Erläutern Sie die folgenden drei Grundbegriffe Webers: Verhalten, Handeln, soziales Handeln
Verhalten: jede äußere oder innere Tätigkeit eines Menschen, also jegliches Tun, Dulden oder Unterlassen – unabhängig davon, ob es einen subjektiven Sinn hat oder nicht.
Ein Mensch, der geht.
Handeln: ist ein menschliches Verhalten, dem der Handelnde einen subjektiv gemeinten Sinn zuschreibt.
Jemand geht joggen, um sich fit zu halten – das Verhalten (Laufen) hat eine Bedeutung für den Handelnden.
Soziales Handeln: ist ein Handeln, das auf einen anderen subjektiv bezogen oder orientiert ist - d.h. ein konkretes oder generealisiertes Gegenüber. Es wird also nicht nur sinnhaft ausgeführt, sondern nimmt Bezug auf andere Menschen.
Arten:
Reaktiv (jemand anderes hat gehandelt und ich reagiere darauf)
Antizipativ (ich handel auf eine bestimmte Art und weise, weil ich damit eine bestimmte Handlung Anderer antizipieren möchte)
Was ist die richtige Definition von sozialer Beziehung nach Weber?
a) einem seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sich-Verhalten mehrerer
b) ein wechselseitig aufeinander eingestelltes Handeln gemäß geltender Normen
c) das Geflecht der relevanten Bezugsgruppen eines Handelnden
d) eine beiderseitig vorteilhafte dauerhafte Kooperation zweier oder mehrere Handelnder
a) Weber betont, dass soziale Beziehungen durch das gegenseitige aufeinander Einstellen der Handlungen mit Sinngehalt gekennzeichnet sind. Es geht also um sinnorientiertes Verhalten, das sich an anderen orientiert.
Die anderen Optionen sind entweder zu eng (z.B. nur Kooperation) oder zu allgemein und entsprechen nicht exakt Webers Definition.
Erläutern Sie zunächst anhand eines Beispiels, was Weber unter sozialem Handeln versteht.
Entwickeln Sie daraufhin ein Beispiel, anhand dessen Sie die vier Merkmale sozialer Tatbestände nach Durkheim erläutern.
Diskutieren Sie anschließend, wo sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Konzepte des sozialen Handelns und der sozialen Tatbestände sehen
Nach Max Weber ist soziales Handeln ein Handeln, das auf einen anderen subjektiv bezogen oder an ihm orientiert ist – das heißt, es bezieht sich auf ein konkretes oder generalisiertes Gegenüber. Der Sinn, den der Handelnde seinem Tun zuschreibt, entsteht im Bezug auf das Verhalten anderer, sei es vergangen, gegenwärtig oder zukünftig. Ein Beispiel für soziales Handeln wäre, wenn sich jemand entschließt, auf einen früheren Angriff mit Rache zu reagieren, sich gegenwärtig gegen einen Angriff verteidigt oder durch bestimmte Maßnahmen zukünftigen Angriffen vorbeugt, etwa indem man Sicherheitsvorkehrungen trifft. In all diesen Fällen steht die Handlung nicht isoliert für sich, sondern ist bewusst auf das Verhalten anderer Menschen bezogen.
Émile Durkheim wählt einen anderen Zugang zur Erklärung sozialen Verhaltens. Für ihn sind sogenannte soziale Tatbestände die Grundlage gesellschaftlicher Ordnung. Diese zeichnen sich durch vier Merkmale aus: Äußerlichkeit, Zwang, Allgemeinheit und Unabhängigkeit. Diese lassen sich gut am Beispiel einer Hochzeit verdeutlichen. Erstens ist das Hochzeitsritual äußerlich, weil es kulturell und institutionell festgelegt ist und unabhängig vom individuellen Wunsch besteht – man kann sich kaum völlig frei erfinden, wie man heiratet. Zweitens übt es Zwang aus: Von Paaren wird gesellschaftlich erwartet, bestimmte Rituale (z. B. Ringe tauschen, Eheversprechen ablegen) einzuhalten. Wer davon zu stark abweicht, muss mit Unverständnis oder Ablehnung rechnen. Drittens zeigt sich die Allgemeinheit, da Hochzeiten in allen Kulturen verbreitet und gesellschaftlich erwartbar sind. Viertens sind Hochzeitsrituale unabhängig, weil sie unabhängig von der individuellen Bedeutung weiterexistieren – selbst wenn ein Paar ihnen keinen emotionalen Wert beimisst, bleibt die soziale Funktion erhalten. Sowohl Durkheim als auch Weber beziehen demnach soziales Handeln auf ein Handeln, das auf mindestens ein weiteres Subjekt bezogen ist oder sich an ihm orientiert.
Weber untersucht demnach den Sinn des Handelnden aus der Sicht des Einzelnen (verstehendes Deuten) und Durkheim untersucht die Wirkung gesellschaftlicher Zwänge auf das Individuum (positivistische Soziologie). Durkheim ist weniger an den individuellen „Gründen“ für Handeln interessiert ist, sondern an den sozialen Zwängen, die das Verhalten prägen – also eher an externen Ursachen als an subjektiven Motiven.
Nennen und erläutern Sie drei der vier Merkmale sozialer Tatbestände nach Durkheim
Émile Durkheim beschreibt soziale Tatbestände als gesellschaftliche Phänomene, die das Verhalten von Individuen beeinflussen und prägen. Drei zentrale Merkmale sozialer Tatbestände sind:
Äußerlichkeit: Soziale Tatbestände sind „außerhalb“ des Einzelnen und nicht von ihm geschaffen. Sie existieren unabhängig von den individuellen Gedanken und Gefühlen der Menschen. Sie sind kulturelle oder gesellschaftliche Gegebenheiten, die über das Individuum hinaus bestehen.
Z.B existieren Regeln, Traditionen oder Gesetze auch dann, wenn sich einzelne Personen nicht bewusst mit ihnen beschäftigen oder sie ablehnen.
Zwang: Soziale Tatbestände üben einen sozialen Druck auf die Mitglieder der Gesellschaft aus. Wenn jemand gegen gesellschaftliche Regeln oder Normen verstößt, kann er dafür bestraft oder sozial ausgegrenzt werden. Dieser Zwang sorgt dafür, dass die Menschen sich an die gemeinsamen Erwartungen und Verhaltensweisen anpassen.
z.B. ist in vielen Kulturen die Erwartung verankert, dass man Ehrlichkeit zeigt. Wer wiederholt lügt, riskiert nicht nur Misstrauen, sondern wird auch gesellschaftlich sanktioniert, etwa durch Ablehnung oder Verlust von Ansehen.
Allgemeinheit: Soziale Tatbestände treten in der Gesellschaft häufig auf und wirken auf viele Menschen gleichzeitig. Sie sind nicht auf einzelne Individuen beschränkt, sondern prägen kollektive Verhaltensweisen, Überzeugungen oder Praktiken.
Zum Beispiel die verbreitete Teilnahme an bestimmten Festen, Trends oder auch Massenbewegungen.
Nennen und erläutern Sie drei der von Durkheim unterschiedenen Selbstmordtypen
Émile Durkheim unterscheidet in seiner Typologie vier Arten von Selbstmord, die sich durch das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft erklären lassen:
Egoistischer Selbstmord entsteht durch mangelnde soziale Integration. Menschen fühlen sich isoliert und nicht ausreichend in die Gemeinschaft eingebunden.
Beispiele: alleinstehende Personen oder bestimmte religiöse Gruppen (wie Protestanten), bei denen die soziale Bindung schwächer ist.
Altruistischer Selbstmord hat eine übermäßige soziale Integration. Das Individuum ordnet sich so stark der Gruppe unter, dass es bereit ist, sein eigenes Leben für das Wohl der Gemeinschaft zu opfern.
Solche Formen finden sich häufig in traditionellen Gesellschaften, religiösen Gemeinschaften oder bei Soldaten.
Anomischer Selbstmord entsteht durch Regellosigkeit oder Normlosigkeit (Anomie). Die gewohnten Regeln und Orientierungshilfen brechen weg, was zu Orientierungslosigkeit und Verzweiflung führt.
beispielsweise in Zeiten von Krisen, plötzlichem sozialem Auf- oder Abstieg oder tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen.
Fatalistischer Selbstmord entsteht durch übermäßige soziale Regulation und starke Einschränkung der Freiheit, zum Beispiel bei Menschen, die in extrem kontrollierenden Situationen leben (z. B. Gefangene oder Sklaven). Durkheim behandelt diesen Typ jedoch nur am Rande.
Nennen und erläutern Sie die drei Dimensionen von Individualisierung nach Beck.
(Ergänzung WiSe 19/20:)
Entwickeln Sie daraufhin ein Beispiel für einen Individualisierungsprozess. Illustrieren Sie schließlich drei Individualisierungsdimensionen anhand dieses Beispiels und nehmen Sie dabei Bezug auf die von Beck beschrieben Ursachen und Folgen von Individualisierung)
Unter Individualisierung versteht Ulrich Beck einen sozialen Prozess, in dem Menschen aus traditionellen Sozialbindungen herausgelöst werden und zunehmend gezwungen sind, ihr Leben eigenständig und eigenverantwortlich zu gestalten.
Beck unterscheidet dabei drei Dimensionen der Individualisierung:
Freisetzung (Herauslösung aus traditionellen Sozialformen): Traditionale Herrschafts-, Lebens- und Versorgungszusammenhänge wie Familie, Klasse oder Geschlecht verlieren an Bedeutung. Individuen werden aus historisch gewachsenen Bindungen entlassen und müssen ihr Leben verstärkt selbst organisieren.
Entzauberung (Verlust traditioneller Sicherheiten): Mit dem Wegfall traditioneller Normen und Handlungsvorgaben entsteht ein Zwang zur Entscheidung. Menschen müssen Lebensentwürfe eigenständig entwickeln, obwohl ihnen oft stabile gesellschaftliche Leitbilder fehlen. Verantwortung für das Gelingen oder Scheitern des eigenen Lebens wird auf das Individuum übertragen.
Reintegration (neue Abhängigkeiten und Bindungen): Trotz individueller Freiheit bleiben Menschen auf Institutionen wie den Arbeitsmarkt, das Bildungssystem oder soziale Sicherungssysteme angewiesen. Außerdem streben sie freiwillig neue soziale Bindungen an – etwa in Partnerschaften, Netzwerken oder politischen Bewegungen. Die Reintegration beschreibt also die Neuverankerung des Individuums in funktionale Systeme, jedoch auf einer anderen, oft individualisierten Ebene
Ein typisches Beispiel ist die Entscheidung einer jungen Frau, sich für eine eigenständige Berufslaufbahn zu entscheiden und dabei traditionelle Rollenerwartungen in Familie und Partnerschaft zu hinterfragen.
Freisetzung: Die Frau löst sich von überlieferten Vorstellungen – etwa der klassischen Hausfrauenrolle oder der Norm, früh zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Entzauberung: Sie steht vor einer Vielzahl an Möglichkeiten und ist gezwungen, zwischen Beruf, Partnerschaft, Familie oder anderen Lebensentwürfen zu wählen – ohne klare Orientierung. Die Verantwortung für diese Entscheidungen liegt vollständig bei ihr selbst.
Reintegration: Um ihre Karriere zu verfolgen, ist sie auf Bildung, Qualifikationen und den Arbeitsmarkt angewiesen. Gleichzeitig sucht sie neue Formen von Beziehungen und Netzwerken, die jedoch nicht mehr durch Tradition vorgegeben, sondern individuell gestaltet sind.
Ursachen, die die Prozesse der Individualisierung nach Beck in Gang gesetzt haben sind:
Wohlstandssteigerung: Höhere Löhne, gestiegener Lebensstandard und mehr Freizeit erweitern die individuellen Lebensgestaltungsmöglichkeiten. Beck spricht vom „Fahrstuhleffekt“: Alle gesellschaftlichen Schichten „fahren eine Etage höher“ – also erfahren eine soziale Mobilität nach oben, auch wenn die Ungleichheiten bleiben.
Bildungsexpansion: Besonders Frauen profitieren von besseren Bildungschancen und höheren Bildungsabschlüssen. Dadurch erschließen sich neue Berufsfelder und Lebensentwürfe jenseits traditioneller Rollen.
Wohlfahrtsstaatliche Absicherung: Sozialstaatliche Leistungen (z. B. Kindergeld, Arbeitslosenversicherung, BaföG) ermöglichen es, biografische Risiken wie Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Bildungslücken besser abzufedern. Diese Absicherung schafft Freiräume für individuelle Lebensentscheidungen und Lebenswege.
Fazit: Individualisierung bietet einerseits neue Freiheiten zur Selbstverwirklichung, führt andererseits aber zu neuen Unsicherheiten, Entscheidungszwängen und sozialen Risiken – ein zentrales Merkmal der reflexiven Moderne nach Beck.
Nennen und erläutern Sie die drei Ursachen von Individualisierung nach Beck
Nennen und erläutern Sie die drei Dimensionen der Machtanalytik Foucaults.
Foucault analysiert Macht nicht als Besitz (wie etwa bei Marx), sondern als ein Beziehungsgeflecht Seine Machtanalytik umfasst drei zentrale Dimensionen: Strategische Machtbeziehungen bilden die Grundlage aller sozialen Interaktionen, Regierungstechnologien strukturieren diese systematisch, und aus dieser Strukturierung können sich Herrschaftszustände entwickeln. Foucaults Machtanalytik macht damit deutlich, dass Macht nicht nur repressiv, sondern vor allem subtil, dezentral, produktiv und gesellschaftlich konstitutiv ist.
1. Strategische Machtbeziehungen sind nach Foucault allgegenwärtige, dynamische Interaktionen zwischen Subjekten, in denen jeweils versucht wird, das Verhalten des anderen zu beeinflussen. Sie stellen „strategische Spiele zwischen Freiheiten“ dar - Macht ist hier nicht zwangsläufig negativ oder unterdrückend, sondern ein grundlegendes soziales Verhältnis. Diese Beziehungen sind prinzipiell veränderbar und reversibel und bilden die Grundstruktur jeder Gesellschaft.
2. Herrschaftszustände beschreiben eine verfestigte, blockierte Form von Machtbeziehungen, in denen sich asymmetrische Machtverhältnisse dauerhaft etabliert haben. Sie sind gekennzeichnet durch eine Einschränkung von Alternativen und Freiheitsgraden und werden häufig durch politische, ökonomische oder militärische Mittel stabilisiert. Im Unterschied zu den strategischen Machtbeziehungen sind Herrschaftszustände nicht mehr offen für Gegenspiel oder Widerstand. Sie entsprechen dem, was klassisch unter Herrschaft verstanden wird, ohne sich jedoch – wie bei Max Weber – auf Legitimitätsfragen zu stützen.
3. Regierungstechnologien bezeichnen systematisierte und reflektierte Formen der Machtausübung, die über spontane Machtspiele hinausgehen, aber noch nicht die Starre von Herrschaftszuständen aufweisen. Sie zielen darauf ab, das Verhalten von Individuen und Gruppen zu lenken, ohne direkt zu befehlen – z. B. durch Normierung, Disziplinierung oder Wissensproduktion. Regierungstechnologien wirken oft über scheinbar neutrale Praktiken (z. B. in Medizin, Pädagogik oder Verwaltung) und sind zentral dafür verantwortlich, wie strategische Machtbeziehungen in Herrschaftszustände überführt werden.
