Buffl

AG Z-I

AV
by Amelie V.

Zulässigkeit der Klage

Prüfungsschema:

I. Gerichtsbezogene Voraussetzungen

  1. Deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18–20 GVG)

  2. Eröffnung des Zivilrechtswegs (§ 13 GVG)

  3. Zuständigkeit des angerufenen Gerichts

    a) Sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO, §§ 23, 71 GVG)

    b) Örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO)

II. Parteibezogene Voraussetzungen (Px4)

  1. Parteifähigkeit (§ 50 ZPO)

  2. Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO)

  3. Postulationsfähigkeit (§ 78 ZPO)

  4. Prozessführungsbefugnis

III. Streitgegenstandsbezogene Voraussetzungen

  1. Ordnungsgemäße Klageerhebung (§ 253 I ZPO), Bestimmtheit (§ 253 II ZPO)

  2. Keine anderweitige Rechtshängigkeit (§§ 261 III Nr. 1, 253 I ZPO)

  3. Keine entgegenstehende Rechtskraft (§ 322 ZPO)

  4. Rechtsschutzbedürfnis

IV. Besondere Voraussetzungen

  1. Rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung (Feststellungsinteresse, § 256 I ZPO)

  2. Fehlgeschlagenes Schlichtungsverfahren (§ 15a EGZPO i.V.m. § 53 I JustG NRW, vor allem bei Nachbarschaftsstreitigkeiten)

  • Zuständigkeit des angerufenen Gerichts

    • Vereinbarung über die Zuständigkeit, Verweisung

      • Gerichtsstandsvereinbarung (Prorogation, §§ 38, 40 ZPO)

        • Voraussetzungen

          1. Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis (§ 40 I ZPO)

          2. Keine nichtvermögensrechtlichen Ansprüche, die den Amtsgerichten ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind (§ 40 II 1 Nr. 1 ZPO)

          3. Keine ausschließliche Zuständigkeit (§ 40 II 1 Nr. 2 ZPO)

          4. Bestimmtes oder bestimmbares Gericht

        • Gerichtsstandsvereinbarung von prorogationsbefugten Parteien (§ 38 I ZPO)

          • Formfrei „durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung”

          • Prorogationsbefugnis beider Parteien, insbesondere Kaufleute

        • Gerichtsstandsvereinbarungen für internationalen Rechtsstreit (§ 38 II ZPO)

        • Nachfolgende Gerichtsstandvereinbarung (§ 38 III Nr. 1 ZPO), Gerichtsstandsvereinbarung bei erschwerter Rechtsverfolgung (§ 38 III Nr. 2 ZPO)

      • Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung (§§ 39, 504 ZPO)

      • Bindender Verweisungsbeschluss (§ 281 III 4 ZPO)

    • Sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO, §§ 23, 71 GVG)

      • Sonderzuweisung

        • Wohnraummiete (§ 23 Nr. 2a GVG, bei Mischmietverhältnissen Schwerpunkt)

        • Amtshaftung (§ 71 II Nr. 1 GVG)

      • Streitwert

        • Bis 5.000 € (einschließlich) Amtsgericht (§§ 23 Nr. 1 GVG)

        • Über 5.000 € Landgericht (§§ 23 Nr. 1, 71 I GVG)

    • Örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO)

      • Ausschließlicher Gerichtsstand

        • Ausdrückliche Bezeichnung im Gesetz

        • Vorrang (vgl. § 12 letzter Hs. ZPO), Unzulässigkeit einer Gerichtsstandvereinbarung (§ 40 II 1 Nr. 2 ZPO) und rügeloser Verhandlung (§ 40 II 2 ZPO)

        • Dingliche Klagen bei unbeweglichen Sachen (§ 24 ZPO)

        • Miet- oder Pachträume (§ 29a ZPO)

      • Allgemeiner Gerichtsstand

        • Wohnsitz des Beklagten (§§ 12, 13 ZPO i.V.m. § 7 I BGB) bzw. dessen Sitz (§§ 12, 17 I ZPO)

      • Besonderer Gerichtsstand

        • Erfüllungsort (§ 29 ZPO)

        • Verkehrsunfall (§ 20 StVG)

        • Unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO): Da es sich um eine „doppeltrelevante Tatsache“ handelt, genügt es für die Zuständigkeit, dass nach dem Vortrag des Klägers eine unerlaubte Handlung vorliegt.

        • Widerklage (§ 33 ZPO)

      • Wahlrecht (§ 35 ZPO)

  • Parteifähigkeit (§ 50 ZPO)

    • Fähigkeit, im Rechtsstreit Partei zu sein

    • Rechtsfähigkeit

      • Menschen von der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB) bis zum Tod

      • AG (§ 1 I 1 AktG), GmbH (§ 13 I GmbHG)

      • GbR (§ 705 II Alt. 1 BGB), OHG (§ 105 II HGB), KG (§§ 161 II, 105 II HGB)

  • Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO)

    • Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst (oder durch selbst bestellte Vertreter) wirksam vornehmen ider entgegenzunehmen

    • Gesetzliche Vertretung prozessunfähiger Personen

      • Minderjährige durch die Eltern (§ 1629 BGB)

      • AG durch den Vorstand (§ 78 I AktG), GmbH durch den Geschäftsführer (§ 35 I GmbHG)

      • GbR, OHG, KG durch die Gesellschafter

  • Prozessführungsbefugnis

    • Befugnis, einen Prozess über ein behauptetes (eigenes oder fremdes) Recht im eigenen Namen zu führen

    • Abgrenzung

      • Aktivlegitimation: Wem steht das Recht materiell-rechtlich zu?

      • Passivlegitimation: Gegen wen richtet sich das Recht materiell-rechtlich (Anspruchsgegner)?

      • Aktive Prozessstandschaft: Wer darf klagen?

      • Passive Prozessstandschaft: Wer muss verklagt werden?

    • Im Regelfall fallen Sachlegitimation und Prozessführungsbefugnis zusammen. -> Geltendmachtung eines eigenen Rechts im eigenen Namen

    • Ein Auseinanderfallen ergibt sich um Fall der Prozessstandschaft. -> Geltendmachtung eines fremden Rechts im eigenen Namen

      • Gesetzliche Prozessstandschaft

        • Parteien kraft Amtes

          • Insolvenzverwalter (§ 80 I InsO)

          • Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB)

          • Nachlassverwalter (§ 1984 BGB)

          • Zwangsverwalter (§ 152 ZVG)

        • In der ZPO

          • § 265 ZPO

        • Im BGB, z.B.

          • Miteigentümer (§ 1011 BGB)

          • Ehegatte bei Unwirksamkeit der Verfügung des anderen Ehegatten wegen fehlender Zustimmung (§ 1368 BGB)

      • Gewillkürte Prozessstandschaft

        1. Wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters durch den Rechtsinhaber (§ 185 BGB analog)

        2. Eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse des Prozessstandschafters, das fremde Recht geltend zu machen, wenn die Einscheidung die eigene Rechtslage beeinflusst (oft problematisch)

        3. Keine unbillige Benachteiligung des Prozessgegners, z.B. wenn durch Vermögenslosigkeit des Prozessstandschafters der Kostenerstattungsanspruch des Gegners gefährdet wird

  • Ordnungsgemäße Klageerhebung (§ 253 ZPO)

    • Zustellung der Klageschrift (§§ 166 ff. ZPO)

      • Zustellung an Prozessbevollmächtigten, sofern bestellt (§ 172 ZPO)

      • Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen an bestimmte Empfangspersonen (z.B. Familienangehörige, in der Familie beschäftigte Person) (§ 178 ZPO)

      • Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO)

      • Heilung von Zustellungsmängeln, Fiktion („gilt”) der Zustellung im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs (§ 189 ZPO)

    • Bestimmtheit (§ 253 II ZPO)

      • Der Anspruch ist zu beziffern.

        „Der auf die Zahlung eines angemessenen, nicht konkret bezifferten Schmerzensgeldbetrags gerichtete Klagantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO, da die Höhe des Anspruchs von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 I 1 ZPO abhängt und der Kläger die maßgebliche Tatsachengrundlage darlegt sowie die ungefähre Größenordnung angibt.”

  • Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO)

    • Für die Bejahung des Feststellungsinteresses genügt drohende Verjährung.

    • Durch eine tatsächliche Unsicherheit muss das Rechtsverhältnis gefährdet sein. So, wenn Streit über Art und Umfang besteht, wenn der Beklagte Rechten des Klägers zuwiderhandelt oder sie ernstlich bestreitet.

    • Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zu Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen. Es fehlt für die negative Feststellungsklage, wenn der Kläger positive Leistungsklage erheben kann, die in ihren Vorraussetzungen und Risiken für ihn nicht grundlegend verschieden ist (Vorrang der Leistungsklage).

