4.1 Konsumentenkommunikation
Unter Konsumentenkommunikation versteht man die Steuerung der Kommunikation:
zwischen Anbietern und Konsumenten
zwischen Konsumenten untereinander
Diese Kommunikationssteuerung zählt zu den wichtigen Sozialtechniken von Unternehmen.
Besonders relevant ist Konsumentenkommunikation:
beim Verkauf an Großhandel und Endabnehmer
bei Information und Beratung auf Messen
überall dort, wo direkte persönliche Kontakte bestehen
Für eine gelungene Kommunikation ist entscheidend, dass sie:
effizient verläuft
inhaltlich abgestimmt ist
Durch die Abstimmung aller vermittelten Inhalte kann die Wirkung der Kommunikation deutlich gesteigert werden – sowohl:
in der persönlichen Kommunikation
als auch in der Massenkommunikation (Kroeber-Riel, 1992)
Erkenntnisse zur nonverbalen Kommunikation lassen sich:
auf persönliche Kommunikation
und auf Massenkommunikation
übertragen.
Neben der Bildkommunikation spielt auch die Objektkommunikation eine wichtige Rolle.
Beispiele:
Geschenke
angemessene Mimik und Gestik im Verkaufsgespräch
Produktdesign
Durch diese Maßnahmen werden gewünschte Verhaltensweisen der Konsumenten gefördert (Kroeber-Riel, 1992).
4.1.1 Persönliche Kommunikation
Die persönliche Kommunikation wird als wirkungsvoller eingeschätzt als die Massenkommunikation.
„Wirkungsvoll“ bedeutet hier:
gesteigerte Kaufbereitschaft
tatsächliche Kaufhandlung
Ein klassisches Beispiel ist die Mund-zu-Mund-Werbung, die:
absatzfördernder ist
als über Massenmedien verbreitete Werbung
Mehrere Studien belegen den überlegenen Einfluss persönlicher Kommunikation auf Kaufentscheidungen.
In einer Studie wurden Konsumenten interviewt, um herauszufinden:
wodurch eine Kaufentscheidung ausgelöst wurde
insbesondere bei Markenwechseln bei Nahrungsmitteln
Ergebnis:
Persönliche Kommunikation mit anderen Konsumenten war die wichtigste Einflussquelle
Massenkommunikation spielte eine geringere Rolle
Gründe für den starken Einfluss persönlicher Kommunikation
Der hohe Einfluss persönlicher Kommunikation beruht auf drei zentralen Komponenten:
Höhere Glaubwürdigkeit und stärkere soziale Kontrolle
Bessere Steuerung der selektiven Informationsaufnahme
Größere Flexibilität im Informationsaustausch
1) Glaubwürdigkeit und soziale Kontrolle
Die höhere Glaubwürdigkeit entsteht, weil:
andere Konsumenten keine offensichtliche kommerzielle Motivation haben
sie als neutrale Informationsquelle wahrgenommen werden
sie eher als Ratgeber gelten
Die soziale Kontrolle entsteht dadurch, dass:
der Kommunikator prüfen kann, ob seine Empfehlung übernommen wurde
beim Kommunikanten ein Verpflichtungsgefühl entsteht
2) Selektive Informationsaufnahme
In der persönlichen Kommunikation können Konsumenten:
Informationen besser filtern
sich auf für sie relevante Inhalte konzentrieren
Der Konsument verarbeitet vor allem Informationen:
die seinen individuellen Bedürfnissen entsprechen
Andere Informationen werden:
vermieden
oder ausgeblendet
Die persönliche Kommunikation ermöglicht es, die Aufmerksamkeit gezielt zu lenken (vgl. 3.5.2 Aufmerksamkeit und Wahrnehmung).
3) Flexibilität
Persönliche Kommunikation erlaubt:
kontinuierliches Feedback
sofortige Klärung von Missverständnissen
Diese Flexibilität ist in der Massenkommunikation nicht gegeben (Kroeber-Riel, 1992).
Die persönliche Kommunikation zwischen Verkäufern und Konsumenten:
verliert zwar Glaubwürdigkeit und soziale Kontrolle
bleibt aber wirksamer als Massenkommunikation
Sie profitiert weiterhin von:
selektiver Informationsaufnahme
hoher Flexibilität
Motivation zur persönlichen Kommunikation
Die Motivation der Konsumenten lässt sich in zwei Formen unterscheiden:
Produktinvolvement
Situationsinvolvement
Produktinvolvement beschreibt:
das aktive Interesse eines Konsumenten an einem Produkt
den Grad der Beteiligung an persönlicher Kommunikation über dieses Produkt
Um Produktinvolvement zu steigern, muss Werbung:
persönliche Kommunikation anregen
z. B. durch:
Appelle
Neugier
Humor
Entscheidend ist dabei:
die mentale Verfügbarkeit von Informationen
nicht unbedingt die Besonderheit des Produkts
Beispiel:
Menschen sprechen häufig über das Wetter, obwohl es nicht besonders interessant ist
➡️ Informationen zu häufig genutzten Produkten sind leichter abrufbar als zu selten genutzten.
Situationsinvolvement wird bestimmt durch:
Motivation
wahrgenommenes Kaufrisiko
Ziel des Konsumenten:
Minimierung des Kaufrisikos durch zusätzliche Informationen
Dabei werden Informationen eingeholt über:
Produktmerkmale
Kaufverhalten anderer Konsumenten
mögliche soziale Folgen (z. B. Prestigeverlust)
Empirischer Befund:
Konsumenten mit hohem wahrgenommenem Kaufrisiko führen mehr persönliche Gespräche
als Konsumenten mit niedrigem Kaufrisiko (Berger & Schwartz, 2011)
Steuerung persönlicher Kommunikation durch Marketing
Da persönliche Kommunikation zwischen Konsumenten:
meist nach dem Kauf einsetzt
erst nach ersten Produkterfahrungen
ist Marketing hier besonders wertvoll.
Durch:
Marktbeobachtung
Marktforschung
können relevante Kommunikationskanäle identifiziert und Gesprächsinhalte analysiert werden.
Marketing kann:
persönliche Kommunikation fördern
oder hemmen (z. B. bei negativer Kommunikation)
Förderung persönlicher Kommunikation durch:
Influencer-Modelle
Meinungsführer
Slogans oder Jargon, die sich für Gespräche eignen
Sondervorführungen
Verkaufsförderung durch Free Gifts
Besonders wirksam:
Verkäufer, die selbst zur Zielgruppe gehören
informelle Hauspartys mit Verkäufer als Animator und Verkäufer zugleich
Tupper-Partys sind ein klassisches Beispiel erfolgreicher persönlicher Kommunikation.