Nennen und erläutern Sie die drei Dimensionen des Akzelerationszirkels nach Rosa
Hartmut Rosa unterscheidet in seiner soziologischen Beschleunigungstheorie drei Dimensionen der gesellschaftlichen Beschleunigung, die gemeinsam den sogenannten Akzelerationszirkel bilden. Diese drei Dimensionen stehen in einem wechselseitigen Verstärkungsverhältnis und führen zu einem strukturellen Zeitdruck in der spätmodernen Gesellschaft.
Technische Beschleunigung: umfasst die stetige Verbesserung technischer Mittel, insbesondere beim Transport, Kommunikation und Produktion. Ziel ist es, Prozesse effizienter und schneller zu gestalten, etwa durch Hochgeschwindigkeitszüge, digitale Kommunikation oder automatisierte Arbeitsabläufe. Technische Beschleunigung soll Zeit sparen – führt jedoch paradoxerweise nicht zu mehr freier Zeit, sondern zur Verdichtung anderer Lebensbereiche.
Beschleunigung des sozialen Wandels: gesellschaftliche Normen, Rollenbilder, Institutionen und Lebensformen verändern sich immer schneller. z. B. Familienmodelle, Erwerbsbiografien oder kulturelle Werte. Individuen müssen sich kontinuierlich an neue Anforderungen anpassen, was zu Unsicherheiten und Identitätsinstabilität führen kann.
Beschleunigung des Lebenstempos: bezeichnet die subjektive Erfahrung, dass immer mehr Handlungen in immer kürzerer Zeit vollzogen werden müssen. Menschen versuchen, durch Multitasking, Zeitmanagement und Aktivitätsverdichtung mehr aus ihrer begrenzten Zeit herauszuholen. Dies führt zu einem Gefühl chronischer Zeitnot, auch bekannt als „Beschleunigung des Alltags“ oder “Slippery Slopes”
Der Akzelerationszirkel entsteht, weil sich diese drei Dimensionen gegenseitig antreiben: – Technische Innovationen ermöglichen schnelleren sozialen Wandel. – Dieser Wandel zwingt Individuen dazu, ihr Lebenstempo zu erhöhen. – Der Wunsch, das Lebenstempo zu bewältigen, stimuliert wiederum neue technische Entwicklungen.
So entsteht ein dynamischer Zwang zur Beschleunigung, der nicht mehr auf individuelle Entscheidungen zurückzuführen ist, sondern strukturell in das gesellschaftliche System eingebettet ist.
Der Akzelerationszirkel beschreibt den sich selbst verstärkenden Zusammenhang zwischen technischer Beschleunigung, sozialem Wandel und gesteigertem Lebenstempo. Rosa sieht darin ein zentrales Merkmal moderner Gesellschaften, das zu Entfremdung, Zeitdruck und Erschöpfung führen kann.
Welche beiden Aussagen über Rosas Akzelerationszirkel sind richtig?
a) Die technische Beschleunigung führt zu einer Gegenwartsschrumpfung
b) Die Beschleunigung des sozialen Wandels führt zur einer Raumschrumpfung
c) Die Beschleunigung des sozialen Wandels führt zu einem Verlust an Erwartungssicherheit
d) Die Beschleunigung des Lebenstempos zeigt sich u. a. an einer Überlagerung von Handlungsepisoden.
bedeutet, dass sich Normen, Rollen und Institutionen schneller verändern. Das führt dazu, dass Menschen weniger verlässliche Erwartungen an die Zukunft haben – also Erwartungssicherheit verloren geht.
d) Die Beschleunigung des Lebenstempos zeigt sich u. a. an einer Überlagerung von Handlungsepisoden
Beschleunigung des Lebenstempos führt dazu, dass Menschen mehrere Aktivitäten gleichzeitig ausführen (z. B. E-Mails schreiben beim Bahnfahren) – also Handlungsepisoden überlagern sich.
FALSCH:
a) ❌ „Die technische Beschleunigung führt zu einer Gegenwartsschrumpfung“ – Das ist kein zentraler Begriff bei Rosa; dieser spricht eher von Zeitverdichtung, nicht von "Gegenwartsschrumpfung".
b) ❌ „Die Beschleunigung des sozialen Wandels führt zu einer Raumschrumpfung“ – Raumschrumpfung wird eher mit technischer Beschleunigung (z. B. schneller Transport, globale Kommunikation) in Verbindung gebracht, nicht mit sozialem Wandel.
Nennen und erläutern Sie die drei von Sennett unterschiedenen Arten von Unsicherheit im flexiblen Kapitalismus.
Richard Sennett identifiziert im flexiblen Kapitalismus drei zentrale Arten von Unsicherheit, die sich aus der Auflösung traditioneller beruflicher Strukturen und stabiler Biografien ergeben. Diese Unsicherheiten resultieren aus neuen Arbeitsformen, in denen langfristige Planung, institutionelle Verankerung und stabile Aufstiegschancen zunehmend verschwinden.
Diese Form der Unsicherheit beschreibt den Verlust eindeutiger Karriereverläufe. Im flexiblen Kapitalismus glauben viele Menschen, sich beruflich weiterzuentwickeln, obwohl sie sich tatsächlich nur seitwärts bewegen. Die Kriterien für beruflichen Erfolg oder Statusgewinn sind unklar geworden, was dazu führt, dass berufliche Positionen oft erst im Nachhinein bewertbar sind. Statt eines linearen Aufstiegs erleben viele eine biografische Suchbewegung, die von der Hoffnung getragen ist, die nächste Stelle könnte mehr Erfolg oder Sinn bringen – ohne Gewissheit darüber.
Nach einem Wechsel erkennen viele Menschen erst, dass der neue Job weniger vorteilhaft ist als der alte. Diese Unsicherheit entsteht, weil Entscheidungen unter Unsicherheit und unvollständiger Information getroffen werden. Wenn sich im Nachhinein zeigt, dass eine Chance falsch eingeschätzt wurde, müssen die Betroffenen mit den Konsequenzen leben, ohne die Möglichkeit, die Entscheidung rückgängig zu machen. Die Fähigkeit, mit solchen retrospektiven Verlusten umzugehen, wird zu einer zentralen Anforderung in flexiblen Arbeitsbiografien.
Diese Unsicherheit betrifft die wirtschaftliche Stabilität: Ein Stellenwechsel führt nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der finanziellen Situation. Vielmehr ist der Ausgang häufig nicht kalkulierbar, da Einkommen im neuen Job sowohl steigen als auch sinken können. Laut Sennett verlieren etwa ein Drittel der Beschäftigten bei einem Wechsel deutlich an Einkommen. Dies macht berufliche Mobilität zu einem ökonomischen Glücksspiel – ein Vorgang, den Sennett mit einem „Würfelspiel“ vergleicht.
Fazit: Die drei Unsicherheiten – mehrdeutige Seitwärtsbewegungen, retrospektive Verluste und unvorhersehbare Einkommensentwicklungen – machen deutlich, dass der flexible Kapitalismus keine klare Orientierung bietet. Statt langfristiger Planung dominieren Diskontinuität, Risiko und kurzfristige Optionen, was zu einer tiefgreifenden Verunsicherung des beruflichen und sozialen Lebens führt.
Welche Aussage über den flexiblen Kapitalismus nach Sennet ist falsch?
a) Mehrdeutige Seitwärtsbewegungen und retrospektive Verluste stellen typische Unsicherheiten des flexiblen Kapitalismus dar
b) Das Arbeiten in Teams verdeckt zentralisierte Machtstrukturen in Unternehmen
c) Die Produktion ist flexibel spezialisiert
d) Kapitalistische Institutionen werden von Managern im flexiblen Kapitalismus in kontinuierlicher Weise umgebaut
Die Aussage c) „Die Produktion ist flexibel spezialisiert“ ist im Kontext von Sennetts Analyse falsch, da er die Arbeit im flexiblen Kapitalismus als wenig spezialisiert, fragmentiert und von Unsicherheiten geprägt beschreibt
Nennen und erläutern Sie die drei von Giddens unterschiedenen Elemente der Dynamik der Mode.
Laut Anthony Giddens besteht die Dynamik der Moderne aus drei Elementen: Aus der Entkopplung von Raum und Zeit, der Entbettung sozialer Beziehungen sowie aus der Mobilisierung von Vertrauen.Das starre Verhältnis von Raum und Zeit hat sich seit dem 17. Jahrhundert immer weiter entkoppelt. Durch die sich entwickelnde Mobilisierung, den technischen Fortschritt sowie die Massenmedien konnten so große Entfernungen schneller überwunden werden und auch das Internet ermöglichte eine ortsunabhängige Kommunikation. Raum und Zeit wurden demnach entkoppelt.Bei der Entbettung sozialer Beziehungen werden jene aus ihren ortsgebundenen, unmittelbaren, situativen Kontexten herausgelöst, sodass auch hier keine räumlichen und zeitlichen Grenzen mehr existieren. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Entbettung sozialer Beziehungen sowie die Entkopplung von Raum und Zeit eng miteinander verbunden sind. Dieser Prozess wird verstärkt durch symbolische Zeichen wie Geld oder die Installierung von Expertensystemen.Eine elementare Voraussetzung für die Entbettung sozialer Beziehungen ist die Mobilisierung von Vertrauen, da eine Entkopplung aus Raum und Zeit ohne ein gegenseitiges Vertrauen der Individuen nicht möglich ist. Die Entkopplung bringt eine gewisse Anonymität sowie eine Entfremdung der Nutzer mit sich, weshalb hier eine Vertrauensbasis zwingend erforderlich ist. Das Vertrauen fungiert somit als Mittel zur Ordnung sozialer Beziehungen sowie als Grundlage für eine funktionierende soziale Ordnung.
Nennen und erläutern Sie die drei ereignisgeschichtlichen Eckpfeiler der Großen Transformation, die auch als Revolutionen der Moderne bezeichnet werden.
Müller unterscheidet drei Eckfeiler der „Großen Transformation“
Ökonomische Revolution in England: führte aufgrund technologischer Fortschritte unter anderem zur
Entstehung eines Arbeitsmarktes
Trennung von Kapital und Arbeit und
Trennung von Betrieb und Haushalt. (2)
Politische Revolution in Frankreich etablierte:
demokratische Regierungsformen in Europa
„Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ machte aus Untertanen souveräne Bürger*innen, die über gleiche Rechte verfügen, welche nicht mehr an Stände gebunden waren
wenn auch soziale Ungleichheit in Form sozialer Klassen fortbesteht
Kulturelle Revolution in Deutschland etablierte:
den für moderne Gesellschaften typischen Individualismus;
Kollektivismus hingegen ist typisch für vormoderne Gesellschaftsformen
Neben der Wissenschaft gewinnen auch moralisch-ethische und expressiv-ästhetische Dimensionen an Bedeutung für die moderne Kultur.
a) einem seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sich-Verhalten mehrerer b) ein wechselseitig aufeinander eingestelltes Handeln gemäß geltender Normen
Aussage a) ist korrekt.
Die richtige Definition von sozialer Beziehung nach Max Weber lautet:
„einem seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sich-Verhalten mehrerer“
Welche beiden Aussagen über Simmels Analyse des modernen Großstadtlebens sind richtig?
a) Reizüberflutung führt zur Blasiertheit moderner Großstädter*innen
b) Großstädte zeichnen sich durch ein Übergewicht von subjektiver gegenüber objektiver Kultur aus
c) Großstädte verhindern den Kampf der Menschen unter- und gegeneinander
d) Großstädte erzeugen einen Zwang zu qualitativer Individualisierung
Die richtigen Aussagen zu Simmels Analyse des modernen Großstadtlebens sind:
Reizüberflutung führt zur Blasiertheit moderner Großstädter*innen (Simmel beschreibt, dass die vielen Eindrücke und Reize in der Großstadt zu einer emotionalen Distanzierung, also Blasiertheit, führen.)
Großstädte erzeugen einen Zwang zu qualitativer Individualisierung (In der Großstadt entsteht der Druck, sich auf besondere, qualitative Weise zu individualisieren, da Anonymität und Konkurrenz groß sind.)
Die anderen Aussagen sind falsch:
Großstädte zeichnen sich nicht durch ein Übergewicht von subjektiver gegenüber objektiver Kultur aus, sondern oft umgekehrt: Es gibt eine starke objektive Kultur (z.B. Kunst, Technik, Wissen), während die subjektive Kultur (individuelle Fähigkeiten und Erfahrungen) relativ zurücktritt.
Großstädte verhindern den Kampf der Menschen unter- und gegeneinander nicht, sondern können im Gegenteil durch Anonymität und Konkurrenz soziale Spannungen und Kämpfe verstärken.
Welche Aussage über Simmels Analyse des modernen Großstadtlebens ist falsch?
a) Reizüberflutung führt zur Blasiertheit moderner Großstädter*innen.
b) Großstädte erzeugen einen Zwang zu qualitativer Individualisierung.
c) Großstädte zeichnen sich durch ein Übergewicht von subjektiver gegenüber objektiver Kultur aus
d) Großstädte führen zu einem Kampf der Menschen unter- und gegeneinander.
„Großstädte zeichnen sich durch ein Übergewicht von subjektiver gegenüber objektiver Kultur aus.“
Begründung: Nach Simmel überwiegt in der Großstadt die objektive Kultur (also das Wissen, die Kunst, Technologie usw.), während die subjektive Kultur (individuelle Fähigkeiten, persönliche Erfahrungen) eher zurücktritt. Das führt zu einer Distanzierung der Menschen und beeinflusst ihr Verhalten.
Die anderen Aussagen sind korrekt:
Reizüberflutung führt zur Blasiertheit.
Großstädte erzeugen einen Zwang zu qualitativer Individualisierung.
Großstädte führen zu einem Kampf der Menschen unter- und gegeneinander.
Welche Aussage über Folgeprobleme der funktional differenzierten Gesellschaft ist richtig?
a) Mittels wohlfahrtsstaatlicher Absicherung soll das politische System gesellschaftliche Konflikte steuern.
b) Eine Gefährdung der Natur hat nur dann gesellschaftliche Folgen, wenn eine Kommunikation darüber stattfindet.
c) Die Ansprüche der Individuen an die Leistungen von Teilsystemen sind begrenzt.
d) Der Zugriff auf Leistungen der Teilsysteme steht prinzipiell jedem offen.
Stellen Sie die Anwendung des EGP-Klassenschemas am Beispiel der IGLU-Studie dar (bspw. in Form eines Diagramms).
Welche beiden Aussagen über Webers Verständnis von Idealtypen sind richtig?
a. Weber unterscheidet vier Idealtypen sozialen Handelns.
b. Idealtypische Begriffe sind Abbilder der Wirklichkeit.
c.Idealtypen sind auf ein Ziel gerichtete ideale Formen sozialen Handelns.
d.Idealtypen sind eine wesentliche Methode sozialwissenschaftlicher Analysen.
und
Welche Aussage über Anomie nach Durkheim ist falsch?
Frage 2Antwort
a. Anomie wird durch die Bildung neuer Regeln allmählich beseitigt.
b. Anomie erhöht Suizidraten.
c. Anomie entsteht in Zeiten rapiden gesellschaftlichen Wandels.
d. Anomie meint fundamentale Systemkrisen.
Welche Aussage über Simmels Gesellschaftsbegriff ist falsch?
a. Gesellschaft existiert da, wo mehrere Individuen in Wechselwirkung treten.
b. Gesellschaft ist eine Realität sui generis.
c. Gesellschaft existiert nur als Vergesellschaftung.
d. Individualität ist nur in und mit der Gesellschaft möglich.
a.eine beiderseitig vorteilhafte dauerhafte Kooperation zweier oder mehrerer Handelnder.
b.das Geflecht der relevanten Bezugsgruppen eines Handelnden.
c.ein wechselseitig aufeinander eingestelltes Handeln gemäß geltenden Normen.
d.ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sich-Verhalten mehrerer.