    • Typische Fälle

      „Der Kläger hat gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung

      • des Annahmeverzugs. Zwar ist der Annahmeverzug kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, sondern eine bloße Vorfrage. Jedoch ist die Feststellung des Annahmeverzugs bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung zum Schutz des Klägers aufgrund der Vollstreckungserleichterungen der §§ 756, 765 ZPO zweckmäßig.“

      • der Ersatzpflicht für künftige Schäden gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Wenn ein Schaden durch die schädigende Handlung bereits eingetreten ist, genügt die bloße, auch nur entfernte Möglichkeit künftiger weiterer Folgeschäden, ihre Wahrscheinlichkeit gehört zur materiellen Klagebegründung.“

      • der (teilweisen) Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Dieses folgt aus einer für ihn günstigeren Kostenfolge.”


Parteistellung und -änderung, Streitgenossenschaft, Streithilfe

  • Parteistellung und -änderung

    • Begründung der Parteistellung

    • Parteiwechsel

      • Gesetzlicher Parteiwechsel

      • Gewillkürter Parteiwechsel

    • Parteierweiterung

    • Rubrumsberichtigung

  • Streitgenossenschaft

    • Es treten mehrere Kläger (aktive Streitgenossenschaft) und/ oder mehrere Beklagte (passive Streitgenossenschaft) auf.

    • Einfache Streitgenossenschaft

      • Voraussetzungen

        • Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstands (§ 59 Alt. 1 ZPO), z.B. bei Gesamtschuldnerschaft

        • Identität des Anspruchs- oder Verpflichtungsgrunds (§ 59 Alt. 2 ZPO)

        • Gleichartigkeit des Anspruchs- oder Verpflichtungsgrunds (§ 60 ZPO, Generalklausel)

      • Folge

        • Gemeinsame Verhandlung aus Gründen der Prozessökonomie

        • Prozesse bleiben selbständig und können sich unterschiedlich entwickeln (§ 61 ZPO), daher individuelle Prüfung

    • Notwendige Streitgenossenschaft

      • Voraussetzungen

        • Prozessrechtlich notwendig, wenn Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann (Rechtskrafterstreckung) (§ 62 I Alt. 1 ZPO)

        • Materiellrechtlich notwendig, wenn mehrere Berechtigte oder Verpflichtete nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts nur gemeinschaftlich Klage erheben oder verklagt werden können (§ 62 I Alt. 2 ZPO), z.B. Erbengemeinschaft (str., M1: nie, M2: nur wenn mehrere Miterben, M3: nur wenn alle Miterben als Gesamthänder)

      • Folge

        • Selbständige Prozesse (§ 61 ZPO)

        • Einschränkung: Vertretung der säumigen Streitgenossen durch die nicht säumigen Streitgenossen (§ 62 ZPO)

  • Streithilfe

    • Nebenintervention

    • Streitverkündung


Relationstechnik (Relationsmethode)

Prüfungsschema:

  1. Sammlung und Ordnung des Stoffes

  2. Klägerstation: Schlüssigkeitsprüfung (Ergeben der unstreitige Vortrag und der streitige Klägervortrag einen klägerischen Anspruch?)

    a) Entweder: Keine Schlüssigkeit = Klageabweisung im Urteil

    b) Oder: Schlüssigkeit = 1. Zwischenergebnis

  3. Beklagtenstation: Erheblichkeitsprüfung (Bringt der unstreitige Vortrag und der streitige Beklagtenvortrag den klägerischen Anspruch ganz oder teilweise zu Fall?)

    a) Entweder: Keine Erheblichkeit = Klage stattgeben im Urteil

    b) Oder: Erheblichkeit = 2. Zwischenergebnis

  4. Beweisstation: Tatsächliche Würdigung (Welchem Vortrag kann gefolgt werden?)

    a) Entweder: Einem der beiden Vorträge kann ohne Beweiserhebung gefolgt werden = Urteil

    b) Oder: Beweiserhebung und Beweiswürdigung = Beweisbeschluss

  5. (Entscheidungs- oder) Tenorierungsstation: (Entscheidungsreife und) Urteilstenor

  • Bedeutung

    • Die Relationsmethode (= Relationstechnik) ist

    • die schnellstmögliche (Beschleunigungsgrundsatz) und kostengünstigste Methode

    • zur Erfassung des Sachverhalts bei meist unterschiedlichen Vorträgen,

    • zur Erarbeitung der rechtlichen (richtigen) Lösung,

    • zur Klärung, ob der Prozess entscheidungsreif ist oder ob Beweis erhoben werden muss.

    • Die Relationsmethode müssen nicht nur Zivilrichter, sondern auch Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen, die Zivilrechtsfälle zu bearbeiten haben, berücksichtigen.

  • Klägerstation: Schlüssigkeitsprüfung

    • In der Klägerstation ist zu prüfen, ob nach dem Klägervortrag (Unstreitiges und streitiger Vortrag des Klägers), welcher als richtig unterstellt wird, der Klageantrag gerechtfertigt ist, also ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Rechtsfolge erfüllt sind. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Wird der geltend gemachte Klageanspruch (Haupt- und Nebenansprüche) nach dem Klägervortrag bejaht, ist das Klagevorbringen schlüssig.

    • Alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sind abzuhandeln.

  • Beklagtenstation: Erheblichkeitsprüfung

    • In der Beklagtenstation ist zu prüfen, ob nach dem Beklagtenvortrag (Unstreitiges und streitiger Vortrag des Beklagten), welcher als richtig unterstellt wird, der Klageantrag nicht gerechtfertigt ist.

    • Wird die Erheblichkeit einer streitigen Tatsache bejaht, muss geprüft werden, ob damit schon ein endgültiges Ergebnis zugunsten des Beklagten erzielt ist oder ob der Kläger unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg hat. Umgekehrt ist bei Verneinung der Erheblichkeit einer Tatsache zu überlegen, ob der Beklagte möglicherweise mit dieser Tatsache im Zusammenwirken mit anderen Tatsachen den in der Schlüssigkeit (Klägerstation) bejahten Anspruch zu Fall bringt. In beiden Fällen spricht man von Gesamterheblichkeit.

    • Grundsätzlich ergeben sich auf der Grundlage des Beklagtenvortrags keine neuen Anspruchsgrundlagen. Daher reicht es aus, die nach dem Klägervortrag bejahten Anspruchsgrundlagen unter Berücksichtigung des Beklagtenvortrags erneut zu prüfen.

    • Ausnahmsweise kann sich nach dem Beklagtenvortrag (auch wenn er sich gegenüber den schlüssig dargelegten Anspruchsgrundlagen erfolgreich verteidigt) eine andere Anspruchsgrundlage ergeben. Dann stellt sich das prozessuale Problem, ob der Klage auch (nur) auf der Grundlage des Beklagtenvortrags stattgegeben werden kann.

      • Unproblematisch ist, wenn sich der Kläger den Vortrag des Beklagten hilfsweise zu eigen macht, wozu Schweigen nicht genügt.

      • Problemtaisch ist, wenn sich der Kläger den Vortrag des Beklagten ausnahmsweise nicht hilfsweise zu eigen macht.

        • M1: Nach der Lehre vom gleichwertigen Parteivorbringen ist eine Alternativverurteilung ohne Beweisaufnahme möglich, wenn die Klage schlüssig ist, das Vorbringen des Beklagten auf demselben Kerngeschehnis beruht, sich ferner ergibt, dass die Klage danach unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ebenfalls gerechtfertigt ist und der Kläger sich den Vortrag des Beklagten nicht hilfsweise zu eigen macht. Diese Lehre begründet ihre Auffassung damit, dass der Kläger- und der Beklagtenvortrag gleichwertig sind und dass Gründe der materiellen Gerechtigkeit es verbieten, die Klage abzuweisen. Ferner spielt die Prozessökonomie eine Rolle.

        • M2 (vorzugswürdig): Die Rspr. und die wohl h.L. lehnen die Lehre vom gleichwertigen Parteivorbringen ab. Sie berufen sich auf den Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz. Zuvor ist aber ein richterlicher Hinweis nach § 139 ZPO notwendig.

  • Beweisstation: Tatsächliche Würdigung

    • Im Rahmen Beweisstation ist festzustellen, ob bei der Entscheidung des Rechtsstreits die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen (dann ist eine Entscheidung entsprechend dem Ergebnis der Klägerstation zu treffen) oder die vom Beklagten vorgetragenen Tatsachen (dann ist eine Entscheidung entsprechend dem Ergebnis der Beklagtenstation zu treffen) zugrunde gelegt werden können.


Stoffsammlung und -ordnung

  • Stoffsammlung

    • Grundlagen

      • Schriftsätze bzw. elektronische Dokumente

      • Urkunden, Privatgutachten, Gutachten in anderen Verfahren

      • Beiakten

      • Sitzungsprotokolle

      • Protokolle über die Beweisaufnahmen und schriftliche Sachverständigengutachten

      • Beweisbeschlüsse und frühere Entscheidungen desselben Rechtsstreits

    • Aktenauszug

  • Stoffordnung

    • Überholtes Vorbringen

      • Maßgeblich ist nur der Vortrag der Parteien, an dem sie in der letzten mündlichen Verhandlung festgehalten haben.