Typischer Ablauf:
Treffen im privaten Umfeld
Jeder Teilnehmer erhält ein Geschenk
Gemeinsames Beschreiben der Produktvorteile
Beginn der Kaufphase durch einzelne Teilnehmer
Nachziehen weiterer Teilnehmer
Erklärungsansätze:
Geschenk → Reziprozitätsregel
lautes Aufsagen von Vorteilen → erhöht Involvement
erste Käufe → soziale Bestätigung
privater Rahmen → maximale Vorteile persönlicher Kommunikation
In kleinen Gruppen haben manche Personen:
überdurchschnittlichen Einfluss
sind besonders aktiv
wirken einstellungsleitend und einstellungsverändernd
Diese Personen werden als Meinungsführer bezeichnet.
Meinungsführer lassen sich anhand des ACTIVE-Profils identifizieren:
A – Ahead in Adoption: übernehmen Neuerungen früh
C – Connected: gut sozial und digital vernetzt
T – Travellers: reisen gern
I – Information hungry: wissbegierig
V – Vocal: wortgewandt
E – Exposed to media: medienaffin (Gladwell, 2000)
Unternehmen setzen häufig:
symbolische
fiktive
virtuelle Meinungsführer
ein.
Slice-of-Life-Werbung (z. B. Zahnarztfrau)
Testimonials
Diese Meinungsführer wirken:
nur unter bestimmten Involvementbedingungen
als periphere Hinweisreize im Sinne des Elaboration-Likelihood-Modells
4.1.2 Massenkommunikation
Unter Massenkommunikation versteht man alle Kommunikationsformen, bei denen:
Botschaften öffentlich
mithilfe technischer Verbreitungsmittel
bei räumlicher und/oder zeitlicher Distanz
zwischen Sender und Empfänger vermittelt werden.
Kennzeichnend ist:
kein direkter persönlicher Austausch
einseitige Kommunikation vom Sender zum Empfänger (Maletzke, 1972)
Durch den indirekten Kontakt kennen sich die Empfänger:
in der Regel nicht untereinander
haben keine sozialen Beziehungen
halten sich an unterschiedlichen Orten auf
Dieses Merkmal wird als disperses Publikum bezeichnet.
Trotzdem gibt es Ausnahmen:
Familien
Freundeskreise
Kollegenkreise
Diese kleinen Gruppen sprechen über massenmediale Inhalte und überführen Massenkommunikation in persönliche Kommunikation.
➡️ Deshalb gilt Massenkommunikation als:
initiierende Kommunikation
mit indirekter Wirkung
Klassische Massenkommunikation ist eine Ein-Weg-Kommunikation:
Sender → Empfänger
kaum Möglichkeiten zur unmittelbaren Anpassung an Reaktionen
Durch neue mediale Formen (z. B. direkte Publikumsbeteiligung) entstehen jedoch:
neue Möglichkeiten zur Senderreaktion
begrenzte Formen von Feedback
Analyse von Massenkommunikation
Das Wissen über:
Akzeptanz
Nutzung
Wirkung
massenmedialer Kommunikation ist die Grundlage für:
Medienauswahl
Wahl geeigneter Kommunikationskanäle
Erreichung der Zielgruppe
Zur Analyse wird häufig die Lasswell-Formel verwendet (vgl. Kommunikationsmodell nach Lasswell).
Im Vergleich zur persönlichen Kommunikation benötigt Massenkommunikation häufig technische Hilfsmittel.
Man unterscheidet:
Direkte Massenkommunikation
arbeitet mit primären Medien
z. B. Sprache, Körpersprache
Einsatz bei Vorträgen oder Vorlesungen
Medienvermittelte Massenkommunikation
sekundäre Medien: technische Hilfsmittel nur auf Senderseite (z. B. Texte, Funksignale)
tertiäre Medien: technische Hilfsmittel auf Sender- und Empfängerseite (z. B. Filme, CDs, E-Book-Reader)
(Röhner & Schütz, 2016)
Ein großer Vorteil der Massenmedien ist die hohe Kontaktzahl:
viele erreichte Personen
hohe Kontakthäufigkeit pro Person
Die persönliche Kommunikation könnte dieselbe Reichweite nur erreichen mit:
hohem Aufwand an Geld
Personal
Zeit
Massenmedien streuen breit. Dadurch entstehen Streuverluste:
Menschen werden erreicht, die keine potenziellen Käufer sind
Zur Minimierung werden Zielgruppen gebildet, die möglichst homogen sind.
Typische Segmentierungsmerkmale:
Geschlecht
Alter
Generation
Bildung
Kaufkraft
Milieus
Persönlichkeitsmerkmale
Wertorientierungen
Grundsatz:
Je genauer die Zielgruppe definiert ist, desto gezielter kann sie angesprochen werden
Je „spitzer“ die Zielgruppe, desto kleiner die Grundgesamtheit
➡️ Konsequenz:
Manche Massenmedien (z. B. TV-Werbung) sind dann ungeeignet
Es muss stets zwischen geringen Streuverlusten und ausreichender Kontaktzahl abgewogen werden
AIDA-Formel der Werbewirkung
Ein klassisches Modell der Werbewirkung ist die AIDA-Formel (Lewis, 1903):
A – Attention (Aufmerksamkeit)
I – Interest (Interesse)
D – Desire (Verlangen)
A – Action (Handlung)
Eigenschaften:
geeignet für kurze Werbebotschaften
Plakate
kurze Spots
Anzeigen
Direktmarketing
richtet sich häufig an Menschen mit peripherer Informationsverarbeitung
erfordert hohe Aktivierung
Nicht geeignet für:
Verkaufsgespräche
dialogorientierte Kommunikation
In der Massenkommunikation gewinnt nonverbale Kommunikation, insbesondere Bildkommunikation, zunehmend an Bedeutung.
wird kognitiv weniger kontrolliert
wirkt stärker auf Emotionen als verbale Kommunikation
In einem erweiterten Verständnis zählen auch:
Kleidung
Produkte
zu den nonverbalen Kommunikationsmitteln.