Welche Aussage über die Eckpfeiler der Großen Transformation nach Müller ist falsch?
a.Ethik und Ästhetik zählen zu den institutionellen Gestalten der Großen Transformation.
b.Als Folge der politischen Revolution in Frankreich werden Bürger zwar in Klassen, aber nicht mehr in Stände eingeteilt.
c.Durch die kulturelle Revolution in Deutschland kommt es zu einem Übergang vom Individualismus zum Kollektivismus.
d.Die Trennung von Betrieb und Haushalt ist Folge der technischen Revolution in England.
Die richtige Antwort ist:
c) Durch die kulturelle Revolution in Deutschland kommt es zu einem Übergang vom Individualismus zum Kollektivismus.
Müller unterscheidet drei Eckfeiler der „Großen Transformation“:
(1) Die ökonomische Revolution in England führte aufgrund technologischer Fortschritte unter anderem zur Entstehung eines Arbeitsmarktes, zur Trennung von Kapital und Arbeit – und zur Trennung von Betrieb und Haushalt.
(2) Die politische Revolution in Frankreich etablierte demokratische Regierungsformen in Europa. Die Vorstellung von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ machte aus Untertanen souveräne Bürger*innen, die über gleiche Rechte verfügen, welche nicht mehr an Stände gebunden waren – wenn auch soziale Ungleichheit in Form sozialer Klassen fortbesteht.
(3) Die kulturelle Revolution in Deutschland etablierte den für moderne Gesellschaften typischen Individualismus; Kollektivismus hingegen ist typisch für vormoderne Gesellschaftsformen. Neben der Wissenschaft gewinnen auch moralisch-ethische und expressiv-ästhetische Dimensionen an Bedeutung für die moderne Kultur.
Welche Aussage über den „neuen Geist des Kapitalismus“ (Boltanski) ist falsch?
Frage 1Antwort
a. Der neue Geist des Kapitalismus ist geprägt von einer Vernetzung von Unternehmen.
b. Der neue Geist des Kapitalismus ist geprägt von einer neuen Form der Meritokratie.
c. Der neue Geist des Kapitalismus ist geprägt von autoritären Vorgesetzen.
d. Der neue Geist des Kapitalismus ist geprägt von unscharfen Organisationsstrukturen.
Boltanski und Chiapello unterscheiden drei historische Ausprägungen des modernen Kapitalismus‘:
den ersten, zweiten und dritten Geist des Kapitalismus.
Typisch für den dritten, „neuen Geist des Kapitalismus“, der sich seit den 1980er Jahren beobachten lässt, sind unter anderem:
die Vernetzung von Unternehmen,
neue Formen der Meritokratie und
unscharfe Organisationsstrukturen.
Autoritäre Vorgesetzte hingegen waren in früheren Entwicklungsstufen des Geistes des Kapitalismus häufiger zu finden.
Welche Aussage über die Dynamik der Moderne nach Giddens ist falsch?
a.Vertrauen muss verstärkt mobilisiert werden.
b.Soziale Beziehungen sind verstärkt an situative Kontexte gebunden.
c.Die Dynamiken wirken in den institutionellen Komplexen Kapitalismus, Industrialismus, Überwachung und Kontrolle über Gewaltmittel.
d.Raum und Zeit werden zunehmend entkoppelt.
Die Dynamik der Moderne ist für Giddens durch drei Elemente gekennzeichnet:
1) Raum und Zeit sind durch moderne Kommunikations- und Mobilitätsformen voneinander entkoppelt.
2) Dies führt dazu, dass soziale Beziehungen sich von örtlichen und situativen Kontexten lösen.
3) Eine derartige „Entbettung“ setzt eine verstärkte Mobilisierung von Vertrauen voraus.
Diese drei Elemente wirken in vier institutionellen Komplexen, die für moderne Gesellschaften typisch sind:
1) Kapitalismus,
2) Industrialismus,
3) Überwachung und
4) Kontrolle über Gewaltmittel.
Welche beiden Aussagen über die McDonaldisierung sind richtig?
Frage 3Antwort
a.Eine Rationalisierung der Produktion führt zur Ressourcenschonung.
b.Die Rationalisierung steht der Individualisierung konträr gegenüber.
c.Aus unerfüllten Ansprüchen an Organisationen resultieren gesteigerte Ansprüche an diese.
d.Die Verbreitung von Fastfood-Ketten verdeutlicht die Arbeitsverdichtung.
Welche beiden Aussagen über die Zweite Moderne nach Beck sind richtig?
a.In der Zweiten Moderne sind Risiken umgekehrt proportional zum Reichtum verteilt.
b.In der Zweiten Moderne ist die Latenz von Modernisierungsrisiken aufgehoben.
c.Als Zweite Moderne bezeichnet Beck die aus der Agrargesellschaft hervorgegangene Industriegesellschaft.
d.Die Zweite Moderne ist von einer reflexiven Modernisierung gekennzeichnet.
d) Die Zweite Moderne ist von einer reflexiven Modernisierung gekennzeichnet.,
b) In der Zweiten Moderne ist die Latenz von Modernisierungsrisiken aufgehoben.
Die aus der vormodernen Agrargesellschaft hervorgegangene Industriegesellschaft wird als Erste Moderne bezeichnet.
Als Zweite Moderne hingegen bezeichnet Beck den Übergang der Industrie- in die Risikogesellschaft, in der die Nebenfolgen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zunehmend reflexiv betrachtet werden. Dadurch verlieren Modernisierungsrisiken ihre Latenz; sie werden nun von gesellschaftlichen Diskursen explizit thematisiert.
In der Ersten Moderne waren Risiken umgekehrt proportional zum Reichtum verteilt; bedroht waren hier vor allem die Armen
In der Zweiten Moderne ist dieses Verteilungsprinzip jedoch gelockert – was Beck auf die viel zitierte Formel bringt: „Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch.“
Ordnen Sie die Dimensionen der Machtanalytik Foucaults nach dem Grad ihrer Dauerhaftigkeit. Beginnen Sie mit der spontansten und am wenigsten geregelten Dimension.
Frage 5Antwort
a. Machtbeziehungen, Regierungstechnologien, Herrschaftszustände
b. Regierungstechnologien, Herrschaftszustände, Machtbeziehungen
c. Machtbeziehungen, Herrschaftszustände, Regierungstechnologien
d. Regierungstechnologien, Machtbeziehungen, Herrschaftszustände
Erläutern Sie das Klassenmodell von Marx als klassisches Modell sozialer Ungleichheit.
Karl Marx (1818–1883) entwickelte seine Klassentheorie Mitte des 19. Jahrhunderts. Zwar war Marx nicht der erste, der den Begriff „Klasse“ nutzte, aber sein Konzept, Gesellschaft als von Klassen geprägt zu begreifen, ist grundlegend und bis heute einflussreich. Marx sieht die Geschichte als eine Abfolge von Klassenkämpfen, die durch jeweils spezifische Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte gekennzeichnet sind.
Er unterscheidet vor allem zwei große Klassen: die Bourgeoisie, welche die Produktionsmittel besitzt und dadurch ökonomische sowie gesellschaftliche Macht ausübt, und das Proletariat, die Arbeiterklasse, die keine Produktionsmittel besitzt und daher gezwungen ist, ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Diese dichotome Klassenteilung bildet die Grundlage seiner Analyse der kapitalistischen Gesellschaft. Marx sieht in der sozialen Ungleichheit eine direkte Folge des Privateigentums an Produktionsmitteln, durch das die Bourgeoisie den von den Arbeitern erarbeiteten Mehrwert aneignet und dadurch Kapital anhäuft. Das Proletariat erhält im Gegensatz dazu lediglich einen geringen Lohn und ist materiell wie auch politisch und sozial unterdrückt.
Nach Marx ist die Geschichte insgesamt eine Geschichte von Klassenkämpfen, in denen sich Klassen mit antagonistischen Interessen gegenüberstehen. Die Bourgeoisie will die bestehenden Verhältnisse bewahren, während das Proletariat deren Überwindung anstrebt. Dieser grundlegende Interessengegensatz führt zu einem dauerhaften Klassenkonflikt, der im kapitalistischen System angelegt ist und langfristig in einer proletarischen Revolution münden soll. Dabei versteht Marx Klassen nicht nur als rein statistische Gruppen, sondern unterscheidet zwischen einer „Klasse an sich“ – also Menschen mit ähnlicher ökonomischer Lage – und einer „Klasse für sich“, die sich durch ein gemeinsames Klassenbewusstsein auszeichnet und dadurch zu kollektiven politischen Akteuren wird.
Marx betont zudem, dass die ökonomische Basis einer Gesellschaft den sogenannten Überbau – bestehend aus Politik, Kultur, Recht und Religion – prägt. Die wirtschaftliche Herrschaft der Bourgeoisie führt somit auch zu politischer und ideologischer Dominanz. Damit ist soziale Ungleichheit nicht nur eine Frage von Besitz, sondern auch von Macht und Herrschaft in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen.
Kritisch wird an Marx’ Klassenmodell vor allem die starke Fokussierung auf ökonomische Determinanten gesehen sowie die Konzentration auf zwei Hauptklassen. Die gesellschaftliche Realität sei heute vielschichtiger, mit zahlreichen Mittel- und Zwischenklassen, die sich aus der Entwicklung des Dienstleistungssektors und anderer gesellschaftlicher Veränderungen ergeben haben. Außerdem widerspreche die allgemeine Wohlstandszunahme und soziale Mobilität der These einer massiven Verelendung der Arbeiterklasse. Dennoch bleibt Marx’ Klassenmodell als dynamische Analyse sozialer Konflikte und als theoretische Grundlage zur Erklärung sozialer Ungleichheit und gesellschaftlichen Wandels ein bedeutender Bezugsrahmen.
Erläutern Sie die wesentlichen Merkmale von Milieumodellen.
Wesentliche Merkmale von Milieumodellen:
Soziale Gruppen mit gemeinsamen Werthaltungen und Mentalitäten: Milieus bestehen aus Personen, die ähnliche Werte, Einstellungen und Wahrnehmungen ihrer Umwelt teilen.
Verknüpfung von objektiven und subjektiven Faktoren: Milieus basieren nicht nur auf sozialen und demografischen Merkmalen (z.B. Bildung, Einkommen), sondern vor allem darauf, wie diese „objektiven“ Bedingungen subjektiv wahrgenommen und verarbeitet werden.
Fließende Grenzen: Milieus sind nicht strikt abgrenzbar, sondern gehen oft fließend ineinander über.
Milieus als Erweiterung von Schichtmodellen: Milieumodelle ergänzen oder differenzieren traditionelle soziale Schichten durch die Einbeziehung von Lebensauffassungen und sozialen Orientierungen.
Bezug zu Lebensstilen: Milieus und Lebensstile sind eng verbunden, unterscheiden sich aber darin, dass Lebensstil mehr Wahlfreiheit und Ausdrucksfunktion betont, während Milieus stärker an milieuspezifische Wahrnehmungen und gegebene Bedingungen gebunden sind.
Mehrdimensionale Modelle: Milieumodelle integrieren verschiedene Dimensionen wie soziale Lage (vertikal) und Wertorientierungen (horizontal), z.B. im SINUS-Modell.
Veränderlichkeit: Milieus verändern sich im Laufe der Zeit durch gesellschaftlichen Wandel, passen sich aber milieuspezifisch an neue Bedingungen an.
Stellen Sie die Sinus-Milieus für Deutschland vor.
Die Sinus-Milieus sind ein etabliertes sozialwissenschaftliches Modell, das Menschen anhand ihrer Lebensauffassungen, Werteorientierungen und sozialen Lage in unterschiedliche Gruppen einteilt. Ausgangspunkt war eine Studie des SINUS-Instituts in den 1980er Jahren, die das Ziel hatte, Lebenswelten anhand subjektiver Lebenslagen und -stile zu erfassen.
Das Modell ordnet die Milieus auf zwei Achsen an:
Horizontal: von traditionellen bis zu postmateriellen Wertorientierungen
Vertikal: nach sozialer Lage, gemessen an Bildung, Beruf und Einkommen.
Es existieren mehrere Milieus, die sich durch typische Werte, Lebensweisen und Konsummuster unterscheiden. Beispiele sind:
Die Konservativ-etablierten: Traditionsbewusst, gesellschaftlich etabliert, legen Wert auf Ordnung und Sicherheit.
Die Sozialökologischen: Umweltbewusst, kritisch gegenüber Konsum und Gesellschaft, häufig postmateriell orientiert.
Die Hedonisten: Jung, experimentierfreudig, konsumorientiert, mit einem starken Fokus auf Spaß und Lebensfreude.
Die Prekären: Menschen in schwierigen sozialen Lagen, mit Zukunftsängsten und oft unsicheren Arbeitsverhältnissen.
Die Expeditiven: Kreativ, individualistisch und weltoffen, gelten als Avantgarde mit hoher kultureller und digitaler Vernetzung.
Das Modell wird regelmäßig aktualisiert, um gesellschaftliche Veränderungen abzubilden, und wird neben der allgemeinen Bevölkerung auch für spezifische Gruppen wie Migranten angewandt.
Die Sinus-Milieus sind besonders nützlich in der Marktforschung, da sie Konsumverhalten und Kommunikationsstrategien zielgenau differenzieren helfen.
Erläutern Sie die Sinus-Milieus am Beispiel der „Expeditiven“.
Die „Expeditiven“ sind ein Milieu, das vor allem für junge, kreative und weltoffene Menschen steht. Sie zeichnen sich durch eine hohe Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen, Technologien und Lebensformen aus. Individualität und Selbstverwirklichung spielen für sie eine zentrale Rolle. Die Expeditiven gelten als Avantgarde, die gesellschaftliche Entwicklungen prägt und vorantreibt. Sie sind ein wichtiger Motor für Innovation und kulturellen Wandel.
Typische Merkmale der Expeditiven:
Lebensstil: Experimentierfreudig, innovativ, offen für kulturelle Vielfalt und alternative Lebensentwürfe.
Werte: Hohe Toleranz, Umweltbewusstsein, gesellschaftliches Engagement, aber auch der Wunsch nach persönlicher Freiheit und Flexibilität.
Soziale Lage: Meist gut gebildet, oft in kreativen oder digitalen Berufen tätig.
Mediennutzung: Stark digital und sozial vernetzt, affin für neue Medien und Trends.
Einstellungen: Kritik an traditionellen Normen, Streben nach Veränderung und progressiven Ideen.
Welche beiden Aussagen über das Marxsche Klassenmodell sind richtig?
a. Proletarier werden durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu entfremdeten Individuen.
b. Eine „Klasse an sich“ entsteht, wenn ihre Mitglieder ein gemeinsames Klassenbewusstsein entwickeln.
c. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist alleinige Ursache sozialer Ungleichheit.
d. Sozialer Wandel wird durch Klassenkämpfe gebremst.
Marx sieht den Klassengegensatz, der sich in der Verfügungsgewalt über Produktionsmitteln ausdrückt als Ursache sozialer Ungleichheit. Im Kapitalismus besitzt eine Klasse - die Bourgeoisie - alle Produktionsmittel und beherrscht die Arbeiterklasse - die Proletarier - welche nur Ihre Arbeitskraft besitzt. Die aus diesem Klassengegensatz resultierenden Klassenkämpfe sind Triebkräfte für sozialen Wandel. Durch die warenförmige, einzig an Profit orientierte Produktion wird der Proletarier im Kapitalismus von seinem Produkt entfremdet.
Die richtigen Antworten sind:
c) Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist alleinige Ursache sozialer Ungleichheit.,
a) Proletarier werden durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu entfremdeten Individuen.