      • Zwischen verschiedenen Sachvorträgen einer Partei besteht ein Widerspruch.

        • Im Zweifel ist von der Berichtigung des früheren Vorbringens auszugehen.

        • Jedoch können sich Anhaltspunkte ergeben, dass die Partei an ihrem widersprüchlichen Vorbringen festhalten will.

          • Grundsätzlich ist widersprüchliches Vorbringen wegen eines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 I ZPO) unbeachtlich.

          • Etwas anderes kann bei Haupt- und Hilfsvorbringen gelten. Macht sich die Partei hilfsweise das Vorbringen des Gegners, von dessen Wahrheit sie nicht überzeugt ist, zu eigen, weil sie befürchtet, ihr Hauptvorbringen nicht beweisen zu können, liegt eine zulässige prozessuale Taktik vor.

    • Abgrenzung der Tatsachen von den Rechtsansichten

      • Tatsachen sind alle gegenwärtigen und vergangenen, äußeren und inneren, positiven und negativen Daten aus der realen Welt des Seins. Tatsachen sind dem Beweis zugänglich.

      • Der Richter ist grundsätzlich an die Rechtsansichten der Parteien nicht gebunden, sodass diese nur Anregungen darstellen.

      • In den Tatbestand gehören

        • grundsätzlich nicht (alle) Rechtsansichten,

        • Rechtsansichten, die gleichzeitig Tatsachen enthalten (können),

        • Rechtansichten, wenn deren Mitteilung zum Verständnis des Parteivortrags (z.B. bei normativen Tatbestandsmerkmalen) oder des Rechtsstreits (z.B. wenn Sachvortrag der Parteien unstreitig) erforderlich sind,

        • Rechtstatsachen (= juristische Tatsachen).

      • Voraussetzungen für eine Rechtstatsache (z.B. „Kauf“, in der Regel auch „Eigentum“, „Schenkung, Miete, Darlehen“, nicht „Sittenwidrigkeit, Passivlegitimation“) sind, dass

        1. die Parteien den Rechtsbegriff übereinstimmend verwenden,

        2. es sich um einen einfachen Begriff des täglichen Lebens handelt,

        3. sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass den Parteien der richtige Umgang mit dem Rechtsbegriff nicht zuzutrauen ist.

    • Abgrenzung des Streitigen vom Unstreitigen

      • Unstreitig ist das Parteivorbringen, wenn

        • die Parteien übereinstimmend einen bestimmten Geschehensablauf schildern,

        • der Gegner mit erkennbarem (Geständnis-)Willen gesteht (§ 288 ZPO) und sein Geständnis nicht widerruft (§ 290 ZPO) oder

        • der Gegner den Sachvortrag nicht bestreitet (§ 138 III ZPO).

      • Geständnisfiktion des § 138 III ZPO (Fiktion des Zugestehens bei Nichtbestreiten)

        • Eine Partei kann ausdrücklich oder konkludent bestreiten (Hs. 2).

        • Der gesamte Vortrag der Partei ist zu berücksichtigen und die Frage zu stellen, ob sich aus dem Gesamtzusammenhang ein konkludentes Bestreiten ergibt. Auf die zeitliche Reihenfolge kommt es nicht an.

        • Von einem konkludenten Bestreiten ist (entgegen der Formulierung) im Zweifel auszugehen. Jedenfalls muss das Gericht dies bei Zweifeln nach § 139 ZPO klären.

        • Hat der Gegner bei einem Sachverhaltskomplex verschiedene Punkte bestritten oder hierzu eine Gegendarstellung gegeben, ist anzunehmen, dass er den gesamten, zu diesem Komplex gehörenden Sachvortrag bestreiten will. Nur wenn er zu einem gesamten Komplex überhaupt nichts erklärt, greift die Geständnisfiktion ein.

      • Streitig ist das Parteivorbringen, wenn

        • die Parteien einen divergierenden Geschehensablauf schildern,

        • der Gegner sein Geständnis widerruft oder

        • der Gegner den Sachvortrag ausdrücklich oder konkludent bestreitet.

        • Neues Vorbringen einer Partei in Schriftsätzen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung bei Gericht eingehen, ist immer als streitig zu behandeln (Grundsatz des rechtlichen Gehörs). Die Kenntlichmachung im Tatbestand erfolgt wie folgt: „In einem am … bei Gericht eingegangenen Schriftsatz behauptet der Kläger weiter…“.

      • Bestreiten

        • Einfaches Bestreiten (bloße Verneinung) reicht grundsätzlich.

        • Qualifiziertes Bestreiten (Gegendarstellung) kann unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aufgrund der sich aus § 138 I und II ZPO ergebenden Mitwirkungspflicht des Gegners erforderlich sein.

          • Je detaillierter der Vortrag des Darlegungspflichten ist, desto höher ist die Erklärungslast nach § 138 II ZPO.

          • Qualifiziertes Bestreiten kann auch erforderlich sein, wenn dem primär Darlegungspflichtigen ein substantiierter Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, der Gegner hingegen die erforderlichen Informationen hat oder in der Lage ist, sich diese leicht zu verschaffen (z.B. negative Tatsachen, Tatsachen aus dem Vermögens- und Steuerbereich). Man spricht insoweit von sekundärer Darlegungslast (keine Umkehr der Darlegungslast, keine Beweiserleichterung). Wenn der primär Darlegungspflichtige greifbare Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Darlegung liefert, muss der Gegner qualifiziert bestreiten.

          • Qualifiziertes Bestreiten ist ferner erforderlich, wenn ohne die Gegendarstellung des Gegners (z.B. zur Höhe des Kaufpreises) nach einer (gedachten) Beweisaufnahme keine Entscheidungsreife eintritt oder wenn nicht klar ist, über welche Punkte (z.B. bei verschiedenen Rechnungsposten) Beweis erhoben werden muss.

          • Bestreitet der Beklagte nicht qualifiziert, obwohl dies ausnahmsweise erforderlich ist, ist sein Bestreiten unbeachtlich und der Vortrag des Gegners gilt nach § 138 III ZPO als zugestanden.

        • Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO) ist nur anzunehmen, wenn die Parteien sich ausdrücklich darauf berufen. Deshalb ist ein ausdrückliches Bestreiten mit Nichtwissen immer im Tatbestand wörtlich zu erwähnen.

        • Pauschales Bestreiten („Das Vorbringen des Gegners wird bestritten, soweit es im Gegensatz zum hiesigen Vorbringen steht.“) verstößt gegen § 138 I, II ZPO und ist daher von vornherein unbeachtlich.

    • Relationstabelle

      Aktenzeichen

      Gericht

      Streitwert

      Vorgerichtliche Einigungsversuche

      Kurzbeschreibung des Rechtsstreits

       

      Kläger

      Blatt

      Beklagter

      Blatt

      Name

       

       

       

       

      Prozessbevollm.

       

       

       

       

      Antrag

       

       

       

       

      Tatsache

       

       

       

       

       

       

       

       

       

      Rechtsansicht

       

       

       

       

       

       

       

       

       


Inhalt und Form von Tatbestand

Bewährte Darstellung des Tatbestands:

  1. Einleitungssatz über den Kern des Rechtsstreits (str.)

  2. Geschichtserzählung (= Unstreitiges)

  3. Streitiger Vortrag des Klägers

  4. Ggf. kleine/ vorgezogene Prozessgeschichte 1

  5. (Sach-)Anträge der Parteien, soweit sie auch in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gelten sollen

  6. Streitiger Vortrag des Beklagten

  7. Ggf. Replik und Duplik

  8. Große Prozessgeschichte 2

  • Allgemeines

    • § 313 II ZPO: „Im Tatbestand sollen

    • die erhobenen Ansprüche (Klagebegehren nach Gegenstand und Grund) und

    • die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel (vgl. § 282 I ZPO, auch wenn nicht entscheidungserheblich)

    • unter Hervorhebung der gestellten Anträge

    • nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp (und vor allem verständlich, vgl. §§ 314, 320 I ZPO) dargestellt werden.

    • Wegen der Einzelheiten des Sach- (= Unstreitiges) und Streitstandes (= Streitiges) soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.“

  • Einleitungssatz

    • Der Einleitungssatz ist im Präsens zu schreiben

      „Die Parteien streiten über ...“

      „Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von … € aus … [z.B. Verkehrsunfall].“

  • Geschichtserzählung

    • In die Geschichtserzählung gehört der gesamte unstreitige Tatsachenvortrag beider Parteien.

    • Die Parteien werden nur mir ihrer ursprünglichen Parteirolle (= Kläger/ Beklagter) bezeichnet.

