Welche Wege zur Personendeutung gibt es?
Langer Weg: Personen Individuation -> einzelne Personen, spezifische (idosyncratic) Attribute -> langsam, mühsam, gedankenvoll
Abkürzung: Personen Kategorisierung -> kategoriales Denken, allgemeines Wissen (Stereotype) -> schnell, mühelos/effizient, gedankenlos
Annahme: Menschen sind kognitive Geizhälse (schon Allport 1954)
Nenne 2 sozial-kognitive Modelle der Eindrucksbildung und die Hauptannahmen
Brewer, 1988: Dual-Process Model
Fiske & Neuberg, 1990: Kontinuum Modell
Hauptannahmen
-> Priorität der kategoriebasierten Personendeutung
-> aktiver Beobachter/Wahrnehmender
-> individuelle Personendeutung dauert länger
-> kategoriale Personendeutung ist kognitiv effizienter
-> über Linie automatisch, unter Linie kontrolliert (Erstellung vs. Anwendung)
Brewers Dual Process Model
Dieses Modell beschreibt, wie Menschen andere Personen kategorisieren und individuell wahrnehmen. Es kombiniert automatische (bottom-up) und kontrollierte (top-down) Prozesse.
Identifikation (bottom-up): Automatische Einordnung nach Grundmerkmalen (z. B. Geschlecht, Alter, Ethnie).
Kategorisierung (top-down): Falls relevant, wird geprüft, ob die Person in eine soziale Kategorie passt.
Ja: Einordnung in eine Gruppe (z. B. "junger männlicher Schotte").
Nein: Individuation („untypischer Mann“).
Personalisierung: Falls eine persönliche Verbindung besteht, wird die Person individuell wahrgenommen („Jim“ statt nur „Schotte“).
➡ Menschen werden entweder kategorisiert oder individuell wahrgenommen, je nach Relevanz und sozialer Nähe.
Fiske & Neuberg: Das Kontinuum Modell
Dieses Modell beschreibt, wie Menschen andere wahrnehmen – von kategoriebasierter Wahrnehmung bis hin zur individuellen Beurteilung.
Initiale Kategorisierung: Automatische Einordnung anhand offensichtlicher Merkmale.
Selbstrelevanz?
Nein: Prozess stoppt (oberflächliche Kategorisierung).
Ja: Aufmerksamkeit wird zugewiesen.
Bestätigung der Kategorie:
Erfolgreich: Person wird innerhalb der ursprünglichen Kategorie wahrgenommen.
Nicht erfolgreich: Neue Kategorisierung erforderlich.
Re-Kategorisierung:
Erfolgreich: Person wird einer anderen passenden Kategorie zugeordnet.
Nicht erfolgreich: Individuelle Merkmale werden einzeln bewertet (Piecemeal Integration).
Ergebnis:
Kategorie-basierte Wahrnehmung (wenn Re-Kategorisierung erfolgreich ist).
Attribut-basierte Wahrnehmung (wenn keine passende Kategorie gefunden wird).
Öffentliche Meinungsäußerung möglich, wenn weitere Beurteilung nötig ist.
➡ Menschen werden entweder nach Kategorien oder nach individuellen Merkmalen beurteilt – je nach Passung und Relevanz.
Dominanz des kategorialen Denkens in der Forschung
Großer empirischer Support für
kategoriale Aktivierung
Anwendungseffekte (Einspeicherung, Aufmerksamkeitszuteilung, Gedächtnisleistung, Eindrucksbildung…)
Effizienz von Kategorisierung: Studie von Clouter, Mason & Macrae (2005)
Methodik
Kategorisierung vs. Individuation in einfacher Sortierungs-Aufgabe
Geschlecht-Block -> Gesicht männlich/weiblich (unbekannt) -> Kategorisierung
Identitäts-Block -> Gesicht bekannt/unbekannt (Promis) -> Individuation
Messung der Reaktionszeit
Manipulationen
der Präsentationsdauer (20ms vs. 200 ms)
der Bildqualität (klar vs. verschwommen)
der Bildorientierung (aufrecht vs. kopfüber)
Ergebnis
Geschlecht/Kategorisierung -> jeweils kaum Unterschied in Reaktionszeit und generell schneller
Identität/Individuation -> langsamer bei kurz/verschwommen/kopfüber und generell langsamere Reaktionszeit
Schlussfolgerung
Kategorisierung: effizient und unbeeinflusst von suboptimalen Bedingungen
Individuation: zeitaufwendig und beeinträchtigt bei suboptimalen visuellen
Anhand welcher Merkmale/ Quellen kategorisieren wir? (Bottom-up)
Studie von Cloutier & Macrae (2007)
Aufgabe: Geschlechts- und Ethnien-Block (men/woman, american/african)
Rotation der Bildpräsentation um 0°, 45°, 90°, 135°, 180°
Manipulation: Haar/kein Haar & Hautfarbe/gegrünt (kein Haar generell)
generell höhere Reaktionszeit für kein Haar & gegrünt (eingeschränkte) - stärkere Steigung der RZ bei Drehung (bei mit Haar geringer und bei Hautfarbe gar nicht)
Extraktion von kategorialen Informationen -> Featural prosessing / Merkmalsbezogene Verarbeitung (einzelne Eigenschaften)
Extraktion von individuellen Informationen -> Configural processing / konfigurale Verarbeitung (Konfiguration/Ordnung/Passung einzelner Features)
Was ist Kategorisierung?
effizient und unbeeinflusst von suboptimalen Bedingungen
Kategoriale Aktivierung & Anwendung wird beeinflusst durch Beobachter Charakteristiken (perceiver characteristics)
Ist nicht unvermeidbar
Was ist Individuation?
zeitaufwendig und beeinträchtigt bei suboptimalen visuellen Bedingungen
Individuation dominiert für bekannte oder selbstrelevante Ziele (automatized exemplar-based processing/ automatisierte Musterbasierte Verabeitung)
Ist Kategorisierung unvermeidbar?
Überlegung: Bekanntheit mit Ziel/Target sollte Einfluss haben
Kategorisierung funktional, um Unbekannte zu deuten, aber weniger funktional bei Bekannten (Verfügbarkeit individuelle Infos)
Quinn, Mason, & Macrae (2009) - Replikation und Erweiterung
Sequential Priming Task -> Primes: bekannte und unbekannte Gesichter (150ms) -> Aufgabe: unbekannte Gesichter als männlich/weiblich einordnen
Ergebnis: nur Unterschied in RZ bei unbekannten Primes (mis-/matching) -> bekannte Primes als Personen und nicht mehr als Kategorie behalten
Erweiterung 2011: Präsentationszeit Primes 100 vs. 150ms -> bei 100ms wieder bei Beiden Unterschied in RZ -> zu kurz für Individuation -> Kategorie wird schon verarbeitet, aber bei „Erkennen“ fallengelassen
Kategorisierung ist nicht unausweichlich
Kategorielle Verarbeitung kann schnell, effizient und größtenteils merkmalsbasiert sein.
Kategorisierung geht nicht immer der Individuation voraus.
Kategorisierung und Individuation entstehen durch komplexe Wechselwirkungen zwischen top-down (Erwartungen, Vorwissen) und bottom-up (sinnliche Wahrnehmung) Faktoren.
Soziale Kognition beginnt erst zu verstehen, wie genau die kategoriebasierte Wahrnehmung von Personen funktioniert.
Es ist notwendig, theoretische Modelle zu entwickeln und zu testen, die folgende Aspekte erklären:
Die Mechanismen der sozialen Kategorisierung
Ihre Ursachen
Ihre Folgen
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