Soziale Mobilität als Entschichtungsvorgang“: Diese Aussage ist kennzeichnend für wessen Schichtungstheorie?
a. Ralf Dahrendorf
b. Talcott Parsons
c. Theodor Geiger
d. Helmut Schelsky
Er beobachtet in den 1950er Jahren umfangreiche Auf- und Abstiegsprozesse, die „zu einem relativen Abbau der Klassengegensätze, einer Entdifferenzierung der alten, noch ständisch geprägten Berufsgruppen und damit zu einer sozialen Nivellierung in einer verhältnismäßig einheitlichen Gesellschaftsschicht“ führen. Schelsky spricht daher von einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft". Soziale Mobilität stellt sich für ihn somit weniger als Umschichtungs-, sondern vor allem als Entschichtungsprozess dar.
Welche Aussage über die funktionalistische Schichtungstheorie nach Davis und Moore ist falsch?
a. Der Rang einer Position wird durch ihre funktionale Bedeutung für die Gesellschaft und ihr Prestige bestimmt.
b. Damit Menschen ist eine langwierige Ausbildung investieren, müssen ihnen Belohnungen in Aussicht gestellt werden.
c. Soziale Ungleichheit ist ein unbewusst entwickeltes Werkzeug, mit dessen Hilfe die Gesellschaft sicherstellt, dass die wichtigsten Positionen mit den fähigsten Personen besetzt werden.
d. Da wichtige Funktionen spezifische Fähigkeiten erfordern, ist das geeignete Personal knapp.
Kernaussage der funktionalistische Schichtungstheorie ist, dass
eine soziale Schichtung nützlich und notwendig ist, um die wichtigsten Positionen der Gesellschaft mit den geeignetsten Personen besetzen zu und damit die gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten.
Aufgrund von natürlichen Unterschieden der Verteilung von Talenten und Fähigkeiten unter sozialen Akteuren bestünde eine relative Knappheit an geeignetem Personal für bestimmte soziale Positionen.
Die Erfüllung wichtiger Anforderungen müsse durch ein entsprechendes Belohnungssystem gewährleistet werden. Daraus folgt, dass Menschen, welche diese Anforderungen aufgrund ihrer Talent- und Fähigkeitsausstattung erfüllen können, besser entlohnt werden und somit einen höheren sozialen Status erlangen als andere.
Der Rang einer Position wird somit neben ihrer funktionale Bedeutung für die Gesellschaft auch durch eine relative Knappheit des Personals bestimmt.
Der Rang einer Position wird durch ihre funktionale Bedeutung für die Gesellschaft und ihr Prestige bestimmt.
Welche Aussage über Webers Klassenmodell ist falsch?
a.Webers Klassenmodell ist mehrdimensional.
b.Soziale Klassen bezeichnen die Gesamtheit der Klassenlagen zwischen denen Mobilität typischerweise stattfindet.
c.Arme gehören einer Besitzklasse an.
d.Eine Person gehört entweder der Besitz-, der Erwerbs- oder der sozialen Klasse an.
Max Weber entwickelte ein mehrdimensionales Klassenmodell in welchem die Klasseneinteilung schwerpunktmäßig gemäß Besitz, zusätzlich aber auch gemäß Verfügungsgewalt über Leistungsqualifikation erfolgt.
Eine Person wird in mehrere Typen von Klassen eingeteilt. So unterscheidet Weber zwischen
Besitzklassen (negativ privilegiert, positiv privilegiert, Mittelstandsklassen),
Erwerbsklassen (z.B. Arbeiter, Unternehmer, ...) und
sozialen Klassen ("Arbeiterschaft", "Kleinbürgertum", "besitzlose Intelligenz und Fachgeschultheit", "Besitzende und durch Bildung Privilegierte").
Auch Arme gehören als negativ privilegierte somit einer Besitzklasse an.
Soziale Klassen = Gesamtheit der Klassenlagen zwischen denen Mobilität typischerweise stattfindet. Unter Klassenlage versteht Max Weber eine individuelle soziale Position, welche sich aus der jeweiligen Güterversorgung, der äußeren Lebensstellung und aus Maß und Art der Verfügungsgewalt über Güter oder Leistungsqualifikationen ergibt.
Die Klasseneinteilung ist dabei jedoch nur eine mögliche Darstellung der Sozialstruktur neben Ständen und Parteien.
d) Eine Person gehört entweder der Besitz-, der Erwerbs- oder der sozialen Klasse an.
Welche Definition von Schicht nach Geiger ist richtig?
a. Eine Schicht zeichnet sich durch je spezifische Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse aus. Dabei herrschen Besitzer von ökonomischem Kapital über Nichtbesitzer.
b. Eine Schicht besteht aus vielen Personen (Familien), die irgendein erkennbares Merkmal gemein haben und als Träger dieses Merkmals einen gewissen Status in der Gesellschaft und im Verhältnis zu anderen Schichten einnehmen.
c. Eine Schicht besteht aus einer Mehrzahl von Menschen, denen eine spezifische ursächliche Komponente ihrer Lebenschancen gemeinsam ist, soweit diese Komponente lediglich durch ökonomische Güterbesitz- und Erwerbsinteressen dargestellt wird.
d. Eine Schicht besteht aus einer Vielzahl von Personen, die sich durch typische Komponenten des Lebensschicksals auszeichnen, welche sich wiederum an eine gemeinsame Eigenschaft vieler knüpfen.
Eine Bestimmung der sozialen Lage allein über ökonomische Merkmale ist typisch für Klassenmodelle, beispielsweise von Marx oder, eingeschränkt, auch Weber. Von diesem Verständnis grenzt sich Geiger explizit ab, indem er Schichten als Oberbegriff zur Beschreibung der Sozialstruktur einer Gesellschaft versteht und wie folgt definiert:
„Jede Schicht besteht aus vielen Personen (Familien), die irgendein erkennbares Merkmal gemein haben und als Träger dieses Merkmals einen gewissen Status in der Gesellschaft und im Verhältnis zu anderen Schichten einnehmen.“
Zwar identifiziert Geiger typische „Mentalitäten“, die in einer Schicht vorherrschen; ihre Zuordnung zu einer Schicht erfolgt jedoch ex post und ist nicht deterministisch zu verstehen.
b) Eine Schicht besteht aus vielen Personen (Familien), die irgendein erkennbares Merkmal gemein haben und als Träger dieses Merkmals einen gewissen Status in der Gesellschaft und im Verhältnis zu anderen Schichten einnehmen.
Nennen und erläutern Sie drei von vier Handlungsdeterminanten, die laut Rössel konstituierend für soziale Ungleichheit sind.
Erläuterung = Mittel, über die ein Individuum verfügt, um seine Ziele zu verfolgen. Dazu zählen z. B. Bildung, Geld, Zeit, Wissen, soziale Netzwerke oder Gesundheit. → In Bezug auf soziale Ungleichheit ist entscheidend, wie ungleich diese Ressourcen verteilt sind, da sie maßgeblich beeinflussen, welche Chancen Individuen im Leben haben.
Erläuterung = äußere Begrenzungen oder Strukturen, die individuelles Handeln einschränken oder ermöglichen – z. B. Gesetze, kulturelle Normen, institutionelle Barrieren oder Diskriminierung. → Soziale Ungleichheit zeigt sich darin, dass bestimmte Gruppen mehr Einschränkungen erleben als andere (z. B. Zugang zu Bildung oder Arbeitsmarkt).
Erläuterung = Ziele und Absichten, die Individuen mit ihrem Handeln verfolgen. Diese sind nicht frei wählbar, sondern oft geprägt durch soziale Herkunft, kulturelle Einflüsse und verfügbare Ressourcen. → In ungleichen Gesellschaften variieren Handlungsziele stark zwischen sozialen Gruppen, weil nicht alle denselben Horizont an Möglichkeiten kennen oder anstreben können.
Handlungspartner = sozialen Beziehungen, in die das Individuum eingebettet ist – also wer bei der Zielerreichung unterstützt oder behindert. Auch sie sind ungleich verteilt und oft abhängig vom sozialen Umfeld.
Die Analyse sozialer Ungleichheit bezieht sich laut Rössel insbesondere auf die ungleiche Verteilung von Handlungsressourcen und Handlungsrestriktionen. In Kombination mit Zielen und Partnern ergibt sich ein komplexes Bild darüber, wie soziale Positionen individuelle Handlungsmöglichkeiten strukturieren.
Erläutern Sie die drei alltagsästhetischen Schemata nach Schulze. Ordnen Sie diesen jeweils ihre spezifische Ausprägung der Dimensionen Genuss, Distinktion und Lebensphilosophie
Gerhard Schulze unterscheidet in seiner Theorie der Erlebnisgesellschaft drei zentrale alltagsästhetische Schemata, die sich darin unterscheiden, wie Individuen Erlebnisse genießen, sich von anderen abgrenzen und ihr Leben philosophisch deuten. Diese Orientierungen prägen wiederum soziale Milieus, die nicht ausschließlich, aber deutlich durch Alter und Bildung beeinflusst sind. Die drei Schemata sind:
Genuss: Kontemplation – Der Genuss ist zurückhaltend und reflektiert. Der Körper wird eher zurückgenommen; z. B. sind laute Ausbrüche verpönt.
Distinktion: Anti-barbarisch – Abgrenzung erfolgt gegenüber vermeintlich „unkultivierten“ Personen wie dem Bildzeitungsleser oder Viel-Fernseher.
Lebensphilosophie: Bildung und Kultiviertheit stehen im Vordergrund, oft mit einer gewissen Selbstironie.
Genuss: Gemütlichkeit – Es geht um vertraute, entspannte, wenig anstrengende Erlebnisse. Neues oder Herausforderndes wird eher vermieden.
Distinktion: Anti-exzentrisch – Zunächst wenig eigene Distinktion, später Abgrenzung gegen das „Abgehobene“ und Ungewohnte.
Lebensphilosophie: Harmonie durch schöne Illusion – Beispielhaft durch Happy Ends und Idealbilder; das Leben soll „rund“ und friedlich erscheinen.
Genuss: Action, Abwechslung, Expressivität – Erlebnisse sollen aufregend, neu und intensiv sein. Der Körper wird aktiv eingesetzt (z. B. in der Disco oder beim Sport).
Distinktion: Anti-konventionell – Abgrenzung erfolgt gegenüber „langweiligen“ oder „normalen“ Lebensstilen, etwa biederen Familienvätern.
Lebensphilosophie: Narzissmus – Das Ich ist selbst Maßstab für Erfolg, Erlebnisintensität und Selbstverwirklichung.
Welche Aussage über die alltagsästhetischen Schemata nach Schulze ist richtig?
a) Lebensphilosophie des Trivialschemas ist der Narzissmus.
b) Der Genuss des Spannungsschemas ist durch Kontemplation geprägt.
c) Das Integrationsmilieu zeichnet sich durch eine Nähe zum Hochkultur- und Spannungsschema aus.
d) Das Integrationsmilieu zeichnet sich durch eine Nähe zum Hochkultur- und Trivialschema aus.
Laut Gerhard Schulze (in „Die Erlebnisgesellschaft“) entstehen soziale Milieus aus der jeweiligen Nähe oder Distanz zu den drei alltagsästhetischen Schemata (Hochkultur, Trivial, Spannung). Diese Milieus basieren auf Stiltypen, die sich in ästhetischen Vorlieben und Bedeutungszuschreibungen ausdrücken. Insgesamt unterscheidet Schulze fünf typische Milieus:
Schematische Nähe: Hochkultur-Schema
Merkmale: Bildung, kultivierter Geschmack, kontemplativer Genuss, Distinktion durch Abgrenzung von Trivialem
Lebensphilosophie: Anspruchsvolles Leben, geistige Tiefe
Schematische Nähe: Spannungsschema
Merkmale: Suche nach Erlebnis, Abwechslung, körperbetonter Genuss (z. B. Sport, Party, Reisen)
Distinktion: Anti-konventionell, Selbstverwirklichung
Lebensphilosophie: Narzissmus, Unterhaltung, Expressivität
Schematische Nähe: Trivialschema
Merkmale: Gemütlichkeit, familiäre Werte, Gewohnheit, Konformität
Distinktion: Anti-exzentrisch (Ablehnung von Hochkultur- und Spannungsschema)
Lebensphilosophie: Harmonie und schöne Illusion
Schematische Nähe: Hochkultur- und Trivialschema
Merkmale: Kombination von Bildung/kulturellem Anspruch und bürgerlicher Gemütlichkeit
Lebensstil: Ausgleich zwischen Anspruch und Normalität, Mitte der Gesellschaft
Schematische Nähe: Hochkultur- und Spannungsschema
Merkmale: Kreativität, Selbstverwirklichung, künstlerische Unruhe, nonkonformistisch
Lebensphilosophie: Individualität, Tiefe, aber auch Erlebnisdrang
Die Milieus sind nicht strikt voneinander getrennt, sondern fließend. Jeder Mensch hat unterschiedlich starke Nähe oder Distanz zu den einzelnen Schemata.
Die Zugehörigkeit zu einem Milieu hängt stark mit Alter (jünger/älter als ca. 40 Jahre) und Bildung (niedrig, mittel, hoch) zusammen.
Schulze spricht von einer „gespaltenen Vertikalität“: Die traditionelle Bildungshierarchie wird zunehmend durch eine altersbezogene Erlebnisorientierung überlagert.
Hartmut Rosa beschreibt in seiner Zeitsoziologie den Akzelerationszirkel als einen sich selbst antreibenden, strukturellen Zwang zur Beschleunigung in modernen Gesellschaften. Dieser Zirkel besteht aus drei zentralen Dimensionen, die sich gegenseitig verstärken:
als zielgerichteter Prozesse durch technische Innovationen und maschinelle Optimierung – insbesondere in Transport, Kommunikation und Produktion.
Beispiel: Die Erfindung der Eisenbahn, später Autos, Flugzeuge, das Internet – all das reduziert den Zeitaufwand für Bewegung und Informationsübertragung. → Dadurch scheinen Räume „zu schrumpfen“ (Raum-Zeit-Kompression).
Folge: Mehr Aktivitäten können in kürzerer Zeit erledigt werden, was neue Handlungsmöglichkeiten schafft – aber auch den Erwartungsdruck erhöht.
Durch Zunahme der Frequenz, mit der sich soziale Strukturen und Praktiken verändern – z. B. Lebensformen, Berufe, Werte, Moden, Partnerschaften.
Beispiel: Menschen haben heute mehrere Berufe oder Partnerschaften im Leben, kulturelle Trends wechseln rasch. → Das führt zu einem Gefühl permanenter Unsicherheit und Orientierungsverlust.
Folge: Technischer Fortschritt schafft neue Optionen, die wiederum Wandel anstoßen – wodurch wiederum technischer Fortschritt nötig wird, um mitzuhalten.
Durch Zunahme der Anzahl an Handlungen pro Zeiteinheit im Alltag einzelner Personen – also subjektiv empfundener Zeitdruck.
Beispiel: Multitasking, Schnelllebigkeit im Alltag, Freizeitstress – Menschen versuchen, mehr in weniger Zeit zu erledigen. → Statt Zeitgewinn bringt technische Beschleunigung paradox mehr Hetze.
Folge: Subjektives Gefühl der Zeitknappheit, das wiederum Druck erzeugt, noch mehr zu beschleunigen.
Diese drei Dimensionen bedingen und verstärken sich gegenseitig wodurch eine zirkuläre Dynamik entsteht (Akzelerationszirkel):
Technischer Fortschritt → neue Optionen → sozialer Wandel.
Sozialer Wandel → neue Anforderungen → erhöhtes Lebenstempo.
