Bedeutung der Bezugsnormen für das Lernen
Bezugsnormen sind essenziell, um eine Leistung in einen Kontext zu setzen. Dieselbe Punktzahl kann je nach Vergleichsmaßstab unterschiedlich interpretiert werden:
In einer leistungsstarken Klasse könnte eine 3 als „mittelmäßig“ gelten, während sie in einer leistungsschwächeren Klasse als „gut“ eingestuft wird.
Eine Verbesserung um eine Note (von 4 auf 3) kann als Erfolg gewertet werden, obwohl die Note im absoluten Sinne nicht besonders hoch ist.
Auswirkungen der Bezugsnormorientierung auf Motivation und Verhalten
Die bevorzugte Bezugsnorm eines Lehrers oder Schülers beeinflusst das Lernverhalten, die Motivation und die Emotionen in Leistungssituationen
Auswirkungen der Bezugsnormorientierung auf Motivation und Verhalten: Soziale Bezugsnorm: Wettbewerb und Druck
Fördert Leistungsorientierung, kann aber Leistungsdruck und Angst verstärken.
Belohnt Spitzenleistungen, demotiviert aber schwächere Schüler.
Effekt auf starke Schüler: Motivation steigt, da sie sich mit anderen messen und als „besser“ wahrgenommen werden.
Effekt auf schwache Schüler: Motivation sinkt, da sie sich konstant als „schlechter“ erleben (Big-Fish-Little-Pond-Effekt).
👉Beispiel:Ein Schüler, der in einer sehr leistungsstarken Klasse ist, kann trotz objektiv guter Noten das Gefühl haben, schlecht zu sein. In einer schwächeren Klasse könnte er hingegen als sehr gut wahrgenommen werden
Auswirkungen der Bezugsnormorientierung auf Motivation und Verhalten: Individuelle Bezugsnorm: Lernfortschritt und Selbstentwicklung
Fördert eine wachstumsorientierte Haltung („Ich will mich verbessern“).
Geringere Prüfungsängste, da der Vergleich mit anderen entfällt.
Kann jedoch dazu führen, dass Schüler sich mit zu niedrigen Fortschritten zufriedengeben.
👉 Beispiel: Ein Schüler, der von einer 5 auf eine 4 verbessert wurde, könnte glauben, dass er genug getan hat, obwohl er noch weiter auf eine 2 hinarbeiten könnte.
Auswirkungen der Bezugsnormorientierung auf Motivation und Verhalten: Sachliche Bezugsnorm: Klare Zielvorgaben und Objektivität
Klare Strukturierung des Lernprozesses, da objektive Standards vorgegeben sind.
Kann motivieren, wenn die Ziele als erreichbar empfunden werden.
Kann aber demotivieren, wenn die Ziele als zu schwer wahrgenommen werden.
👉 Beispiel: Ein Schüler weiß, dass er 50 % der Punkte in einem Test braucht, um zu bestehen. Wenn er 30 % erreicht, weiß er genau, was fehlt. Allerdings könnte ein Schüler mit 49 % sehr frustriert sein, obwohl er fast das Ziel erreicht hat.
Forschungsbefunde zur Bezugsnormorientierung von Lehrkräften
Lehrer mit sozialer BNO:
Bewerten Schüler im Vergleich zu anderen.
Nutzen oft Ranglisten oder Wettbewerbe.
Fördern leistungsstarke Schüler, aber demotivieren schwächere Schüler.
Lehrer mit individueller BNO:
Bewerten Schüler anhand ihrer eigenen Fortschritte.
Fördern eine wachstumsorientierte Haltung.
Reduzieren Prüfungsängste.
👉 Studienergebnisse:
Schüler mit Lehrern, die eine individuelle BNO verwenden, haben eine geringere Furcht vor Misserfolg.
Schüler mit Lehrern, die eine soziale BNO verwenden, haben ein höheres Leistungsstreben, aber auch mehr Prüfungsangst.
Experimentelle Befunde (Rheinberg, 1980)
Acht Schulklassen wurden untersucht.
Vier Klassen wurden von Lehrern mit sozialer BNO, vier von Lehrern mit individueller BNO unterrichtet.
Ergebnisse:
Schüler mit Lehrern, die eine individuelle BNO verwendeten, entwickelten über das Schuljahr hinweg weniger Prüfungsangst.
Schüler mit Lehrern, die eine soziale BNO verwendeten, entwickelten eine stärkere Leistungsangst, besonders die leistungsschwächeren Schüler.
👉 Erklärung: Individuelle Bezugsnormen zeigen Schülern, dass sie Fortschritte machen können. Soziale Bezugsnormen führen zu ständiger Konkurrenz und Unsicherheit.
Förderung individueller Bezugsnormen in der Praxis
Maßnahmen für Lehrer
Feedback auf Fortschritt fokussieren: Statt „Du bist der Beste in der Klasse“ lieber „Du hast dich verbessert“.
Vielfältige Bewertungsmethoden verwenden: Neben Noten auch mündliche Rückmeldungen oder Portfolios nutzen.
Lernfortschritt sichtbar machen: Schüler sollten ihre eigenen Entwicklungen dokumentieren können.
Maßnahmen für Schüler
Tagebücher oder Lernjournale führen, um Fortschritte festzuhalten.
Selbstreguliertes Lernen fördern, indem Ziele und Strategien reflektiert werden.
Misserfolge als Lernchance sehen, nicht als Zeichen von Unfähigkeit
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