Da in der Massenkommunikation:
kaum Feedback
kaum Reaktionskorrekturen
möglich sind, spielen nonverbale Botschaften eine besonders große Rolle.
Nonverbale Reize:
informieren über die Persönlichkeit des Kommunikators
führen zur Attribution bestimmter Eigenschaften
Kleidung oder Brillen beeinflussen die wahrgenommene Persönlichkeit
Kleidung von Nachrichtensprechern beeinflusst Glaubwürdigkeit
Krawatte kann „Vertrauenswürdigkeit“ signalisieren (Kroeber-Riel, 1992)
4.2 Kommunikation in und mit Gruppen
Interaktionen und systemische Phänomene in Gruppen gehören seit den 1920er-Jahren zu den zentralen Forschungsfeldern der Sozial- und Kommunikationspsychologie.
Ein besonders einflussreicher Forscher war der Sozialpsychologe Kurt Lewin (1890–1947). Er entwickelte grundlegende Modelle und Theorien der Gruppenpsychologie.
Zentrale Annahme:
Soziale Gruppen konstruieren ihre eigene soziale Wirklichkeit
diese entsteht durch Interaktion und Kommunikation
Lewin sprach von „selbstregulierenden Prozessen innerhalb der Gruppe“, die zu spezifischen Kommunikationsformen führen (Lewin, 1982).
andauernde Interaktion
gemeinsames Gestalten sozialer Konstruktionen
ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl
grenzen sich Gruppen als soziale Systeme von anderen Gruppen ab.
Gruppen lassen sich durch ihre gruppenspezifische Kommunikation unterscheiden:
Quantitative Merkmale:
Häufigkeit der Kommunikation
Dauer
Intensität
Wechselseitigkeit
Qualitative Merkmale:
Aufgabenspezifik
Kommunikationsinhalte
4.2.1 Gruppenkonformität
Gruppen verfügen über gruppenspezifisches Wissen, mit dem sie:
Prozesse
Normen
Standards
etablieren.
Deshalb werden soziale Gruppen auch als kommunikative Deutegemeinschaften bezeichnet (Frindte, 2001).
Konformität bedeutet, dass Mitglieder einer Gruppe:
ihre Verhaltensweisen
ihre Einstellungen
ihre Meinungen
einander angleichen.
Dies geschieht:
in Kleingruppen
ebenso wie in Gesellschaften
Häufig kommt es nach dem Beitritt zu einer Gruppe zu Einstellungsänderungen in Richtung der Gruppenmeinung.
➡️ Konformität:
stärkt den inneren Zusammenhalt der Gruppe
grenzt sie von anderen Gruppen ab (Herkner, 2001)
Die Konformitätsforschung untersucht, unter welchen Bedingungen Konformität entsteht.
Die wichtigsten Einflussfaktoren sind:
Normative Einflüsse
Wunsch, vor der Gruppe gut dazustehen
Angst vor Ablehnung
Informative Einflüsse
Orientierung an anderen bei Unsicherheit oder Unwissenheit
Das bekannteste Experiment zu normativen Einflüssen stammt von Solomon Asch (1951).
Versuchsaufbau:
Versuchspersonen sollten die Länge von Linien vergleichen (objektiv messbar).
Alle anderen Gruppenmitglieder (eingeweiht) gaben absichtlich falsche Antworten.
Viele Versuchspersonen passten ihre Antworten der Gruppe an.
Das geschah, obwohl:
sie die anderen nicht kannten
die richtige Lösung offensichtlich war
➡️ Ergebnis: Konformitätsdruck kann selbst bei eindeutigen Aufgaben wirken.
Muzafer Sherif (1935) untersuchte informative Einflüsse mithilfe des autokinetischen Effekts.
Autokinetischer Effekt:
Ein Lichtpunkt in einem dunklen Raum scheint sich zu bewegen,
obwohl er tatsächlich stillsteht.
Versuch:
Versuchspersonen sollten schätzen, wie stark sich der Lichtpunkt bewegt habe.
Ergebnisse:
Einzelbefragung: große Unterschiede in den Schätzungen
Gruppenbefragung: schnelle Bildung einer gemeinsamen Gruppenmeinung
Besonderheiten:
Unterschiedliche Gruppen entwickelten unterschiedliche Normen
Diese Gruppenmeinungen blieben stabil, selbst wenn Mitglieder ausgetauscht wurden
➡️ Vergleichbar mit:
Traditionen
Bräuchen
organisationalen Kulturen
Weitere Einflussfaktoren auf Konformität
Konformität wird zusätzlich beeinflusst durch:
Situative Faktoren:
hoffnungslose Situationen
schwierige Aufgaben
Persönlichkeitsfaktoren:
geringes Selbstwertgefühl
hohes Bedürfnis nach Anerkennung
hohe Bewertung der Gruppe
Gruppenfaktoren:
starke Gruppenkohäsion
Existenz von Randgruppen
Größe der Majorität
Gruppendenken (Groupthink) beschreibt die Tendenz von Gruppen:
im Streben nach Einmütigkeit
die Realität aus den Augen zu verlieren
alternative Handlungsmöglichkeiten zu ignorieren
Einbildung von Unverwundbarkeit und unrealistischer Optimismus
Kollektive Rationalisierungen (Scheinbegründungen)
Vernachlässigung von Warnungen und negativem Feedback
Überzeugung von der eigenen ethischen Rechtmäßigkeit
Realitätsferne Wahrnehmung anderer Personen oder Gruppen
Stereotypisierung und Abwertung wahrgenommener Gegner
Starker Konformitätsdruck auf abweichende Gruppenmitglieder
durch sogenannte Meinungswächter
Zur Vermeidung von Groupthink empfiehlt Janis (1972):
gezielte Betonung von Kritikpunkten
Berufung eines Advocatus Diaboli
Einbindung gruppenfremder Berater
Risky Shift und Polarisationseffekte
Stoner und Wallach (1961) zeigten:
Gruppen treffen häufiger riskantere Entscheidungen als Einzelpersonen
erst Einzelentscheidungen
danach Gruppenentscheidungen mit Konsenspflicht
Gruppenentscheidungen waren durchgängig risikoreicher
Spätere Studien zeigten:
Gruppen entscheiden nicht nur risikoreicher,
sondern teilweise auch vorsichtiger als Einzelpersonen
➡️ Daher spricht man heute von Polarisationseffekten.