    • Die Geschichtserzählung ist historisch aufzubauen.

    • Zeitformen

      • Grundsätzlich das Präteritum zu verwenden, da in der Regel ein abgeschlossener Lebenssachverhalt dargelegt wird.

      • Das Plusquamperfekt ist zu verwenden, wenn von dem historischen Aufbau abgewichen und ein früheres Ereignis nachgeschoben wird.

      • Im Perfekt sollten Ereignisse geschildert werden, die nach Klageerhebung eingetreten sind oder die in der Vergangenheit abgeschlossen wurden, aber noch in der Gegenwart fortwirken.

    • Fachausdrücke sind zu vermeiden und kurze Sätze zu bilden.

    • Wörtliche Zitate sind nur erforderlich, wenn und soweit eine Auslegung erfolgen muss und es auf den genauen Wortlaut ankommt. Sie sind in Anführungszeichen zu setzen.

  • Streitiger Vortrag des Klägers

    • Als Zeitform ist grundsätzlich das Präsens zu verwenden. Das Streitige selbst sowie die Rechtsansichten werden in indirekter Rede im Konjunktiv dargestellt. Als Zeitform wird für in der Vergangenheit liegende und abgeschlossene Ereignisse grundsätzlich das Perfekt und im Übrigen das Präsens verwendet.

      Bei streitigen Tatsachen immer

      „Der Kläger behauptet, … sei/ habe …“

      Bei Rechtsansichten

      „Der Kläger vertritt die Ansicht, …sei/ habe …“

    • Eine Verknüpfung von Tatsachen und Rechtsansichten (durch einen Kausalsatz) ist unzulässig. Hier empfiehlt es sich, die Sätze zu trennen und den Zusammenhang aufzuzeigen.

      „Der Kläger ist der Meinung, …“

      „Hierzu behauptet er, …”

      „In diesem Zusammenhang behauptet er, …“

    • Bei qualifiziertem Bestreiten ist der betreffende Sachvortrag sowohl beim Streitigen des Klägers als auch bei dem des Beklagten darzustellen.

    • Wird eine Tatsache nur einfach bestritten, reicht die Darstellung bei einer der Parteien aus. Bei welcher Partei die einfach bestrittene Tatsache erwähnt wird, hängt von der Darlegungslast ab. Dagegen kommt es nicht darauf an, wer die Tatsache vorgetragen und wer sie (einfach) bestritten hat.

    • Tragen mehrere Kläger unterschiedlich vor, ist zunächst der gesamte Vortrag eines Klägers (zu 1) und erst im Anschluss daran der Vortrag der anderen Kläger (zu 2 usw.) darzustellen. Tragen sie teilweise einheitlich, teilweise unterschiedlich vor, sollte zunächst der gemeinsame und im Anschluss daran getrennt nach Klägern der unterschiedliche Vortrag erwähnt werden.

  • Prozessgeschichte 1

    • Versäumnisurteil

      „Das Gericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den ... anberaumt und die Parteien mit Verfügung vom ..., dem Beklagten zugestellt am ..., geladen. Der Beklagte ist ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.“ Oder: „Das Gericht hat mit Verfügung vom … das schriftliche Vorverfahren angeordnet und dem Beklagten eine Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft binnen zwei Wochen ab Zustellung der Klage gesetzt. Die gerichtliche Verfügung und die Klageschrift sind dem Beklagten am … zugestellt worden. Der Beklagte hat seine Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig angezeigt.“

      „Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, … und hierüber durch Versäumnisurteil zu entscheiden.“

      „Das Gericht ... hat den Beklagten mit Versäumnisurteil vom ... antragsgemäß zur … verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil, das dem Beklagten am ... zugestellt worden ist, hat er mit Anwaltsschriftsatz vom …, bei Gericht eingegangenen am …, Einspruch eingelegt und diesen begründet (sowie zeitgleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt).“

      „Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte ausgeführt, dass … Der Kläger hatte rechtliches Gehör zum Wiedereinsetzungsantrag und hält diesen für unbegründet, da er der Meinung ist, dass …“


      „Der Kläger beantragt nunmehr,

                      das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

      Der Beklagte beantragt,

                     das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.”

    • Andere vollstreckbare Titel (z.B. Teilurteil, Vollstreckungsbescheid, Vorbehaltsurteil)

    • Erledigung, Klageänderung

    • Zeitform des Perfekts

  • Anträge

    • Die Darstellung erfolgt im Präsens.

    • Die in § 313 II ZPO vorgeschriebene Hervorhebung wird dadurch erreicht, dass man den Inhalt der Anträge einrückt.

    • In Fällen der objektiven Klagehäufung sind die vom Kläger gestellten Sachanträge hintereinander zu erwähnen.

      „Der Kläger beantragt,

                      1. den Beklagten zu verurteilen, …

                      2. festzustellen, dass …

      Der Beklagte beantragt,

                      die Klage abzuweisen.”

    • Maßgeblich sind nur die in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gestellten Anträge. Überholte Anträge stellen hingegen Prozessgeschichte 1 dar.

    • Grundsätzlich ist eine wörtliche Wiedergabe der Anträge geboten. Die Auslegung der Anträge gehört hingegen in die Entscheidungsgründe. Nur bei leicht erkennbaren stilistischen Mängeln, offensichtlichen Unrichtigkeiten oder offensichtlichen Ungenauigkeiten kann bereits eine Klarstellung im Tatbestand erfolgen.

    • Nicht in den Tatbestand aufzunehmen sind

      • Anträge zu den prozessualen Nebenentscheidungen, d.h. Kostenanträge und Anträge zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, da hierüber von Amts wegen entschieden wird (§§ 308 II, 708, 709, 711 ZPO) (Ausnahmen: Anträge des § 710 und des § 712 ZPO),

      • der Antrag, den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig zu verwerfen, da hierüber von Amts wegen entschieden wird (§ 341 I ZPO),

      • der „Antrag“ einer Partei, ihr zu gestatten, die Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft oder einer anderen Form der Sicherheitsleistung zu erbringen, da das Gericht gemäß § 108 I 1 ZPO nach freiem Ermessen die Art der Sicherheitsleistung bestimmt und bei keiner Bestimmung gemäß § 108 I 2 ZPO immer von einer Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft auszugehen ist,

      • der Kostenantrag des Beklagten bei einer teilweisen Klagerücknahme, da wegen des Grundsatzes der Einheit der Kostenentscheidung auch über die Kosten des zurückgenommenen Teils der Klage im Urteil zu entscheiden ist (von Amts wegen § 308 II ZPO, Kostenantrag i.S.d. § 269 IV ZPO entbehrlich).

  • Streitiger Vortrag des Beklagten

    • Das Streitige des Beklagten wird in derselben Form dargestellt wie das Streitige des Klägers.

    • Gruppen/ Reihenfolge

      • Vorbringen zur Zulässigkeit (= Zulässigkeits- bzw. Prozessrüge)

      • Vorbringen zur Begründetheit

        • Klageleugnen

        • Einreden im Sinne der ZPO

    • Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Klage sollte unmittelbar im Anschluss an den Klageabweisungsantrag dargestellt werden.

      „Der Beklagte vertritt die Ansicht, das Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO fehle. Hierzu behauptet er, …”

      Zulässigkeitsvoraussetzungen, bei denen ohne Rüge Heilung eintritt (§§ 39, 267, 295 ZPO), oder die einredeweise geltend gemacht werden müssen (z.B. §§ 269 VI, 1032 I ZPO), sind immer im Tatbestand darzustellen, und zwar im Präsens.

      „Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit.“

    • Klageleugnen meint das Bestreiten der anspruchsbegründenden Voraussetzungen, für die der Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist.

    • Einreden im Sinne der ZPO sind alle Tatsachen, die den Tatbestand einer Gegennorm ausfüllen:

      • rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen sowie Einreden im Sinne des materiellen Rechts (z.B. §§ 105, 117, 134, 138 BGB),

      • auch alle Tatbestandsmerkmale einer Norm, für die der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt (z.B. fehlendes Verschulden i.S.d. § 280 I 2 BGB).

      Die Erhebung einer Einrede im materiellen Sinn ist in der Regel unstreitig und wird im Abschnitt „streitiger Vortrag des Beklagten“ im Präsens und Indikativ erwähnt.

      „Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Hierzu behauptet er…“

      Allerdings kann es angebracht sein, die Erhebung der Einrede bereits in der Geschichtserzählung darzustellen, etwa wenn der Kläger qualifiziert bestreitet und dieses Bestreiten bereits im Abschnitt „streitiger Vortrag des Klägers“ erwähnt werden soll.

  • Replik und Duplik

    • Replik ist das Verteidigungsvorbringen des Klägers auf Einreden des Beklagten im Sinne der ZPO.

    • Duplik ist das Verteidigungsvorbringen des Beklagten auf die Replik des Klägers.

