Psychotherapie und Pharmakotherapie
Manchmal ist eine psychopharmakologische Behandlung unumgänglich, da sie zum Teil überhaupt erst die Voraussetzungen für eine Psychotherapie schafft. Das trifft z. B. bei schwerer Depression, zum Teil bei Zwangs- und psychotischen Erkrankungen zu. Allgemein ist bekannt, dass bei Psychotherapie die Abbruch- und Rückfallquote geringer ist als bei alleiniger medikamentöser Behandlung. Im psychodynamischen Kontext wird bei einer Kombinationsbehandlung kritisch darauf hingewiesen, dass Medikamente eine Übertragungs- und Gegenübertragungsbedeutung erhalten (das Medikament als „Dritter im Bunde“). Unter verhaltenstherapeutischem Gesichtspunkt reduzieren Psychopharmaka die Selbstwirksamkeitserfahrung der Patienten, da bei Kombinationsbehandlung die Attribuierung des Therapieerfolges nicht eindeutig möglich ist. Die Kombinationstherapie ist kontraindiziert bei gleichzeitiger Anwendung von Exposition und der Einnahme von Benzo diazepinen. Die Wirkung von Medikamenten ist auch bei der Interpretation von Konzentrations- und Leistungstests zu beachten.
Medikamentenanamnese
Im Rahmen einer Psychotherapie sollte immer eine Medikamentenanamnese erhoben werden, da sich zahlreiche Wirkstoffe auch auf psychische Funktionen auswirken können, weshalb grundlegende Kenntnisse der Pharmakotherapie auch für Psychotherapeuten von wichtiger Bedeutung sind. Neben den eigentlichen Psychopharmaka können Medikamente, die eigentlich zur Behandlung körperlicher Erkrankungen eingesetzt werden, teilweise psychotrope Effekte aufweisen, z. B.:
Malariaprophylaxe kann depressive Reaktionen und Ängste fördern.
Parkinson-Mittel können zu Unruhe, Verwirrtheit, Schlaflosigkeit, Depression führen.
Corticoide bewirken manchmal eine Veränderung der Stimmungslage (Euphorie, Depression), Schlafstörungen und paranoides Denken.
Interferontherapie fördert oft depressives Erleben und Suizidalität.
Antihistaminika können Müdigkeit, Schlafstörungen und Delir erzeugen.
Antiepileptika begünstigen Depressionen, Müdigkeit, Benommenheit, Gereiztheit, Aggressivität.
Betablocker führen unerwünscht auch zu Müdigkeit, Schlafstörungen und Depression.
Pharmakokinetik
Was macht der Körper mit dem Medikament?
Mit dem Begriff der Pharmakokinetik werden die Abläufe bei
der Aufnahme (dem zeitlichem Ablauf und dem Ort der Resorption),
der Verteilung (auf verschiedene Verteilungsräume, z. B. Gehirn, Fettgewebe usw.),
der Metabolisierung (Verstoffwechslung) und
der Ausscheidung über Leber, Galle, Darm, Niere, Blase von Wirkstoffen im Körper
beschrieben.
Pharmakokinetik: Halbwertszeit
Unter der Halbwertszeit versteht man die Zeit, in der die Plasmakonzentration eines Stoffes auf die Hälfte des anfänglichen Wertes gefallen ist. Sie ist beispielsweise wichtig für Dosierungsintervalle.
Pharmakokinetik: KiJu und ältere Patient*innen
Die Pharmakokinetik kann aufgrund des Lebensalters oder bestimmter Erkrankungen interindividuell unterschiedlich sein. Kinder und Jugendliche unterscheiden sich hinsichtlich der Körperzusammensetzung von Erwachsenen. Das beeinflusst z. B. den Säuregehalt des Magens, den Blutfluss in den Nieren, den Lebermetabolismus und die Dauer der Magen-Darm-Passage. Aufgrund fehlender Studien besitzen viele Psychopharmaka keine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz für den Einsatz im Kindes- und Jugendalter. Eine individuelle Verordnung außerhalb des Zulassungsbereichs nennt man off-label. Auch bei älteren Menschen muss die Medikamentierung an die körperlichen Gegebenheiten (z. B. eingeschränkte Nierenfunktion) angepasst werden. Zudem finden sich paradoxe Reaktionen bei Multimorbidität, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und ein häufig verzögerter Wirkeintritt der Medikamente. Deshalb sind bei vielen Medikamenten deutliche Dosisänderungen bei der Anwendung sowohl bei Kindern als auch bei Älteren erforderlich.
Pharmakodynamik
Was macht das Medikament mit dem Körper?
…die unmittelbaren Wirkungen von Substanzen am Wirkort und die Beziehungen zwischen Konzentration und Wirkung.
Pharmakodynamik: Wirkung
Dabei entspricht die Wirkung in Abhängigkeit von Dosis und chemischer Zusammensetzung der ausgelösten Wirkung. Positiv ist die erwünschte Wirkung, negativ hingegen sind die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Die größte Wirkung, die mit einem Medikament erreicht werden kann, nennt man maximale Wirkung.
Pharmakodynamik: Wirksamkeit
Wirksamkeit hingegen meint die therapeutische Nützlichkeit (Achtung: Wirksamkeit ≠ Wirkung!). Es können beispielsweise unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei fehlender Wirksamkeit eines Medikaments bei einer entsprechenden Person auftreten.
Pharmakodynamik: Dosis und Wirkung
Die Dosis entspricht der verabreichten Menge. Die Wirkdosis (Effektdosis) ist die Dosis, mit der in einer bestimmten Zeit eine Wirkung erzielt wird (abhängig von der Konzentration der Substanz am Wirkort). Der Zusammenhang der Dosis-Wirkungs-Beziehung muss nicht linear sein.
