organteil” mit Blick auf § 64 I BVerfGG auszulegen: Die den “Organteilen” durch § 64 I BVerfGG automatisch eröffnete Möglichkeit, nicht nur eigene Rechte sondern zudem prozessstandschaftlich auch die Rechte des Bundestages geltend zu machen, ist nach Sinn und Zweck des § 64 I BVerfGG zum Schutz der organisierten Minderheit gedacht, nicht aber für einzelne Abgeordnete.

  • Bloße Abstimmungsmehrheiten oder Abstimmungsminderheiten; “die Opposition”.

III. Tauglicher Antragsgegenstand, arg. ex § 64 I BVerfGG

  1. Maßnahme oder Unterlassung (Abgrenzung nicht erforderlich; Problem: “Gesetz”)

    • Geht es um ein vom bundestag verabschiedetes Gesetz, so ist Antragsgegenstand nicht das “Gesetz”, sondern der Gesetzesbeschluss des Bundestages: Zum einen ist ein “Gesetz” schon begrifflich keine Maßnahme oder Unterlassung und zum anderen ist das Organstreitverfahren kein Verfahren zur prinzipalen Normenkontrolle. Da nicht auf die Norm, sondern auf den Normsetzungsakt abzustellen ist, kann Antragsgegner auch der Bundesrat sein, wenn er das Zustandekommen des Gesetzes durch Zustimmung oder Unterlassen eines Einspruchs gefördert hat.

  2. Rechtserheblichkeit der Maßnahme oder Unterlassung

    Die angegriffene Maßnahme (bzw. Unterlassung) muss Rechtswirkung haben (= rechtlich relevant sein). Das ist der Fall, wenn das Verhalten des Antragsgegners geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers konkret zu beeinträchtigen.

    • zB Äußerungen des Bundespräsidenten oder von Regierungsmitgliedern über eine politische Partei: Rechtserheblichkeit gegeben bei Äußerungen zu Wahlkampfzeiten. Rechtserheblichkeit fehlt zB bei abfälliger Äußerung eines Regierungsmitglieds über einen von der Opposition eingebrachten Gesetzesentwurf.

    • zB Maßnahmen des Bundestagspräsidenten gegenüber einem Abgeordneten: Rechtserheblichkeit gegeben bei Ordnungsruf. Rechtserheblichkeit fehlt bei einer formlosen Rüge.

    • Rechtserheblichkeit fehlt bei Handlungen mit nur vorbereitendem oder nur vollziehendem Charakter, wie zB einer “vorläufig ablehnenden Einschätzung” der Bunderegierung

IV. Antragsbefugnis, § 64 I BVerfGG

  1. Möglichkeit der Verletzung/Gefährdung von Organrechten aus dem GG

    • “Geltend machen” meint - wie bei § 42 II VwGO - auch hier die “Möglichkeit”. Erforderlich sind Rechte aus dem GG; Rechte aus der GO-BT/GO-BRat reichen hier - anders als noch bei der Beteiligtenfähigkeit - nicht mehr aus. Ebenso wenig Rechte aus einfachgesetzlichen Vorschriften. Beachte: Fraktionen können über Art. 38 I 2 GG abgeleitete Abgeordnetenrechte geltend machen; wichtig, da Fraktionen nur in Art. 53a I 2 GG erwähnt werden, der idR nicht betroffen sein wird.

    • Es muss sich um Organrechte des Antragstellers handeln (bzw. des Organs, dem er angehört). Das ist der Fall, wenn das Recht dem Antragsteller (oder dem Organ, dem er angehört) zu ausschließlichen eigenen Wahrnehmung übertragen ist.

      Die (angebliche) Verletzung von Grundrechte kann die Antragsbefugnis nicht begründent. Nicht ausreichend ist ebenfalls, dass die beanstandete Maßnahme nur objektiv verfassungswidrig ist; der Organstreit ist kein Verfahren der allgemeinen Verfassungsaufsicht.