Erhöhtes Lebenstempo → Nachfrage nach neuer Technik zur Bewältigung → technische Beschleunigung.
➡️ Dadurch entsteht ein struktureller Zwang zur permanenten Beschleunigung, der nicht einfach gestoppt werden kann – selbst „Entschleunigung“ wird funktional genutzt, um neue Beschleunigung zu ermöglichen (z. B. durch Wellness zur Regeneration für den Arbeitsalltag).
Erklärung:
a) Falsch: Die technische Beschleunigung führt eher zu einer Raumschrumpfung (durch z.B. schnellere Transport- und Kommunikationstechnologien), nicht zu einer Gegenwartsschrumpfung.
b) Falsch: Die Beschleunigung des sozialen Wandels führt primär zu einem Verlust an Erwartungssicherheit, nicht zu einer Raumschrumpfung.
c) Richtig: Beschleunigter sozialer Wandel erzeugt Unsicherheiten, weil sich gesellschaftliche Bedingungen schneller ändern, als man Erwartungen darauf aufbauen kann.
d) Richtig: Das schnellere Lebenstempo führt dazu, dass Handlungen sich überlagern und Menschen mehrere Dinge gleichzeitig oder in kurzen Abständen erledigen müssen.
Nennen und erläutern Sie die beiden Determinanten, die laut funktionalistischer Schichtungstheorie den Rang einer Position bestimmen. Entwickeln Sie ein entsprechendes Beispiel.
Die zwei Determinanten, die laut Davis und Moore den Rang einer gesellschaftlichen Position innerhalb der funktionalistischen Schichtungstheorie bestimmen, sind:
Die Bedeutung oder Funktion der Position für die Gesellschaft, welche die Wichtigkeit der Position für das Funktionieren und den Erhalt der Gesellschaft darstellt. Je bedeutender eine Position für die Stabilität, Ordnung und das Wohlergehen der Gesellschaft ist, desto höher sollte ihr Rang sein. Beispiel: Die Position eines Arztes ist gesellschaftlich sehr wichtig, weil er für Gesundheit und Leben sorgt.
Die erforderliche Begabung und/oder Ausbildung, die zur angemessenen Ausübung der Position notwendig ist. Wenn besondere Talente, Fähigkeiten oder eine lange, aufwendige Ausbildung erforderlich sind, gibt es oft nur wenige geeignete Kandidaten. Um diese zu motivieren, wird die Position höher eingestuft und besser belohnt. Beispiel: Ein Chirurg benötigt umfangreiche Ausbildung und spezielles Talent, was diese Position rar und wertvoll macht.
Ein Beispiel ist die Position einer Notärztin im Vergleich zu einer Kassiererin. Die Aufgabe der Notärztin ist für die Gesellschaft äußerst bedeutsam, weil sie Leben rettet und somit eine wichtige soziale Funktion erfüllt. Gleichzeitig erfordert die Tätigkeit als Notärztin eine sehr umfangreiche Ausbildung und besondere Begabungen, da man schnell und richtig handeln muss, oft unter großem Druck. Weil sowohl die Bedeutung hoch ist als auch die Anforderungen groß sind, wird diese Position in der Regel hoch eingestuft und entsprechend belohnt.
Im Gegensatz dazu könnte man eine Position wie die einer Kassiererin im Supermarkt betrachten. Auch wenn diese Arbeit für das Funktionieren des täglichen Lebens wichtig ist, ist ihre gesellschaftliche Bedeutung weniger komplex oder kritisch im Vergleich zur Notärztin. Außerdem erfordert sie meist keine lange oder spezielle Ausbildung. Daher hat diese Position in der sozialen Rangordnung einen niedrigeren Status.
Fassen Sie die zentralen Charakteristika von Klassen- und Schichtmodellen einerseits sowie von Lebensstil- und Milieumodellen andererseits zusammen. Nehmen Sie Stellung zu den folgenden Fragen:
(1) Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Grenzen der jeweiligen Ansätze?
(2) Welche Ansätze erscheinen Ihnen als besser geeignet zur Erklärung sozialer Ungleichheit in modernen westlichen Gesellschaften? Begründen Sie Ihre Antworten.
Klassenmodelle fokussieren vor allem auf ökonomische Aspekte sozialer Ungleichheit. Entscheidend ist die Stellung im Produktionsprozess sowie der Besitz oder Nicht-Besitz von Produktionsmitteln. Daraus ergeben sich Hauptklassen wie Proletariat und Bourgeoisie, wobei auch Zwischenklassen berücksichtigt werden können. Klassen beeinflussen alle Lebensbereiche, prägen Haltungen und Handlungen, und es kann ein gemeinsames Klassenbewusstsein entstehen. Ein zentrales Element ist der Klassenkonflikt, der als Motor sozialen Wandels verstanden wird. Klassenmodelle sind eher theoretisch ausgerichtet und wollen die Ursachen sozialer Ungleichheit und gesellschaftlichen Wandels erklären.
Im Gegensatz dazu stehen Schichtmodelle, die vor allem die Beschreibung ungleicher Lebensbedingungen und Lebenschancen in den Vordergrund stellen. Schichten werden häufig nach sozioökonomischen Kriterien wie Beruf, Bildung und Einkommen differenziert, wobei eine hierarchische Abstufung mindestens drei Schichten umfasst. Schichten stellen keine automatisch antagonistischen Interessengruppen dar, und individuelle soziale Mobilität wird als möglich angesehen. Schichtmodelle betonen eher Integration und Funktionalität sozialer Ungleichheit zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung.
Lebensstil- und Milieumodelle erweitern die Betrachtung sozialer Ungleichheit um kulturelle und subjektive Dimensionen. Sie berücksichtigen die Pluralisierung und Differenzierung von Lebensweisen innerhalb ähnlicher objektiver sozialer Lagen. Milieus zeichnen sich durch typische Werte, Einstellungen und Verhaltensmuster aus, die nicht zwangsläufig mit ökonomischer Schichtzugehörigkeit übereinstimmen. Diese Modelle legen Wert auf subjektive Zugehörigkeiten und differenzierte Gruppierungen, die das soziale Gefüge vielfältiger und komplexer abbilden.
Klassenmodelle werden oft als zu ökonomisch fokussiert kritisiert, da sie viele andere Dimensionen sozialer Ungleichheit außer Acht lassen und die zunehmende soziale Differenzierung und Mobilität nicht hinreichend abbilden. Außerdem wird der starke Fokus auf den Klassenkonflikt und die dichotome Klassenstruktur der modernen Gesellschaft nicht mehr gerecht.
Schichtmodelle haben den Nachteil, dass sie eher beschreibend sind und die Ursachen sozialer Ungleichheit sowie die damit verbundenen Macht- und Herrschaftsverhältnisse weniger berücksichtigen. Zudem werden die Übergänge zwischen Schichten oft unscharf behandelt, und das Modell kann soziale Konflikte und Unterschiede zwischen Gruppen unterschätzen.
Lebensstil- und Milieumodelle stoßen an Grenzen, wenn es um die Erklärung materieller Ungleichheiten geht, da sie sich stärker auf kulturelle Differenzen und subjektive Zugehörigkeiten konzentrieren. Ihre hohe Komplexität erschwert zudem die systematische Erfassung und Vergleichbarkeit sozialer Ungleichheiten.
Während Klassen- und Schichtmodelle wichtige Grundlagen zur Analyse ökonomischer und sozialer Ungleichheit bieten, berücksichtigen sie in ihrer traditionellen Form häufig nicht ausreichend die Intersektionalität und Pluralität moderner Lebensläufe. Soziale Ungleichheiten sind heute nicht nur entlang von Klasse oder Schicht zu verstehen, sondern werden wesentlich von Mehrfachdiskriminierungen geprägt, die etwa durch Faktoren wie Migrationserfahrungen, Behinderung, Geschlecht und Hautfarbe verstärkt werden.
Beispielsweise weist das Residenzmodell zwar auf die strukturellen Schwierigkeiten von Migrant*innen hin, doch bleibt unklar, wie Mehrfachdiskriminierungen – also das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Benachteiligungsformen – in diesen Modellen abgebildet werden können. Insbesondere Menschen mit Behinderungen werden in den klassischen Modellen kaum berücksichtigt, obwohl ihre soziale Position vielfach durch Barrieren und Ausgrenzung geprägt ist.
Darüber hinaus zeigt sich, dass ein rein ökonomischer oder beruflicher Aufstieg für Menschen etwa mit nicht-weißer Hautfarbe gesellschaftlich nicht gleichwertig anerkannt wird. Selbst wenn sie vergleichbare oder höhere Qualifikationen besitzen und leitende Positionen erreichen, erfahren Schwarze Menschen – insbesondere Schwarze Frauen* – häufig strukturelle Benachteiligungen. Dazu gehören die Infragestellung ihrer Kompetenzen, Zweifel an der Wertigkeit ihrer Ausbildung oder diskriminierende Wahrnehmungen, wie sie in medizinischen Studien zur Diagnose von Erkrankungen bei People of Color dokumentiert sind. Diese Erfahrungen verhindern eine vollständige soziale Integration und gleichen Zugang zu Ressourcen und Wohlfahrt, wie es bei weißen Menschen der Fall ist.
Folglich kann sich unter diesen Bedingungen kein einheitliches, intersektionales Klassenbewusstsein entwickeln, und die Vorstellung einer homogenen sozialen Schichtung wird infrage gestellt. Die gesellschaftliche Realität struktureller Ungleichheit und Mehrfachdiskriminierung lässt sich mit den herkömmlichen Klassen- und Schichtmodellen nur unzureichend abbilden.
Lebensstil- und Milieumodelle bieten durch ihren Fokus auf kulturelle Identitäten und subjektive Zugehörigkeiten eine bessere Grundlage, diese Pluralität und Differenzierungen sichtbar zu machen. Dennoch bleiben auch sie in der Erklärung materieller und struktureller Ungleichheiten begrenzt. Insbesondere beim Thema Behinderung. Während sichtbare Behinderungen, etwa eine Mobilitätseinschränkung durch Rollstuhlnutzung, noch relativ gut in Klassenmodellen (z. B. durch erschwerte Zugänge zu Produktionsmitteln oder Einschränkungen der Arbeitskraft) sowie Schichtungsmodellen (durch funktionalistische Zuschreibungen oder Ressourcenorientierung) erfasst werden können, bleibt die Situation bei nicht sichtbaren oder emotional-sozialen Behinderungen deutlich komplexer. Menschen mit solchen Beeinträchtigungen – etwa Personen mit Autismus – können formal hohen Status, materiellen Besitz und Macht innehaben, wie beispielsweise ein angesehener Chirurg, doch manifestiert sich dieser soziale Status oft nicht in gesellschaftlichem Prestige oder Anerkennung. Dies führt zu einem sozialen Vakuum, das in klassischen Schichtungs- oder Klassenmodellen nicht abgebildet werden kann, da diese Modelle die Individualität und Diversität sozialer Fähigkeiten und die vielschichtigen Auswirkungen unsichtbarer Behinderungen nicht ausreichend berücksichtigen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass keine der traditionellen Modelle die Komplexität sozialer Ungleichheit in ihren intersektionalen und pluralen Dimensionen vollständig erfassen kann. Für eine angemessene Analyse moderner westlicher Gesellschaften bedarf es daher einer interdisziplinären und intersektionalen Perspektive, die ökonomische, kulturelle, soziale und diskriminierende Faktoren gleichermaßen berücksichtigt und ihre Wechselwirkungen in den Mittelpunkt stellt.
Welche Aussage ist richtig? Im Gegensatz zu Klassenmodellen…
a) …sollen Schichtmodelle nicht unterschiedliche Lebensbedingungen beschreiben, sondern vielmehr Ursachen sozialer Ungleichheit analysieren
b) …stehen sich Schichten immer antagonistisch gegenüber
c) …wird in Schichtmodellen der Konflikt-/Herrschaftsaspekt oft nicht thematisiert
d) …stehen bei Schichtmodellen ökonomische Aspekte im Vordergrund
Begründung:
Klassenmodelle fokussieren häufig auf ökonomische Ungleichheiten und insbesondere auf Konflikte und Herrschaftsverhältnisse zwischen Besitzenden und Besitzlosen (z. B. Marxistische Klassenanalyse).
Schichtmodelle hingegen legen mehr Wert auf die Beschreibung sozialer Lagen und Lebensbedingungen, weniger auf Konflikt- und Herrschaftsaspekte.
Antwort a) ist falsch, weil Schichtmodelle primär Lebensbedingungen beschreiben, nicht Ursachen analysieren.
Antwort b) ist falsch, da antagonistische Gegensätze eher bei Klassenmodellen betont werden.
Antwort d) ist falsch, weil ökonomische Aspekte vor allem in Klassenmodellen im Vordergrund stehen, während Schichtmodelle zusätzlich kulturelle und soziale Dimensionen berücksichtigen.
Welche beiden Aussagen über das Marxsche Klassenmodell sind korrekt?
a) Der Klassenkonflikt fungiert als Hemmschuh des gesellschaftlichen Wandels.
b) Eine Klasse ist bestimmt durch ihr Verhältnis zu den Produktionsmitteln.
c) Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein
d) Das Bewusstsein bestimmt das Sein
c) Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein.
Erläutern Sie, was Marx unter
(1) einer Klasse an sich,
(2) einer Klasse für sich,
(3) einem Klassenbewusstsein und
(4) einem Klassenkampf versteht.
Nehmen Sie daraufhin Stellung zu der Frage, ob und inwiefern das Marxsche Klassenmodell zur Erklärung sozialen Wandels in zeitgenössischen Gesellschaften geeignet ist. Begründen Sie Ihre Einschätzung
(1) Klasse an sich: Nach Marx bildet eine Klasse an sich eine soziale Gruppe, deren Mitglieder objektiv dieselbe Stellung im Produktionsprozess einnehmen, insbesondere in Bezug auf ihr Verhältnis zu den Produktionsmitteln (Besitz oder Nicht-Besitz). Sie besitzen noch kein gemeinsames Bewusstsein über diese Lage und agieren daher nicht als soziale Einheit.
(2) Klasse für sich: Wenn sich die Mitglieder einer Klasse ihrer gemeinsamen Lage und Interessen bewusst werden und sich als solche organisieren, wird aus der „Klasse an sich“ eine „Klasse für sich“. Dieses Klassenbewusstsein ermöglicht solidarisches und kollektives Handeln.
(3) Klassenbewusstsein: Das Klassenbewusstsein ist das subjektive Bewusstsein der Mitglieder einer Klasse über ihre soziale Position, ihre gemeinsamen Interessen sowie über den Gegensatz zu anderen Klassen (z.B. Bourgeoisie vs. Proletariat). Es ist Voraussetzung für den Klassenkampf und sozialen Wandel.
(4) Klassenkampf: Der Klassenkampf bezeichnet den antagonistischen Interessengegensatz zwischen den Klassen, vor allem zwischen Besitzenden (Bourgeoisie) und Nicht-Besitzenden (Proletariat). Für Marx ist der Klassenkampf der Motor gesellschaftlicher Entwicklung und der Weg zur Überwindung der Klassengesellschaft.
Fazit:
Das Marxsche Klassenmodell bietet eine zentrale und weiterhin wichtige Erkenntnis: Ökonomische Machtverhältnisse sind die Basis, die sich auf nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche – wie Kultur, Politik, Recht und Ideologie – auswirkt. Diese Einsicht verdeutlicht, dass soziale Ungleichheit und Herrschaft nicht isoliert betrachtet werden können, sondern eng mit ökonomischer Struktur und Besitzverhältnissen verknüpft sind. Das Konzept des Überbaus zeigt, wie ökonomische Grundlagen gesellschaftliche Machtverhältnisse prägen und stabilisieren.