Pharmakodynamik: Therapeutische Breite
Therapeutische Breite bezeichnet den Abstand zwischen der therapeutischen Dosis eines Medikaments und einer Dosis, die zu einer toxischen Wirkung führt. Ein Arzneimittel ist umso sicherer, je größer die therapeutische Breite ist.
Pharmakodynamik: Toleranz
Bei einigen Psychopharmaka kann es wie bei psychotropen Substanzen zu einer Toleranzentwicklung mit einem verminderten Ansprechen auf die Substanz mit der Folge der Dosissteigerung kommen. Eine besondere Form der Toleranzentwicklung ist die Tachyphylaxie, welche die abgeschwächte Wirkung eines Medikaments bei wiederholter Gabe in kurzen Zeitabständen beschreibt und auf der Entleerung intrazellulärer präsynaptischer Speicher beruht.
Pharmakodynamik: Rebound-Phänomen
überschießende, der ursprünglichen Wirkung oft entgegengesetzte Reaktion nach plötzlichem Absetzen eines Medikaments, z. B. Schmerzen nach Absetzen von Analgetika.
Pharmakodynamik: Placebo
Pharmakologisch unwirksame Substanz (Scheinarzneimittel), die keinen Arzneistoff enthält und dadurch auch keine pharmakologische Wirkung entfalten kann. Placebos werden in der klinischen Erprobung neuer Arzneimittel, idealerweise in Doppelblindstudien appliziert, um die für das neue Arzneimittel spezifischen von den unspezifischen Wirkungen trennen zu können. Die Übertragung des pharmakologischen Placebo-Begriffs auf die Psychotherapieforschung ist nicht exakt möglich.
Placeboeffekt: positive Reaktionen, die nicht auf die spezifische Wirksamkeit einer Behandlung zurückzuführen sind, sondern auf deren psychosozialen Kontext. Das Gegenteil ist der
Noceboeffekt, mit dem eine negative gesundheitliche Reaktion auf die Exposition zu einer wirkstoffreien Substanz beschrieben wird (auch negativer Placeboeffekt).
Pharmakologische Beeinflussung der synaptischen Übertragung: Präsynampse, Synaptischer Spalt und Postsynapse
Präsynapse: Neben den postsynaptischen Bindungsstellen für einen bestimmten Transmitter gibt es für die Registrierung der Konzentration des Botenstoffes im synaptischen Spalt sogenannte Autorezeptoren, welche an der präsynaptischen Membran sitzen. Diese sprechen ebenfalls auf den ausgeschütteten Transmitter an. Die Anzahl der augenblicklich besetzten Autorezeptoren gibt der Nervenzelle Rückmeldung über die im Spalt befindliche Menge des Botenstoffes. Ist diese beispielsweise groß, vermindert sich im Sinne eines Rückkopplungsprozesses die Ausschüttung des Transmitters.
Synaptischer Spalt: Die in den synaptischen Spalt entleerten Neurotransmitter müssen dort jedoch auch zügig wieder inaktiviert werden, was auf unterschiedlichem Weg geschehen kann. Abbauenzyme bauen die Transmitter im synaptischen Spalt direkt ab, Transportproteine (Carrier-Proteine) hingegen bringen die Transmitter zurück in die präsynaptischen Vesikel (Reuptake).
Postsynapse: Bekannt ist des Weiteren, dass sich die Transmitterkonzentration auf die postsynaptischen Rezeptoren auswirkt. Das Prinzip der Up- und Down-Regulation besagt, dass es bei einer zu hohen Konzentration des Botenstoffes zur Verringerung der Anzahl und Empfindlichkeit aktiver Rezeptoren (Down-Regulation) und bei einer zu niedrigen Konzentration zu einer Erhöhung der Anzahl und Empfindlichkeit aktiver Rezeptoren an der post-synaptischen Membran kommt (Up-Regulation).
Pharmakologische Beeinflussung der synaptischen Übertragung: Steigerung der synaptischen Übertragung
Natürlich kann es auch von Interesse sein, die synaptische Übertragung zu verringern. Hier spielt v. a. die Blockade postsynaptischer Rezeptoren durch ähnliche Stoffe eine wichtige Rolle. Bei dieser Form der Blockade können sich die eigentlichen Neurotransmitter nicht mehr in entsprechender Zahl anlagern und wirken. Ein populäres Beispiel ist die Blockade von Dopaminrezeptoren (D2-Rezeptoren) bei der Therapie mit klassischen Neuroleptika.
Antidepressiva: Indikationen
Antidepressiva gehören zu den am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka. Alle Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und haben je nach Wirkstoff weitere Effekte, z. B. Angstlösung, Schmerzstillung, Aktivierung. Sie machen nicht abhängig. Ihr Anwendungsbereich ist sehr breit. Die Gabe eines Antidepressivums sollte immer in einen Gesamtbehandlungsplan eingebettet sein.
Indikationen:
• depressive Störungen,
• Angststörungen,
• Zwangsstörungen,
• chronische Schmerzerkrankungen,
• Essstörungen, v. a. Bulimie (SSRIs),
• Schlafstörungen,
• somatoforme Störungen,
• PTBS und weitere, wie z. B. Chronic Fatigue Syndrome, prämenstruelles Syndrom.
Antidepressiva: Wirkmechanismen
Antidepressiva unterscheiden sich im Hinblick darauf, auf welche(n) Neurotransmitter sie Einfluss nehmen. Je nachdem, welche Rezeptoren angesprochen werden, unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Wirkung (und der unerwünschten Arzneimittelwirkungen). In der Behandlung zeigt sich, dass der antidepressive Effekt der Medikamente mit einer Verzögerung von ca. zwei bis drei Wochen eintritt. Das wird über die mit Latenz einsetzende Down-Regulation postsynaptischer Rezeptoren erklärt.
