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Gesellschaftsrecht Streitstände

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by Ann-kathrin L.

Worüber erfolgt die Zurechnung für eine Haftung des Verhaltens eines Gesellschafters (GbR/OHG)?

Teilweise:

Teilweise wird die Zurechnung des Verhaltens auch der Gesellschafter von Personengesellschaften als Vertretungsorgane über § 278 S. 1 BGB vorgenommen. Neben den Erfüllungsgehilfen wird auch das Verhalten der gesetzlichen Vertreter erfasst, zu denen - neben den sorgerechtsberechtigten Eltern - wegen § 26 I 2 Hs. 2 BGB auch die organschaftlichen Vertreter zu zählen sind, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 31 BGB analog bedarf.

Durch § 278 S. 1 BGB wird die gesamte Verpflichtung des Schuldners erfasst, soweit die schuldhafte Handlung in innerem sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die dem Handelnden zugewiesen worden sind. Neben dem zuzurechnenden Verschulden erfasst § 278 S. 1 BGB daher auch die Pflichtverletzung selbst, da ohne eine Handlung (Tun, Dulden oder Unterlassen) ein Verschulden nicht denkbar ist.

überwiegende Ansicht:

Nach überwiegender Auffassung erfolgt die zurechnung jedoch analog § 31 BGB.

Für eine planwidrige Regelungslücke spricht, dass die §§ 705 ff. BGB und §§ 105 HGB keine eigenen Zurechnungsnormen für Pflichtverletzungen ihrer Organe enthalten und § 278 BGB vom Wortlaut nur für gesetzliche Vertreter gilt. Die Vertretungsorgane einer Personengesellschaft sind strenggenommen aber keine originären gesetzlichen Vertreter, sondern gelten gem. § 26 I 2 BGB nur als solche.

Die Situation ist insofern vergleichbar mit der bei den juristischen Personen. Da diese nicht selbst handeln können, wird über §§ 31, 40, 89 BGB das Handeln ihrer Organe nach der herrschenden Organtheroie, wie das eigene Handeln der Gesellschaft behandelt und § 278 BGB verdrängt.

Zudem könnte anderenfalls eine Gesellschaft die Haftung auch für vorsätzliches Verhalten ihrer Organe gem. § 278 S. 2 iVm § 276 III BGB im Voraus ausschließen. Ein vorsätzliches Verhalten der Organe würde somit nicht zur Haftung der Gesellschaft führen, da diese mangels Weisungsgebundenheit auch keine Verrichtungsgehilfen iSv § 831 I BGB sind. Eine solche Haftungslücke wäre nicht sachgerecht und ist damit planwidrig.

Erstreckt sich die Zurechnung auf das Wissen eines nicht handelnden Organvertreters (selbst nach seinem Ausscheiden) und sogar private Kenntnisse?

e.A.: sog. abstrakte (absolute) Wissenstheorie

Nach der zunächst überwiegend vertretenen sog. abstrakten (absoluten) Wissenstheorie wurde das Wissen der vertretungsberechtigten Organmitglieder, unabhängig von § 166 I BGB, als Wissen der juristischen Person behandelt. Das wurde darauf gestützt, dass die juristische Person weder selbst handeln noch wissen kann, sondern durch ihre Organe agiert. Zudem wird mit der Gleichstellung von natürlicher und juristischer Person bzw. rechtsfähiger Personengesellschaft argumentiert. Es soll sich kein Vorteil für letztere aus dem arbeitsteiligen Vorgehen ergeben. Daher wurde das Wissen der Organe zugerechnet, unabhängig davon, ob der Organvertreter selbst an dem Rechtsgeschäft beteiligt war. Das galt selbst nach dem Ausscheiden des Organvertreters aus dem Amt oder nach dessen Tod. Ob der Handelnde bzw. die neuen Organmitglieder keine Kenntnis hatten, war unerheblich.

neuere Rspr.:

Die neuere Rechtsprechung stützt die Wissenszurechnung inwischen auf den Gedanken des Verkehrsschutzes (wertende Betrachtung). Danach hat die juristische Person bzw. Personengesellschaft die Pflicht, die interne Kommunikation ordnungsgemäß zu organisieren. Daher muss sie sich das Wissen der Organvertreter nur dann zurechnen lassen, wenn es sich um typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen handelt. Unerheblich ist danach, ob der Organvertreter sein Wissen unterdrückt hat oder ob er an dem Rechtsgeschäft beteiligt war.