Verteilung von Verantwortung → geringeres persönliches Verantwortungsgefühl
Einfluss risikobereiter Personen → sie setzen sich in Gruppen besser durch
Sozialer Vergleich → Risikobereitschaft wird oft positiv bewertet → Vergleich steigert eigene Risikobereitschaft (Frindte, 2001)
Gruppenkommunikation und Sprache
Gruppennormen beeinflussen:
Kommunikationsverhalten
Sprachstil
Umgekehrt kann Kommunikation:
Gruppenzugehörigkeit betonen
Abgrenzung zu anderen Gruppen schaffen
Typische Mittel:
Dialekte
Fachsprachen
Jargons
spezifische Formulierungen
Körpersprache
Soziale Gruppen entwickeln eigene Interpretations- und Kommunikationsmuster, die:
Zusammenhalt (Kohäsion) fördern
die soziale Wirklichkeit der Gruppe stabilisieren
Kommunikationsstörungen werden oft erst sichtbar, wenn:
ein Gruppenmitglied in ein anderes soziales System wechselt
alte Kommunikationsmuster beibehalten werden
Paul Watzlawick verdeutlicht dieses Phänomen am Beispiel von:
unterschiedlichem Umgang mit Messer und Gabel in Europa und den USA
Zentrale Aussage:
Eigene Regeln werden als „richtig“
fremde Regeln als „falsch“ oder „lächerlich“ wahrgenommen
➡️ Tatsächlich sind es Konventionen, keine objektiven Wahrheiten (Watzlawick, 1991)
„Dass der Amerikaner mit Messer und Gabel anders als der Europäer hantiert,
dürfte bekannt sein und keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Beobachten
Sie aber trotzdem Ihre eigenen Reaktionen, wenn Sie dieses Ritual des Ergreifens
und Wiederhinlegens des Messers und des dauernden Wechsels der Gabel
von der linken in die rechte Hand und zurück im großen Stil (und nicht nur
bei ein paar komischen Touristen) sehen. Es wird Ihnen sicher lächerlich vorkommen
– und damit begehen Sie den typischen Fehler anzunehmen, dass die
Regeln der eigenen Gesellschaft ‚richtig‘ und die der anderen Gesellschaftsformen
und Kulturen ‚falsch‘ oder ‚dumm‘ sind. In Tat und Wahrheit ist natürlich
jede solche Regel so richtig oder falsch wie jede andere; es sind Konventionen
und nicht ewige, objektive Wahrheiten.“ (Watzlawick, 1991)
4.2.2 Orientierung an Gruppen
Gruppen beeinflussen Einstellungen und Verhalten von Menschen auch dann, wenn diese nicht selbst Mitglied der Gruppe sind.
Wie bereits bei den Experimenten von Sherif beschrieben, spielt hier der Wunsch nach Orientierung bei Unwissenheit eine zentrale Rolle.
Wenn Menschen unsicher sind:
welches Verhalten angemessen ist
oder welche Meinung sie haben sollen,
greifen sie häufig nicht auf eigene Informationssuche zurück, sondern orientieren sich an dem Verhalten anderer.
Statt selbst zu überlegen, übernehmen Menschen:
die Verhaltensweisen einer sozialen Mehrheit
das, was als „allgemeiner Konsens“ wahrgenommen wird
Diese Orientierung erfolgt oft:
automatisch
unbewusst
➡️ Menschen folgen dem, was viele andere tun.
Ein klassisches Beispiel ist das Verhalten bei Schlangen vor Geschäften oder Restaurants:
Eine lange Schlange wird als Hinweis interpretiert, dass das Angebot gut sein muss.
Je länger die Schlange wird, desto mehr Menschen schließen sich an.
Die Entscheidung erfolgt ohne Wissen darüber, was einen tatsächlich erwartet.
Diese Schlussfolgerung basiert auf:
automatisierten, unbewussten Denkprozessen
peripherer Informationsverarbeitung
➡️ Bezug zum Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) (vgl. Kapitel 3.4.2 „Einstellung“) (Kahneman, 2012)
Der Sozialpsychologe Robert Cialdini untersuchte dieses Phänomen experimentell.
Er zeigte:
Menschen verhalten sich umweltbewusster, wenn sie glauben, dass andere dies ebenfalls tun.
In Hotelzimmern wurde folgendes beobachtet:
Gäste benutzen ihre Handtücher länger,
wenn ein Schild darauf hinweist, dass andere Gäste dies auch tun.
Beispielhafte Botschaft:
„Tun Sie es anderen Hotelgästen gleich: Schützen Sie die Umwelt.“
Wichtig:
Es wird keine konkrete Personengruppe genannt.
Die Wirkung entsteht allein durch den Hinweis auf das Verhalten anderer.
➡️ Ergebnis: Orientierung an sozialer Norm (Goldstein et al., 2009)
Das gleiche Prinzip zeigt sich besonders deutlich in sozialen Medien:
Hohe Zahlen bei:
Klicks
Likes
Followern
Abonnenten
führen zu:
immer mehr Nachahmern
steigender Aufmerksamkeit
Weitere typische Beispiele:
„Andere Kunden kauften auch …“
„Schon 1 Million Kunden“
Anzahl von Rezensionen oder Bewertungen
➡️ Diese Hinweise dienen als soziale Beweise (Social Proof) und erleichtern Entscheidungen ohne intensive Informationsverarbeitung.
4.3 Markenkommunikation
Markenentwicklung und Markenpflege sind im marktwirtschaftlichen Kontext vor allem kommunikative Prozesse.
Eine Marke wird erst durch einen markenspezifischen Kommunikationsstil eindeutig erkennbar und unterscheidbar.
Stil wird definiert als:
„Ein über einen langen Zeitraum hinaus gleich bleibendes Verhalten, das sich eindeutig, unverwechselbar, prägnant und geschlossen von anderen Stilen bzw. Verhaltensweisen abhebt und distanziert.“ (Bergler, 1963)
Dabei bedeutet „gleich bleibend“:
nicht identisch oder starr,
sondern typisch in der Art der verwendeten Verhaltens- und Äußerungsweisen.
Stil beschreibt:
nicht nur einzelne Verhaltensweisen,
sondern die Gesamtkonzeption einer Marke
einschließlich ihrer psychologischen Begründungen
Daher beginnt die psychologische Betrachtung von Markenkommunikation:
nicht erst bei der Markenführung,
sondern bereits beim markenspezifischen Kommunikationsstil
Dieser Stil führt zur Ausbildung einer Markenpersönlichkeit.