Antidepressiva: Substanzgruppen
A
ntidepressiva werden nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt. Nach historischen Gesichtspunkten kann die
alte Generation mit den
MAO-Hemmern und den
trizyklischen Antidepressiva von einer
neueren Generation mit den
tetrazyklischen Antidepressiva,
SSRIs (selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren),
SNRIs (selektive Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren) und
SSNRIs (selektive Serotonin- und Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren) sowie den
selektiven MAO-Hemmern unterschieden werden.
Antidepressiva und Suizidalität
Gelegentlich setzt die antriebssteigernde Wirkung eines Antidepressivums vor der stimmungsaufhellenden ein, weshalb das Suizidrisiko kurzfristig erhöht sein kann. Deshalb wird bei bei suizidalen Patienten eine Monotherapie mit einem sedierenden Antidepressivum empfohlen bzw. in der Initialphase begleitend ein Benzodiazepin zusätzlich verordnet. Die Diskussion um die Erhöhung der Suizidrate unter SSRIs ist nach wie vor kontrovers, für Paroxetin besteht eine Warnung. TZA können, in suizidaler Absicht überdosiert eingenommen, tödlich wirken, SSRIs eher nicht. Durch Mittel zur Malariaprophylaxe (z. B. Lariam) kann es zu suizidalen Halluzinationen und Suizidimpulsen kommen.
Antidepressiva: Anwendung
Empfehlungen lauten, Antidepressiva zur Akuttherapie sechs bis acht Wochen, zur Erhaltungstherapie bis zu zwölf Monate und zur Rezidivprophylaxe bis zu drei Jahre anzuwenden. Die Forschung zeigt, dass bei leichten Depressionen zunächst Psychotherapie allein indiziert ist (kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie), da die Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie der alleinigen Psychotherapie nicht überlegen ist.
Substanzen zur Phasenprophylaxe affektiver Störungen und Behandlung manischer Episoden
Phasenprophylaktika sind Substanzen, welche bei affektiven Störungen das Auftreten weiterer manischer oder depressiver Phasen verhindern bzw. abschwächen sollen. Die Behandlung bipolarer Störungen ist eine Herausforderung, da die Medikamente in verschiedenen Krankheitsphasen mit sehr unterschiedlicher Phänomenologie (Depression, Hypomanie, Manie, gemischte Episode, Rapid Cycling) gleichermaßen wirken sollen. Dementsprechend unterscheidet man
Stimmungsstabilisierer, welche über die gesamte Erkrankungsdauer unabhängig von der aktuellen Symptomatik als Basismedikation eingenommen werden sollen, wie z. B. Lithium, Antikonvulsiva und einige atypische Neuroleptika, und
adjuvante Medikamente, welche einer akuten Exazerbation einer bipolaren affektiven Störung begegnen sollen, wie z. B. einige Neuroleptika, Antidepressiva und beispielsweise Benzodiazepine.
Da das Lebenszeitrisiko mit 95 % äußerst hoch ist, vertreten einige Autoren die Ansicht, dass bereits nach einer ersten manischen Phase ein Phasenprophylaktikum gegeben werden sollte (s. Benkert & Hippius, 2007).
Substanzen zur Phasenprophylaxe affektiver Störungen und Behandlung manischer Episoden: Lithium
Lithium ist ein gut erforschtes Psychopharmakon, welches seit Mitte des letzten Jahrhunderts zur Verfügung steht und Mittel der ersten Wahl ist zur Behandlung von Manien und zur Phasen prophylaxe affektiver Störungen. Lithium ist ein Metall und kommt als Salz in Mineralien, Pflanzen und Wasser vor. Lithiumsalze machen nicht körperlich abhängig und werden in Tablettenform verabreicht.
Substanzen zur Phasenprophylaxe affektiver Störungen und Behandlung manischer Episoden:
Lithium: Indikation
Indikation: zur Phasenprophylaxe bei
bipolaren Störungen,
schizoaffektiven Störungen (keine Zulassung in Deutschland),
unipolaren (depressiven) Störungen,
Manien,
oft auch bei therapieresistenten Depressionen, da Lithiumsalze die Wirkung der Antidepressiva zu verstärken scheinen (Lithiumaugmentation).
Lithium: Wirkstoffe, Wirkmechanismen, Wirksamkeit
Wirkstoffe und Handelsnamen: Lithiumacetat – Quilonum®; Lithiumaspartat – Lithium-Aspartat®; Lithiumcarbonat – Hypnorex retard®, Quilonum retard®.
Wirkmechanismen: Generell scheint Lithium vielfache Wirkungen auf das zentrale Nervensystem zu besitzen, wobei noch nicht vollständig geklärt ist, welcher Mechanismus für die Wirksamkeit verantwortlich ist. Der Wirkungseintritt erfolgt erst nach bis zu mehreren Monaten, wobei die Ursache auch hier unklar ist. Eine Lithiumtherapie sollte langfristig, eventuell sogar lebenslang durchgeführt werden.
Wirksamkeit: Die Wirksamkeit des Lithiums ist bei Patienten mit Rapid Cycling (s. S. 192) eher schwach, hier sollte eher mit Antikonvulsiva behandelt werden. Auch bei schweren Manien ist die Wirksamkeit weniger stark; in diesem Fall sollte eine Kombination mit einem Neuroleptikum bzw. die Monotherapie mit einem atypischen Neuroleptikum erwogen werden.