Gleichzeitig erweist sich das Modell als begrenzt, wenn es darum geht, die Vielfalt und Komplexität moderner Gesellschaften zu erfassen. Es berücksichtigt nicht ausreichend kulturelle Dimensionen sozialer Ungleichheit, wie beispielsweise Intersektionalität, die Mehrfachdiskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Ethnizität, Behinderung oder anderen sozialen Merkmalen in den Blick nimmt. Ebenso bleiben strukturelle Gegebenheiten der Moderne, wie die Entstehung vielfältiger Mittel- und Dienstleistungsklassen oder die Zunahme sozialer Mobilität, weitgehend unberücksichtigt.
Das marxsche Modell konzentriert sich stark auf den ökonomischen Klassenkampf als Motor des sozialen Wandels. In der heutigen Gesellschaft ist jedoch oft eine Fragmentierung und Individualisierung sozialer Bewegungen zu beobachten, was das Entstehen eines gemeinsamen Klassenbewusstseins erschwert. Daher ist das Modell allein nicht ausreichend, um die komplexen Dynamiken und Differenzierungen der Gegenwart umfassend zu erklären.
Insgesamt bleibt das Marxsche Klassenmodell ein fundamentaler theoretischer Rahmen zur Analyse von Macht und Ungleichheit, dessen Kerngedanken auch heute noch relevant sind. Für eine umfassende Analyse sozialer Realität und sozialer Wandlungsprozesse ist es jedoch notwendig, das Modell durch weitere sozialwissenschaftliche Ansätze zu ergänzen, die kulturelle, politische und soziale Vielfalt stärker berücksichtigen.
Nennen und erläutern Sie die beiden von Marx unterschiedenen Klassen. Erläutern Sie den Unterschied zwischen einer „Klasse an sich“ und einer „Klasse für sich“
Karl Marx unterscheidet in seiner Klassentheorie zwischen
Bourgeoisie, als Besitzende von Produktionsmitteln (Fabriken, Maschinen, Kapital und Rohstoffe). Sie kontrolliert die Produktion und häuft durch Ausbeutung des durch die Arbeiterschaft erwirtschafteteten Mehrwerts Kapital an. Die Bourgeoisie stellt die herrschende Klasse dar, da sie über ökonomische und damit verbundene gesellschaftliche Macht verfügt.
Proletariat besitzt keine Produktionsmittel und ist daher gezwungen, ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Arbeiter erhalten nur einen geringen Lohn, sind sozial und politisch unterdrückt und erfahren aufgrund ihrer Lage eine Entfremdung.
Eine Klasse an sich beschreibt eine Gruppe von Menschen, die objektiv dieselbe soziale Lage teilen – in diesem Fall das gemeinsame Verhältnis zu den Produktionsmitteln (Besitz oder Nichtbesitz). Das heißt, die Bourgeoisie und das Proletariat bilden jeweils Klassen an sich, da ihre Mitglieder durch ihre ökonomische Position verbunden sind.
Eine Klasse für sich entsteht, wenn diese objektive Klassenzugehörigkeit durch ein gemeinsames Klassenbewusstsein ergänzt wird. Das bedeutet, die Mitglieder erkennen ihre gemeinsamen Interessen und entwickeln Solidarität, was zu kollektivem Handeln führen kann. Erst dann wird aus einer bloßen sozialen Kategorie eine aktive politische Kraft, die bewusst am Klassenkampf teilnimmt.
Skizzieren Sie zunächst Geigers Modell des Zusammenhangs von sozialer Lage, Mentalität und Schichtzugehörigkeit. Vergleichen Sie Geigers Ansatz mit dem von Marx beschriebenen Zusammenhang von Klassenlage und Klassenbewusstsein.
Entwickeln Sie ein Beispiel für den Zusammenhang von sozialstrukturellen Bedingungen einerseits und gruppenspezifischen Einstellungen bzw. Handlungsmustern andererseits. Stützt dieses Beispiel eher das Modell von Marx oder dasjenige von Geiger? Begründen Sie Ihre Antwort.
Theodor Geiger entwickelt ein Schichtmodell, das sich bewusst von marxistischen Klassenmodellen abgrenzt. Für Geiger ist eine Schicht eine Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames erkennbares Merkmal teilen und damit einen bestimmten Status in der Gesellschaft einnehmen. Dieser Status umfasst dabei verschiedene Dimensionen wie Lebensstandard, Chancen, Risiken, Privilegien, Diskriminierungen, öffentliches Ansehen und Glücksmöglichkeiten.
Geiger unterscheidet dabei zwischen objektiven und subjektiven Schichtbegriffen:
Objektive soziale Lage (Schicht): äußere soziale Merkmale, wie Einkommen oder Beruf.
Subjektive Mentalität: gemeinsame Haltungen, Einstellungen oder eine Mentalität, die nicht zwangsläufig an die objektive soziale Lage gebunden ist.
Sein zentrales Vorgehen ist, diese beiden Aspekte zunächst getrennt zu erfassen (also soziale Lage und Mentalität), und erst im Anschluss deren Verteilung zu vergleichen, um typische Mentalitäten bestimmten sozialen Lagen bzw. Schichten zuzuordnen. So entsteht eine nicht-deterministische Beziehung: Viele, aber nicht alle Schichtmitglieder teilen eine typische Mentalität.
Marx’ Klassenbegriff ist primär ökonomisch bestimmt: Klassen entstehen durch das Verhältnis der Menschen zu den Produktionsmitteln (Bourgeoisie vs. Proletariat). Marx unterscheidet zwischen:
Klasse an sich (objektive soziale Lage, z.B. Besitzverhältnisse)
Klasse für sich (bewusste, solidarische Einheit mit Klassenbewusstsein und politischem Handeln).
Das Klassenbewusstsein bei Marx ist also keine Mentalität oder Einstellung, sondern das Ergebnis einer sozialen Entwicklung, in der die Klasse ihre objektive Lage erkennt und sich organisiert.
Geigers Modell trennt objektive soziale Lage (Schicht) und subjektive Mentalität, verweist aber darauf, dass die Mentalität nicht notwendigerweise zur bewussten politischen Organisierung führt. Anders als bei Marx steht bei Geiger die mentale Komponente nicht im Zentrum der Klassen- oder Schichtdefinition, sondern ist eher ein empirisch zu erfassendes Merkmal, das sich aus der sozialen Lage ergibt.
Geiger sieht Klassen als eine spezielle Form von Schichtung, bei der Produktionsverhältnisse dominieren, berücksichtigt aber stärker die Vielfalt sozialer Merkmale und subjektiver Einstellungen.
Beispiel:
In modernen westlichen Gesellschaften sind Frauen rechtlich nicht mehr zum Heiraten gezwungen – ihre sozialstrukturellen Bedingungen haben sich in vielen Bereichen formal verbessert. Dennoch zeigt sich empirisch, dass nach einer Heirat ein Großteil der Sorgearbeit – insbesondere für Kinder – weiterhin auf Frauen fällt. Auch im Falle einer Trennung übernehmen sie deutlich häufiger die alleinige Betreuung der Kinder, was sich langfristig auf Einkommen, berufliche Entwicklung und soziale Absicherung auswirkt.
Diese Realität lässt sich nicht allein über ökonomische Kriterien im Sinne von Marx' Klassenbegriff erklären: Zwar spielt der Zugang zu ökonomischen Ressourcen eine Rolle, etwa ob eine Frau sich eine Kinderbetreuung leisten kann oder nicht. Aber Marx’ zentrale Unterscheidung – ob jemand Produktionsmittel besitzt oder nicht – greift hier zu kurz. Der gesellschaftliche Umgang mit arbeitenden Müttern – z. B. die Zuschreibung, eine „Rabenmutter“ zu sein – lässt sich mit Marx' Fokus auf Klassenlage und materielles Interesse nicht vollständig fassen. Die strukturellen Benachteiligungen von Müttern beruhen eben nicht nur auf Eigentumsverhältnissen, sondern auf kulturellen Normen, kollektiven Mentalitäten und symbolischen Zuschreibungen.
Hier kommt Geigers Schichtmodell ins Spiel: Er sieht soziale Lage und typische Mentalität in einem wechselseitigen Verhältnis. In deinem Beispiel zeigt sich das daran, dass eine bestimmte Haltung gegenüber Mutterschaft und Berufstätigkeit („gute Mutter bleibt zu Hause“) eine Mentalität ist, die gesellschaftlich weit verbreitet ist und sich in konkreten Handlungsmustern niederschlägt. Diese Mentalität wirkt sich dann wieder auf die reale Lage der Frauen aus – z. B. durch den erschwerten (Wieder-)Einstieg in den Beruf, geringere Aufstiegschancen oder soziale Abwertung. Damit wird deutlich, wie subjektive Haltungen (gesellschaftlich geteilte Erwartungen) objektive soziale Lagen (z. B. Alleinerziehendenstatus mit wirtschaftlichen Nachteilen) beeinflussen – ein zentraler Gedanke in Geigers Ansatz.
Zudem verweist Geiger darauf, dass nicht ökonomische Merkmale allein eine Schicht ausmachen, sondern dass sich Schichtung auch auf kulturelle und symbolische Ressourcen bezieht. Die alleinstehende Mutter mit gutem Einkommen erfährt dennoch häufig gesellschaftliche Abwertung, während der karriereorientierte Vater seine Schichtzugehörigkeit sogar eher festigt oder steigert.
Dieses Beispiel zeigt also, dass soziale Ungleichheit in der Moderne nicht allein aus der Stellung im Produktionsprozess hervorgeht (wie Marx es beschreiben würde), sondern aus einem komplexen Zusammenspiel von strukturellen Bedingungen und kollektiv geteilten Mentalitäten, wie Geiger es formuliert hat.
Im Folgenden finden Sie zwei Modelle sozialer Ungleichheit: das sogenannte „Haus Modell“ von Dahrendorf (1965) sowie das „Residenz-Modell“ von Geißler (2014). Erläutern Sie zunächst, was man unter vertikalen und horizontalen Dimensionen sozialer Ungleichheit sowie unter sozialer Mobilität versteht.
Vergleichen Sie daraufhin die obenstehenden Modelle hinsichtlich ihrer Konzeption sozialer Ungleichheit. Erläutern Sie insbesondere, ob und inwiefern die Modelle
1) vertikale und horizontale Dimensionen sozialer Ungleichheit sowie
2) soziale Mobilität berücksichtigen.
Wie lassen sich die von Ihnen herausgearbeiteten Unterschiede zwischen beiden Modellen erklären.
Vertikale Ungleichheit: hierarchische Gliederung der Gesellschaft von„oben“ nach „unten“
Fokus: ungleiche Verteilung von Ressourcen, Macht, Prestige und Lebenschancen.
typischen Indikatoren: Einkommen, Bildung, Berufsprestige.
Horizontale Ungleichheit: Differenzierungen innerhalb einer vertikalen Ebene, die nicht unbedingt hierarchisch sind, sondern
Indikatoren: kulturelle, regionale, ethnische, geschlechtsspezifische oder lebensstilbedingte Unterschiede
Fokus: Frauen vs. Männer, Ost- vs. Westdeutschland, unterschiedliche Milieus bei gleichem Einkommen).
Soziale Mobilität: Bewegung von Individuen oder Gruppen innerhalb der sozialen Schichtung. Dabei unterscheidet man zwischen:
intragenerationaler Mobilität (im Lebensverlauf eines Individuums)
intergenerationaler Mobilität (zwischen Elterngeneration und Kindgeneration)
vertikaler Mobilität (Auf- oder Abstieg in der Schichtung)
horizontaler Mobilität (z. B. Berufswechsel ohne Statusveränderung
Dahrendorf:
Vertikale Dimension: sehr deutlich ausgeprägt und geht von Herrschaftsverhältnissen aus – gesellschaftliche Positionen ergeben sich aus der Fähigkeit zur Normkonformität, die wiederum an die soziale Position gebunden ist. Die herrschenden Gruppen definieren Normen und Sanktionen, was zu einer systematischen Rangordnung führt = strukturierte soziale Ungleichheit.
Horizontale Dimension: eher schwach berücksichtigt. Zwar erwähnt er Heterogenität innerhalb der Eliten und spricht von „vielfältigen Herrschaftsverbänden“, aber Unterschiede z. B. nach Geschlecht oder Ethnie spielen in seinem Modell keine explizite Rolle.
Soziale Mobilität nur indirekt angesprochen. Es bleibt unklar, wie neue Gruppen herrschend werden können, wenn Konformität mit bestehenden Normen Voraussetzung für Aufstieg ist. Er beschreibt keine konkreten Mechanismen sozialer Mobilität – im Gegenteil wird suggeriert, dass herrschende Gruppen die Normen stabilisieren, was Mobilität strukturell begrenzt.
Geißler
Vertikale Dimension: bleibt zentral. Er hält an Schichtung nach Beruf, Bildung, Einkommen und Prestige fest und spricht explizit von einem „Kern vertikaler Ungleichheit“, z. B. im Bildungsbereich oder der politischen Partizipation.
Horizontale Dimension: bei Geißler stärker einbezogen. In seinen fünf Thesen zur modernen Schichtstruktur betont er die Multidimensionalität sozialer Lagen (z. B. Geschlecht, Ethnie, Lebensstil) und ihre Vermischung mit vertikalen Aspekten. = Horizontale Unterschiede verstärken, verändern oder beeinflussen die vertikale Schichtstruktur – sie „überlagern“ sie.
Ein Beispiel:
Eine Frau und ein Mann haben denselben Job (gleiche vertikale Position).
Trotzdem verdient die Frau oft weniger oder hat schlechtere Aufstiegschancen → wegen ihres Geschlechts (horizontale Ungleichheit).
Das bedeutet: Ihr Platz „im Haus“ der Gesellschaft ist nicht nur durch ihren Beruf bestimmt, sondern auch durch ihr Geschlecht.
soziale Mobilität explizit in der Kritik an älteren Modellen: Die moderne Schichtstruktur sei dynamischer und pluraler geworden. Schichten seien nicht durch klare Grenzen getrennt, sondern es gebe Übergänge. Dadurch wird Mobilität konzeptionell stärker berücksichtigt. Auch wenn berufliche Positionen stark prägend bleiben, sei die Schichtstruktur weniger starr als früher. Das Residenz-Modell lässt Bewegungen zwischen „Wohnlagen“ (sozialen Positionen) zu.
Dahrendorfs Modell stammt aus den 1960er Jahren und ist stark geprägt vom Strukturkonflikt zwischen Arbeit und Kapital, mit Bezug auf Marx – auch wenn er sich von Marx abgrenzt, etwa durch die Betonung der Institutionalisierung von Konflikten. Für ihn ist soziale Ungleichheit ein Ausdruck von Herrschaft und die Festlegung von Normen durch Eliten ist zentral. Daraus ergibt sich eine strukturell bedingte, hierarchische Ordnung, in der Mobilität begrenzt bleibt.
Geißlers Modell reflektiert die gesellschaftlichen Veränderungen seit den 1980ern, insbesondere Individualisierung und Milieubildung. Er reagiert auf Tendenzen, klassische Schichtung aufzugeben, und besteht auf deren fortbestehender Relevanz. Sein Modell ist ein Kompromiss aus vertikaler Ordnung und horizontaler Vielfalt. Die Betonung liegt auf einer dynamischen Tiefenstruktur, die sichtbar weniger rigide als bei Dahrendorf erscheint.