    • Sie sollten, soweit möglich, vermieden werden, weil der ständige Wechsel von Kläger- und Beklagtenvortrag die Verständlichkeit erschweren kann.

  • Prozessgeschichte 2

    • Die Prozessgeschichte ist in den Tatbestand nur aufzunehmen, soweit sie für die Entscheidung von Bedeutung ist. Das ist dann der Fall, wenn Ausführungen hierzu in den Entscheidungsgründen erforderlich sind.

    • Der Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht ist entscheidungserheblich, wenn Verspätungsregeln erörtert werden müssen.

    • Hängt der Zinsbeginn von der Rechtshängigkeit ab, ist das gemäß §§ 261 I, 253 ZPO entscheidende Datum der Zustellung der Klageschrift (§ 187 I BGB) zwingend in der Prozessgeschichte mitzuteilen.

      „Die Klageschrift ist dem Beklagten am … zugestellt worden.”

    • Werden Verfahrensmängel durch rügeloses Einlassen gemäß § 295 ZPO geheilt, sind die betreffenden prozessualen Ereignisse nicht im Tatbestand zu erwähnen.

    • Eine Beweisaufnahme ist immer am Ende des Tatbestands zu erwähnen.

      „Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10.10.2023 (oder bei fehlendem Beweisbeschluss: durch die Vernehmung des Zeugen …/ die Einholung eines Sachverständigengutachtens). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2023 Bezug genommen.“

    • Sie wird in der Zeitform des Perfekts in direkter Rede dargestellt.

  • Bezugnahmen

    • z.B. auf Vertragsurkunde unter Angabe der Anlage

    • nicht pauschale Bezugnahme


Tenorierung: Kostentenor

  • Kosten des Rechtsstreits

    • Gerichtskosten

      Erhebung nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG (§ 3 II GKG)

      • Gebühren

        Bestimmung nach dem Streitwert (§ 3 I GKG)

        Degressive Gebührentabelle der Anlage 2 zum GKG (§ 34 I 3 GKG)

        -> Berechnung: Gebührensatz (Anlage 1 zum GKG) x (volle) Gebühr (Anlage 2 zum GKG) = Gebührenhöhe

        • Erstinstanzliche zivilrechtliche Verfahren vor dem Amts- oder Landgericht

          • Nr. 1210 KV für das Verfahren im Allgemeinen mit einem Gebührensatz von 3,0

          • Unter den Voraussetzungen Nr. 1211 KV (z.B. bei frühzeitiger Klagerücknahme oder bei Anerkenntnis- und Verzichtsurteil) Ermäßigung auf 1,0

          • Fälligkeit mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht (§ 6 I Nr. 1 GKG), Zustellung der Klageschrift erst nach Zahlung der Gebühr (§ 12 I 1 GKG)

        • Berufung und Revision

          • Nr. 1220, 1230 KV mit jeweils höherem Gebührensatz

      • Auslagen

        • Nr. 9000 ff. KV

    • Außergerichtliche Kosten

      • Anwaltskosten

        Bestimmung der Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 II RVG)

        Berechnung nach dem Gegenstandwert (§ 2 I RVG), der grundsätzlich mit dem gerichtlich festgesetzten Streitwert identisch ist

        Gebührentabelle der Anlage 2 zum RVG (§ 13 I 3 RVG)

        -> Berechnung: Gebührensatz (Anlage 1 zum RVG) x (volle) Gebühr (Anlage 2 zum RVG) = Gebührenhöhe

        • Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV – 1,3)

          • schon mit der Einreichung der Klageschrift

        • Terminsgebühr (Nr. 3104 VV – 1,2)

          • erst mit der Wahrnehmung des Termins

          • nur eine Terminsgebühr, auch wenn mehrere mündliche Verhandlungstermine (§ 15 II RVG)

        • Ggf. Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV – 1,0)

          • bei gerichtlichem Vergleich in erster Instanz

        • Auslagen (Nr. 7001, 7002 VV)

          • Nachweis die tatsächlich entstandenen Auslagen oder

          • Kostenpauschale, die 20 % der gesetzlichen Gebühren, höchstens jedoch 20 € beträgt

        • Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV)

          • auf die Gebühren und die Kostenpauschale

      • Kosten der Parteien selbst

  • Einheit der Kostenentscheidung und Kostentrennung

    • Nach dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung wird grundsätzlich einheitlich über alle Kosten des Rechtsstreits unabhängig von einzelnen Prozesshandlungen und Prozessabschnitten entschieden. Daher kann über die Kosten auch erst in dem Urteil entschieden werden, das die Instanz beendet (Schlussurteil, nicht: Teil-, Zwischen-, Grundurteil).

    • Nur in den im Gesetz hervorgehobenen Fällen gilt die Kostentrennung:

      • Übergegangener Anspruch (§ 94 ZPO), (sonstige) Säumniskosten (§ 95 ZPO), Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel (§ 96 ZPO, Ermessen „können“),

      • Nebenintervention (§ 101 I ZPO),

      • Kosten der Wiedereinsetzung (§ 238 IV ZPO),

      • Klagerücknahme (§ 269 III 2 Alt. 2 ZPO),

      • Verweisung wegen Unzuständigkeit (§ 281 III 2 ZPO),

      • Säumniskosten bei Versäumnisurteil und Widerspruch (§ 344 ZPO).

      Die Vorschriften, sind für die Formulierung des Kostentenors nur dann bedeutsam, wenn die betreffende Partei nicht ohnehin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

  • Kostenentscheidung nach § 91 ZPO

    • Wird dem Klageantrag in vollem Umfang entsprochen oder wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen, ist grundsätzlich eine Kostenentscheidung nach § 91 I 1 Hs. 1 ZPO zu treffen. Danach hat die Kosten des Rechtsstreits die unterliegende Partei zu tragen.

      „Der Kläger/ der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (nicht: des Verfahrens).“

  • Kostenentscheidung nach § 92 ZPO

    • Bei einem teilweisen Obsiegen und teilweisen Unterliegen beider Parteien bestimmt § 92 I ZPO, dass die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen sind.

    • Die Kosten können gegeneinander aufgehoben werden, wenn die Parteien in etwa in demselben Umfang obsiegen und unterliegen. Die Gerichtskosten fallen jeder Partei zur Hälfe zur Last (§ 92 I 2 ZPO). Außerdem trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

      „Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.“

    • Werden die Kosten verhältnismäßig geteilt, ergibt sich die Kostenquote aus dem Verhältnis des Unterliegens einer Partei (= Verlustquote) zum Gebührenstreitwert (§§ 39 ff. GKG). Ausgedrückt wird die Kostenquote durch Brüche oder Prozentzahlen. Die Nebenforderungen bleiben nach § 43 I GKG bei der Festsetzung des Streitwertes unberücksichtigt. Sie müssen jedoch bei der Ermittlung der Kostenquote jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn sie im Verhältnis zur Hauptforderung nicht unbeträchtlich sind; davon ist auszugehen, wenn die abgewiesene Nebenforderung mehr als 10 % der Hauptforderung beträgt. Der die Nebenforderung mitberücksichtigende Streitwert wird als fiktiver Streitwert bezeichnet.

      „Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5.“

      „Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 40 % und dem Beklagten zu 60 % auferlegt.“

    • Nach § 92 II ZPO kann (Ermessen) das Gericht einer Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegen.

      • Der Hauptanwendungsfall ist § 92 II Nr. 1 ZPO.

        1. Geringfügige Zuvielforderung (Zuvielforderung unter 10% der Klageforderung)

        2. Kein besonderer oder ein nur geringfügig höherer Kostenanfall durch die Zuvielforderung (kein Gebührensprung, keine erforderliche Beweisaufnahme durch Zuvielforderung)

      • § 92 II Nr. 2 ZPO betrifft die Konstellation, dass die Klage teilweise abgewiesen wird und der Betrag der Forderung von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war. Es werden demnach Fälle erfasst, bei denen die teilweise Klageabweisung nicht in die Sphäre des Klägers fällt oder jedenfalls von ihm nicht vorauszusehen war. Der Hauptanwendungsbereich ist der des § 287 ZPO.

  • Kostenentscheidung nach § 93 ZPO

  • Kostenentscheidung bei Klagerücknahme

  • Kostenentscheidung bei Streitgenossenschaft

  • Kostenentscheidung nach § 101 ZPO bei Streithilfe


Tenorierung: Vorläufige Vollstreckbarkeit

  • Allgemeine Fragen

    • Nach § 704 ZPO findet die Zwangsvollstreckung statt aus Endurteilen, die formell rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind. Gundsätzlich muss daher jedes Endurteil von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (§§ 708, 709).