Lithium: Anwendung
Damit das Lithium wirken kann, muss ein bestimmter Blutplasmaspiegel (phasenprophylaktische Wirkung: 0,6–0,8 mmol/l) erreicht werden. Jedoch bei nur geringer therapeutischer Überschreitung drohen toxische Wirkungen. D. h., die therapeutische Breite des Lithiums ist äußerst gering. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, v. a. die Kontrolle des Blutplasmaspiegels (im ersten Monat wöchentlich, im ersten halben Jahr monatlich, dann vierteljährlich), die Kontrolle des Körpergewichts und des Halsumfangs (Abklärung eines Struma) sowie des Kreatinins (zur Bestimmung der Nierenfunktion) und der Schilddrüsenhormone. Eine Lithiumtherapie sollte idealerweise unter stationären Bedingungen langsam einschleichend begonnen werden. Das Absetzen von Lithium sollte ausschleichend erfolgen, da sonst psychotische Zustände provoziert werden können.
Lithium: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Viele Patienten nehmen über lange Zeiträume Lithium ein ohne relevante unerwünschte Wirkungen. Die meisten Nebenwirkungen erscheinen initial und verschwinden dann wieder spontan. Lithium wird nicht metabolisiert, die Ausscheidung erfolgt fast vollständig über die Nieren. Patienten müssen deshalb regelmäßig und viel trinken. Die UAWs sind:
feinschlägiger Tremor,
Gewichtszunahme,
Nieren: vermehrtes Wasserlassen (Polyurie) durch verminderte Konzentrationsfähigkeit der Niere, krankhaft gesteigertes Durstgefühl (Polydipsie), Nierenfunktionsstörungen,
Schilddrüse: Hypothyreose, Vergrößerung mit Kropfbildung (Struma), TSH-Anstieg
ZNS: Müdigkeit, kognitive Störungen (Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme),
gastrointestinale Beschwerden: Diarrhöen, Übelkeit, Völlegefühl, Appetitverlust,
Muskelschwäche, Blutbildveränderungen, EKG-Veränderungen.
Bei Überdosierung (z. B. in suizidaler Absicht), bei Nierenfunktionsstörungen und Kalium-oder Kochsalzmangel beispielsweise infolge einer natriumarmen Diät, bei starkem Schwitzen oder bei Durchfällen kann es zu einer Lithiumintoxikation kommen. Die Schwelle für Intoxikationserscheinungen ist interindividuell sehr verschieden.
Die Symptome der Lithiumintoxikation sind:
grobschlägiger Tremor in den Händen,
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Abgeschlagenheit, Vigilanzminderung, psychomotorische Verlangsamung,
Schwindel, Ataxie, Zuckungen der Gesichtsmuskeln,
später: Rigor, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, Herz-Kreislauf-Versagen.
Lithium: Kontraindikationen
Kontraindikationen ergeben sich entsprechend der Wirkungen des Lithiums folgende:
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Nierenerkrankungen,
zerebrale Krampfbereitschaft,
Parkinson,
Hypothyreose.
Das teratogene Risiko des Lithiums ist hoch, sodass Frauen unter Lithium grundsätzlich verhüten sollten. Unter Lithiumtherapie wird auch vom Stillen abgeraten.
Antikonvulsiva/Antiepileptika
Die Alternativpräparate Carbamazepin, Valproinsäure und Lamotrigin sind bewährte Antiepileptika. Sie werden jedoch auch zur Behandlung affektiver Störungen eingesetzt, wenn Lithium nicht vertragen wird, Kontraindikationen vorliegen oder eine Lithiumtherapie abgelehnt wird. Bei Rapid Cycling sind Carbamazepin und Valproinsäure besser wirksam als Lithium. Lamotrigin scheint v. a. bei der Bipolar-II-Störung gut wirksam.
Carbamazepin ist Mittel der zweiten Wahl zur Phasenprophylaxe. Es wirkt antikonvulsiv und antimanisch (für diese Indikation jedoch keine Zulassung in Deutschland). Es ist besser verträglich als Lithium und sollte ebenfalls einschleichend dosiert werden. Carbamazepin hat aber auch zahlreiche UAWs, welche meist initial auftreten bzw. dosisabhängig wieder verschwinden, wie Somnolenz und Sedierung, Schwindel, Ataxie, zudem allergische Hautreaktionen, Appetitlosigkeit, Blutbildveränderungen. Sehr selten kommt es zu Leberschäden und Herzrhythmusstörungen. Carbamazepin wird auch zur Behandlung neuropathischer Schmerzen und des Alkoholentzugsyndroms eingesetzt.
Valproinsäure hat ebenfalls eine antimanische und phasenprophylaktische Wirkung mit z. B. Schläfrigkeit, Tremor, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, gostrointestinalen Symptomen, Blutbildungsstörungen und Leberfunktionsstörungen (im seltenen Einzelfall tödlich verlaufend) als unerwünschten Wirkungen.
Lamotrigin scheint Lithium bei der Rezidivprophylaxe depressiver Episoden bei bipolaren Störungen überlegen. Es führt nicht zu Gewichtszunahme, es resultieren keine kardialen Risiken, doch insbesondere bei Initialgaben und rascher Aufdosierung drohen z. T. lebensgefährliche Hautreaktionen.
Wie bereits angemerkt sind auch einige atypische Neuroleptika, wie z. B. Olanzapin (Zyprexa®) und Quetiapin (Seroquel®), zur Phasenprophylaxe zugelassen (s. Tabelle 14.3).
Neuroleptika
Neuroleptika sind Psychopharmaka von sehr unterschiedlicher chemischer Struktur mit einem antipsychotischen Wirkungsschwerpunkt. Deshalb werden sie auch Antipsychotika genannt. Sie wirken sich dämpfend auf die psychotische Symptomatik und die Emotionalität aus. Außerdem wirken sie gegen psychomotorische Symptome wie Erregtheit, katatone Verhaltensweisen und Aggressivität
Neuroleptika: Indikationen
Indikationen für Antipsychotika sind:
schizophrene Störungen,
schizoaffektive Störungen,
bipolare Störungen (Akutbehandlung der Manie, Phasenprophylaxe),
Depressionen mit psychotischer Symptomatik.
