Muss der Besitzdiener einen Besitzdienerwillen haben?
h.M.:
Die hM macht das Vorliegen der Besitzdienerschaft nicht von einem Besitzdienerwillen abhängig. Auch ein entgegenstehender Wille des Besitzdieners schaden nicht.
a.A.:
Die Gegenauffassung verlangt einen Besitzdienerwillen, da niemand gegen seinen Willen Besitzdiener sein kann. Jedoch wird durch die Aufnahme der Tätigkeit in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis ein solcher Wille konkludent erklärt, so dass nach dieser Meinung nur ein ausdrcklicher entgegenstehender Wille von Bedeutung sein kann.
Ist § 985 BGB neben vertraglichen Herausgabeansprüchen anwendbar?
e.A.:
Nach der Lehre vom Vorrang der Vertragsverhältnisse wird der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB von vertraglichen Ansprüchen verdrängt.
Dem tritt die wohl hM entgegen. Vertragliche und dingliche Herausgabeansprüche können nebeneinander existieren. Es besteht echte Anspruchskonkurrenz, zumal sich für einen Ausschluss des dinglichen Anspruches aus § 985 BGB im Gesetz keine Anhaltspunkte finden.
Unter sonstige Rechte iSd § 823 I BGB fallen nur absolute Rechte, dh Rechte, die für und gegen jedermann wirken. Fraglich ist, ob der Besitz als sonstiges Recht iSd § 823 I BGB anzusehen ist.
MA:
Eine Minderansicht erachtet den Besitz nicht als sonstiges Recht iSd § 823 I BGB.
Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, dh ein Zustand und kein Recht.
Der Besitz wird bereits ausreichend über die possessorischen Besitzvorschriften geschützt.
Schließlich würde der Besitz, wäre er ein Recht stets bereits gem. 1922 BGB auf den Erben übergehen; § 857 BGB wäre daneben überflüssig
h.M. und Rspr.:
Richtigerweise erachtet die wohl hM und Rspr. dagegen den Besitz als sonstiges Recht.
Der Besitz hat heute faktisch einen Stellenwert, der dem Eigentum gleichkommt. Dies wird verdeutlicht durch zahlreiche Besitzschutzansprüche (vgl. §§ 861, 1007 BGB).
Der Besitzschutz in §§ 861 ff. BGB ist unzureichend. Insbesondere wird in §§ 861 ff. BGB kein Schadensersatz gewährt.
Fraglich ist allein, ob jeder Besitz den Schutz durch § 823 BGB verdient. Innerhalb der hM wird wie folgt differenziert:
Teilweise wird der Anwendungsbereich des § 823 I BGB auf den unrechtmäßigen entgeltlichen gutgläubigen Besitz vor Rechtshändigkeit ausgedehnt.
Hierfür spricht, dass der redliche entgeltliche unrechtmäßige Besitzer nach den Vorschriften des EBV schließlich auch die Nutzungen (vgl. §§ 987, 988, 990, 993 I BGB) behalten darf. Demgemäß ist es systemkonform, ihm bei Störung seiner Herrschaftsmacht Schadensersatzansprüche zuzugestehen.
Überwiegend wird dem (unmittelbaren) Besitzer nur dann die Qualität eines sonstigen Rechtes zugesprochen, wenn er rechtmäßig ist bzw. auf einem obligatorischen Recht beruht.
Wegen seiner Eigentumsähnlichkeit kann der Besitz nur dann als “sonstiges Recht” deliktischen Schutz erhalten, wenn er wie das Eigentum positive Zuweisungsfunktion und negative Abwehrfunktion hat.
Zudem wird innerhalb der hM im Übrigen nach mittelbaren Besitz und berechtigtem Mitbesitz unterschieden.
Mittelbarer Besitz gewährt Ansprüche aus § 823 I BGB gegen Drittstörer, aber nicht gegen den unmittelbaren Besitzer.
Der berechtigte Mitbesitz hat Ansprüche sowohl gegen Drittstörer als auch im Verhältnis zu anderen Mitbesitzern.
Stellungnahme:
Der hM und der Rspr. ist zu folgen. Der unmittelbare Besitz ist ein durch § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut. Richtig dürfte des Weiteren sein, nur dem berechtigten Besitzer den Schutz von § 823 I BGB zuzugestehen.
Ist § 858 BGB ein Schutzgesetz iSd § 823 II BGB. Dies ist dann der Fall, wenn es neben der Allgemeinheit auch Individualinteressen schützt. Ob § 858 I BGB individuelle Rechtsgüter schützt, ist umstritten.
z.T.:
Zum Teil wird der Charakter als Schutzgesetz verneint. Der possessorische Besitzschutz dient allein dem Rechtsfrieden und will die Rechtsordnung schützen. In diesen Vorschriften findet sich der Rechtsgedanke, dass eigene Ansprüche grds. unter Zuhilfenahme staatlicher Organisationen (Gericht) durchgesetzt werden. Zudem ist der Besitz deliktisch bereits ausreichend über § 823 I BGB geschützt.