Stellungnahme:

Für die 1. Ansicht spricht, dass das (Stellvertretungs-)Recht durch die Überlegung gekennzeichnet ist, dass sich ein arbeitsteiliges Vorgehen nicht zu Lasten des Rechtsgeschäftsverkehrs auswirken darf. Die Wissensverteilung bzw. Wissensverlagerung muss denjenigen treffen, der sich des Vertreters bedient. Bei juristischen Personen bzw. Personengesellschaften kommt hinzu, dass sie sich, ohne Wissenszurechnung, zu ihren Gunsten auf eine mangelhafte Organisation berufen könnten, was gleichzeitig deren Gläubiger belastet. Es treten externe Effekte auf, die sich weder mit dem Grundgedanken des § 166 BGB noch mit dem für das Gesellschaftsrecht wesentlichen Prinzip des Gläubigerschutzes vereinbaren lassen. Eine unzureichende interne Organisation und der Verweis auf die Unkenntnis des konkret Handelnden kann schließlich zu einem Rechtsmissbrauch iSv § 242 BGB erwachsen. Die juristische Person bzw. Personengesellschaft erlange unverdiente Vorteile, wenn sie sich auf die mangelnde Kenntnis berufen könnte.

Für die 2. Ansicht spricht, dass das Argument der Gleichstellung von natürlicher und juristischer Person sich für die Lösung der Abgrenzung im Detail nicht als leistungsfähig erweist. Es lassen sich kaum oder gar keine Vorgaben für die interne Organisation der juristischen Person ableiten. Zudem akkumulieren sich bei der Tätigkeit einer juristischen Person, insbesondere wenn man über die Organvertreter hinaus die verfassungsmäßig berufenen Vertreter und die übrigen (im Außenverhältnis agierenden) Mitarbeiter hinzunimmt, Informtionen in einem Umfang, der über das hinausgeht, was eine natürliche Person leisten kann. Im Ergebnis würde die juristische Person bzw. Personengesellschaft dann ggü. einer natürlichen Person schlechter gestellt. Zudem würden die in einer Organisation erforderlichen Übermittlungszeiten nicht berücksichtigt, wenn man von der privaten Kenntnis eines Gesellschafters unmittelbar auf die Kenntnis der Gesellschaft schließen würde.

Wie haften die Gesellschafter einer OHG?

e.A.: Haftungs- bzw. Interessentehorie

Nach der insbesondere früher vertretenen sog. Haftungs- und Interessentheorie trifft nach § 126 HGB den Gesellschafter nur die Pflicht zum Einstehen für die Erfüllung durch die Gesellschaft. Er “haftet”, aber immer nur auf das Interesse des Gläubigers in Geld.

h.M.: Erfüllungstheorie

Nach der herrschenden Erfüllungstheorie trifft den nach § 126 HGB haftenden Gesellschafter hingegen grds. die gleiche Verpflichtung wie die Gesellschaft; Inhalt seiner Haftung ist daher die Verpflichtung zur naturalen Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit. Die bloße Haftung auf das Interesse (=Geld) würde zu einer Benachteiligung des Gläubigers führen. Denn die OHG kennt keine im Interesse der Gesellschaftsgläubiger festgesetzte Einlagepflicht und sie weist keine Sicherheitsmaßregeln zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gesellschaftsgläubiger auf. Im Interesse der Sicherheit dieser Gläubiger ist daher die persönliche Haftung der Gesellschafter eingeführt. Deshlab kann ein Gläubiger von sämtlichen Gesellschaftern die Lesitung ebenso wie von der OHG beanspruchen und braucht sich nicht mit einer Haftung auf das Interesse zu begnügen, wenn die Erbringung dieser Leistung zu den gesellschaftsrechtlichen Pflichten des betreffenden Gesellschafters gehört.