Sie werden außerdem als Begleittherapie bei Persönlichkeitsstörungen, Zwangs- und Angststörungen, Demenzen, organisch bedingten Psychosen, nicht psychotischer Depression und Schmerzsyndromen eingesetzt.
Neuroleptika: Wirkmechanismen
Die Dopaminhypothese der Schizophrenie besagt, dass ein relatives Überangebot an Dopamin für die Entstehung der Schizophrenie verantwortlich gemacht werden kann. Antipsychotika gleichen dieses Überangebot durch eine Blockade der Dopaminrezeptoren in der Synapse aus. Sie sind Dopaminantagonisten, v. a. der D2-artigen Dopaminrezeptoren im limbischen System. Sie beeinflussen jedoch auch andere Rezeptoren, woraus sich ihre vielfältigen Wirkungen und Nebenwirkungen erklären lassen, z. B. die Acetylcholinrezeptoren (es resultieren anticholinerge UAW; s. Tabelle 14.2), die Serotoninrezeptoren (sedierende Wirkung, eventuell Verbesserung der Negativsymptomatik, aber auch Appetit- und Gewichtszunahme), die Histaminrezeptoren (Sedierung) usw. Die Wirkung der Antipsychotika wird durch Alkohol verstärkt und durch Nikotin vermindert.
Neuroleptika: Substanzgruppen
Prinzipiell sind hier drei Einteilungen gängig.
1. Man kann Antipsychotika eindeutig hinsichtlich ihrer chemischen Struktur differenzieren.
2. Eine andere Unterteilung grenzt hinsichtlich ihrer Eigenschaften typische (synonym: konventionelle, klassische) und atypische Neuroleptika voneinander ab. Atypische Eigenschaften sind:
- gute antipsychotische Wirksamkeit,
- weniger extrapyramidale Störungen,
- Wirksamkeit bei Negativsymptomatik,
- Wirksamkeit bei Therapieresistenz,
- geringe Prolaktinerhöhungen.
3. Eine weitere Einteilung unterscheidet diese Medikamente hinsichtlich ihrer antipsychotischen Wirksamkeit, der sogenannten neuroleptischen Potenz. Dabei ist die neuroleptische Potenz ein relativ unscharfer Begriff. Es wurde hier eine Rangfolge der Antipsychotika danach gebildet, wie stark D2-artige Dopaminrezeptoren beeinflusst werden, wobei Chlorpromazin als Bezugspunkt gewählt wurde.
Neuroleptika: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Die Behandlung mit Antipsychotika führt häufig zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen, welche vorübergehender Natur seien können und oft durch begleitende Medikation und Dosisänderungen gut kontrolliert werden können. Gefürchtet sind die bei der Langzeitbehandlung mit typischen Neuroleptika auftretenden irreversiblen Spätdyskinesien.
Neuroleptika: Anwendung
Die Therapie mit Antipsychotika sollte in einen Gesamtbehandlungsplan mit entsprechenden psychosozialen Maßnahmen eingebettet sein. Die Behandlung mit Antipsychotika erfolgt nicht störungsspezifisch, sondern es werden die zu beeinflussenden Zielsymptome (und UAW) beachtet. Wegen der häufigen unerwünschten Arzneimittelwirkungen und der geringen Krankheitseinsicht vieler Patienten muss mit einer schlechten Compliance gerechnet werden. Dem kann durch eine gute Aufklärung und Psychoedukation auch des sozialen Umfeldes begegnet werden. Zudem stehen Depotpräparate zur Verfügung (intramuskuläre Verabreichung im zwei- bis vierwöchigen Abstand), welche einen gleichmäßigen Serumspiegel trotz schlechter Absprachefähigkeit ermöglichen. Nachteile der Depotspritzen sind die mangelnde Feinabstimmung und die fehlende Reaktionsmöglichkeit auf schwere Nebenwirkungen. Zudem ist die Auswahl des Antipsychotikums eingeschränkt, da nicht alle Medikamente in dieser Form zur Verfügung stehen. Generelle Behandlungsempfehlungen sind wegen der Hetreogenität der Substanzen kaum möglich. Eine Therapie mit Antipsychotika erfordert regelmäßige Routinekontrollen, wie z. B. Blutbild- und Leberwertkontrollen, EEG- und EKG-Kontrollen. Ein Absetzen der Medikation sollte vorsichtig ausschleichend erfolgen.
Anwendungsdauer: Allgemeine Empfehlungen für die Dauer der Medikation lauten:
Initialphase: möglichst früher Medikationsbeginn mit dem Ziel der Reduktion der Positivsymptomatik,
Stabilisierungsphase: vorsichtige Reduktion,
Langzeittherapie zur Rezidivprophylaxe: möglichst Medikation mit dem gleichen Medikament wie in der Akutphase;
bei Ersterkrankung: einjährige Medikation,
nach einem Rückfall innerhalb eines Jahres: zwei- bis fünfjährige Medikation,
bei häufigen Rezidiven: unbegrenzt.
Neuroleptika: Malignes neuroleptisches Syndrom
Eine gefürchtete Komplikation bei der Therapie mit allen Antipsychotika ist das sehr seltene maligne neuroleptische Syndrom, welches sich v. a. zu Behandlungsbeginn und bevorzugt bei männlichen Patienten und solchen mit Lithiummedikation zeigen kann. Die Letalität beträgt bis zu 20 %. Es kommt zu:
• erhöhtem Muskeltonus (Rigor),
• Bewusstseinsstörungen bis zum Koma,
• hohem Fieber und
• vegetativen Störungen (Herzrasen, Schwitzen). Auch die Blutwerte können entgleisen.