  2. Eigene Rechte (wenn ASt “Organteil”) oder Rechte des Organs (in Prozessstandschaft)

    Prozesstandschaft: Auch gegen den Willen des Organs; auch gegen das Organ

    • Die Möglichkeit der prozessstandschaftlichen Wahrnehmung von Rechten des Organs betrifft in erster Linie Klagen von Fraktionen zur Geltendmachung von Rechten des Bundestags. Anerkannt ist, dass die Fraktionen Rechtspositionen des Bundestages auch gegen dessen Willen gegen ein anderes Organ (zB die Bundesregierung) geltend machen können. Andernfalls wäre das Institut der Prozessstandschaft überflüssig, weil der Bundestag das Verfahren dann ohne weiteres selbst betreiben könnte. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der Prozessstandschaft gem. § 64 I BVerfGG: Das parlamentarische Regierungssystem des GG führt zu einer weitgehenden politischen Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden parlamentarischen Mehrheit. Das Institut der Prozessstandschaft dient insoweit der Sicherung der Rechte des Parlaments und der Opposition. Hiervon ausgehend hält es das BVerfG auch für zulässig, dass Fraktionen Rechte des Bundestages prozessual auch gegen den Bundestag selbst als Antragsgegner geltend machen können.

    • Ein Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses kann aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung in § 18 III Hs. 1 PUAG das Untersuchungsrecht des Bundestages (zB ggü. der Bundesregierung) im Wege der Prozesstandschaft geltend machen. Allerding muss die vorschrift mit Blick auf Art. 44 I GG einschränkend ausgelegt werden: Das Viertel iSd § 18 III PUAG ist nur dann zur prozessstandschaftlichen Geltendmachung der Rechte des Bundestags befugt, wenn es zugleich eine (konkrete oder potentielle) Einsetzungsminderheit repräsentiert (also ein Viertel der Mitglieder des Bundestages, Art. 44 I 1 GG).

    • Nicht ein einzelner Abgeordneter. Da er kein Organteil des Bundestages ist, kann er keine Rechte des Bundestages, sondern nur seine Abgeordnetenrechte geltend machen. Ebenso wendig kann er die Rechte der Fraktion (oder Gruppe), der er angehört, im eigenen Namen verfolgen. Dies ist allein Sache der Fraktion (oder Gruppe) und unterliegt ihrer Willensbildung und Entscheidung.

V. Form, §§ 23 I, 64 II BVerfGG (§ 64 II BVerfGG: Bezeichnung der Maßnahme und der verletzten GG-Bestimmung)

VI. Frist, § 64 III BVerfGG (binnen 6 Monaten, nachdem die Maßnahme/Unterlassung dem ASt bekannt geworden ist)

VII. (nur bei Anlass prüfen) Rechtsschutzbedürfnis

  • kann fehlen, wenn für den Antragsteller alternative und in ihrer Wirksamkeit der Beschreitung des Verfassungsgerichtsweges gleichwertige parlamentarische Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen

  • besteht bei Wiederholungsgefahr, bei fortdauernder Beeinträchtigung und bei objektiven Klarstellungsinteresse

  • Der Ablauf der Legislaturperiode lässt das RSB jedenfall dann nicht entfallen, wenn der Antragsteller auch im neuen Bundestag vertreten ist. - Anders möglicherweise dann, wenn sich das Verfahren auf eine Fallgestaltung bezieht, die maßgeblich durch besondere, nicht wiederholbare Verhältnisse der abgelaufenen Wahlperiode geprägt wird.

B. Begründetheit: Rechtsverletzung erforderlich - Prüfungsumfang

Der Antrag ist begründet, soweit die beanstandete Maßnahme des Antragsgegners ( - gegen das GG verstößt und dadurch - ) Rechte des Antragstellers ( - bzw. des Organs, dem es angehört, - ) verletzt.

  • Es sind nur solche Verfassungsverstöße zu prüfen, die auch zu einer Verletzung von Organrechten des Antragstellers führen können.

  • Darüber hinaus begrenzt der Antragsteller mit seinem Antrag die Prüfung des BVerfG sowohl hinsichtlich des Angriffsgegenstands als auch hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs. Es findet also keine vom Antrag losgelöste objektive Rechtskontrolle statt.

Aufbaumöglichkeit 1:

I. Prüfung eines Verstoßes gegen das GG

II. Prüfung, ob dadurch Rechtsverletzung gegeben

Aufbaumöglichkeit 2:

I. Herleiten des Rechts (ung ggf. seiner Grenzen)

II. Prüfung, ob danach eine Rechtsverletzung vorliegt

C. Tenor, § 67 S. 1 BVerfGG

  • Ist der Antrag begründet, stellt das BVerfG fest, durch welche konkrete Maßnahme oder Unterlassung der Antragsgegner gegen eine Bestimmung des GG verstoßen und/oder welche Rechte der Antragssteller er verletzt hat, § 67 S. 1 BVerfG.