Eine Marke repräsentiert:
in eindeutiger und glaubwürdiger Form
die objektive Problemlösekompetenz eines Produkts
sowie dessen psychologische Problemlösekompetenz
Das Markenbild fungiert dabei als:
Symbol für das Produkt
Symbol für seine Bedeutung für den Konsumenten
Markenkommunikation ist zudem immer:
Ausdruck eines Zeitgefühls
Spiegel gesellschaftlicher und persönlicher Lebensstandards (Florack et al., 2007)
4.3.1 Geschichte psychologischer Markenführung
Die Entstehung des Markenartikels ist eng verknüpft mit:
wirtschaftlichen Veränderungen
gesellschaftlichen Entwicklungen
Diese Entwicklungen führten zur:
Markenpsychologie
Werbepsychologie
Konsumentenpsychologie
1) Technische und vertriebstechnische Entwicklungen
Durch technische Fortschritte wurden:
regionale und nationale Absatzmärkte erweitert
Massenprodukte über größere Distanzen vertrieben
Folge:
wachsende Anonymität zwischen Konsument und Hersteller
Verlust persönlicher Beziehungen und direkten Vertrauens
Der Hersteller kannte seine Käufer nicht mehr persönlich.
➡️ Der Markenartikel sollte:
das verlorene persönliche Vertrauen
durch Leistungskriterien ersetzen (Bergler, 1963)
2) Massenproduktion und wirtschaftliches Risiko
Massenproduktion erfordert:
hohe Investitionen
Diese bringen:
ein dauerhaftes wirtschaftliches Risiko
insbesondere bei Markterfolglosigkeit
Die psychologische Markenanalyse entwickelte sich deshalb als:
Präventionsstrategie
zur Verminderung dieses Risikos
3) Zunehmende Markenvielfalt und Konkurrenz
Mit wachsender Markenvielfalt entstand:
ein intensiver Konkurrenzkampf zwischen Marken
Zentrales Marketingziel:
Aufbau eines Attraktivitätsvorsprungs gegenüber Wettbewerbern
Konsequenz:
stärkeres Interesse an Marktsegmenten
psychologische Erforschung von Zielgruppen
Untersucht wurden u. a.:
unterschiedliche Bedürfnisse
Lebensstile
Einstellungen
Besonders relevant war dies, da immer mehr Menschen:
über das Existenzminimum hinaus konsumierten
4) Marke als neue Absatzform
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ermöglichte der Markenartikel:
ein neues Absatzsystem
neben anonymen Massenartikeln
Die Marke wurde als:
eigenständige Persönlichkeit konzipiert
direkt auf den Konsumenten ausgerichtet
Ziel:
Aufbau von Vertrauen
Erzeugung von Sympathie
In den vergangenen Jahrzehnten rückten:
psychologische Differenzierungsmerkmale
immer stärker in den Fokus.
Heute verfügen Marken über ein:
psychologisch-kommunikatives Wirkungsspektrum
Moderne Markenkommunikation:
zielt auf das Erleben persönlicher Bedeutsamkeit
soll Menschen emotional ansprechen
und zu bestimmten Handlungen motivieren (Florack et al., 2007)
4.3.2 Markenkategorien
Aus psychologischer Sicht lassen sich Marken als Zusammenfassungen einzelner Merkmale zu Kategorien verstehen.
Unsere Wahrnehmungs- und Gedächtnisleistung sorgt dafür, dass:
bestimmte Attribute
Bewertungen
Erfahrungen
mit einem Namen oder Symbol verknüpft werden. So entsteht eine Markenkategorie (vgl. Kapitel 3.1 „Verbale Prozesse“).
Neue Informationen werden im Kommunikationsprozess nicht neutral, sondern:
auf Basis des bereits vorhandenen Kategoriewissens
und der bestehenden Einstellung zur Marke
aufgenommen und bewertet (vgl. Kapitel 3.4.2 „Einstellung“).
Beim Markenerleben wirken daher immer zwei Informationsquellen zusammen:
Individuelles Vorwissen (z. B. Markenimage „Milka“)
Situative Information (z. B. tatsächlicher Geschmack der Schokolade)
Diese beiden Einflüsse sind nicht gleich stark:
Je nach Situation dominiert entweder das Markenimage
oder die konkret gemachte Produkterfahrung
Top-down- und Bottom-up-Verarbeitung
Die Richtung der Informationsverarbeitung wird unterschieden in:
Top-down-Verarbeitung → Das Markenimage beeinflusst die Wahrnehmung der Produkteigenschaften
Bottom-up-Verarbeitung → Die Produkteigenschaften beeinflussen das Markenimage
Welche Strategie genutzt wird, hängt von der jeweiligen Situation ab.
Für die Kommunikationspsychologie ist entscheidend zu verstehen, wann welche Verarbeitungsstrategie wahrscheinlicher ist.
Das Markenvorwissen spielt vor allem dann eine große Rolle, wenn:
die Verarbeitungsintensität gering ist
Produkteigenschaften nicht direkt wahrnehmbar sind
Unsicherheit besteht
In solchen Fällen dient das Markenimage als Orientierungshilfe.
➡️ Deshalb ist die Pflege des Markenimages aus kommunikationspsychologischer Sicht besonders wichtig.
Für viele Konsumenten ist der Kauf eines Laptops:
komplex
schwer vergleichbar
mit Unsicherheit verbunden
In solchen Kaufsituationen kann:
das Wissen über eine Marke
das Vertrauen in das Markenimage
das Verhalten steuern und den Kauf einer bestimmten Marke auslösen (Florack et al., 2007).
Stabilität von Markenkategorien
Einmal gebildete Markenkategorien sind:
beim Konsumenten sehr stabil
nur schwer zu verändern
Ein großer Teil des finanziellen Markenwerts besteht darin, dass:
Konsumenten bekannte Markeneigenschaften
auf neue Produkte übertragen
Bei bedarfsverwandten Produkten, z. B.:
ein Kleinwagen eines Nobelwagenherstellers,
spricht man von einer Line Extension.
Dabei:
wird das bestehende Image
ohne großen kognitiven Aufwand
durch Assoziation in bestehende Kategorien übernommen
Markenerweiterungen (Brand Extension), bei denen:
völlig neue Produktkategorien eingeführt werden,
stellen höhere Anforderungen an die Kommunikation.