Das Haus-Modell von Dahrendorf betont stark vertikale Ungleichheit als Ausdruck von Herrschaft und normativer Kontrolle, vernachlässigt aber horizontale Differenzierungen und konkrete Mobilitätschancen. Das Residenz-Modell von Geißler verbindet dagegen eine dynamischere Auffassung vertikaler Schichtung mit der Einbeziehung horizontaler Dimensionen (z. B. Geschlecht, Ethnie, Lebensstil) und erlaubt Mobilität innerhalb eines offenen Schichtsystems. Die Unterschiede lassen sich auf unterschiedliche theoretische Grundlagen, Zeitkontexte und methodologische Zugänge zurückführen.
Erläutern Sie zunächst den Kapitalbegriff Bourdieus. Erläutern Sie dabei insbesondere die vier von Bourdieu unterschiedenen Arten von Kapital. Nehmen Sie daraufhin Stellung zu den folgenden Fragen:
1) Worin liegt der zentrale Unterschied zwischen den Kapitalbegriffen von Marx und Bourdieu?
2) Welcher Kapitalbegriff erscheint Ihnen geeigneter zur Erklärung der Sozialstruktur moderner Gesellschaften? Begründen Sie Ihre Antwort.
Pierre Bourdieu erweitert den klassischen ökonomischen Kapitalbegriff, indem er Kapital als jede Ressource versteht, die soziale Vorteile verschafft – nicht nur Geld oder Besitz. Er unterscheidet vier Hauptarten von Kapital:
Ökonomisches Kapital
Klassisch im Sinne von Marx: Geld, Besitz, Vermögen.
Lässt sich direkt in Geld umwandeln und ist zentral für den Zugang zu weiteren Ressourcen.
Kulturelles Kapital (in drei Unterformen):
Inkorporiertes Kulturkapital: Bildung, Wissen, Sprachstil – also all das, was man „verinnerlicht“ hat. Es wird durch Sozialisation erworben (z. B. durch die Familie), nicht einfach käuflich.
Objektiviertes Kulturkapital: Materielle Kulturgüter wie Bücher, Instrumente, Gemälde. Diese haben nur dann sozialen Wert, wenn man auch über das inkorporierte Kapital verfügt, um sie zu nutzen oder zu verstehen.
Institutionalisiertes Kulturkapital: Schulische oder akademische Titel (z. B. Abitur, Uniabschluss), die eine gesellschaftlich anerkannte Form von Bildung darstellen und oft in ökonomisches Kapital umgewandelt werden können (z. B. durch Zugang zu besser bezahlten Jobs).
Soziales Kapital
Netzwerke, Beziehungen, Zugehörigkeit zu Gruppen (z. B. Alumni-Elite-Schulen).
Wer „die richtigen Leute kennt“, hat Zugang zu Ressourcen, die anderen verschlossen bleiben. Es erfordert Pflege und ist stark von der Herkunft geprägt.
Symbolisches Kapital
Das Ansehen, Prestige oder die gesellschaftliche Anerkennung, die eine Person besitzt.
Es ist keine eigene Kapitalform, sondern die „wahrgenommene und legitim anerkannte“ Form der drei vorherigen Kapitalien.
Beispiel: Ein Doktortitel wird zu symbolischem Kapital, wenn er mit hohem Ansehen verbunden ist.
Wichtig ist: Diese Kapitalarten sind ineinander überführbar, aber nie vollständig und immer an Aufwand gebunden (z. B. braucht es Zeit und Energie, um Beziehungen aufzubauen oder Wissen zu erwerben). Sie bestimmen gemeinsam mit der Kapitalstruktur (also dem Verhältnis dieser Arten) und der sozialen Laufbahn (z. B. Aufstieg oder Abstieg im Laufe des Lebens) die soziale Position eines Menschen im gesellschaftlichen Raum.
ChatGPT:
Gerne beantworte ich deine Fragen Schritt für Schritt auf Basis des Textes über Bourdieus Konzept des sozialen Raums:
Marx betrachtet Kapital rein ökonomisch: Kapital ist das Geld bzw. Produktionsmittel, das in einer kapitalistischen Gesellschaft zur Ausbeutung von Arbeitskraft dient. Es ist zentral für den Klassenkonflikt zwischen Bourgeoisie (Kapitalbesitzende) und Proletariat (Arbeiterklasse).
Bourdieu hingegen weitet den Kapitalbegriff auf mehrere gesellschaftliche Ebenen aus: Neben dem ökonomischen Kapital betont er kulturelle, soziale und symbolische Ressourcen, die ebenfalls über Macht und Status in der Gesellschaft entscheiden. Bei ihm stehen nicht nur Produktionsverhältnisse, sondern auch Bildung, Geschmack, Netzwerke und Anerkennung im Zentrum.
➡️ Zentraler Unterschied: Marx reduziert soziale Ungleichheit auf Besitz von Produktionsmitteln (= ökonomisches Kapital). Bourdieu analysiert komplexere soziale Machtverhältnisse, bei denen unterschiedliche Kapitalformen (auch nicht-materielle) und deren Zusammenspiel über die soziale Stellung entscheiden.
Der Kapitalbegriff von Bourdieu erscheint geeigneter, um die Sozialstruktur moderner Gesellschaften zu erklären. Begründung:
Vielschichtigkeit sozialer Ungleichheit: In modernen Gesellschaften reicht es nicht aus, nur auf Besitzverhältnisse zu schauen. Bildung, Netzwerke und kulturelle Ressourcen entscheiden zunehmend über Aufstiegschancen und gesellschaftliche Teilhabe.
Erklärung von Lebensstilen und Distinktion: Bourdieu zeigt, wie soziale Unterschiede nicht nur ökonomisch, sondern auch symbolisch ausgetragen werden – z. B. über Geschmack, Sprachstil, Freizeitverhalten. Diese subtilen Formen sozialer Abgrenzung sind mit Marx’ Modell kaum erklärbar.
Flexibilität und Dynamik: Durch die Berücksichtigung der sozialen Laufbahn und der Verwandelbarkeit von Kapital kann Bourdieu Auf- und Abstiegsprozesse differenzierter erklären als das eher starre Klassenmodell von Marx.
Anwendbarkeit auf Bildung, Beruf, Kultur und Alltag: Bourdieus Kapitalmodell ist empirisch fruchtbar – es lässt sich auf viele Bereiche anwenden (z. B. Schulsoziologie, Kunstsoziologie, Stadtforschung).
➡️ Fazit: Während Marx’ Kapitalbegriff ein grundlegendes Verständnis ökonomischer Ausbeutung bietet, liefert Bourdieu ein detaillierteres und zeitgemäßeres Analyseinstrument, um soziale Strukturen und Ungleichheiten in komplexen Gesellschaften zu verstehen.
Textauszug „Jenseits von Klasse und Schicht“ überschrieben und stammt aus Beck. Fassen Sie das in diesem Textauszug vorgebrachte Argument in einem Satz zusammen. Erläutern Sie, was Ulrich Beck unter dem „Fahrstuhleffekt“ versteht. Nehmen Sie anschließend Stellung zu der Frage, ob und inwiefern der Fahrstuhleffekt zu einer Auflösung von Klassen und Schichten führt. Begründen Sie Ihre Einschätzung (ggf. Zusatz: in welchem Zusammenhang dieser mit Individualisierungsprozessen steht
Ulrich Beck argumentiert, dass sich in modernen Gesellschaften traditionelle Großgruppen wie Klassen und Schichten aufgelöst haben und soziale Ungleichheit heute nicht mehr durch stabile, kollektive Zugehörigkeiten geprägt ist, sondern durch individuell gestaltete Lebensverläufe, wobei objektive Lebenslagen und subjektive Lebensstile zunehmend auseinanderfallen.
Beck bezeichnet mit dem „Fahrstuhleffekt“ den wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit, bei dem breite Bevölkerungsgruppen – unabhängig von ihrer ursprünglichen sozialen Lage – einen allgemeinen Wohlstandsanstieg erfahren haben. Alle „fahren“ gemeinsam im „Fahrstuhl“ eine Etage höher: sowohl die besser Gestellten als auch die schlechter Gestellten haben ökonomisch profitiert. Dabei sind die Einkommensunterschiede relativ gleich geblieben, jedoch wird die Ungleichheit subjektiv weniger als trennend wahrgenommen, weil sich nun auch vormals benachteiligte Gruppen mehr leisten können (z. B. Auto, Reisen, Wohnkomfort).
Der Fahrstuhleffekt kann zu einer subjektiven Abschwächung des Klassendenkens beitragen, weil sich Lebensstile, Konsummöglichkeiten und Chancen zwischen sozialen Gruppen angenähert haben. Diese Annäherung bewirkt, dass sich Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht oder Klasse nicht mehr als zentrale Lebensrealität wahrnimmt oder kollektiv erlebt wird. In diesem Sinne unterstützt der Fahrstuhleffekt die Individualisierung, weil individuelle Entscheidungen, Lebensverläufe und Präferenzen an Bedeutung gewinnen, während kollektive Klassenbindungen an Relevanz verlieren.
Allerdings bedeutet dies keine vollständige Auflösung sozialer Ungleichheit: Strukturelle Unterschiede (z. B. ungleiche Bildungschancen, Arbeitsmarktzugänge oder Vermögensverteilung) bestehen weiterhin. Die Klassen verlieren also ihre bindende Kraft als identitätsstiftende Gruppen, aber ökonomische Ungleichheiten bleiben bestehen – teilweise sogar verschärft.
Im Zusammenhang mit der Individualisierungsthese lässt sich sagen: Der Fahrstuhleffekt hat den gesellschaftlichen Rahmen mitgeprägt, in dem sich Menschen von traditionellen Klassenbindungen „freisetzen“ konnten. Doch an die Stelle kollektiver Zugehörigkeiten treten neue institutionelle und biografische Zwänge, und das Individuum muss seine Lebensführung zunehmend selbst organisieren. Die soziale Ungleichheit wird dadurch nicht aufgehoben, sondern neu organisiert – sie erscheint eher fragmentiert und individuell zugeschrieben als strukturell kollektiv erfahrbar.
Fazit: Der Fahrstuhleffekt hat zur Wahrnehmung beigetragen, dass Klassen und Schichten an Bedeutung verlieren – er fördert die Individualisierung. Dennoch bleibt soziale Ungleichheit real existent, nur zeigt sie sich heute weniger als kollektive Gruppenzugehörigkeit, sondern als individuelles Risiko und biografische Herausforderung. Die Auflösung traditioneller Klassenstrukturen bedeutet daher nicht das Ende sozialer Ungleichheit, sondern deren Verlagerung in eine andere gesellschaftliche Erscheinungsform.
Entwickeln Sie zwei Beispiele: eins dafür, dass sich eine Kapitalart in eine andere Kapitalart konvertieren lässt, sowie ein Beispiel dafür, dass die Konvertierung einer Kapitalart in eine andere Kapitalart ausgeschlossen ist. Erläutern Sie Ihre Beispiele unter Rückgriff auf die einschlägigen Begrifflichkeiten Bourdieus und Luhmanns.
Bourdieu: Er definiert verschiedene Kapitalarten (ökonomisch, kulturell, sozial, symbolisch), die sich je nach sozialem Feld (z.B. Bildung, Wirtschaft, Politik) mehr oder weniger ineinander umwandeln lassen.
Die Konvertibilität von Kapital ist nicht automatisch, sondern abhängig von den Regeln und Machtverhältnissen des Feldes.
Kapitalumwandlung ist ein zentraler Mechanismus, um soziale Ungleichheiten zu verstehen.
Luhmann: Er betrachtet Gesellschaft als ein Systemgefüge aus Teilsystemen, die durch unterschiedliche Kommunikationsmedien operieren
Jedes System ist autonom und funktioniert nach eigenen Regeln.
Luhmann selbst benutzt nicht das Konzept „Kapitalarten“ wie Pierre Bourdieu, sondern spricht von Kommunikationsmedien in sozialen Systemen. Für Luhmann sind diese Medien quasi „Spezial-Codes“, mit denen Kommunikation in verschiedenen Teilsystemen funktioniert, z. B.:
Geld im Wirtschaftssystem
= sehr flexibles Kommunikationsmedium und lässt sich oft als „universelles Tauschmittel“ in anderen Systemen verwenden. Zum Beispiel:
Politisches System: Geld kann politisch eingesetzt werden (Lobbying, Wahlkampffinanzierung).
Rechtssystem: Geldstrafen, Entschädigungen.
Bildungssystem: Studiengebühren, Investitionen in Bildung.
Sozialsystem: Geldgeschenke, finanzielle Unterstützung im sozialen Umfeld.
Wahrheit im Wissenschaftssystem
lässt sich in ökonomisches Kapital übersetzen, z. B. durch Qualifikationen, die zu besseren Jobs führen. Das ist eine klassische Bourdieusche Kapitalumwandlung, die auch Luhmann in der Kopplung zwischen Bildungs- und Wirtschaftssystem sehen würde.
Macht im politischen System
Liebe/Vertrauen im Intimsystem
Recht im Rechtssystem
Eine „Übersetzung“ von Kapital zwischen Systemen ist nur durch Kopplungen möglich, die aber nicht immer gegeben sind.
Soziales Kapital (Vertrauen, Netzwerke) Vertrauen ist hoch system- und kontextgebunden und lässt sich nicht direkt in Geld oder Macht übersetzen. Zwar kann man soziale Beziehungen „instrumentalisieren“, aber ein 1:1-Übergang gibt es nicht.
Vertrauen und Liebe (Intimsystem) Diese Kommunikationsmedien sind so spezialisiert, dass sie kaum in ökonomische oder politische Medien „übersetzt“ werden können.
Daher sind manche Kapitalarten nicht direkt konvertierbar, weil die Kommunikationsmedien inkompatibel sind.
Übersetzbar (relativ)
Kaum oder nicht übersetzbar
Ökonomisches Kapital (Geld)
Soziales Kapital (Vertrauen)
Kulturelles Kapital (Bildung, Wissen)
Intime Kommunikation (Liebe, Vertrauen)
Symbolisches Kapital (Anerkennung, Macht)
Wahrheitsmedium (Wissenschaft)
Ergänzung:
Strukturelle Kopplung (Luhmann): Systeme können nicht direkt inhaltlich kommunizieren, aber sie können sich aneinander „ankoppeln“, indem sie Operationen des anderen Systems als Reize aufnehmen. So kann das Wirtschaftssystem das kulturelle Kapital als Signal für Produktivität interpretieren und so nutzen. Ohne diese Kopplung bleibt ein Medium in seinem System und ist für andere „unverständlich“.
Kapitaltransformation (Bourdieu): Kapitalarten sind in bestimmten sozialen Feldern mehr oder weniger anerkannt und können dort in andere Kapitalformen umgewandelt werden. Dies ist aber immer an soziale Praktiken und Machtverhältnisse gebunden.
Beispiele:
Bourdieu: Kulturelles Kapital (z.B. Schul- oder Hochschulabschluss) kann in ökonomisches Kapital umgewandelt werden, wenn Bildungsabschlüsse Zugang zu gut bezahlten Jobs ermöglichen. Das kulturelle Kapital wird dadurch in Geld (ökonomisches Kapital) „übersetzt“.
Luhmann: Das Bildungssystem (mit dem Medium „Wissen“) und das Wirtschaftssystem (mit dem Medium „Geld“) sind unterschiedliche soziale Systeme. Sie sind jedoch strukturell gekoppelt, sodass das Wissen (Bildung) als Qualifikationsnachweis im Wirtschaftssystem als Wert anerkannt und in Geld umgewandelt werden kann.
Konkretes Beispiel: Eine Person erwirbt einen Masterabschluss (kulturelles Kapital) → bekommt eine Anstellung mit hohem Gehalt (ökonomisches Kapital).