  • Keine Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes!

  • Keine Aufhebung von Maßnahmen. Darauf gerichtete Anträge sind unzulässig.

  • Ein unzulässiger Antrag wird verworfen. Ein unbegründeter Antrag wird zurückgewisen; eine (2Negativ”-)Feststellung, dass der Antragsgegner die Rechte des Antragstellers nicht verletzt hat, erfolgt nicht.

Die konkrete Normenkontrolle - Art. 100 I GG, § 13 Nr. 1, §§ 80 ff. BVerfGG

Art. 100 I GG sichert sie Autorität der unter dem GG tätigen Parlamente im Verhältnis zur Rechtsprechung. Die Fachgerichte dürfen Gesetze, die sie wegen Verstoßes gegen höherraniges Recht für ungültig halten, weder verwerfen noch einfach außer Acht lassen (Nichtanwendung). Sie sind zur Vorlage an das BVerfG bzw. LVerfG verpflichtet, denen insoweit ein Verwerfungsmonopol zukommt.

Ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht verletzt das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 I 2 GG) -> VfB.

A. Zulässigkeit (der Richtervorlage) richtet sich nach Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG

I. Vorlageberechtigung, Art. 100 I GG: Gericht (Merke: Nicht der Einzelrichter eines Kollegialgerichts)

II. Tauglicher Vorlagegegenstand, Art. 100 I GG: Gesetz (Weitergehend Art. 93 I Nr. 2 GG:”Recht”)

Der Zweck von Art. 100 I GG beschränkt den Vorlagegegenstand. Vorlagefähig/ -pflichtig sind

  1. nur Parlamentsgesetze (des Bundes/ des Landes; auch verfassungsändernde Gesetze und Landesverfassungen)

    Rechtsverordnungen und Satzungen sind (untergesetzliche) Normen der Verwaltung. Akte der Exekutive unterliegen der Kontrolle durch die Fachgerichte. Deshalb können und müssen die Fachgerichte über die Gültigkeit dieser Normen selbst entscheiden; sie sind deshalb auch zur Nichtanwendung der Norm und im Fall des § 47 VwGO sogar zur Normverwerfung berechtigt.

  2. grds. nur nachkonstitutionelle (nur ausnahmsweise vorkonstitutionelle) Parlamentsgesetze

    Vorkonstitutionell sind zum einen Gesetze, die zeitlich vor Inkrafttreten des GG am 23.05.1949 (vgl. Art. 145 II GG) erlassenwurden (zB BGB, ZPO, StGB, StPO usw.). Das Gleiche gilt für fortgeltende Gesetze der DDR, die räumlich nicht unter Geltung des GG erlassen wurden. Solche Gesetze sind nur dann vorlagefähig/-pflichtig, wenn der nachkonstitutionelle Gesetzgeber sie “in seinem Willen aufgenommen” und damit “zu seiner eigenen Regelung gemacht” hat (zB durch Neuverkündung als Gesetz oder umfassende inhaltliche Änderung). Nicht ausreichend ist eine bloße Duldung der Weitergeltung bis zu ihrer Aufhebung oder Änderung.

III. Vorlagevoraussetzungen, Art. 100 I GG

Vorgelegt wird nicht “das Gesetz”, sondern nur diejenige - konkret nach §, Absatz, Satz, Alt. zu bezeichnende - Vorschrift des Gesetzes, auf dies es bei der Entscheidung des Fachgerichts ankommt.

  1. Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit

  2. Gültigkeit des Gesetzes muss für den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich sein

    Es muss feststehen, dass das Fachgericht den Ausgangsrechtsstreit bei Gültigkeit des Gesetzes im Ergebnis anders entscheiden müsste als im Falle seiner Ungültigkeit. Das ist etwa nicht der Fall, wenn eine abschließende Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits auch ohne Klärung der Gültigkeit des Gesetzes möglich ist, zB weil die Klage unzulässig ist oder nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des umstrittenen Gesetzes vorliegen. Erforderlich sit nur eine - allerdings konkrete - Kurzsubsumtion.