Es ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig.
Tranquilizer
Tranquilizer sind Beruhigungsmittel, die einen angstlösenden und sedierenden Effekt haben. Sie werden auch als Anxiolytika oder Sedativa bezeichnet. Sie werden in der Praxis sehr häufig verschrieben. Einige Autoren fassen Tranquilizer und Hypnotika zusammen, denn bei manchen dieser Medikamente ist es lediglich eine Frage der Dosierung, ob sie ausschließlich einen angstlösenden, entspannenden Effekt oder auch einen schlafinduzierenden Effekt haben. Die Übergänge sind hier fließend. Die wichtigste Substanzgruppe unter den Tranquilizern sind die Benzodiazepine, weshalb auf diese ausführlicher eingegangen wird.
Tranquilizer: Indikation
Angststörungen,
psychiatrische und internistische Notfallsituationen,
psychosomatische Erkrankungen.
Es ergeben sich einige weitere Nebenindikationen, wie z. B. muskuläre Verspannungszustände, Erregungszustände, Schizophrenien, Suizidalität.
Tranquilizer: Substanzgruppen
Benzodiazepine, wobei zu Anxiolyse bevorzugt solche mit kurzer Halbwertszeit verwendet werden sollen.
Pregabalin (Lyrica®) ist ein GABA-Analogon und wirkt häufig sedierend. Es hat ein geringes Abhängigkeitspotenzial.
Buspiron (Bespar®) ist ein Antagonist des Serotonins und führt zu einer Anxiolyse ohne Sedierung. Bis zum Wirkungseintritt benötigt es lange, und es ist daher nicht für die Akutbehandlung geeignet. Es wird keine Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklung beschrieben.
Opipramol ist ein TZA und wird als stimmungsaufhellendes Anxiolytikum eingesetzt. Es besteht keine Abhängigkeitsgefahr.
Betablocker (z. B. Trasicor®, Beloc®, Dociton®) werden eigentlich meist mit anderer Indikation eingesetzt, die Anxiolyse ist eher eine Nebenwirkung. Betablocker sind Antagonisten von Adrenalin und Noradrenalin und besetzen deren Rezeptoren im Herzen, sie wirken deshalb senkend auf Blutdruck und Puls.
Pflanzliche Präparate wie Hopfen und Baldrian wirken beruhigend. Sie haben kein Abhängigkeitspotenzial können aber präparatspezifisch Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen und Juckreiz hervorrufen. Möglicherweise liegt auch ein Placeboeffekt vor.
Tranquilizer: Indikation Benzodiazepine
Die Indikation für Benzodiazepine ist nosologieübergreifend und meist symptomorientiert.
Häufig erfolgt ein Einsatz als Komedikation:
• Notfallmedikation,
• Prämedikation vor einer Anästhesie,
• muskuläre Verspannungszustände (Spasmen),
• Angst-, Schlaf-, psychovegetative Störungen (eingeschränkte Indikation!),
• Erregungs- und Spannungszustände,
• Krampfanfälle, Status epilepticus,
• Akutphase der Schizophrenie,
• agitierte Depression und Manie,
• initial bei antidepressiver Medikation (Verringerung der Suizidgefahr bis zum Wirkungs-
eintritt der Antidepressiva).
Tranquilizer: Benzodiazepine
Wirkstoffe und Handelsname
Diazepam – Valium®; Faustan®; Lorazepam – Tavor®; Medazepam – Rudotel®; Alprazolam – Tafil®; Temazepam – Remestan®; Flunitrazepam –Rohypnol® und viele weitere.
Wirkmechanismen
Die klinischen Wirkungen der zahlreichen Benzodiazepine sind qualitativ ähnlich, sie weisen jedoch Unterschiede hinsichtlich des Metabolismus und damit hinsichtlich Wirkungseintritt und -dauer (Halbwertszeit) auf. Die Wirkung der Benzodiazepine beruht auf einer Erhöhung der Empfindlichkeit von GABA-Rezeptoren und somit auf einer Verstärkung der GABA-ergen Hemmung. Benzodiazepine wirken
• sedierend,
• anxiolytisch,
• hypnotisch,
• muskelrelaxierend und
• antikonvulsiv.
Anwendung
Es sollte möglichst nur ein Benzodiazepin verordnet werden. Die Gabe sollte auf einen möglichst kurzen Zeitraum (vier bis sechs Wochen) beschränkt bleiben. Patienten sollten über das Abhängigkeitspotenzial, die eingeschränkte Verkehrsteilnahme und Risiken in der Schwangerschaft und Stillzeit aufgeklärt werden.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit (eingeschränkte Fahrtüchtigkeit!).
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.
Paradoxe Phänomene wie Agitiertheit, Euphorisierung, Aggressivität (meist bei höherer Dosierung und Älteren).
Bei langfristig wirksamen Benzodiazepinen besteht die Gefahr der Kumulation mit verstärkten UAW und Hangover-Phänomenen.
Bei chronischer Einnahme: Dysphorie, Vergesslichkeit, Leistungsminderung, Gleichgültigkeit, muskuläre Schwäche, Appetitstörungen, Abnahme der Libido, Menstruationsstörungen.
Toleranzentwicklung mit Wirkverlust, Abhängigkeitsrisiko und Rebound-Phänomenen.