Nach hM ist § 858 BGB ein Schutzgesetz iSv § 823 II BGB, da nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch Individualinteressen geschützt werden. Dies wird insbesondere durch die Wertung von § 859 BGB deutlich. Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigt, stehen dem Gestörten Selbsthilferechte zu, um sich zu verteidigen. Um einen Wertungswiderspruch zu den §§ 859 ff. BGB zu vermeiden, kann ein Schadensersatzanspruch aber auch im Fall des § 823 II BGB indes nur für den berechtigten Besitzer bestehen.
Kann Besitz durch Bereicherungsrecht herausverlangt werden?
Die hM differenziert:
Wird der Besitz bereicherungsrechtlich im Rahmen der Leistungskondiktion (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) herausverlangt, ist dies unproblematisch möglich.
Umstritten ist dagegen, ob der Besitz auch durch Nichtleistungskondiktion (§ 812 I 1 Fall 2 BGB) herausverlangt werden kann.
Nach einer Minderansicht kann die Herausgabe des unmittelbaren Besitzes, der ein vermögenswertes Recht bzw. eine vermögenswerte Rechtsposition verkörpert, auch im Wege einer Eingriffskondiktion herausverlangt werden. Insoweit soll es sich um einen Fall echter Anspruchskonkurrenz zu den possessorischen Besitzschutzansprüchen handeln.
Die wohl hM erachtet die Eingriffskondiktion auf Herausgabe des unmittelbaren Besitzes als von den §§ 858 ff BGB verdrängt an.
Ließe man die Eingriffskondiktion zu, so würde man die besonderen Regelungen und Anforderungen unterlaufen, die in den §§ 858 ff. BGB aufgestellt sind. Insbesondere würde man die Wertungen von § 861 II BGB (kein Herausgabeanspruch bei eigenem fehlerhaften Besitz) und des § 864 I BGB (possessorischer Besitzschutz kann nur ein Jahr geltend gemacht werden, während bereicherungsrechtliche Ansprüche gem. §§ 195, 199 BGB in drei Jahren verjähren) aushöhlen.
Bei der Leistungskondiktion besteht diese Gefahr nicht, weil dort ein Konkurrenzverhältnis ausscheidet, sog. Vorrang von Leistungsbeziehungen.
Ist die Widerklage wegen eines Rechtes zum Besitz oder eines Anspruches auf Verschaffung des Besitzes zulässig?
Teilweise:
Teilweise wird unter Hinweis auf die Regelung des § 863 BGB, der Einwendungen aus einem Recht zum Besitz gegenüber einem possessorischen Besitzschutzanspruch ausschließt, bereits die Zulässigkeit einer petitorischen Widerklage verneint.
Die Wertung des § 863 BGB zeigt, dass petitorische Einwendungen im Rahmen des possessorischen Besitzschutzes außer Betracht bleiben sollen.
Zweck des Besitzschutzes nach § 861 BGB ist es, einem Besitzer, demgegenüber verbotene Eigenmacht verübt wurde, schnell und umfassen Besitzschutz zu gewähren.
wohl h.M.:
Die wohl hM hält die petitorische Widerklage demgegenüber zumindest für zulässig und stützt sich dabei auf die Überlegung, dass der Zweck des § 863 BGB bei richtiger Verfahrensweise nicht beeinträchtigt werde.
Der mit der Sache befasste Richter hat die Möglichkeit, bei Drohen eines länger dauernden Prozesses durch Teilurteil vorab über den possessorischen Besitzschutz zu entscheiden, vgl. § 301 ZPO.
Ein Verbot der Widerklage ist in den § 863 BGB und § 33 ZPO nicht ausdrücklich angeordnet.
Abzustellen ist richtigerweise auf den Zweck von § 863 BGB. Durch den Ausschluss von Einwendungen, die auf einem Recht zum Besitz basieren, soll verhindert werden, dass sich die Entscheidung über eine Beistzschutzklage in die Länge zieht. Es soll nicht erst über ein geltend gemachtes Recht zum Besitz verhandelt und Beweis erhoben werden. Da aber das Gericht über eine möglicherweise zuerst entscheidungsreife Besitzschutzklage ohnehin sofort und unabhängig von der Widerklage durch Teilurteil gem. § 301 ZPO entscheiden muss, wird der Sinn und Zweck des § 863 BGB durch die Zulassung einer petitorischen Widerklage nicht beeinträchtigt.
Welcher Schaden ist bei Besitzverletzungen ersatzfähig?
Der Nutzungsschaden, dh die Einbuße, die in der Beeinträchtigung der Möglichkeit leigt, die Sache zu gebrauche, wird dem rechtmäßigen Besitzer ersetzt.
Der Substanzschaden dagegen, dh das Vermögensopfer, das durch die Beschädigung der Substanz der Sache entstanden ist, wird allein dem Eigentümer zugewiesen. Ausnahmsweise kann aber auch der Besitzer den Substanzschaden ggü. dem Schädiger geltend machen, wenn er dem Eigentümer selbst zum Schadensersatz verpflichtet ist.
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