    Eine Vorlage ist auch möglich. wenn das BVerfG das Gesetz lediglich für “unvereinbar mit dem GG” erklären soll; in diesem Fall kommt es nicht auf die Gültigkeit des Gesetzes, sondern nur auf seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht an.

IV. Form, §§ 23 I, 80 II BVerfGG (schriftlich; Begründung; Bezeichnung der verletzten Norm)/ keine Frist

B. Sachentscheidung des BVerfG (Begründetheit der Richtervorlage)

Keine Bindung des BVerfG an die Vorlage: Weder an die angegebenen höherrangigen Normen, noch an die zur Prüfung vorgelegten Normen (Einbeziehung weiterer Vorschriften des Gesetzes zB aus Gründen des Sachzusammenhangs möglich).

I. Prüfungsmaßstab für vorgelegte

  • Bundesgesetze: Nur GG, vgl. Art. 100 I GG

  • Landesgesetze: Das GG sowie alle (formellen und materiellen) Bundesgesetze; vgl. Art. 100 I 2 GG.

    Zu letzteren zählen auch völerrechtliche Verträge (vermittelt durch die Vertragsgesetze) sowie die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (als Bestandteile des bundesrechts, Art. 25 S. 1 GG).

II. Tenor, § 82 I BVerfGG iVm § 78 S. 1 BVerfGG

Im Verfahren nach Art. 100 I GG überprüft das BVerfG nicht etwa den beim Fachgericht anhängigen Einzelfall, sondern ausschließlich das vom Fachgericht vorgelegte Gesetz.

Bund-Länder-Streit - Art. 93 I Nr.3 GG, §§ 13 Nr.7, 68 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit

I. Rechtsweg zum und Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff BVerfGG

Meinungsverschiedenheiten über verfassungsrechtliche Rechte/Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere die Ausführung von Bundesrecht durch die Lönder (Art. 83 ff. GG) und die Ausübung der Bundesaufsicht (Art. 84 III, IV; Art. 85 IV GG).

Merke: Die geltend gemachten Rechte/Pflichten müssen unmittelbar durch das GG oder kraft Verfassungsgewohnheitsrecht eingeräumt sein (=Rechtsgrundlage: Verfassungsrecht) mit der Folge, dass sich die Beteiligten gerade in ihrer Eigenschaft als Verfassungssubjekte gegenüberstehen (=zwischen ihnen ein materielle Verfassungsrechtsverhältnis besteht). - Das Verfahren ist unstatthaft, wenn es um Meinungsverschiedenheiten über die sich aus einfachem Gesetzesrecht ergebenden Rechte und Pflichten geht oder die Beteiligten sich nur als Verwaltungsrechtssubjekte gegenüberstehen. Abgrenzung zu § 50 I Nr. 1 VwGO - erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern und zwischen verschiedenen Ländern. - Wegen § 50 I Nr. 1 VwGO iVm Art. 93 I Nr. 4 GG a.E. ist das Verfahren nach Art. 93 I Nr. 4, Alt. 1 BVerfGG - Zuständigkeit des BVerfG in “anderen” (= nicht verfassungsrechtlichen) öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern - kaum noch von Bedeutung.

II. Beteiligtenfähigkeit von Antragsteller und Antragsgegner, § 68 BVerfGG

Für den Bund die Bundesregierung/ für das Land die Landesregierung (ggf. klarstellen, wenn im Sachverhalt von einem Antrag “des Bundes” oder “des Landes” die Rede ist).

III. tauglicher Prüfungsgegenstand, § 69 iVm § 64 I BVerfGG

Antragsgegenstand kann jede rechtserhebliche Maßnahme oder Unterlassung sein.

IV. Antragsbefugnis, § 69 iVm § 64 I BVerfGG

Der Antragsteller muss geltend machen, dass er durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in ihm durch das GG übertragenen (=verfassungsrechtlichen) Rechten/Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet wird.

Hinweis: Trotz des Verweises auf § 64 I BVerfGG gibt es im Bund-Länder-Streit keine Prozessstandschaft.

V. Vorverfahren

Beim “Mängelrügeverfahren” (Art. 84 IV GG) betreffend die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheit, muss zunächst ein Beschluss des Bundesrates herbeigeführt werden.