    • In Ausnahmefällen ist ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit entbehrlich:

      • Urteile, die von Natur aus oder kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar sind (Anordnung oder Bestätigung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung, Urteile des Arbeitsgerichts [vgl. §§ 62 I, 64 VII, 85 II ArbGG]),

      • Urteile, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben,

      • Urteile, die mit ihrem Erlass rechtskräftig werden, d.h. für die der Gesetzgeber keine Rechtsmittel vorgesehen hat (Berufungsurteile bei Arrest und einstweiliger Verfügung [vgl. § 542 II 1 ZPO], Revisionsurteile des BGH).

  • Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO)

    • Allgemeines und Zweck der Sicherheit

      • Grundsätzlich ist jedes Urteil nach § 709 ZPO gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nur in den Sonderfällen des § 708 ZPO sowie auf Antrag des Gläubigers gemäß § 710 ZPO hat eine Sicherheitsleistung zu unterbleiben.

      • Wird das Urteil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt, kann bis zum Eintritt der Rechtskraft eine Vollstreckung nur erfolgen, soweit die Sicherheitsleistung erbracht und dies nach § 751 II ZPO nachgewiesen worden ist.

      • Die Sicherheitsleistung dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners. Er soll für den Fall, dass das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil keinen Bestand hat, vor einem Schaden bewahrt werden.

    • Art und Höhe der Sicherheitsleistung

      • Die Art und die Höhe der Sicherheitsleistung stehen im freien Ermessen des Gerichts (§ 108 I 1 ZPO).

      • Den Regelfall bildet die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft. Soweit das Gericht keine Bestimmung zu der Art der Sicherheitsleistung trifft und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung nach § 108 I 2 ZPO durch eine dort näher beschriebene Bankbürgschaft oder durch Hinterlegung zu erbringen.

      • Die Höhe der Sicherheitsleistung muss sich an einem möglichen Schadensersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners aus § 717 II ZPO orientieren.

        • Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es gemäß § 709 S. 2 ZPO, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Eine Bemessung mit 110 bis höchstens 120 % wird für richtig gehalten.

        • Ansonsten gilt § 709 S. 1. Das bedeutet, dass die Sicherheitsleistung für den vollstreckbaren Teil, der keine Geldforderung beinhaltet, betragsmäßig ausgewiesen werden muss. So ist bei Herausgabeansprüchen der Wert der Sache zu schätzen. Im Zweifel ist nach oben zu runden.

    • Tenorierung

      • Soweit nur ein Vollstreckungsschuldner vorhanden ist und es nur um die Vollstreckung von Geldforderungen geht, lautet die Standardformulierung zu § 709 S. 2 ZPO:

        „Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % [120 %] des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.“

      • Sind mehrere Vollstreckungsgläubiger vorhanden, ist für jeden getrennt zu prüfen, ob eine Vollstreckung mit (§ 709) oder ohne Sicherheitsleistung (vgl. § 708) auszusprechen ist.

  • Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung (§ 708 ZPO)

    • Im Fall des § 708 ZPO wird wie folgt tenoriert:

      „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“

    • Der Hauptanwendungsfall ist der des § 708 Nr. 11 ZPO. Erfasst sind

      • andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten (prozessualer Anspruch auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet),

      • wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache – hierzu zählen nicht die materiellen Nebenansprüche und die Kosten des Rechtsstreits – 1.250 € nicht übersteigt (Alt. 1) oder

      • wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 € ermöglicht (Alt. 2).

    • Bei Anwendung des § 708 Nr. 4 bis 11 ZPO sind immer §§ 711 und 713 ZPO zu beachten.

  • Abwendungsbefugnis (§ 711 ZPO)

    • Auch die Abwendungsbefugnis dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners.

    • Die Abwendungsbefugnis gilt in den Fällen des § 708 Nr. 4–11 ZPO und sollte immer entsprechend dem Wortlaut des § 711 S. 1 ZPO tenoriert werden.

    • Gemäß § 711 S. 2 ZPO gilt § 709 S. 2 ZPO (soweit Geldforderung) entsprechend; für den Schuldner ist jedoch auf den gesamten nach dem Urteil vollstreckbaren Betrag abzustellen, nicht hingegen auf den jeweils zu vollstreckenden Betrag.

    • Ist nur ein Vollstreckungsschuldner vorhanden, lautet die Formulierung:

      „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger/Beklagte (= Vollstreckungsschuldner) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte/Kläger (= Vollstreckungsgläubiger) vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.“

    • Sind zwei Vollstreckungsgläubiger vorhanden, insbesondere Kläger und Beklagter bei Teilerfolg der Klage und Kostenquotierung, und gilt für beide § 708 Nr. 11 ZPO, muss die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO in Bezug auf beide ausgesprochen werden:

      „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“

    • Ggf. müssen bei einem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Parteien §§ 708 Nr. 11, 711 und § 709 kombiniert werden:

      „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages (d.h. für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung). Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“

  • Keine Schutzanordnung (§ 713 ZPO)

    • § 713 ZPO stellt eine Ausnahmeregelung zu § 711 ZPO dar.

    • § 713 ZPO greift ein, wenn ein Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist. In diesen Fällen soll der Vollstreckungsschuldner nicht nach § 711 ZPO geschützt werden, da aus der Sicht des Richters (pflichtgemäßes Ermessen) das Urteil in jedem Fall rechtskräftig wird.

    • Häufigster Fall ist § 495a ZPO (Streitwert 600 € nicht übersteigt).

    • Sind die Voraussetzungen des § 713 ZPO erfüllt, wird (nur) wie folgt tenoriert:

      „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“


Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Prüfungsschema:

I. Zulässigkeit

  1. Statthaftigkeit (§ 233 ZPO)

  2. Wiedereinsetzungsantrag (§ 236 ZPO)

  3. Zuständigkeit des Gerichts (§ 237 ZPO)

  4. Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO)

II. Begründetheit

  1. Verhinderung an der Fristwahrung ohne (eigenes und zurechenbares) Verschulden

  2. Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumnis

  • Zulässigkeit

    • Statthaftigkeit (§ 233 ZPO)

      • Notfrist (§ 224 I 2 ZPO), insbesondere Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil (§ 339 I ZPO)

      • Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde

      • Frist des § 234 I ZPO

    • Wiedereinsetzungsantrag (§ 236 ZPO)

      • Antrag in der Form der versäumten Prozesshandlung (§ 236 I ZPO)

      • Angabe und Glaubhaftmachung (§ 294 I ZPO) der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 II 1 ZPO)

      • Nachholung der versäumten Prozesshandlung (§ 236 II 2 ZPO)

    • Zuständigkeit des Gerichts (§ 237 ZPO)

      • Zuständig ist das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht.

    • Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO)

      • Fristdauer zwei Wochen (§ 234 I 1 ZPO) bzw. ein Monat bei der Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde (§ 234 I 2 ZPO)

      • Fristbeginn mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 II ZPO)

      • Ausschluss nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet (§ 234 III ZPO)

  • Begründetheit

    • Verhinderung an der Fristwahrung ohne Verschulden

      • Ein Fehlen des Verschuldens wird gemäß § 233 S. 2 ZPO vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

      • Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (§ 51 II ZPO) und das Verschulden des Bevollmächtigten (§ 85 II ZPO) steht dem Verschulden der Partei gleich, wird ihr also zugerechnet. Das Verschulden eines Dritten (insbesondere auch Personal des Rechtsanwalts) wird der Partei nicht zugerechnet.

    • Ursächlichkeit des Hindernisses (bzw. des Versehens) für die Fristversäumnis

  • Verfahren

    • Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden (§ 238 I 1 ZPO).

    • Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar (§ 238 III ZPO).

    • Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind (§ 238 IV ZPO).

  • Urteil

    • Tatbestand

      • Der Wiedereinsetzungsantrag als Teil der kleinen Prozessgeschichte 1 darzustellen.

        „Der Beklagte/ Kläger hat mit Schriftsatz vom …, bei Gericht eingegangenen am …, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu vorgetragen: …“

        „Der Kläger/ Beklagte hatte rechtliches Gehör zum Wiedereinsetzungsantrag und hält diesen für unbegründet, da er der Meinung ist, dass …“

      • Da der Wiedereinsetzungsantrag kein Sachantrag ist, wird er nicht wie die Sachanträge dargestellt.

    • Entscheidungsgründe

      • Hier ist auf die Zulässigkeit und Begründetheit der Wiedereinsetzung einzugehen.

        Prüfungsstandort: Zulässigkeit des Einspruchs gegen Versäumnisurteil, Einspruchsfrist (§ 339 ZPO)

        „Dem Beklagten/ Kläger ist aber gemäß §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung zu gewähren.“

        „Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig.

        • Der Wiedereinsetzungsantrag ist statthaft gemäß § 233 S. 1 ZPO, da er sich auf die Einspruchsfrist bezieht, die gemäß § 339 I ZPO eine Notfrist ist.