Grundregel:
Je mehr Funktionen und Bedeutungen von Marke und neuem Produkt übereinstimmen,
desto wahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Imageübertragung
Entscheidend für den Erfolg ist die beim Konsumenten gespeicherte:
mentale Repräsentation von Marke und Produkt
Je nach Kategorisierung ergeben sich unterschiedliche Wahrnehmungen:
Gemeinsame Kategorisierung → Der neue Kleinwagen wirkt luxuriöser
Getrennte Kategorisierung → Der Kleinwagen wirkt weniger luxuriös, da er mit den hochpreisigen Produkten verglichen wird
Einfluss auf Kategorisierungsprozesse
Die Beeinflussung von Kategorisierungsprozessen bietet:
großen Spielraum für Marketing- und Werbekampagnen
Besonders wichtig sind periphere Merkmale, z. B.:
Farbwahl
Namenswahl
Gestaltungselemente
Diese Merkmale:
sind nicht direkt mit dem Produktnutzen verbunden
erleichtern aber die Zuordnung zur Marke
Je unähnlicher ein neues Produkt zur bisherigen Produktpalette ist, desto wichtiger werden diese peripheren Hinweise.
Eine magentafarbene Flasche würde:
sehr leicht der Marke Telekom zugeordnet werden,
auch wenn zwischen Produkt und Marke kein direkter Bezug besteht.
➡️ Die Kategorisierung wird erleichtert, aber:
eine erfolgreiche Imageübertragung
garantiert noch keinen Produkterfolg (Broniarczyk & Alba, 1994).
Besonders emotional aufgeladene Marken wie:
Apple
Coca-Cola
überzeugen häufig:
nicht (nur) durch objektive Produktqualität,
sondern durch kommunizierte Lifestyle- oder Genussattribute.
4.3.3 Angebotsvielfalt aus psychologischer Sicht (positive Wirkung)
Aus Sicht vieler Unternehmen erscheint eine große Angebotsvielfalt zunächst attraktiv:
Konsumenten erleben Überfluss als Normalzustand
Marken versuchen, möglichst alle Erwartungen zu erfüllen
eine breite Produktpalette soll mehr Käufer binden
Aus psychologischer Perspektive ist Angebotsvielfalt jedoch ambivalent: Sie kann förderlich, aber auch hemmend auf Kaufentscheidungen wirken.
1. Vielfalt als Zeichen von Reichtum und Freiheit
Vielfalt wird häufig als:
Reichtum
Überfluss
Wahlfreiheit
wahrgenommen. In westlichen Kulturen wird Wahlfreiheit hoch geschätzt, da sie:
Selbstausdruck ermöglicht
Selbstverwirklichung unterstützt
die Zufriedenheit mit der eigenen Entscheidung erhöht
2. Wahlfreiheit steigert subjektive Zufriedenheit
Eine Studie von Iyengar & Lepper (2000) zeigte:
Probanden bewerteten eine Schokolade als besser schmeckend, wenn sie sie selbst auswählen durften
ohne Auswahlmöglichkeit wurde die gleiche Schokolade schlechter bewertet
➡️ Die Möglichkeit zur Auswahl steigert also die subjektive Produktbewertung (Florack et al., 2007).
3. Höhere Kaufwahrscheinlichkeit und Markentreue
Mit zunehmender Angebotsvielfalt:
steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten ein passendes Produkt finden
erhöht sich die Markentreue
wächst die Sichtbarkeit der Marke
Mehr Produkte bedeuten:
höhere mentale Verfügbarkeit
stärkeres Markenwissen (vgl. Kapitel 4.3.2 „Markenkategorien“)
4. Vielfalt als Qualitätsindikator
Ein breites Sortiment kann dazu führen, dass eine Marke:
als kompetent
als Experte
als qualitativ hochwertig
wahrgenommen wird.
Studie von Berger & Draganska (2004):
Marken mit 6 Produkten wurden qualitativ höher bewertet
als Marken mit nur 3 Produkten – bei ansonsten vergleichbaren Produkten (z. B. Shampoo, Geschirrspülmittel).
Negative Wirkungen von Angebotsvielfalt
1. Überforderung durch zu große Auswahl
Zu viele Optionen können:
Konsumenten überfordern
Entscheidungsprozesse verlangsamen
Kaufentscheidungen verhindern
Konsumenten:
fühlen sich nicht mehr in der Lage, alle Alternativen zu prüfen
befürchten, die falsche Wahl zu treffen
erleben einen antizipierten Verlust nicht gewählter Eigenschaften
2. Sinkende Kaufwahrscheinlichkeit
Experiment von Iyengar & Lepper (2000):
6 Marmeladensorten → 30 % kauften
24 Marmeladensorten → nur 3 % kauften
➡️ Mehr Auswahl führte zu weniger Käufen.
3. Praxisbeispiel: Procter & Gamble
Procter & Gamble reduzierte die Shampoo-Serie Head & Shoulders:
von 26 auf 15 Varianten
+10 % Verkaufssteigerung (Florack et al., 2007)
4. Psychologische Erklärung der Überforderung
Mehrere Faktoren tragen zur negativen Wirkung von Überangebot bei:
Attraktivitätsverlust: Zwei attraktive Alternativen wirken weniger attraktiv, wenn man sich entscheiden muss (z. B. Glanz- vs. Volumenshampoo)
Negative Entscheidungsgefühle: Zweifel („Vielleicht wäre das andere besser gewesen“) werden auf das gewählte Produkt übertragen
Rolle von Involvement (Low vs. High)
Die negativen Effekte von Vielfalt betreffen nicht alle Konsumenten gleich stark.
Low Involvement
wenig Vorwissen
geringe Motivation zur Informationsverarbeitung
schnelle, oberflächliche Entscheidungen
➡️ Überforderung besonders wahrscheinlich
High Involvement
viel Vorwissen
klare Präferenzen
hohe Verarbeitungsbereitschaft
➡️ Größere Auswahl erhöht Zufriedenheit (Chernev, 2003)
beiläufige Informationsaufnahme
wenige verarbeitete Merkmale
viele akzeptable Alternativen
Ziel: Probleme vermeiden
aktive Informationssuche
viele verarbeitete Merkmale
wenige akzeptable Alternativen
Ziel: optimieren
Tabelle 9: Auswirkungen auf die Kommunikation
Ziel: häufige Kontakte
kurze, einfache Botschaften
Wirkung über Affekte
Bilder, Musik, Düfte
hohe Wiederholungsfrequenz
Ziel: überzeugen
ausführliche Inhalte
Wirkung über Argumente
Sprache
geringere Wiederholungsfrequenz
Für Unternehmen bedeutet das:
Je größer die Angebotsvielfalt,
desto wichtiger werden Kommunikationshilfen
Notwendig sind:
klare Strukturierung
Entscheidungshilfen
Informationsreduktion
Steigerung des Vorwissens
So können:
die positiven Effekte von Vielfalt
genutzt werden,
ohne Konsumenten zu überfordern.