VI. Ordnungsgemäßer Antrag, § 23 BVerfGG

  • § 23 I BVerfGG (schriftlich und mit Begründung)

  • § 69 iVm § 64 II BVerfGG: Bezeichnung der verletzten Bestimmung

VII. Frist

Grds. 6 Monate, nachdem die beanstandete Maßnahme/ Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist (§ 69 iVm § 64 III BVerfGG). Beim “Mängelrügeverfahren”: Binnen eines Monats nach Beschlussfassung des Budnesrates (§ 70 BVerfGG)

B. Begründetheit

Der Antrag ist begründet, wenn die gerügte Maßnahme oder Unterlassung (gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt und) den Antragsteller in seinen verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

Beachte: Prüfungsmaßstab bleibt allein das Verfassungsrecht, nicht einfachgesetzliche Regelungen.

C. Tenor

Das BVerfG stellt fest, dass die Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung des GG verstößt (und den Antragsteller in seinen verfassungsrechtlichen Rechten verletzt) (§ 69 BVerfGG iVm § 67 S. 1 BVerfGG).

Verfassungsmäßigkeit einer Weisung im Rahmen der Auftragsverwaltung

A. Verfassungsmäßigkeit einer Weisung

I. Rechtsgrundlage: Art. 85 III 1 GG

Anwendbar, wenn ein Fall der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder im Auftrag des Bundes vorliegt.

II. Formelle Verfassungsmäßigkeit

  1. Zuständigkeit für die Erteilung der Weisung: Oberste Bundesbehörde, Art. 85 III 1 GG

  2. Verfahren: Anhörung?

    a) geschriebene Anhörungspflicht?

    b) ungeschriebene Anhörungspflicht aus dem Gebot des länderfreundlichen Verhaltens

III. Materielle Verfassungsmäßigkeit

  1. Voraussetzungen:

    Keine (außer bei Vorliegen von Bundesauftragsverwaltung)

    Grund: Die Weisung ist das normale Steuerungsinstrument im Rahmen der Auftragsverwaltung.

  2. Richtiger Weisungsadressat: Oberste Landesbehörde, Art. 85 III 2 GG

  3. Allgemeine Anforderungen an die Verfassungmsäßigkeit (soweit problematisch)

    a) Gebot der Weisungsklarheit eingehalten?

    b) Der Einwand des Landes, die Befolgung der Weisung führe zu einem Verstoß gegen das auszuführende Gesetz, ist grds. irrelevant.

    Grund: Dem Land bleibt zwar unentziehbar die Wahrnehmungskompetenz. Demgegenüber geht im Weisungsfall die Sachkompetenz (=die Kompetenz zur Beurteilung von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Handelns) auf den Bund über.

    c) Hält sich die Weisung im Rahmen des Auftragsverhältnisses?

    Der Rahmen des Auftragsverhältnisses und damit der Umfang der Weisungsbefugnis des Bundes ergibt sich zunächst aus der Norm, die die Auftragsverwaltung anordnet.

    Im Zweifel gilt der Grundsatz, dass die Weisungsbefugnis als Teil der Verwaltungskompetenz des bundes nicht weiter gehen kann, als sein Gesetzgebundkompetenz in der Sache.

    Unzulässig sind Eingriff in die Personalhoheit des Landes.

  4. Rechtsfolge - Ermessen:

    Weisung = ulitma ratio (Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens)

B. Prozessuale Fragen

I. Sonderfall

Erhebt das Lande den Einwand, die Befolgung der Weisung führe zu einem Verstoß gegen einfaches Recht, so könnte eine verwaltungsgerichtliche Klage (vor dem BVerwG, § 50 I Nr. 1 VwGO) in Betracht kommen.

  1. Die verwaltungsgerichtliche Klage ist nach hM bereits mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO) unzulässig, weil eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt.

    Grund: Wegen des Übergangs der Sachkompetenz auf den Bund ist das Land gehindert, den Einwand zu erheben, die Befolgung der Weisung führe zu einem Verstoß gegen einfaches Recht. Damit geht es bei der Streitigkeit nicht um einfaches Recht, sondern ausschließlich um Verfassungsrecht.