Stellungnahme:

Für die herrschende Auffassung spricht, dass die akzessorische Haftung der Gesellschafter die Erfüllung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist. Hintergrund hierfür ist die Abwägung des Interesses des Gläubigers an der Haftung und des Interesses des Gesellschafters an einer gesellschaftsfreien Privatsphäre. Bei Schulden, die keine Geldschulden sind, besteht ein unmittelbarer Erfüllungsanspruch gegen die persönlich haftenden Gesellschafter dann, wenn es auf die Person des Ausführenden nicht ankommt und die Erfüllung ihn in seiner gesellschaftsfreien Privatsphäre nicht wesentlich mehr als die Geldleistung beeinträchtigt.

Den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft dürfen im Zweifelsfall keine widerstreitenden Interessen entgegenstehen. Die kann durch entgegenstehende Interessen der Allgemeinheit begründet sein, so wenn mit der Gesellschaft ein gesetzes- oder sittenwidriger Zweck verfolgt werden soll (§§ 134, 138 I BGB),

Ein Ausschlussgrund besteht aber auch bei entgegenstehenden Einzelinteressen. Fraglich ist ob der Minderjährigenschutz im Zweifelsfall dem Interesse an dem Bestand einer fehlerhaften Gesellschaft vorgeht?

e.A.:

Nach einer Ansicht wird der beschränkt Geschäftsfähige vollständiges Mitglied der Gesellschaft, inkl. der sich daraus ergebenden Haftung ggü. den Gesellschaftsgläubigern. Er sei ausreichend durch das Sonderkündigungsrecht des § 723 IV BGB und die sich aus § 1629a BGB ergebende Nachhaftungsbeschränkung bei Eintritt der Volljährigkeit geschützt. Die Interessen des Nichtgeschäftsfähigen ausnahmslos über die Belande der Restgesellschafter zu stellen, sei nicht gerechtfertigt. Bei beschränkt Geschäftsfähigen stelle sich die Frage ohnehin erst, wenn die Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. das Familiengericht verweigert worden sei.

a.A.:

Nach einer anderen Ansicht wird der Minderjährige Gesellschafter der fehlerhaften Gesellschaft, nimmt aber nur an den vorteilhaften Regelungen des praktischen Gesellschaftsverhältnisses teil, sodass gegen den Minderjährigen keine Erfüllungs- oder Haftungsansprüche geltend gemacht werden können, er seinerseits aber im Innenverhältnis die Abrechnung der Gesellschaft ex tunc verlangen kann.

Rspr. u. h.L.:

Nach Rspr. und der überwiegenden Literatur besteht die ursprünglich gegründete - nun fehlerhafte - Gesellschaft nur mit den verbleibenden Gesellschaftern, während der Minderjährige aus vorgehendem Minderjährigenschutz nicht Mitglied der fehlerhaften Gesellschaft wird und Ansprüche gegen ihn ausgeschlossen sind.

Stellungnahme:

Gegen die 1. Ansicht spricht, dass der Minderjährigenschutz bereits und gerade im Zeitpunkt der Minderjährigkeit und nicht erst ab Volljährigkeit greifen kann. Zudem sind die Haftungsbegrenzung und das Kündigungsrecht an Fristen gebunden, was den Schutz ohnehin einschränkt.

Für die 2. Ansicht könnte sprechen, dass wegen § 139 BGB eigentlich Gesamtnichtigkeit eintreten müsste, sodass überhaupt keine Gesellschaft besteht. Dagegen spricht zum einen, dass auch § 139 BGB nur eine Zweifelsregelung enthält und zum anderen gerade hierbei auf die fehlerhafte Gesellschaft abgestellt wird.