Natürlich! Hier sind die Beispiele konkret, knapp und klar formuliert – mit den wichtigsten Begriffen von Bourdieu und Luhmann direkt eingebunden:
Bourdieu: Soziales Kapital (z.B. Freundschaften, Vertrauensnetzwerke) beruht auf wechselseitiger Anerkennung und sozialen Verpflichtungen, die sich nicht direkt in Geld oder materielle Werte umwandeln lassen.
Luhmann: Vertrauen als Medium im Sozialsystem funktioniert anders als Geld im Wirtschaftssystem. Zwischen Sozialsystem und Wirtschaftssystem gibt es keine direkte strukturelle Kopplung, die Vertrauen in Geld übersetzen könnte.
Konkretes Beispiel: Das Vertrauen eines Freundes kann nicht einfach in Geld ausgezahlt werden; es bleibt ein immaterieller Wert, der nicht in ökonomisches Kapital konvertierbar ist.
Welche beiden Aussagen über die Kapitalarten nach Bourdieu sind richtig?
a) Inkorporiertes Kulturkapital meint ausschließlich das in Bildungsinstitutionen erworbene Wissen einer Person.
b) Institutionalisiertes Kulturkapital ist Zeugnis kultureller Kompetenzen mit einem relativ dauerhaften und rechtlich garantierten Wert
c) Soziales Kapital ist erheblich von der familären Herkunft abhängig
d) objektiviertes Kulturkapital gewinnt in Kombination mit institutionalisiertem Kulturkapital an Bedeutung als Aktivposten.
Welche beiden Aussagen zum Schichtmodell Geigers sind richtig?
a) Die Zuordnung der Mentalität zu einer Schicht ist deterministisch
b) Geiger stellte ein Drei-Schichten-Modell auf
c) Soziale Lagen und Mentalitäten werden getrennt erfasst, dann in ihren Verteilungen verglichen.
d) Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist in einer Gesellschaft eine bestimmte Schichtung dominant
d) Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist in einer Gesellschaft eine bestimmte Schichtung dominant.
Welche beiden Aussagen über den Gini-Koeffizienten sind richtig?
a) Der Gini-Koeffizient zur Einkommensverteilung in Deutschland in höher als derjenige zur Vermögensverteilung
b) Der Gini-Koeffizient zur Vermögensverteilung in Deutschland hat sich zwischen 1998 und 2012 erhöht.
c) Je höher der Gini-Koeffizient, desto undgleicher ist die Verteilung
d) Der Gini-Koeffizient kann Werte zwischen -1 und 1 annehmen
Richtig sind:
c) Je höher der Gini-Koeffizient, desto ungleicher ist die Verteilung.
Der Gini-Koeffizient ist ein Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen, zum Beispiel bei Einkommen oder Vermögen. Er gibt an, wie ungleich eine Verteilung ist.
Wertebereich: Der Koeffizient liegt zwischen 0 und 1 (oder 0% bis 100%).
Interpretation:
0 bedeutet perfekte Gleichverteilung (jeder hat gleich viel).
1 bedeutet maximale Ungleichheit (alles gehört einer Person).
Wie sind moderne Gesellschaften nach Luhmann differenziert? In welchem Verhältnis stehen ihre einzelnen Teilsysteme zueineander? Erläutern sie Ihre Antworten.
Luhmann beschreibt moderne Gesellschaften als funktional differenziert. Das bedeutet, die Gesellschaft ist in verschiedene autonome Teilsysteme unterteilt, die jeweils eine spezifische Funktion erfüllen. Beispiele für solche Teilsysteme sind etwa:
Das Rechtssystem
Das Wirtschaftssystem
Das Politiksystem
Das Bildungssystem
Das Wissenschaftssystem
Jedes dieser Systeme operiert nach eigenen Codes und Regeln (z. B. Recht: legal/illegal; Wirtschaft: zahlen/nicht zahlen), die seine Kommunikations- und Handlungsprozesse strukturieren.
Die Teilsysteme stehen operativ geschlossen, aber kognitiv offen zueinander:
Operative Geschlossenheit: Jedes Teilsystem funktioniert selbstreferenziell, das heißt es entscheidet und steuert seine Prozesse anhand eigener Regeln ohne direkte Steuerung durch andere Systeme. Es verarbeitet nur für sich relevante Informationen.
Kognitive Offenheit: Obwohl die Systeme operativ geschlossen sind, können sie sich über ihre Umwelt informieren und aufeinander reagieren, ohne sich in ihrer Funktionsweise direkt aufzuheben oder zu beeinflussen.
Das Verhältnis ist also ein Nebeneinander autonomer Teilsysteme, die koexistieren und sich wechselseitig beobachten, aber keine direkte Kontrolle oder Steuerung über einander ausüben.
Diese funktionale Differenzierung macht moderne Gesellschaften komplex und handhabbar, da sich die Systeme auf spezifische Funktionen spezialisieren und sich selbst organisieren. Sie verhindern dadurch eine Überforderung durch zu viele Aufgaben auf einmal und ermöglichen spezialisierte Kommunikationsformen. Andererseits birgt diese Differenzierung auch Gefahren der Entfremdung und Sinnverlust, Koordinationsprobleme und Überforderung durch die Komplexität. Die autonome Funktionsweise kann dazu führen, dass Systeme unabhängig von ethischen oder gesellschaftlichen Gesamtinteressen handeln. Zum Beispiel kann das Wirtschaftssystem Gewinnmaximierung verfolgen, ohne auf ökologische oder soziale Folgen Rücksicht zu nehmen
Erläutern Sie zunächst, was Weber unter sozialem Handeln versteht. Nennen und erläutern Sie daraufhin die vier Merkmale sozialer Tatbestände nach Durkheim. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Konzepte? Nehmen Sie schließlich Stellung zu der Frage, welches der beiden Konzepte Ihnen geeigneter erscheint, um das Handeln von Personen an Supermarktkassen zu erklären. Begründen Sie Ihre Entscheidung.
Max Weber definiert soziales Handeln als Handeln, das sich am Verhalten anderer orientiert und darauf bezogen ist. Handeln ist dabei nicht bloß ein äußeres Tun, sondern subjektiv sinnhaft gemeint – also mit einem inneren Sinn für die handelnde Person verbunden. Es ist „sozial“, wenn es sich im Sinn auf das Verhalten anderer bezieht und daran orientiert ist – z. B. durch Erwartungen, Reaktionen oder Interaktionen mit anderen Menschen.
Beispiel: Eine Person grüßt eine andere auf der Straße – sie handelt nicht einfach automatisch, sondern mit der Vorstellung, dass der Gruß erwidert oder zumindest wahrgenommen wird.
Subjektivismus = Gesellschaft wird über das Individuum und dessen subjektive Bedeutungszuschreibungen verstanden. -> Vom Individuum zum Sozialen
Durkheim betrachtet soziale Phänomene wie „Dinge“ – also als objektiv bestehende, messbare Tatbestände und versteht unter einem sozialen Tatbestand (fait social):
„jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben [...] ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt.“
Die vier zentralen Merkmale sind:
Äußerlichkeit Soziale Tatbestände existieren außerhalb des Individuums – sie sind sozial überliefert, nicht biologisch oder psychologisch bedingt.
Zwanghaftigkeit Sie üben sozialen Druck aus. Wer gegen sie verstößt, wird sanktioniert (z. B. durch Missbilligung, Strafen oder Ausgrenzung).
Allgemeinheit Sie kommen regelmäßig und weit verbreitet in der Gesellschaft vor. Es handelt sich nicht um Einzelfälle.
Eigenständige Realität (Unabhängigkeit)Soziale Tatbestände bestehen unabhängig von individuellen Ausprägungen. Man erkennt sie z. B. an statistischen Regelmäßigkeiten (z. B. Selbstmordraten), die sich über große Personengruppen hinweg zeigen.
Objektivismus = Gesellschaft besteht jenseits der Individuen und beeinflusst deren Verhalten durch äußere Zwänge. -> Vom Sozialen zum Individuum
= Weber steht exemplarisch für einen subjektivistischen Ansatz, während Durkheim einen objektivistischen Zugang zur sozialen Wirklichkeit vertritt.
Durkheim möchte soziale Phänomene erklären, indem er deren Ursachen und Wirkungen aufdeckt, ähnlich wie in den Naturwissenschaften.
Im Gegensatz dazu versteht Weber soziales Handeln als sinnhaft orientiertes Verhalten, das sich auf das Verhalten anderer bezieht. Entscheidend ist dabei der subjektive Sinn, den der Handelnde seinem Tun zuschreibt. Weber möchte nicht erklären, sondern verstehen – und zwar aus der Perspektive des Individuums heraus. Sein Ansatz ist interpretativ und richtet sich auf das Sinnverstehen von innen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Während Durkheim vom Gesellschaftlichen zum Individuellen denkt und soziale Strukturen als objektive Tatbestände begreift, geht Weber den umgekehrten Weg – vom Individuum zur Gesellschaft – und rückt subjektive Deutungen in den Mittelpunkt. Somit stehen sich in ihren Ansätzen ein erklärender Objektivismus (Durkheim) und ein verstehender Subjektivismus (Weber) gegenüber.
Welches Konzept eignet sich besser zur Erklärung des Handelns an Supermarktkassen?
Das Verhalten an Supermarktkassen (z. B. Anstellen in einer Reihe, nicht Vordrängeln) lässt sich gut mit Durkheims Konzept erklären:
Diese Regeln sind äußerlich, weil sie unabhängig vom Individuum bestehen.
Sie sind verbindlich – wer sich nicht anstellt, wird sozial sanktioniert (z. B. durch Blicke, Kommentare).
Sie sind weit verbreitet (Allgemeinheit).
Sie zeigen sich auch in statistischer Regelmäßigkeit (die Mehrheit hält sich daran).
Auch Weber kann das Verhalten als sinnhaftes Handeln deuten, indem man sich z.B. anstellt, weil man damit rechnet, dass andere das auch tun. Jedoch halte ich Durkheims Konzept für geeigneter, weil es besser die Regelhaftigkeit, Allgemeinheit und den sozialen Druck im Alltag an der Supermarktkasse beschreibt.Die Menschen folgen hier sozialen Normen, die überindividuell bestehen und unabhängig von persönlichen Motiven wirksam sind. Weber wäre hilfreicher, wenn man die Abweichungen oder die vielfältige Bedeutung des Verhaltens (z. B. bewusstes Vordrängeln als Protest) analysieren wollte.
Nennen Sie zunächst die drei struktur- und erkenntnisgeschichtlichen Eckpfeiler (Revolutionen) der Moderne nach Müller. Erläutern Sie daraufhin, was Beck unter der “zweiten Moderne” versteht. Nehmen Sie Stellung zu der Frage, ob man auch beim Übergang von der Ersten zur ZWeiten Moderne von einer “Großen Transformation” im Sinne Polanyis sprechen kann. Begründen Sie Ihre Entscheidung.
Hans-Peter Müller beschreibt den Übergang von der traditionellen zur modernen Gesellschaft als eine Große Transformation, die sich strukturell in drei grundlegenden Revolutionen vollzieht und als die zentralen Eckpfeiler der Moderne gelten. Dabei hat sich dieser tiefgreifende gesellschaftliche Umbruch in drei unterschiedlichen Ländern vollzogen:
Die ökonomische Revolution in England markiert den Übergang vom Agrar- zum Industriezeitalter und bildet die Grundlage für den modernen Kapitalismus.
Zentral: technologische Fortschritt (z. B. Dampfmaschine),
Landreform,
Trennung von Kapital und Arbeit
sowie von Haushalt und Betrieb.
Es entstehen ein Arbeitsmarkt, ein Kapitalmarkt und ein rationalisiertes Rechtssystem. Dies ebnet den Weg für die Industrialisierung und eine neue, städtisch geprägte Lebensweise.
Die politische Revolution in Frankreich 1789 beginnt Prozess der Demokratisierung. Aus Untertanen werden Bürger mit gleichen Rechten, das Prinzip der Volkssouveränität wird eingeführt, Monarchien weichen Republiken. Politik wird zur öffentlichen Angelegenheit, Rechte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit prägen das Verständnis von citizenship.
Die kulturelle Revolution in Deutschland beschreibt den Übergang vom Kollektivismus zum Individualismus.
Aufklärung, Reformation und Bildung spielen eine zentrale Rolle.
Zentrum: Ideal der Selbstverwirklichung und ein neues moralisch-ethisches Menschenbild, geprägt durch Kant (z. B. „sapere aude“ und „kategorischer Imperativ“) sowie literarisch durch Goethe (z. B. „Werde der du bist“ in Wilhelm Meisters Lehrjahre).
Beck und die “Zweite Moderne”
Während die erste Moderne durch industrielle Rationalisierung, nationale Staaten und Klassenstrukturen geprägt ist, ist die zweite Moderne nach Beck durch Globalisierung, Individualisierung, Enttraditionalisierung und Risikoproduktion charakterisiert. Alte Institutionen wie die Kernfamilie, der Nationalstaat oder der klassische Erwerbsberuf verlieren an Selbstverständlichkeit. Moderne Gesellschaften „modernisieren sich selbst“ – ein Prozess, den Beck als Reflexive Modernisierung bezeichnet.
Ist der Übergang von der Ersten zur Zweiten Moderne eine "Große Transformation" im Sinne Polanyis?
Karl Polanyi beschreibt in The Great Transformation den tiefgreifenden Wandel zur Marktgesellschaft im 19. Jahrhundert als einen Umbruch, der Wirtschaft, Staat und Gesellschaft neu strukturiert. Auch die Transformation von der ersten zur zweiten Moderne erfüllt zentrale Kriterien dieses Umbruchs:
Es handelt sich ebenfalls um eine umfassende strukturelle Neuordnung: Der Nationalstaat verliert an Einfluss, die Arbeitswelt flexibilisiert sich, traditionelle Lebensformen werden brüchig.
Die zweite Moderne bringt eine Reorganisation sozialer Sicherheiten und Institutionen mit sich, wie z. B. in der Bildung, im Familienbild und in der Arbeitsorganisation.
Ähnlich wie in Polanyis Beschreibung kommt es auch hier zu gesellschaftlichen Gegenbewegungen, etwa in Form von Populismus oder der Suche nach neuer Gemeinschaft und Sicherheit in Zeiten globaler Unsicherheiten.
Gleichzeitig unterscheidet sich der Übergang zur zweiten Moderne dadurch, dass er nicht (wie die erste Große Transformation) durch ein klar benennbares historisches Ereignis ausgelöst wird (wie z. B. die Industrielle Revolution oder die Französische Revolution), sondern als prozesshafte Selbsttransformation moderner Gesellschaften verstanden werden muss.
Insgesamt kann man also sagen: Ja, der Übergang zur zweiten Moderne stellt eine erneute Große Transformation dar – allerdings mit anderen Mechanismen, globaleren Dynamiken und weniger zentralisierten historischen Katalysatoren als im 19. Jahrhundert.
Nennen und erläutern Sie Soziales Handeln, soziologische Tatbestände unf Soziale Prozesse.
Soziales Handeln: handeln das dem subjektiven Sinn des oder der handelnden nach auf das Verhalten anderer personenbezogen ist
Soziologische Tatbestände: soziale Phänomene die dem Einzelnen Objektiv vorgegeben erscheinen und an denen er sich mit seinem sozialen Handeln zu orientieren hat sie stellen damit Aspekte gesellschaftlicher Strukturen dar
Soziale Prozesse: Abfolge von Akten sozialen Handelns und dessen Wirkung auf soziale Tatbestände bzw soziale Strukturen ( Reproduktion und Veränderung)
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