  2. Spätestens aber scheitert die Klage an der fehlenden Klagebefugnis (§ 42 II VwGO).

    Grund: Durch den Übergang der Sachkompetenz auf den Bund kann das Land nicht in eigenen Rechten verletzt sein.

II. Gegen eine Weisung kann das Land deswegen grundsätzlich nur im Wege des Bund-Länder-Streits vorgehen.

Einstweilige Anordnung (eA) - § 32 BVerfGG

A. Zulässigkeit

“Gem. § 32 I BVerfGG kann das BVerfG “im Streitfall” einen Zustand durch eA “vorläufig” regeln.”

I. “Im Streitfall”

  1. In allen Verfahrensarten

    “Die eA ist in allen Verfahrensarten vor dem BverfG statthaft. Die Tatsache, dass einige Bestimmungen (Art. 61 II 2 GG, §§ 53, 58 I, 105 V BVerfGG, § 16 III WahlprüfG) die eA ausdrücklich regeln, schließt das nicht aus. Hierbei handelt es sich lediglich um nochmalige Erwähnungen des allgemeinen Grundsatzes.”

  2. Auch bereits vor Rechtshängigkeit des Hauptverfahrens

    • sofern mit Einleitung des Hauptverfahrens zu rechnen ist

  3. Zulässigkeit des Hauptsachverfahrens

    “Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags ist allerdings, dass der Antragsteller eine Entscheidung des BVerfG’s in der Hauptsache herbeiführen kann. Als Hauptsachverfahren kommt hier … in Betracht. Dieses (Hauptsacheverfahren) darf nicht offensichtlich unzulässig sein.”

II. “Vorläufig” Regeln = Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache

  • Grundsatz: Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dürfen nur vorläufige Regelungen getroffen werden; daher ist ein Antrag, der die Hauptsache vorwegnimmt, grundsätzlich unzulässig.

  • Ausnahme: Andernfalls endgültige Rechtsvereitelung (insbesondere wegen zeitlicher Erledigung)

III. Rechtsschutzbedürfnis für Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das BVerfG

(-), wenn

  • die Hauptsache rasch genug entschieden wird

  • der Antragsteller sein Ziel mit eigenen Mitteln oder

  • Rechtsschutz auf andere Weise (etwa über die Fachgerichte) erreichen kann

IV. Ordnungsgemäßer Antrag, § 23 BVerfGG

Vor Rechtshängigkeit der Hauptsache ist ein Antrag erforderlich, weil das BVerfG Streitigkeiten nicht von sich aus aufgreifen kann;

Nach Rechtshängigkeit kann die eA nach Ansicht des BVerfG dachh auch von Amt wegen ergehen.

B. Begründetheit

“Die eA kann ergehen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gefahr oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.”

I. Erfolgsaussichten in der Hauptsache?

  • Im Normalfall prüft das BVerfG hier lediglich, ob das Hauptsacheverfahren (von vornherein unzulässig) oder offensichtlich (un-)begründet ist, und lässt die Erfolgsaussichten in der Hauptsache im übrigen unberücksichtigt. Grund: Das Eilverfahren ist regelmäßig ungeeignet, komplexe verfassungsrechtliche Fragen zu klären.

  • Ausnahme: Die Erfolgsaussichten können aber maßgeblich werden bei der Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im vorläufigen Rechtsschutz (insbesondere betreffend Versammlungsverbote), wenn die Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme. Denn andernfalls würde sich bei der folgenden Interessenabwägung stets das abstrakt höherwertige Rechtsgut durchsetzen.

II. Interessenabwägung (“doppelte Nachteilsabwägung”)

I.Ü. beurteilt sich die Frage, ob der Erlass der eA dringend geboten ist aufgrund einer doppelten Nachteilsabwägung. Gegeneinander abzuwägen sind:

  • die Nachteile, die entstehen, wenn die eA ergeht, die angegriffenen Maßnahme sich im Hauptsachverfahren aber als verfassungsgemäß erweist

  • die Nachteile, die entstehen, wenn die eA nicht ergeht, die angegriffene Maßnahme sich im Hauptsacheverfahren aber als verfassungswidrig erweist

Wahlprüfungsbeschwerde - Art. 41 II GG, §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG

Aus Art. 41 GG folgt, dass das Wahlprüfungsverfahren zweistufig konzipiert ist. Art. 41 I GG bestimmt, dass die Wahlprüfung Sache des Bundestages ist. Er ist das primäre Wahlprüfungsorgan. Seine Entscheidung wird vom Wahlprüfungsausschuss vorbereitet, über dessen Vorschlag das Plenum des Bundestages zu beschließen hat. Art. 41 II GG bestimmt, dass gegen die Entscheidung des Bundestages die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig ist. Bei der Wahlprüfungsbeschwerde (WPB) handelt es sich also der Sache nach um ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Bundestages. Art. 41 III GG bestimmt, dass das Nähere ein Bundesgesetz regelt. Das ist mit Erlass des Wahlprüfungsgesetzes (WahlPrG) geschehen.

A. Zulässigkeit

Die Zulässigkeit richtet sich nach Art. 41 II GG, §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG.

I. Antragsberechtigte, § 48 I BVerfGG

  1. (für gewählt erklärter) Abgeordneter, dessen Mitgliedschaft bestritten ist (vgl. § 16 I WahlPrG, § 47 I Nr. 1 und 3 BWahlG)

  2. (“irgendeine” im Zeitpunkt der Bundestagswahl) wahlberechtigte Person oder eine Gruppe von wahlberechtigten Personen, deren Einspruch vom Bundestag verworfen worden ist

  3. Fraktion oder Minderheit des Bundestages, die wenigstens ein Zehntel der gesetzlichen Mitgliederzahl umfasst

II. Tauglicher Prüfungsgegenstand/ Statthaftigkeit, § 48 I BVerfGG

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist nur statthaft als Rechtsmittel gegen einen im Wahlprüfungsverfahren ergangenen abschlägigen Beschluss des Bundestages

  • über die Gültigkeit einer Wahl zum Bundestag (Wahlprüfung ieS) oder

  • die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Art. 41 GG unterliegen, oder

  • über den Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag (Wahlprüfung iwS)

III. Beschwerdebefugnis NICHT erforderlich

Die Geltendmachung der Verletzung subjektiver Rechte, etwa des aktiven oder passiven Wahlrechts, ist nicht erforderlich. Grund:

  1. § 48 BVerfGG fordert dies nicht

  2. Darüber hinaus ist das Wahlprüfungsverfahren ein objektives Kontrollverfahren, um die verfassungsmäßig Zusammensetzung des Bundestages zu sichern

IV. Frist/ Form, §§ 23 I, 48 I BVerfGG

Beachte: 2 Monate nach Beschlussfassung des Bundestages, nicht erst ab Bekanntgabe der Entscheidung. Die Beschwerde muss innerhalb dieser Frist beim BVerfG (nicht beim Bundestag) eingelegt sein.

V. ggf. Rechtsschutzbedürfnis

Grundsätzlich nur bis zum Ende der Legislaturperiode, da es um die Zusammensetzung des konkreten Bundestages geht. - Anders evtl. bei Klärungsbedürftigkeit von Grundsatzfragen.

B. Begründetheit

Das BVerfG überprüft den angegriffenen Beschluss des Bundestages in formeller Hinsicht sowie die zutreffende Anwendung und Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Wahlrechts. Dabei folgt aus dem Charakter der Wahlprüfungsbeschwerde als Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Bundestages, dass vom BVerfG inhaltlich nur solche Rüge berücksichtigt werden, die schon Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens vor dem Bundestag gewesen sind.

I. formelle Rechtmäßigkeit des Bundestagsbeschlusses

Relevant sind nur Fehler, die dem Bundestagsbeschluss die Grundlage entziehen (absoluter Sonderfall). Grund: Eine Zurückweisung an den Bundestag widerspricht dem öffentlichen Interesse an alsbaldiger Klärung bestrittener Wahlen oder Mandate. - Der Bundestag überprüft die Verfassungsmäßigkeit der Wahlvorschriften nicht.

II. Gültigkeit der Wahl/ Rechtmäßigkeit des Verlustes der Mitgliedschaft

  • ordnungsgemäße Anwendung der einfachgesetzlichen Wahlvorschriften

  • ggf. auch die Verfassungsmäßigkeit der Wahlvorschriften

C. Inhalt der Entscheidung

Eine (teilweise oder gänzliche) Ungültigkeitserklärung erfolgt nur bei erheblichen Fehlern, also solchen, die auf die Sitzverteilung des Bundestages Auswirkungen haben. Grund: Öffentliches Interesse am Bestand des einmal gewählten Parlaments.