Für die h.M. und eine konsequente Nichtberücksichtigung des Minderjährigen spricht, dass sich sonst Schwierigkeiten bei der genauen Abgrenzung und Berechnung der oft wechselseitigen Vor- bzw. Nachteile ergeben. Des Weiteren kennt das Gesellschaftsrecht die Stellung eines “hinkenden”, dh nur berechtigten, nicht aber verpflichteten Gesellschafters nicht. Dass dennoch eine fehlerhafte Restgesellschaft zustande kommt, lässt sich mit Gründen des Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs erklären.

Liegt im Falle der Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis eines zur geschäftsführung befugten Gesellschafts bei der OHG iRd GoA ein Geschäft ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung vor?

Teilweise:

Teilweise wurde früher befürwortet, im Falle der Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis über § 105 III HGB iVm §§ 705 ff. BGB die Vorschriften über die GoA und in den sonstigen Fällen der Schlechtleistung die §§ 280 I, 241 II BGB anzuwenden. Dafür lässt sich anführen, dass das Handeln des Gesellschafters bei einem ungewöhnlichen Geschäft iSd § 116 II 1 Fall 2 HGB ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter erfolgt und damit von dem Gesellschaftsvertrag nicht mehr gedeckt ist und er somit praktisch ohne Auftrag handelt.

h.M.:

Dagegen wird von der hM eingewandt, dass eine Haftung als Geschäftsführer ohne Auftrag das Fehlen einer vertraglichen Beziehung zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr voraussetzt. Das Handeln des Gesellschafters beruht jedoch auch bei Überschreitung der ihm zustehenden Rechte dennoch auf dem Gesellschaftsvertrag, da sich aus diesem die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers ergeben. Auch wenn der Geschäftsführer die Grenzen des Vertrages überschreitet, handelte er somit nicht gänzlich ohne Vertrag iSv “ganz ohne Auftrag”.

Stellungnahme:

Da auch eine Schlechtleistung idR nicht vom Willen der Gesellschafter gedeckt ist, käme es nach der 1. Auffassung häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Es ist daher sachgerechter, auch bei einer Befugnisüberschreitung nicht auf die GoA-Regeln, sondern das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurückzugreifen.

Welchen Umfang hat die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer Vor-GmbH?

früher:

Nach der früher herrschenden Theorie vom Vorbelastungsverbot (vgl. § 41 III AktG für die AG) bestand die Vertretungsmacht nur bzgl. der notwendigen Gründungsgeschäfte. Da sind die Geschäfte, deren Wahrnehmung das Gesetz den Geschäftsführern im Gründungsstadium zuweist und darauf gerichtet sind, die Eintragung herbeizuführen. Eine darüber hinausgehende (unbeschränkte) Vertretungsmacht sei nicht möglich, da die GmbH nicht bereits vor Eintragung mit Schulden vorbelastet werden dürfe, da dann das Stammkapital aufgrund der Vorbelastung den Gläubigern nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stehe.

heute h.M.:

Die heute hM begrenzt die Vertretungsmacht zwar grds. auch auf die notwendigen Gründungsgeschäfte, da eine unbeschränkte Vertretungsmacht - in Abweichung von § 37 II GmbHG - vor dem Hintergrund einer unbeschränkten Haftung der Gesellschafter grds. nicht gerechtfertigt sei. Jedoch ist die Erweiterung der Vertretungsmacht durch Beschluss oder übereinstimmende Ermächtigung aller Gesellschafter bis hin zur vollumfänglichen Aufnahme der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft möglich. Quasi als Kompensation für die sich aus dem Vertreterhandeln für die Vor-GmbH ergebende Vorbelastungen sind dafür die Gesellschafter der Vor-GmbH im Falle der Handelsregistereintragung verpflichtet, im Wege einer Unterbilanzhaftung entsprechend § 9 GmbHG das bis zur Handelsregistereintragung der GmbH entstehende Kapitaldefizit auszugleichen.

w.A.:

Nach einer noch weitergehenden Auffassung wird zum Schutz des Rechtsverkehrs eine unbeschränkte Vertretungsmacht entsprechend § 37 II GmbHG auch für die Vor-GmbH angenommen.

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Ann-kathrin L.

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