Fazit
Breiten Marken wird eine höhere Qualität zugesprochen. Durch ihre gesteigerte
Präsenz können sie leichter neue Märkte erschließen und ihre Marke
erweitern. Die Vielfalt der Produkte wird überwiegend als positiv gesehen
und stellt ein weiteres Qualitätsmerkmal dar. Um die Überforderung des
Konsumenten zu verhindern, sind kommunikative Strategien notwendig, die
das Vorwissen steigern und als Entscheidungshilfe dienen können
4.3.4 Emotionale Markenkommunikation
Je stärker die emotionale Verbindung eines Konsumenten zu einer Marke ist, desto höher ist die Markentreue. Ziel emotionaler Markenkommunikation ist es daher, positive Gefühle dauerhaft mit der Marke zu verknüpfen.
Emotionale Markenkommunikation beruht auf klassischer Konditionierung (Pawlow):
Ein ursprünglich emotional wirksamer Reiz (z. B. Freude, Wärme, Erotik)
wird wiederholt gemeinsam mit der Marke präsentiert
bis allein der Markenname die Emotion auslöst
Analog zum Pawlowschen Hund (Futter → Speichelfluss; Glocke → Speichelfluss) überträgt sich die Emotion vom Reiz auf die Marke.
Für Werbung besonders geeignet sind angeborene Primäremotionen (vgl. 3.4.1 „Emotion“):
sie werden automatisch ausgelöst
sind kulturübergreifend relativ stabil
eignen sich gut für Low-Involvement-Situationen
Die Gestaltung emotionaler Werbung ist anspruchsvoll und hängt stark vom gezielten Reizeinsatz ab.
1. Stimmungen
Einsatz von Musik, Traumwelten, Landschaften
Wiederholung eines Leitmotivs erzeugt markenspezifische Assoziationen Beispiel: raue Dünenlandschaft in der Jever-Werbung
2. Erotik
sehr wirksam zur Aufmerksamkeitssteigerung, v. a. bei Low Involvement
Wirkung abhängig von Produkt und kreativer Umsetzung
Geschlechtsunterschiede: Frauen reagieren häufig sensibler und bewerten solche Anzeigen kritischer
3. Soziale Kontakte / Geselligkeit
besonders für Marken mit sozialem Erlebniswert
typische Werbetechniken:
Slice-of-Life: realitätsnahe Alltagssituationen mit erfolgreicher Produktnutzung
Life-Style: Produkt als Bestandteil eines bestimmten Lebensstils (Identifikationsangebot)
(Görgen, 2004)
fiktive Seife Hoba
Werbung kombiniert mit positiv emotionalen Bildern (schöne Frauen, Freundschaft, Ferienlandschaften)
24 Stunden später: Teilnehmer beschrieben Hoba als
zärtlich
fröhlich
erlebnisreich
erregend
➡️ Eine zuvor neutrale Marke wurde durch emotionale Konditionierung positiv aufgeladen (Kroeber-Riel, 1992).
Transformationelle Werbung
Die emotionale Bindung wird besonders durch transformationelle Werbung erreicht:
Menschen (Protagonisten) werden gezeigt,
die eine Marke nutzen
deren Gefühle sich positiv verändern (Emotional Flow)
wobei die Markennutzung Ursache dieser Gefühlsänderung ist
Wirkung auf Konsumenten (Abbildung 17):
Konsumenten empfinden Empathie mit den Protagonisten
erleben die Marke als für sich selbst relevant
finden, dass die Marke zu ihnen passt
entwickeln Kaufabsicht
Ergebnis für die Marke:
Nutzung verspricht angenehme Gefühle
Gefühle werden dauerhaft an die Marke gebunden
Damit transformationelle Werbung wirkt, müssen:
Situation und Gefühle der Protagonisten nachvollziehbar sein
Konsumenten die Gefühlsintensität miterleben können
Emotionale Bindung entsteht jedoch nicht allein durch Werbung:
Produktmerkmale und Bedürfnisbefriedigung sind ebenso entscheidend
Die Bindung wird stärker, wenn die Bedürfnisbefriedigung positiv emotional erlebt wird
(Florack et al., 2007)
4.3.5 Gestaltung der Markenkommunikation
Zur Markenkommunikation zählen alle Maßnahmen, mit denen:
das Markenwissen von Zielgruppen
sowie deren kognitive (gedankliche) und affektive (emotionale) Reaktionen
gezielt beeinflusst und gesteuert werden.
Zur Analyse werden zwei zentrale Fragen gestellt:
Was wird kommuniziert? → Inhalt
Wie wird kommuniziert? → Form
Anpassung an das Involvement der Zielgruppe
Die Gestaltung der Markenkommunikation muss an den Verarbeitungsstil der Empfänger angepasst werden.
Zielgruppen mit geringem Involvement (Low Involvement)
Wichtig sind:
einfache Wahrnehmung
geringe inhaltliche Komplexität
Anknüpfung an vorhandenes Wissen
Zentrales Merkmal:
Erkennen des Absenders (Marke)
Zielgruppen mit gemischtem Involvement
Zusätzlich notwendig:
High-Involvement-Elemente, z. B.:
inhaltliche Argumente
zusätzliche Informationen
Anforderungen:
Marke klar als Absender erkennbar
Kernbotschaft bildlich oder verbal prägnant
zusätzliche Informationen wie:
Argumente
Internetadresse
Reaktionsmöglichkeiten
4.4 Beratungskommunikation
Beratung ist keine klar abgegrenzte psychologische Disziplin, sondern eine Kommunikationsform, die:
im privaten Alltag
ebenso wie im professionellen Kontext
eine zentrale Rolle spielt.
Die psychologisch fundierte Beratung ist ein relativ junges Fachgebiet, das sich:
im Zuge der Industrialisierung
und parallel zur Entwicklung der Psychotherapie
entwickelt hat.