        • Der Wiedereinsetzungsantrag ist formgerecht eingelegt worden. Die Umstände zum fehlenden Verschulden hat der Beklagte/ Kläger durch … (die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung der Bürokraft) ausreichend glaubhaft gemacht i.S.d. §§ 236 II 1, 294 I ZPO. Der Beklagte/ Kläger hat die versäumte Prozesshandlung, nämlich die Einlegung des Einspruchs, nachgeholt i.S.d. § 236 II 2 ZPO.

        • Der Wiedereinsetzungsantrag ist bei dem nach § 237 ZPO zuständigen Gericht gestellt worden, nämlich bei dem (Prozess-)Gericht, dem die Entscheidung über den Einspruch zusteht (§ 340 I ZPO).

        • Der Wiedereinsetzungsantrag ist fristgerecht eingelegt worden. Nach § 234 I, II ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen beantragt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist.”

        „Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist begründet.

        • Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Frist i.S.d. § 233 I 1 ZPO einzuhalten. Der Beklagte/ Kläger war vorliegend ohne sein Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist einzuhalten. Der Beklagte/ Kläger muss sich das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (§ 51 II ZPO) bzw. des Prozessbevollmächtigten (§ 85 II ZPO) zurechnen lassen, nicht hingegen das Verschulden eines Dritten, auch nicht des Personals des Prozessbevollmächtigten. … Es ist grundsätzlich zulässig mit der Erstellung von Schriftsätzen bis zum letzten Tag zu warten, die Frist also voll auszuschöpfen. Mit unvorhersehbaren und unvermeidbaren Ereignissen muss nicht gerechnet werden. …

        • Das (Büro-)Versehen war für das Versäumnis der Einspruchsfrist ursächlich. Ohne das Versehen wäre die Einspruchsschrift fristwahrend eingegangen.”


Widerklage

  • Ausgangslage

    • Mit der Erhebung einer Widerklage löst sich der Beklagte von der Rolle des Verteidigers und geht zum Gegenangriff über. § 296 ZPO ist daher insoweit nicht anwendbar.

    • Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Widerklage ist das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien.

    • Der früheste Zeitpunkt für ihre Erhebung ist die Klagezustellung, der letzte der Schluss der mündlichen Verhandlung.

    • Die Widerklage kann sich aufgrund der Verbindung zweier Prozesse nach § 147 ZPO ergeben.

    • Die einmal zulässige Widerklage bleibt zulässig, unabhängig vom weiteren Schicksal der Klage, also auch bei deren Rücknahme oder Erledigung (konnex, aber nicht akzessorisch, arg. § 301 I 1 ZPO)

    • Der Kläger kann auf die Widerklage seinerseits mit einem Gegenangriff reagieren und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Widerklage (hilfsweise) Wider-Widerklage erheben.

  • Darstellung im Urteil

    Rubrum

    Im Rubrum ist klarzustellen, in welcher Parteirolle die Streitenden auftreten.

    • „Klägers und Widerbeklagten“

    • Wenn sich die Widerklage auch gegen einen Dritten (z.B. Haftpflichtversicherung des Klägers) richtet, ist dieser als neue Partei aufzunehmen („Widerbeklagten“).

    • „Beklagten und Widerkläger“

    Tenor

    Der Tenor muss deutlich erkennen lassen, inwieweit die Entscheidung sich auf die Klage oder die Widerklage bezieht, z.B.

    • „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … zu zahlen. (Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.) Die Widerklage wird abgewiesen.“

    • „Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten … zu zahlen. (Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.)“

    Über die Kosten muss einheitlich entschieden werden.

    Tatbestand

    Ein Lebenssachverhalt

    -> Anträge in einem Block

    Verschiedene Lebenssachverhalte

    -> zwei Tatbestände

    1. Geschichtserzählung zur Klage und Widerklage

    2. Streitiger Vortrag des Klägers zur Klage

    3. Antrag des Klägers zur Klage

    4. Antrag des Beklagten zur Klage

    5. Antrag des Beklagten zur Widerklage („Widerklagend beantragt er, …“)

    6. Antrag des Klägers zur Widerklage

    7. Streitiger Vortrag des Beklagten zur Klage

    8. Streitiger Vortrag des Beklagten zur Widerklage

    9. Streitiger Vortrag des Klägers zur Widerklage

    1. Geschichtserzählung zur Klage

    2. Streitiger Vortrag des Klägers zur Klage

    3. Antrag des Klägers zur Klage

    4. Antrag des Beklagten zur Klage

    5. Streitiger Vortrag des Beklagten zur Klage

    6. Geschichtserzählung zur Widerklage (Überleitungssatz: „Mit der Widerklage begehrt der Beklagte … Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: …“)

    7. Streitiger Vortrag des Beklagten zur Widerklage

    8. Antrag des Beklagten zur Widerklage

    9. Antrag des Klägers zur Widerklage

    10. Streitiger Vortrag des Klägers zur Widerklage

    Entscheidungsgründe

    Gesamtergebnis von Klage und Widerklage

    A. Zulässigkeit der Klage

    B. Begründetheit der Klage

    C. Zulässigkeit der Widerklage

    D. Begründetheit der Widerklage

    E. Prozessuale Nebenentscheidungen

  • Zulässigkeit

    • Allgemeine Prozessvoraussetzungen

      • Wie jede Klage unterliegt auch die Widerklage den allgemeinen Prozessvoraussetzungen, die insoweit getrennt zu prüfen sind.

      • Für die Ermittlung des Zuständigkeitsstreitwerts dürfen gemäß § 5 ZPO die Einzelwerte von Klage und Widerklage nicht addiert werden.

        Klageforderung 4.000 €

        Widerklageforderung 3.500 €

        Amtsgericht

        Klageforderung 4.000 €

        Widerklageforderung 21.000 €

        Das Amtsgericht hat sich auf Antrag einer Partei durch Beschluss für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit gemäß § 506 ZPO insgesamt, also unter Einschluss der Klage, an das Landgericht zu verweisen.

        Klageforderung 21.000 €

        Widerklageforderung 1.000 €

        Landgericht

    • Konnexität (§ 33 ZPO)

      • Gemäß § 33 ZPO kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

      • Die Praxis handhabt das Konnexitätserfordernis großzügig. Sie lässt einen tatsächlichen Zusammenhang, also ein einheitliches Lebensverhältnis, auch einen rein wirtschaftlichen Zusammenhang ausreichen. Ein rechtlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich.

      • Streit herrscht über die systematische Einordnung des § 33 ZPO.

        • M1 (vorzugswürdig): Nach der Rspr. des BGH ist die Konnexität der Widerklage als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung (= Statthaftigkeit) anzusehen.

        • M2: Die Literatur sieht in § 33 ZPO nur eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit.

        Die Relevanz ist nicht besonders groß, weil für den Fall, dass die fehlende Konnexität bzw. Unzuständigkeit nicht gerügt wird, der Mangel jeweils geheilt wird.

        • M1: Die Heilung richtet sich nach § 295 I ZPO.

        • M2: Die Zuständigkeit wird durch rügelose Verhandlung begründet nach § 39 ZPO.

    • Rechtshängigkeit der Klage ist erforderlich.

    • In derselben Prozessart wie die Klage muss die Widerklage erhoben werden und zulässig sein.

    • Parteiidentität ist erforderlich, d.h. zwischen den Parteien der Klage muss die Widerklage erhoben sein.

  • Streitwert und Kostenentscheidung

    • Streitwert

      • Zuständigkeitsstreitwert

        • Für die Zuständigkeit des Gerichts sind die Einzelwerte von Klage und Widerklage gemäß § 5 Hs. 2 ZPO nicht zusammenzurechnen.

      • Gebührenstreitwert

        Verschiedene Gegenstände (§ 45 I 1 GKG)

        „Derselbe Gegenstand“ (§ 45 I 3 GKG)

        Verschiedene Gegenstände sind gegeben, wenn die wechselseitigen Klagebegehren sich einander nicht ausschließen, sondern möglicherweise beide Erfolg haben könnten.

        Abgrenzungsformel des Reichsgerichts: Derselbe Gegenstand liegt vor, „wenn die beiderseitigen Ansprüche einander ausschließen dergestalt, dass die Zuerkennung des einen Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen bedingt.“

        Zusammenrechnung (= Wertaddition)

        Wert des höheren Anspruchs maßgebend

      • Rechtsmittelstreitwert

        • Ist eine Partei hinsichtlich beider Klagen beschwert (Abweisung der Klage, Verurteilung auf die Widerklage), sind beide Werte insoweit zu addieren. Übersteigt die Summe den Betrag von 600 €, ist die Berufung nach § 511 II Nr. 1 ZPO zulässig.

    • Kostenentscheidung

      • Grundsatz der Kosteneinheit

        • Über die Kosten muss einheitlich entschieden werden.

        • Wenn eine Partei sowohl hinsichtlich der Klage als auch hinsichtlich der Widerklage voll obsiegt, trägt der unterliegende Gegner die Kosten des Rechtsstreits.

