Wie prüft man die verhaltensbedingte Kündigung i.S.d. § 1 II KSchG?
OS: § 1 II KSchG
Pflichtverletzung
—> steuerbare Handlung, die einem verständigen AG Anlass zur Kündigung geben würde
—> hier, soweit streitig: Beweiswürdigung nach §§ 138, 286 ff. ZPO i.V.m. § 46 II ArbGG
—> Darlegungs- u. Beweislast beim AG, vgl. § 1 II 4 KSchG
Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung (Rechtsgedanke des § 314 II BGB)
—> Warnfunktion + Prognoseentscheidung
—> dabei: Pflichtverletzungen für Abnahme und spätere Kündigung müssen materiell vergleichbar sein
—> Abmahnung nur ausnahmsweise entbehrlich
Keine mildere anderweitige Maßnahme?
—> Grund: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
—-> Bsp.: Versetzung, Umsetzung usw.
Keine Verwirkung durch zu langes Zögern, vgl. § 242 BGB
Einzelfallprüfung + Interessenabwägung
—> Gewicht und Auswirkung der Pflichtverletzung
—> Wiederholungsgefahr
—> sozialer Besitzstand des AN (Alter, Unterhalt, Dauer der Betriebszugehörigkeit)
—> Dauer eines “störungsfreien Ablaufs” des Arbeitsverhältnisses
Was meint der Grundsatz der abgestuften Darlegungs- und Beweislast?
grds. trägt der AG die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe
aber:
AG muss nicht jeden erdenklichen Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen
kann sich darauf beschränken den objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung darzulegen
Kann auch eine formell unwirksame Abmahnung als vorherige Abmahnung für eine spätere Kündigung ausreichen?
ja (+)
Arg.: auch diese erfüllt die Warnfunktion, denn aus der formellen Unwirksamkeit kann der AN nicht entnehmen, dass der AG das abgemahnte Verhalten billigt
Was ist mit dem Problem der Abmahnungsflut gemeint?
bei vielfachen Abmahnungen kann deren Warnfunktion entwertet worden sein
Folge —> Notwendigkeit eines verschärften Tons vor dem Kündigungsausspruch
Ist das Nachschieben von Kündigungsgründen möglich?
ja (+), soweit diese bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden sind
Wie wird die verhaltensbedingte von der personenbedingten Kündigung abgegrenzt?
m.E. durch steuerbares Verhalten: während die verhaltensbedingte Kündigung eine durch den AN gesteuerte Pflichtverletzung benötigt, ist die personenbedingte Kündigung bei solchen Vorgängen mit betrieblicher Auswirkung einschlägig, die vom AN nicht steuerbar sind
Bsp. für letzteres: Krankheit oder auch gesetzliches Beschäftigungsverbot
Schema personenbedingte Kündigung am Beispiel der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung (Drei-Stufen-Prüfung)?
Negative Gesundheitsprognose
—> Indizwirkung bisheriger Krankheiten (Prognoseentscheidung)
Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
z.B. Betriebsablaufstörung oder erhebliche wirtschaftliche Belastung für AG durch AN
Prüfung Möglichkeit einer anderweitigen “leidensgerechten” Weiterbeschäftigung? (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz)
Zumutbarkeit für den Arbeitgeber
—> Einzelfallabwägung
Wann kommt eine betriebsbedingte Kündigung i.S.d. § 1 II KSchG in Frage?
aus innerbetrieblichen Gründen (Unternehmensentscheidungen wie Rationalisierung, Umstellung oder Einschränkung der Produktion)
aus außerbetrieblichen Gründen (Auftragsmangel, Umsatzrückgang usw.)
Prüfungsmaßstab bei einer betriebsbedingten Kündigung?
nicht die ökonomische Vernünftigkeit der Unternehmerentscheidung selbst, sondern nur die konkrete Auswirkung dieser Entscheidung
Schema betriebsbedingte Kündigung?
OS: § 1 II u. III KSchG
Dringlichkeit
—> bei Ausspruch der Kündigung muss auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten sein, dass mit einiger Sicherheit - zum Zeitpunkt des Kündigungstermins - der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenenden betrieblichen Grundes gegeben sein werde
—> d.h. es muss feststehen, nicht nur lediglich möglich sein, dass der Grund eintreten wird
—> nicht z.B.: wenn das Unternehmen noch in Verhandlungen mit anderen Lieferanten ist und eine Stilllegung vielleicht noch verhindert werden kann
Vorrang der Versetzung
—> AG muss alternative und freie Arbeitsplätze im Unternehmen geprüft haben
Vorrang der Änderungskündigung
—> Bsp.: vom Außendienstmitarbeiter zur Fachkraft für Logistik
—> nur ganz ausnahmsweise entbehrlich
Sozialauswahl nach § 1 III KSchG
—> Vergleichsgruppen ermitteln
—> Punktesystem möglich (AG hat Ermessen)
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