Beratung bezeichnet:
die systematische Unterstützung der Problemlösung einer ratsuchenden Person oder Organisation.
Merkmale:
Bezug auf aktuelle oder zukünftige Probleme
kurz- oder langfristige Zielsetzungen
Formen und Varianten der Beratung
Beratung kann sehr unterschiedlich gestaltet sein, z. B. als:
reine Informationsvermittlung
Hilfe zur Verhaltensänderung
Problemlösung
verdeckte Intervention
direkte Anweisung
Im wirtschaftlichen und organisationalen Kontext sind besonders verbreitet:
Mediation
Coaching
Supervision
Mentoring
Vermittlung durch eine neutrale dritte Person
zwischen mindestens zwei Konfliktparteien
Ziel: konfliktfreie Einigung
strukturierter Ablauf
spezielle Ausbildung erforderlich
Typische Anwendungsfelder:
Tarifkonflikte
Vertragsrecht (außergerichtlich)
Mobbing
Scheidungsprozesse
Begleitung einer Person (Coachee)
bei komplexen Aufgaben oder Veränderungssituationen
Zieldefinition erfolgt durch den Coachee selbst
Charakteristisch:
Fokus auf optimale Zielerreichung
häufig im mittleren und oberen Management
Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher Arbeit
systemische Reflexion des eigenen Handelns
Entscheidungshilfe
weniger Alltagsbegleitung als beim Coaching
Formen:
Einzel- oder Gruppensupervision
kontinuierlich oder situativ
Intervision: kollegiale Supervision
Supervisoren:
benötigen spezielle Supervisionsausbildung
Weitergabe von Wissen und Erfahrung
von einer erfahrenen Person (Mentor)
an eine weniger erfahrene Person (Mentee)
Abgrenzung zum Coaching:
Mentor ist nicht neutral
häufig Teil der Personalentwicklung
(Warschburger, 2009)
Gemeinsame kommunikative Grundlage aller Beratungsformen
Alle Beratungsformen haben ein zentrales Ziel: ➡️ Veränderung
Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an die Kommunikation:
Fokus auf Kommunikationsresultate
bewusste Emotionsregulation
Der Berater muss:
die eigenen Emotionen regulieren, um eine angemessene Haltung zu zeigen
die Emotionen des Ratsuchenden beeinflussen, um Lösungsprozesse zu ermöglichen
Da Veränderung nur durch den Beratungsnehmer erfolgt, sind dessen:
Bereitschaft zur Umsetzung
entscheidend für den Beratungserfolg.
Motivation als kommunikativer Prozess
Die bloße:
Erteilung von Ratschlägen
oder Weitergabe von Informationen
zeigt oft geringe Wirksamkeit.
Gründe:
Widerstände
geringe Motivation
Motivation ist keine reine Eigenschaft der Person, sondern ein interpersonaler Kommunikationsprozess.
Das Motivational Interviewing stellt einen besonders wirkungsvollen Ansatz dar.
gehört zu den Perspektivübernahme-Modellen
ist direktiver als z. B. das Carl-Rogers-Modell
Zentrale Prinzipien:
Identifikation intrinsischer Ziele des Rezipienten
Aktivierung vorhandener Veränderungsbereitschaft
Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens
Rolle des Beraters:
empathische Grundhaltung
bewusstes Herausarbeiten und Verstärken bestehender Diskrepanzen
Anstoß von Verhaltensänderungen
(Miller & Rollnick, 2002)
Die zuvor behandelten Kommunikationsprozesse (Emotion, Kognition, Motivation etc.) stellen zentrale Methoden der Beratungsarbeit dar.
Kognitiver Fokus:
Entwicklung von Zielvorstellungen
Konzepte zur Arbeitsteilung oder Aufgabenklärung
Emotionaler Fokus:
Perspektivübernahme
Bewusstmachen gegenseitiger Bewertungen
Bearbeitung von Beziehungsebene und Konflikten
In der modernen Wirtschaftspraxis gewinnen Online- und mediengestützte Beratungsangebote stark an Bedeutung.
Chancen:
neue Zugänge
hohe Reichweite
niedrigere Hemmschwellen
Risiken:
möglicher Qualitätsverlust
eingeschränkte nonverbale Kommunikation
Forschungsstand:
erhöhte Selbstoffenbarung in anonymen Settings
mögliche Nähe trotz Distanz
offene Fragen:
Unterschiede zwischen Beratungsformen
Wirksamkeit in verschiedenen Beratungsmodellen
Berater haben großen Einfluss auf den Verlauf der Kommunikation durch:
gezielte Vorschläge
verbales und nonverbales Feedback
Schärfung der Wahrnehmung des Ratsuchenden
➡️ Beratung ist daher immer aktive Kommunikationsgestaltung.
Lernkontrollfragen
Aufgabe 4.1
Definieren Sie, in welchen Kontexten persönliche Kommunikation in der
Wirtschaftspraxis stattfinden kann.
Aufgabe 4.2
Welche Komponenten tragen zum großen Einfluss der persönlichen Kommunikation
bei?
Aufgabe 4.3
Erläutern Sie den Begriff ‚Situationsinvolvement‘ im Zusammenhang mit
der Konsumentenkommunikation.
Aufgabe 4.4
Durch welche Faktoren wird das Bild des Meinungsführers unterstützt?
Aufgabe 4.5
Welche Kategorien von Meinungsführern können von Unternehmen
bewusst eingesetzt werden?
Aufgabe 4.6
Definieren Sie Massenkommunikation.
Aufgabe 4.7
Wie können nonverbale Reize in der Massenkommunikation eingesetzt werden?
Aufgabe 4.8
Welche Maßnahmen gibt es gegen Gruppendenken?
Aufgabe 4.9
Welche Faktoren beinhaltet die psychologische Betrachtung von Markenkommunikation?
Aufgabe 4.10
Welche Faktoren trugen zum heutigen Markenstand bei?
Aufgabe 4.11
Beschreiben Sie den Unterschied im Umgang mit Informationen von Kunden
mit High Involvement und Low Involvement.
Aufgabe 4.12
Welche Reize tragen typischerweise zur emotionalen Konditionierung bei?
Aufgabe 4.13
Wozu wird das 3-K-Prinzip eingesetzt?
Aufgabe 4.14
Welche Beratungsformen lassen sich in der Wirtschaftspraxis finden?
Aufgabe 4.15
Worauf beruht die Methode des Motivational Interviewing?
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