Toleranzentwicklung
Das Abhängigkeitsrisiko steigt bei höherer Dosierung und Einnahme über längere Zeiträume. Insbesondere Drogen- und Alkoholabhängige (es besteht eine Kreuztoleranz zu Alkohol), Patienten mit chronischen Schmerzen, mit Persönlichkeitsstörungen und chronischen Schlafstörungen sind gefährdet. Über eine Toleranzentwicklung gegenüber der anxiolytischen Wirkung wird selten berichtet, jedoch über eine bezüglich der antikonvulsiven, sedierenden und muskelrelaxierenden Komponenten. Man unterscheidet
• eine Niedrigdosisabhängigkeit, d. h. eine Abhängigkeit bei Langzeiteinnahme therapeutisch verordneter Dosen, von
• einer Hochdosisabhängigkeit, bei der es zu Dosissteigerungen gekommen ist.
In beiden Fällen sind nach dem Absetzen Absetzeffekte möglich, wobei bei der Niedrigdosisabhängigkeit über protrahiert zunehmende Entzugserscheinungen berichtet wird.
Absetzen und Enzug
Absetzen und Entzug: Beim Absetzen der Benzodiazepine muss mit
Rückfallsymptomen (Wiederauftreten der ursprünglichen Grunderkrankung),
Rebound-Symptomen (intensiveres Auftreten der ursprünglichen Krankheitssymptome) und den eigentlichen
Entzugserscheinungen gerechnet werden. Die Entzugserscheinungen werden hinsichtlich ihres Schweregrades differenziert in:
leichte Entzugssymptome: vermehrte Angst, Unruhe, Schlafprobleme, Übelkeit, Tremor, Schwitzen, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Dysphorie, Reizbarkeit,
starke Entzugssymptome: schwere Angstzustände, Krampfanfälle, Verwirrtheit, verzerrte Wahrnehmung, Muskelzittern, -schmerzen, Depersonalisations- und Dereali sations phäno mene, psychoseartige Zustände, Schwindel, Suizidalität.
Die Entzugserscheinungen können über viele Wochen fluktuierend bestehen. Zentrales Prinzip ist eine stufenweise Dosisreduktion und die Vermeidung eines abrupten Absetzens.
Kontraindikation
akute Intoxikationen durch Alkohol, Schlafmittel, Analgetika oder Psychopharmaka,
bekannte Abhängigkeitserkrankung,
Leber- und Niereninsuffizienz,
chronische Ateminsuffizienz, Schlafapnoe-Syndrom,
Myasthenia gravis (autoimmun bedingte Muskelerkrankung).
Hypnotika
Indikation
Hypnotika sind schlaffördernde Substanzen, sie werden deshalb auch Antiinsomnika genannt. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Medikamenten bzw. Wirkstoffen. Hypnotika werden gelegentlich auch mit Tranquilizern zusammengefasst bzw. diesen zugeordnet. Im Idealfall sollen die Medikamente den physiologischen Schlaf nicht verändern, kein Abhängigkeitspotenzial besitzen und bei Überdosierung nicht zu einer Lähmung des Atemzentrums führen.
Indikation: Schlafstörungen (Einschlafverzögerung, Durchschlafstörungen, Früherwachen, nicht erholsamer Schlaf).
Hypnotika:
Substanzgruppen
Benzodiazepine sind die wichtigste Substanzgruppe unter den Hypnotika.
Non-Benzodiazepin-Hypnotika (Cyclopyrrolone) wie z. B. Zopiclon (Ximovan®), Zolpidem (Stilnox®) und Zaleplon (Sonata®) unterscheiden sich strukturchemisch von den Bezodiazepinen, haben aber ähnliche Angriffspunkte (GABA-Rezeptor) und eine ähnlich sedierende Wirkung. Sie zeichnen sich durch ein geringes Abhängigkeitspotenzial, einen selteneren Hangover-Effekt (Tagesmüdigkeit) und seltenere Rebound-Phänomene als die klassischen Benzodiazepine aus.
Sedierende Antidepressiva wie z. B. Amitriptylin (Saroten®), Doxepin (Aponal®), Trimipramin (Stangyl®) können insbesondere bei abhängigkeitsgefährdeten Patienten eingesetzt werden.
Niedrigpotente Antipsychotika wie z. B. Promethazin (Atosil®) können ebenfalls eingesetzt werden. Es sind jedoch trotz niedriger Dosen entsprechende UAW zu erwarten. Sie sind zweites Mittel der Wahl bei abhängigkeitsgefährdeten Patienten.
Antihistaminika haben ebenfalls einen leicht sedierenden Effekt und sind rezeptfrei erhältlich.
Pflanzliche Präparate wie Hopfen- und Baldrianpräparate haben weniger einen schlafanstoßenden als einen beruhigenden Effekt.
Barbiturate haben eine gute hypnotische Wirksamkeit, verfügen jedoch aufgrund ihrer hohen Toxizität nur über eine geringe therapeutische Breite. Wegen ihres hohen Abhängigkeitspotenzials und der potenziellen Möglichkeit der Selbsttötung mit diesen Medikamenten werden sie heute kaum noch verordnet, unterliegen den Betäubungsmittelvorschriften und spielen eher auf dem illegalen Markt eine Rolle.
Melatonin ist das von der Zirbeldrüse freigesetzte Hormon. Es soll bei der Überwindung des Jetlags unterstützend sein und hat wohl geringe hypnotische Eigenschaften.
Clomethiazol (Distraneurin®) wird selten und wenn dann nur im stationären Setting eingesetzt. Es hat sedierende, antikonvulsive und hypnotische Eigenschaften und wird auch beim Alkoholentzug verwendet. Es besitzt ein hohes Abhängigkeitspotenzial.
Chloralhydrat (Chloraldurat®) wird wegen der Gefahr einer Abhängigkeit (Chloralismus) nur noch selten eingesetzt.