Ist eine Wahlvorschrift verfassungswidrig, hält sich das BVerfG für befugt, die Norm für mit dem GG unvereinbar zu erklären.

Recht der Untersuchungsausschüsse

A. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Verfassungsmäßigkeit des Bundestagsbeschlusses)

I. Formell

  1. Zuständigkeit

    a) Verbandskompetenz des Bundes für das Thema des Untersuchungsausschusses

    (-), wenn Thema in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fällt

    b) Organkompetenz des Bundestages für das Thema des Untersuchungsausschusses

    Nach Art. 44 I GG setzt der Bundestag den Ausschuss ein. Das Thema darf aber nicht in den Kernbereich der Exekutive (zB durch vorbeugende Kontrolle der Bundesregierung) oder Judikative (zB durch Nachprüfung eines Gerichtsverfahrens) fallen.

  2. Ordnungsgemäßes Verfahren

    Antrag - ggf. eines Viertels; Tagesordnung, Abstimmung, Beschlussfähigkeit, Mehrheit

II. Materiell

  1. Kein Verstoß gegen Art. 44 I GG

    a) Gerichtet auf Tatsachenfeststellung durch Beweiserhebung, Art. 44 I GG

    b) Bestimmtheit des Untersuchungsthemas und Thema von öffentlichem Interesse

  2. Kein Verstoß gegen Art. 20, 28 GG

    Ggf.: “Kein Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip” und “Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung”

  3. Kein Verstoß gegen Grundrechte

B. Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Untersuchungsausschüsse gem. Art. 44 GG iVm PUAG

I. Im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes aufgrund Beweisbeschluss; § 17 I PUAG

II. Zulässig sind Beweissicherungsmaßnahmen (zB Sicherstellungsanordnung gem. § 29 PUAG) oder Beweiserzwingungsmaßnahmen (zB Zwangsgeld gem. § 27 I iVm § 22 PUAG).

Der Ermittlungsrichter des BGH kann auf Antrag des Untersuchungsausschusses gegen eienn Zeugen Erzwingungshaft anordnen (§ 27 II PUAG) oder die Beschlagnahme/Durchsuchung, wenn Beweismittel nicht freiwillig herausgegeben werden (§ 29 III PUAG).

III. Keine Verletzung von Grundrechten des Betroffenen, zB aus Art. 14 I GG oder Art. 2 I/ 1 I GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder auch Ehrverletzung einer juristischen Person des Privatrechts (sozialer Geltungsanspruch)). Beachte §§ 14, 15, 31 PUAG.

IV. Bei Aktenherausgabeanspruch gegen Behörden (§ 18 PUAG) ist die Möglichkeit der Sperrerklärung gem. § 96 StPO, evtl. mit § 30 AO zu beachten.

V. Keine illegalen Beweismittel; zB Stasi-Abhörprotokolle; vgl. § 17 II PUAG.

C. Rechtsschutz der Beteiligten

I. Bei Streitigkeiten innerhalb des Bundestages oder innerhalb des Untersuchungsausschusses grds. Organstreitverfahren gem. Art 93 I Nr. 1 GG; Ausnahme: § 17 IV PUAG.

II. Über Streitigkeiten betreffen die Ablehnung des Ersuchens auf Vorlage von Akten nach § 18 I PUAG entscheidet gem. § 18 III Hs. 1 PUAG das BVerfG (im Rahmen eines Organstreits); demgegenüber entscheidet gem. § 18 III Hs. 2 PUAG der Ermittlungsrichter beim BGH über Streitigkeiten betreffend die Rechtmäßigkeit der Einstufung von Akten als Verschlusssache, § 18 III PUAG.

III. Bei Beeinträchtigung von Rechten Dritter ist zu unterscheiden, ob dieser sich gegen Maßnahmen des Untersuchungsausschusses selbst wendet (Anfechtungsklage beim BGH; § 35 I PUAG) oder gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters (Beschwerde beim BGH; § 36 III PUAG).

Hält der BGH den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen; Art. 93 III GG iVm § 13 Nr. 15 BVerfGG iVm § 36 II PUAG.

Author

Ann-kathrin L.

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