        • Wenn im Fall des § 45 I 1 GKG sowohl die Klage als auch die gleich zu bewertende Widerklage abgewiesen werden, werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

        • Haben Klage und/ oder Widerklage nur teilweise Erfolg, muss für die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Grades von Obsiegen und Unterliegen eine Quote gebildet werden.

        • Kosten, die nur für eine der beiden Klagen aufgewendet worden sind (z.B. Beweisaufnahme ausschließlich über die mit der Widerklage geltend gemachte Forderung), sollten entsprechend § 96 ZPO getrennt aufgeworfen werden („Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu …, der Beklagte zu …; die Kosten der Beweisaufnahme tragen der Kläger zu …, der Beklagte zu …“).

  • Sonderfälle

    • Petitorische Widerklage (!)

      • Fall

        • Verbotene Eigenmacht durch Beklagten (§ 858 I BGB)

        • Possessorische Klage: Herausgabeanspruch aus § 861 I BGB

        • Petitorische Widerklage: Feststellung Eigentum

      • Problemstellung

        • Gemäß § 863 BGB kann der Beklagte sich gegenüber possessorischen Ansprüchen des Klägers mit petitorischen Gegenrechten grundsätzlich nicht verteidigen. Daher könnte man in Erwägung ziehen, auf Klage und Widerklage ein jeweils zusprechendes Urteil zu erlassen. Damit indes wäre dem Rechtsfrieden kein guter Dienst erwiesen, da der Kläger, wenn er seinen Anspruch aus § 861 I BGB durchsetzen würde, die Sache sofort wieder an den Beklagten herausgeben müsste.

        • Gerade das hat der Gesetzgeber nach § 864 II BGB ausschließen wollen. Direkt gilt die Vorschrift nur, wenn nach Begehung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Täter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann. Ein rechtskräftiges Urteil liegt aber noch nicht vor. Erginge nun auf Klage und Widerklage ein zusprechendes Urteil, müsste der Beklagte sein Heil darin suchen, die Vollstreckung des Herausgabetitels bis zur Rechtskraft des feststellenden Ausspruchs zu vereiteln, sei es durch tatsächliches Handeln, sei es durch Einlegen von Rechtsmitteln, wohingegen der Kläger bestrebt wäre, die Rechtskraft des auf die Widerklage erlassenen Feststellungsurteils durch Einlegen von Rechtsmitteln hinauszuzögern, damit dem Beklagten der Weg des § 767 ZPO versperrt bliebe. Dieses Ergebnis ist nur schwer tragbar. Daher hat sich der BGH für eine analoge Anwendung des § 864 II BGB ausgesprochen: Wenn Klage und Widerklage entscheidungsreif sind, ist die Klage in Analogie zu § 864 II BGB unter Zuspruch auf die Widerklage abzuweisen.

      • Besonderheiten bei der Zulässigkeit

        • Wegen der Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 864 II BGB ist die Konnexität i.S.d. § 33 ZPO immer zu bejahen.

        • Aus demselben Grund besteht Interesse an einer alsbaldigen Feststellung nach § 256 I ZPO.

      • Gebührenstreitwert

        • Die Streitwerte von Klage und Widerklage sind gemäß § 45 I 1 GKG zu addieren. Denn aus der Begründetheit der Klage folgt nicht zwingend die Unbegründetheit der Widerklage.

      • Aufbau der Entscheidungsgründe

        Gesamtergebnis

        „Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, weil die Widerklage zulässig und begründet ist.“

        A. Zulässigkeit der Klage

        B. Erläuterungen zu § 864 II BGB analog und dessen Einfluss auf die Begründetheit der Klage

        • „Da Klage und Widerklage entscheidungsreif sind, folgt aus der Begründetheit der Widerklage die Unbegründetheit der Klage.”

        • „Dies folgt aus der analogen Anwendung des § 864 II BGB. Hiernach erlischt …”

          • Planwidrige Regelungslücke: „Ein rechtskräftiges Urteil liegt noch nicht vor.”

          • Vergleichbare Interessenlage: „Erginge auf Klage und Widerklage ein zusprechendes Urteil, müsste der Kläger, wenn er seinen titulierten Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes aus § 861 I BGB durchsetzen würde, die Sache unmittelbar wieder an den Beklagten herausgeben. Nach dem Rechtsgedanken des § 864 II BGB wollte der Gesetzgeber solch ein sinnloses „Hin- und Her“ ausschließen.”

        C. Zulässigkeit der Widerklage

        D. Begründetheit der petitorischen Widerklage

        E. Unbegründetheit der possessorischen Klage, Aufgreifen des Ergebnisses aus B.

        F. Prozessuale Nebenentscheidungen

    • Hilfs-Widerklage

      • Der Beklagte darf gegen den Kläger die Widerklage auch hilfsweise erheben.

      • Die Hilfs-Widerklage steht unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung, dass der Beklagte mit seinem Vorbringen (z.B. Aufrechnungseinwand) nicht durchdringt. Hat er mit diesem Erfolg, so fällt die Rechtshängigkeit der Widerklage rückwirkend fort.

      • Eine Hilfs-Widerklage gegen einen Dritten ist nicht zulässig, da es ein bedingtes Prozessrechtsverhältnis nicht geben darf.

      • Beim Zuständigkeitsstreitwert ist die Hilfs-Widerklage ab ihrer Erhebung zu berücksichtigen.

      • Für den Gebührenstreitwert erlangt die Hilfs-Widerklage erst dann Bedeutung, wenn über sie im Urteil entschieden werden muss. Insoweit gilt § 45 III GKG analog.

    • Widerklagen unter Beteiligung Dritter

      • Der BGH lässt die Dritt-Widerklage unter deutlich einschränkenden Voraussetzungen zu, um die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen zu vermeiden. Einem neuen Widerbeklagten dürfen im Verfahren keine Nachteile entstehen. Er kann insbesondere verlangen, dass eine bereits durchgeführte Beweisaufnahme wiederholt wird.

      • Widerklage ausschließlich gegen einen Dritten (isolierte Dritt-Widerklage)

        • Grundsätzlich ist eine Widerklage gegen einen bisher unbeteiligten Dritten unzulässig. Das Gericht kann allerdings bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die beiden Sachen nach § 147 ZPO miteinander verbinden.

        • Der BGH hat Ausnahmen zugelassen.

          • So kann der Beklagte mit der Widerklage im Rechtsstreit des Zessionars (als Kläger) eine Forderung, die er zur Hilfsaufrechnung gestellt hat, gegenüber dem Zedenten geltend machen, eine eigenständige Forderung gegen den Zedenten einklagen oder gegen ihn negative Feststellungswiderklage erheben (Drittwiderklage gegen den Zedenten). Für die örtliche Zuständigkeit wendet der BGH § 33 ZPO analog an.

          • Ein zulässiger Sonderfall ist auch die persönliche Inanspruchnahme des als Partei kraft Amtes vorgehenden Insolvenzverwalters mit der (Dritt-)Widerklage.

      • Widerklage gegen den Kläger und weitere Personen (streitgenössische Dritt-Widerklage)

        • Großzügiger entscheidet die Rspr., wenn die Widerklage sich nicht nur gegen einen Dritten (z.B. Haftpflichtversicherung des Klägers, Ehepartner des Klägers als beigetretener Mitschuldner), sondern zugleich auch gegen den Kläger richtet.

        • Die Zulässigkeit ist in Anlehnung an die Parteierweiterung von folgenden Voraussetzungen abhängig:

          1. Die gegen den Kläger gerichtete Widerklage muss nach § 33 ZPO (oder über § 39 ZPO) zulässig sein.

          2. Die Widerbeklagten müssen Streitgenossen i.S.d. §§ 59 ff. ZPO sein.

          3. Die Widerklage muss, soweit sie sich gegen den Dritten richtet, dessen Zustimmung finden oder i.S.d. § 263 ZPO sachdienlich sein.

          4. Die Widerklage muss unbedingt erhoben werden.

        • Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist für die neuen Widerbeklagten selbständig zu prüfen. Die Regelung des § 33 ZPO gilt für den Dritten nicht. Lässt sich die Zuständigkeit aus den allgemeinen Vorschriften (§§ 12 ff. ZPO) nicht herleiten und erfolgt auch keine Prorogation nach §§ 38 ff. ZPO, ist das zuständige Gericht gemäß § 36 Nr. 3 ZPO zu bestimmen; regelmäßig entspricht es dabei der Prozessökonomie, den Ort zu wählen, an dem der Rechtsstreit stattfindet. Bei Verkehrsunfällen ergibt sich die Zuständigkeit meist aus § 20 StVG.

      • Hinzutreten eines neuen „Widerklägers“

        • Die Erhebung einer „Widerklage“ durch einen bis dahin nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten ist unzulässig, da dieser Dritte sich nicht in der nach § 33 ZPO privilegierten Lage eines Beklagten befindet.


Author

Amelie V.

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