Schlafstörungen sollten ursächlich und nicht symptomatisch behandelt werden. Deshalb sollten Hypnotika erst nach dem Ausschöpfen anderer Therapiemöglichkeiten wie Entspannung, Regelung der Schlafhygiene etc. gegeben werden, bzw. die zugrunde liegende Grunderkrankung sollte zunächst behandelt werden. Schlafmittel sollten nicht länger als vier Wochen verordnet werden. Bei intermittierenden Schlafstörungen ist eine Einnahme in vier bis sechs Nächten pro Monat vertretbar. Es sollte mit einer niedrigen Dosis begonnen werden. Verschiedene Hypnotika sollten nicht kombiniert werden.
Hypnotika: Unerwünschte Arzneitmittelwirkungen
Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial (v. a. Benzodiazepine, aber auch Non-Benzodiazepin-Hypnotika),
verminderte psychomotorische Leistungsfähigkeit und Reaktionsbereitschaft (eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit),
Müdigkeit, Schwindel, Koordinationsstörungen,
bei langfristiger Anwendung: Antriebsstörungen, emotionale Abstumpfung, Interessenverlust.
Psychostimulanzien (Amphetamine)
Psychostimulanzien sind Aufputschmittel, die helfen, für eine gewisse Zeit Erschöpfungszustände und Müdigkeit zu überwinden. Dabei ist auch an legale Drogen wie Koffein zu denken. An dieser Stelle soll jedoch ausschließlich auf die Wirkweise der Amphetamine eingegangen werden, denn pharmakotherapeutisch werden amphetaminähnliche Stoffe bei sehr spezifischen Indikationen eingesetzt, wozu v. a.
• ADHS (s. S. 210 und S. 415) und
• Narkolepsie (s. S. 200)
zählen.
Psychostimulanzien: Wirkmechanismen
Amphetamine haben eine sympathikusstimulierende und dopaminagonistische Wirkung. Interessanterweise unterscheidet sich die Wirkung bei Erwachsenen und Kindern etwas:
bei Erwachsenen: allgemeine sympathische Aktivierung, psychische Veränderungen wie Euphorie, Antriebssteigerung, Leistungssteigerung, Appetitreduzierung, Wachheit, vermindertes Schlafbedürfnis,
bei Kindern: Aufmerksamkeitssteigerung, Reduktion der Impulsivität und Hyperaktivität.
Psychostimulanzien: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Diese sind dementsprechend sympathischer Natur, wie Tachykardie, Hypertonie, Pupillenerweiterung, Hyperhidrosis und Hyperthermie. Außerdem kann es zu Schlafstörungen, Appetitmangel, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und dergleichen kommen.
Psychostimulanzien: Tachyphylaxie
Bei Einnahme kommt es zur vermehrten Freisetzung von Dopamin und Noradrenalin aus den synaptischen Vesikeln. Gleichzeitig verhindern die Amphetamine die Wiederaufnahme dieser Transmitter in die Präsynapse und bewirken damit einen Überschuss der Transmitter Noradrenalin und Dopamin und damit deren antriebssteigernde Wirkung. Durch das fehlende Reuptake kommt es jedoch zu einem bleibenden Mangel in der präsynaptischen Zelle, und auf Dauer stehen weniger Noradrenalin und Dopamin zur Verfügung. Im Laufe der Zeit sinkt die Konzentration dieser Stoffe auch im synaptischen Spalt, und es kommt zur Abschwächung oder Aufhebung der eigentlichen Medikamentenwirkung.
Psychostimulanzien: Methylphenidat
Als wichtige pharmakotherapeutisch eingesetzte Substanz sollte Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®, Concerta®) bekannt sein, ein Medikament, welches unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fällt und zur Behandlung der Narkolepsie und des kindlichen ADHS eingesetzt wird. Obwohl die Diskussion über diesen Wirkstoff sehr kontrovers geführt wird, ließen sich bisher keine Belege finden, dass kindliche Patienten mit ADHS bei korrekter Diagnosestellung und Applikation später eine Abhängigkeit entwickeln.
Haupteffekte sind:
• Verbesserung der Konzentration,
• Verminderung des hyperkinetischen, störendenden und unangemessenen Verhaltens.
Jedoch ist die Behandlung nur wirksam, solange sie durchgeführt wird!
Durchschlafstörungen,
Appetitminderung,
Ängstlichkeit, Depressivität,
Steigerung von Blutdruck und Herzfrequenz,
Tic-Störungen,
passagere Wachstumsverzögerungen (gering und häufig vorübergehend).
Relative Kontraindikation
besteht bei erniedrigter Krampfschwelle, Tic-Störung, psychotischer Symptomatik, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gefahr von Medikamentenmissbrauch und fehlender Compliance der Eltern.
Antidementiva und Nooptropika
Es sollten auch Medikamente zur Behandlung demenzieller Syndrome bekannt sein. Mit diesen Medikamenten möchte man demenzielle Abbauprozesse verlangsamen. Hier existieren die eigentlichen Antidementiva mit Wirkung auf die Acethylcholinesterase. Die sogenannten Acethylcholinesterasehemmer (z. B. Aricept®, Reminyl®) wirken bei leichten bis mittelschweren Demenzen und bei der Alzheimer-Demenz. Außerdem gibt es sogenannte Nootropika, welche keine wesentliche Wirkung auf die Acethylcholinesterase haben, sondern beispielsweise durchblutungsfördernd wirken (z. B. Gingko-Präparate).
Anticholinergika
Anticholinergika (z. B. Akineton®) sind Substanzen zur Behandlung extrapyramidaler Symptome, z. B. des Parkinson-Syndroms, und der extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen der Neuroleptika. Spätdyskinesien verschlechtern sich unter Anticholinergika meist. Anticholinergika haben sympathomimetische Eigenschaften und können dementsprechend v. a. vegetativ unerwünschte Wirkungen hervorrufen.
Entzugs- und Substitutionsbehandlung
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